L 5 RJ 221/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 13/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 221/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 05. August 1999 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 08. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1996 für die Zeit vom 01. Dezember 1994 bis 31. Januar 1995 vorgezogenes Übergangsgeld und ab 02. März 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.
II. Die Beklagte hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die am ... geborene Klägerin arbeitete vom 1. September 1966 bis 30. März 1971 als Maschinenreinigerin. Danach war sie vom 1. April 1971 bis 31. Mai 1984 in verschiedenen Berufen beschäftigt, unter anderem als Postzustellerin, als Hauswirtschaftspflegerin und als Herdhilfe. Vom 1. Juni 1984 bis 31. Dezember 1991 arbeitete sie als Elektrohelferin und Schlosserin (ab 1. Juli 1991 als vollbeschäftigte Facharbeiterin), vom 10. Februar bis 12. Juni 1992 ausschließlich als Schlosserin. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung im Wege der Erwachsenenqualifizierung - die Schulung fand jeweils freitags und samstags neben der normalen Arbeitszeit statt - hatte sie unter dem 15. Juli 1990 ein Facharbeiterzeugnis als Betriebsschlosserin mit dem Gesamtergebnis gut erworben. In der Zeit vom 24. August 1992 bis 23. August 1993 war sie im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Hilfsmalerin tätig. Seitdem geht sie keiner Beschäftigung mehr nach. Arbeitsunfähigkeit besteht seit Juni 1994.

Am 2. März 1995 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Bereits in der Zeit vom 21. Juni 1994 bis 19. Juli 1994 hatte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 14. Februar 1994 medizinische Leistungen zur Rehabilitation in der Kurpfalz-Klinik in Bad D ... gewährt, nachdem Herr Dr. W ..., Facharzt für Innere Medizin, nach einer Begutachtung im Rahmen einer vorangegangenen Rentenantragstellung eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hatte. Im Entlassungsbericht vom 19. August 1994 hatten Herr Dr. Z ..., Chefarzt, Herr Dr. St ..., Leitender Arzt/Abteilung Rheumatologie, und Herr Dr. K ..., Assistenzarzt, bei der Klägerin eine chronische Lumbalgie links bei ligamentärer Insuffizienz sowie einen Uterus myomatosus mit interkurrent anhaltenden Blutungen diagnostiziert. Sie hatten eingeschätzt, bei der Klägerin liege aus orthopädischer Sicht ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor, sofern häufiges Bücken und schweres Heben vermieden würden.

Auch in der Zeit vom 1. Februar 1995 bis 1. März 1995 hatte die Beklagte der Klägerin medizinische Leistungen zur Rehabilitation in der Kurpfalz-Klinik gewährt (Antrag vom 28. Dezember 1994). Herr Dr. Z ..., Chefarzt, und Herr Dr. St ..., Leitender Arzt/Abteilung Rheumatologie, hatten im Entlassungsbericht vom 8. März 1995 einen Zustand nach operativer Revision eines Bandscheibenprolapses diagnostiziert. Sie hatten mitgeteilt, aus jetziger Sicht bestehe möglicherweise Berufsunfähigkeit für den erlernten Beruf als Schlosserin. Eine andauernde Erwerbsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei jedoch nicht zu erwarten. Vielmehr bestehe für leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Einseitigkeit und ohne Erfordernis von Wirbelsäulen-Rotation ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Im Rahmen des Rentenverfahrens gewährte die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 15. August 1995 bis 12. September 1995 erneut medizinische Leistungen zur Rehabilitation (Anschlussheilbehandlung auf Antrag vom 17. Juli 1995), diesmal in der Klinik am Brunnenberg in Bad ... Im Entlassungsbericht vom 21. November 1995 stellten Herr Dr. B ..., Facharzt für Orthopädie und Chefarzt, sowie Herr Diplom-Mediziner H ..., Stationsarzt, bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen einen Zustand nach Renukleotomie L 5/S 1 von links, Neurolyse S 1, chronische Pankreatitis und chronische Bronchitis fest. Sie votierten bei der Klägerin für ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Knien, Hocken, Heben, Tragen, Bewegen von Lasten sowie ohne Leiter-, Gerüstarbeit und Absturzgefahr.

