L 5 RJ 1/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 RJ 738/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 1/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Unter den Beteiligten ist streitig, ob weitere versicherungsrechtlich bedeutsame Zeiten bei der Berechnung der Altersrente der Versicherten zu berücksichtigen sind.

Die Versicherte ist die am ... geborene und am 20. April ... verstorbene Ehefrau des Klägers. Sie erhielt von der Beklagten Altersrente. Diese wurde gemäß Bescheid vom 20. Juni 1995 unter Zugrundelegung von Beitragszeiten für die Zeit bis zum 20. November 1970 sowie vom 01. Juli 1990 bis 30. Juni 1996 berechnet. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Versicherte vor, als mithelfendes Familienmitglied in einem selbständigen gewerblichen Kleinindustrieunternehmen sei ihr im Grunde keine rentenrechtliche Absicherung möglich gewesen. Als Ausnahme hätte gegolten, mit ausdrücklicher Zustimmung des Finanzamtes beim gewerbetreibenden Ehegatten als familienversichert in der Staatlichen Versicherung für Krankheits- und Rentenanspruch abgesichert zu werden. Die Zeit als mithelfendes Familienmitglied müsse jedoch als rentenrechtliche Zeit, zumindest als Ersatzzeit Eingang in die Rentenberechnung finden.

Mit Bescheid vom 15. November 1996 berechnete die Beklagte die Rente rückwirkend zum Rentenbeginn unter Berücksichtigung von Zeiten als mithelfende Ehefrau in den Monaten September, Oktober und Dezember 1970 neu.

Im Übrigen wies sie am 30. Juni 1997 den Widerspruch zurück. Ab 01. Januar 1971 sei gemäß der Verordnung über die Sozialversicherung der Inhaber privater Betriebe, der freiberuflich Tätigen und anderer selbständig Tätiger vom 15. Dezember 1970 ohne Rücksicht auf die Zahl der Beschäftigten die Versicherungspflicht normiert worden. Keine Versicherungspflicht habe bestanden, wenn die Gesamteinkünfte den Betrag von 900,00 M im Jahr unterschritten hätten. Diese Vorschriften seien auch für die mitarbeitenden Familienangehörigen eingeführt worden. Nachweise über eine Beitragszahlung zur Rentenversicherung bzw. Sozialversicherung ab 01. Januar 1971 seien nicht vorgelegt worden.

Hiergegen hat die verstorbene Versicherte das Sozialgericht Chemnitz angerufen. Die Beklagte beziehe sich auf Versicherungsbestimmungen für Familienangehörige, nicht für "Ehegatten selbständig Tätiger". Ab 01. Januar 1971 seien Ehegatten der pflichtversicherten selbständig Tätigen pflichtversichert, wenn sie bei der Ausübung der Tätigkeit des Pflichtversicherten ständig mitarbeiteten und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit mindestens 900,00 M im Kalenderjahr betrügen. Eine Entgeltzahlung durch ihren Ehegatten an sie, verbunden mit einer Sozialversicherungs-Beitragsabführung, sei ab dieser Zeit gesetzeswidrig und auch nicht gefordert gewesen. Die Abgaben für ihre Tätigkeit, die nachweislich über 900,00 M Jahreseinkommen betragen hätten, seien über die Steuer des Ehemannes eingezogen worden. Im Übrigen seien bei der Jahreserklärung 1982 800,00 M Sonderausgaben berücksichtigt worden. Nach der Anleitung zum Ausfüllen der Jahreserklärung seien als Sonderausgaben nur die eigenen Sozialversicherungs-Pflichtbeiträge anzusetzen. Es seien höchstens 500,00 M abzugsfähig. Dieser Betrag erhöhe sich im Fall der Zusammenveranlagung um je 300,00 M für die Ehefrau und für jedes Kind, das bis zum 31. Dezember 1971 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und für das Kinderermäßigung gewährt werden (Anleitung zum Ausfüllen des Jahreserklärung 1972). Nach der Erklärung des Ehemanns der verstorbenen Versicherten in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 1999 hat diese von ihm seit dem 01. Janaur 1971 keinen Lohn bezogen. Aus dem Ausweis der verstorbenen Versicherten für Arbeit und Sozialversicherung geht hervor, dass sie ab dem 01. Januar 1971 familienversichert war.