Dieser Einschätzung schloss sich Frau Diplom-Medizinerin W ..., Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin, Beratungsärztin, in der Stellungnahme des Ärztlichen Prüfdienstes vom 18. Dezember 1995 im Wesentlichen an, jedoch mit der Maßgabe, dass auch längere Anmarschwege und Überkopfarbeit vermieden werden müssten.

Mit Bescheid vom 8. März 1996 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zurück. Unter Berücksichtigung des Zustands nach Bandscheibenvorfall im Dezember 1994, des Zustands nach Rezidiv-Bandscheibenoperation im Juni 1995, der chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung und der chronischen Bronchitis bestehe noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 27. März 1996 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1996 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nicht mehr in ihrer überwiegend ausgeübten Tätigkeit als Werkhilfe tätig sein, jedoch ganztägig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit wechselnder Arbeitshaltung, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie ohne häufiges Bücken, ohne Absturzgefahr und ohne Überkopfarbeiten verrichten. Als Werkhilfe Instandhaltung sei sie der Berufsgruppe des angelernten Arbeiters zuzuordnen und somit auf alle ungelernten Tätigkeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung zumutbarer Tätigkeiten bedürfe.

Die dagegen am 9. Januar 1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig durch Urteil vom 5. August 1999 abgewiesen. Seine Entscheidung hat es nach Einholung von ärztlichen Befundberichten und weiteren medizinischen Unterlagen insbesondere auf drei Gutachten gestützt.

Im Terminsgutachten vom 10. Juni 1998 hat Herr Dr. G ..., Chefarzt des Städtischen Klinikums "St. Georg" Leipzig, bei der Klägerin eine Lungenfunktionsminderung, ein mehrfach operiertes Bandscheibenleiden, eine Bauchspeicheldrüsenerkrankung, Knieverschleiß und ein Glaukom diagnostiziert. Wegen der erst im Mai 1998 festgestellten Einschränkung der Lungenfunktion von über 50 Prozent bedürfe es eines internistischen Gutachtens.

Im Gutachten vom 20. Juli 1998 nach einer Untersuchung der Klägerin am 14. Juli 1998 hat Herr Dr. P ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Sozialmedizin, als Gesundheitsstörungen eine reaktiv somatisierende Depression, wiederkehrende Rückenbeschwerden bei allgemeiner Rumpfmuskelschwäche mit regionalen Muskelverspannungen bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation wegen Bandscheibenvorfall, gemischtförmiges Asthma bronchiale auf der Grundlage einer nachgewiesenen Gräser- und Getreidepollenallergie, eine Gallenblasenentfernung und eine Unterleibsoperation mit Eileiterentfernung mitgeteilt. Es bestehe - auch wenn die genaue Dioptrienzahl der Brille nicht bestimmt werden könne - ein ausreichendes Sehvermögen für Nähe und Ferne. Er hat eingeschätzt, dass für leichte körperliche Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzanteil ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe, sofern Arbeiten mit Absturzgefahr, ständigen Zwangshaltungen, häufigem Bücken ausgeschlossen seien und der Einfluss von Stäuben, Rauchen, Gasen und Dämpfen vermieden werden könne. Eine dauerhafte Tätigkeit als Schlosserin komme nicht mehr Betracht.

Herr Dr. Sch ...hat in seinem Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vom 16. Februar 1999 nach einer Untersuchung der Klägerin am gleichen Tag mitgeteilt, aus neurologischer Sicht bestünden keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Die sonstigen Auffälligkeiten wiesen einen ausgesprochen demonstrativen bzw. aggravativen Charakter auf. Psychopathologisch lasse sich allenfalls ein reaktiv-subdepressives Syndrom feststellen. Die geklagten körperlichen Beschwerden könnten nicht objektiviert werden. Da sich in der Exploration auch keine erheblichen Hinweise für eine Somatisierungsstörung von Krankheitswertigkeit ergeben hätten, müsse im Zusammenhang mit den eindeutig demonstrativen und aggravativen Mechanismen ein sthenisches Verfolgen der Rentenangelegenheit im Sinne eines Versorgungsbegehrens angenommen werden. Die Asthmaanfälle dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ausgeprägte psychogene Komponente haben. Die Kopfschmerzsymptomatik spiele nur eine untergeordnete Rolle. Die Bauchspeicheldrüsenfunktionsstörung bedürfe nur noch einer Kontrolle. Die Glaukomerkrankung werde behandelt und beobachtet. Die Bandscheibenproblematik habe sich nach der zweiten Operation stabilisiert. Von einer Verschlechterung könne insofern keine Rede sein. Insgesamt hat er eingeschätzt, der Klägerin seien leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegendem Sitzanteil noch vollschichtig möglich, sofern Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen bzw. am Fließband unter Zwangshaltungen vermieden würden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Das jetzige Leistungsbild bestehe seit der letzten stationären Heilbehandlung im Jahre 1995.

Das Sozialgericht hat argumentiert, die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch einen solchen auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Ausführungen der Sachverständigen seien schlüssig und widerspruchsfrei. Die Klägerin sei dazu in der Lage, eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Zwar gehe sie zutreffend davon aus, dass ihr im Hinblick auf ihre einjährige Qualifikation zur Betriebsschlosserin Berufsschutz zustehe, sie könne jedoch auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft oder Pförtnerin verwiesen werden.

Gegen das am 9. August 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 17. August 1999 eingegangenem Schreiben vom 16. August 1999 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Neuer Sachvortrag ist ihrerseits nicht erfolgt.

Die Klägervertreterin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 5. August 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1996 abzuändern und der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 31. Januar 1995 vorgezogenes Übergangsgeld und ab 2. März 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils. Sie ist der Auffassung, die von der Klägerin in der Zeit von September 1989 bis Juli 1990 durchlaufene Ausbildung als Betriebsschlosserin könne nicht einer Ausbildungsdauer von 42 Monaten gleichgestellt werden. Es werde bezweifelt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit das volle Spektrum des Berufsbildes auf Facharbeiterniveau ausgefüllt habe und dass sie über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfüge, die in ihrer Berufsgruppe üblicherweise erwartet würden. Es werde weiterhin auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft/Mitarbeiterin in einer Poststelle verwiesen, da die Klägerin der Gruppe der Angelernten des oberen Bereichs zuzuordnen sei.

Der Senat hat eine Auskunft bei der Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen vom 23. Mai 2000 eingeholt, wonach empfohlen wird, den von der Klägerin erworbenen Berufsabschluss als "Betriebsschlosserin" mit dem Abschluss "Industriemechaniker/Betriebstechnik" gleichzustellen. Es handele sich hierbei um einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf nach dem Bundesbildungsgesetz, welcher eine Ausbildungszeit von 42 Monaten erfordere.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 2. März 1995 zu. Für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 31. Januar 1995 hat sie einen Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld.

Nach § 43 Absatz 2 Satz 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Gemäß Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Satz 4 bestimmt ausdrücklich, dass berufsunfähig nicht ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit bestimmt sich nach der qualitativen Wertigkeit des bisherigen Berufs. "Bisheriger Beruf" im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, Urteil vom 27. Februar 1997, Az.: 13 RJ 5/96, NZS 1997, Seite 478 [479]). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie die qualitativ höchste ist.

"Bisheriger Beruf" der Klägerin ist ihre Tätigkeit als Schlosserin. Diesen Beruf kann die Klägerin jedenfalls nach allen im Anschluss an die erste Rehabilitationsmaßnahme erstellten sozialmedizinischen Untersuchungen nicht mehr ausüben. Vielmehr sind ihr ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 21. November 1995 und ausweislich der beiden Gutachten von Herrn Dr. P ... vom 20. Juli 1998 und von Herrn Dr. Sch ... vom 16. Februar 1999 nur noch leichte Arbeiten möglich, während der Schlosserberuf zumindest mittelschwere - zum Teil sogar schwere - Tätigkeiten erfordert.