Mit Urteil vom 19. Oktober 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach der Verordnung über die Sozialversicherung der Inhaber privater Betriebe, der freiberuflich Tätigen und S. 771 ff.) habe für Ehegatten der pflichtversicherten selbständig Tätigen bei der Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR Pflichtversicherung bestanden, wenn sie bei der Ausübung der Tätigkeit des Pflichtversicherten ständig mitarbeiteten und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit mindestens 900,00 M im Kalenderjahr betrügen. Die Versicherte habe jedoch keinen Lohn bezogen und auch keine Beiträge zur Rentenversicherung im streitigen Zeitraum entrichtet.

Hiergegen richtet sich die am 05. Januar 2000 eingegangene Berufung. Einkünfte seien nicht dem Entgelt aus einer Tätigkeit gleichzustellen. Die in den Urteilsgründen angeführte Vorschrift entspreche inhaltlich nicht der späteren Verordnung einschließlich 1. Durchführungsbestimmung aus dem GBl. DDR II 1971 S. 121 ff.

Nachdem die Versicherte am 24.04.2000 verstorben ist, führt der Ehegatte den Rechtsstreit als Rechtsnachfolger fort und trägt vor, seine Ehefrau habe nie Lohn von ihm erhalten dürfen und sei vor dem 01.01.1971 auch nicht als mithelfende Ehegattin tätig gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Oktober 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rente von L ... P ... unter Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen für die Zeit vom 01.01.1971 bis 30.06.1990 seit Rentenbeginn neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Privater Betriebe vom 15. Dezember 1970 habe ab 01. Januar 1971 generell Versicherungspflicht sowohl für die selbständigen Unternehmer als auch die mithelfenden Ehefrauen bestanden, sofern letztere als Mitarbeiter im Betrieb (Lohnbuch) geführt worden seien und Entgelt über 900,00 M jährlich bezogen hätten. Aus steuerlichen Gründen (zweifache Veranlagung mit erhöhtem Steuersatz) sei aber in den meisten Betrieben auf die Vergütung der Ehefrau verzichtet worden. Die Versicherte habe diese Tatsache in ihrem Brief bzw. Widerspruch vom 08. Juli 1997 bestätigt. Dieser "Verzicht" auf regelmäßiges Einkommen der Ehefrau habe vom Finanzamt genehmigt werden müssen, da dadurch ein anderer Steuersatz auf das Gesamteinkommen der Eheleute anzuwenden gewesen sei. Versicherungsrechtlich sei dann aus einer ursprünglich bestehenden Pflicht zur Beitragszahlung eine Familienversicherung mit Anspruch auf Sachleistungen der Sozialversicherung geworden. Im SV-Ausweis sei der entsprechende Eintrag der Staatlichen Versicherung korrekt ab 01. Januar 1971 vorgenommen worden. Dieser Eintrag sei Beweis für die tatsächlich nicht mehr bestehende Versicherungspflicht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zurückzuweisen. Zu Recht haben die Beklagte und das SG entschieden, dass der verstorbenen Versicherten keine höhere Rente zusteht.

Die geltend gemachten Zeiten sind nicht als weitere Beitragszeiten anzuerkennen. Nach § 55 SGB VI sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind, Beitragszeiten. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Gemäß § 248 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung noch vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Eine Beitragszahlung für die Verstorbene zur gesetzlichen Rentenversicherung ist im fraglichen Zeitraum jedoch nicht feststellbar.

Auch als Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Sinne des Artikels 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) ist die streitige Zeit nicht anzuerkennen. Nach § 19 Abs. 1 RÜG sind Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit solche, in denen nach den im Beitrittsgebiet geltenden Rechtsvorschriften Versicherungspflicht zur Sozialpflichtversicherung oder zur gesetzlichen Rentenversicherung bestand, für die Beiträge nicht erstattet wurden. Die insoweit einzig einschlägige Ausnahme, wonach gemäß Artikel 2 § 19 Abs. 2 Nr. 15 RÜG auch Zeiten als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gelten, in denen Versicherte weder pflichtversichert noch beitragspflichtig als mitarbeitender Ehegatte eines selbständig Tätigen tätig waren, gilt lediglich für die Zeit bis 31. Dezember 1970.

Vom 01. Januar 1971 an bestand für die verstorbene Versicherte weder Versicherungspflicht zur Sozialpflichtversicherung noch zur gesetzlichen Rentenversicherung in Gestalt der Staatlichen Versicherung der DDR. In § 2 der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung der Inhaber privater Betriebe, der freiberuflich Tätigen und anderer selbständig Tätiger vom 15. Dezember 1970 (GBl. DDR Teil II Nr. 102, S. 771), die am 01. Januar 1971 in Kraft trat, war in Abs. 3 vorgesehen, dass Ehegatten der pflichtversicherten selbständig Tätigen bei der Sozialversicherung der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik pflichtversichert sind, wenn sie bei der Ausübung der Tätigkeit des Pflichtversicherten ständig mitarbeiten und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit mindestens 900,00 M im Kalenderjahr betrügen. Nach § 5 Abs. 2 der Verordnung war Grundlage für die Berechnung der Beiträge der ständig mitarbeitenden Ehegatten der im Kalenderjahr auf ihre Arbeitsleistung entfallende Anteil an den Einkünften des selbständig Tätigen aus versicherungspflichtiger selbständiger Tätigkeit, mindestens jedoch der entsprechend der tatsächlichen Arbeitszeit einem gleichartig beschäftigten Werktätigen zu zahlende Tariflohn. In § 8 der Verordnung war im Übrigen geregelt, dass die - nicht pflichtversicherten - Familienangehörigen der Pflichtversicherten Anspruch auf Sachleistungen sowie als Hinterbliebene auf Rentenleistungen nach den Rechtsvorschriften hatten. In der 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Sozialpflichtversicherung der Inhaber privater Betriebe, der freiberuflich Tätigen und anderer selbständig Tätiger vom 29. Dezember 1970 wurde zu § 2 der Verordnung in § 2 Abs. 2 der Durchführungsbestimmung normiert, dass für die Feststellung der Versicherungspflicht sowie die Festsetzung und den Einzug der Beiträge der Rat des Kreises zuständig ist, bei dem die Besteuerung nach dem Einkommen erfolgt. Vom zuständigen Rat des Kreises stammt dann auch die Eintragung, wonach für die Verstorbene Versicherungspflicht nicht bestehe. Entgegenstehendes ist auch z. B. der Jahreserklärung 1971 nicht zu entnehmen, die im Verfahren vorgelegt wurde. Ein Hinweis darauf, dass die verstorbene Versicherte bei ihrem Ehegatten tätig gewesen ist, ist der Erklärung nicht zu entnehmen. Vielmehr ist in der Rubrik "war 1971 tätig als" eingetragen: "o. B." Wenn Versicherungspflicht hier bestanden hätte, wäre für die etwaige Beitragsberechnung jedoch gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung vom 15. Dezember 1970 der Teil der Einkünfte anzugeben gewesen, der auf die Tätigkeit der verstorbenen Versicherten entfallen wäre. Auch in den Jahreserklärungen 1973 wird "o. B." angegeben. In der Jahreserklärung 1986 wird trotz Vorgabe einer Rubrik "Freibetrag für die Mitarbeit des Ehegatten" dort nichts eingetragen, ebenso wenig in der Jahreserklärung 1987. Aus den Erklärungen lässt sich auch nicht ablesen, dass damals geltend gemacht worden sei, die verstorbene Versicherte sei im streitigen Zeitraum nicht lediglich als familienversichert anzusehen, sondern als mithelfende Ehegattin tätig geworden und versicherungspflichtig. Die nunmehr im Rentenverfahren vorgetragene anders lautende Behauptung ist angesichts der dagegensprechenden zeitnäheren Erklärungen und des Eintrages als Familienversicherte im SV-Ausweis nicht überzeugend. Eine andere Rechtslage hat auch die Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. Januar 1975 (GBl. DDR Teil I Nr. 8, S. 143ff) nicht gebracht. In § 23 Abs. 3 dieser Verordnung war normiert, dass Ehegatten der selbständig Tätigen bei der Sozialversicherung pflichtversichert seien, wenn sie bei der Ausübung der Tätigkeit des Pflichtversicherten ständig mitarbeiteten und ihre der Berechnung des Beitrages zugrunde liegenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit mindestens 900,00 M im Kalenderjahr betrugen. In § 27 der Verordnung war geregelt, dass der Rat des Kreises, Abteilung Finanzen, die Aufgabe habe, die Versicherungspflicht der selbständig Tätigen und ihrer selbständig mitarbeitenden Ehegatten festzustellen und die Beiträge festzusetzen. § 29 bestimmte, dass die Räte der Kreise, Abt. Finanzen, im Einvernehmen mit den zuständigen Kreisdirektionen bzw. Kreisstellen der Staatlichen Versicherung der DDR über die Versicherungspflicht entschieden, sofern sich Zweifelsfragen über die Versicherungspflicht oder die Beitragsberechnung ergaben. Dies entsprach im Wesentlichen der bereits dargestellten Rechtslage vor In-Kraft-Treten der zuletzt genannten Verordnung aus dem Jahr 1975.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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