Zumutbare Verweisungstätigkeiten sind von der Beklagten weder benannt worden noch sonst ersichtlich.

Welche Verweisungstätigkeiten dem Versicherten noch zumutbar sind, richtet sich - wie bereits dargelegt - nach der qualitativen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Dieser wiederum ist nach einem von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Stufenschema zu beurteilen, welches verschiedene Berufsgruppen - je nach Bedeutung, Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität des Berufs - unterscheidet. Danach ist zu differenzieren zwischen Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierten Facharbeitern, Facharbeitern (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), angelernten Arbeitern (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und ungelernten Arbeitern. Im Rahmen des § 43 Absatz 2 SGB VI sind dem Versicherten im Allgemeinen nur Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe zumutbar, soweit sie ihn nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen und seinem beruflichen Können und Wissen nicht überfordern (BSG, Urteil vom 27. Februar 1997, Az.: 13 RJ 5/96, NZS 1997, Seite 478 [479]).

Die Zuordnung zu einem der genannten Leitberufe richtet sich grundsätzlich nach der Ausbildungsdauer. Erforderlich ist aber eine Gesamtschau aller möglichen Bewertungskriterien - wie tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufs (siehe KassKomm-Niesel, SGB VI, Rdnr. 52).

Nach diesen Kriterien ist der bisherige Beruf der Klägerin als Schlosserin der Stufe des Facharbeiters zuzuordnen. Die Klägerin verfügt über eine entsprechende Facharbeiterausbildung und war über viele Jahre im Schlosserberuf tätig. Dass sie diese Ausbildung im Rahmen einer Erwachsenenqualifizierung mit nur einjähriger Dauer erworben hat, steht einer Einstufung als Facharbeiterin nicht entgegen, weil ihr Abschluss nach der Empfehlung der Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen vom 23. Mai 2000 demjenigen eines "Industriemechanikers/Betriebstechnik" gleichzustellen ist und dieser eine Ausbildungszeit von 42 Monaten erfordert. Das von der Klägerin erworbene Facharbeiterzeugnis als Betriebsschlosserin vom 15. Juli 1990 stellt eine Urkunde im Sinne des § 418 ZPO dar und begründet nach Absatz 1 dieser Vorschrift den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, also den erfolgreichen Abschluss der Facharbeiterausbildung. Der Gegenbeweis ist möglich, jedoch über schlichtes Bestreiten hinaus substantiiert anzutreten (siehe Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 20. Auflage, 1997, ZPO, § 418, Rdnr. 3). Der Vortrag der Beklagten, eine einjährige Erwachsenenqualifizierung könne einer dreijährigen Facharbeiterausbildung nicht gleichgestellt werden, genügt diesen Anforderungen nicht. Denn der Erwerb einer Facharbeiterqualifikation im Wege der Erwachsenenqualifizierung zeichnete sich gegenüber einer regulären Berufsausbildung gerade dadurch aus, dass neben der Vermittlung der praktischen Fähigkeiten während der normalen Arbeitszeit die Vermittlung der theoretischen Kenntnisse davor oder danach und auch am Wochenende im Rahmen eines Schulbesuches erfolgte. Insoweit ist es nachvollziehbar, dass eine derartige Facharbeiterausbildung eine erheblich geringere Zeit beanspruchte als die übliche Ausbildung zum Facharbeiter.

Da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Facharbeiter nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Angelernten verweisbar sind, muss die Verweisungstätigkeit zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern oder wegen ihrer Qualität tariflich wie ein sonstiger Ausbildungsberuf bewertet werden (siehe KassKomm-Niesel, § 43, Rdnr. 105 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist für die Klägerin zumindest seit Beginn des Monats der Stellung des zweiten Antrags auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (28. Dezember 1994) keine Tätigkeit ersichtlich, auf die sie zumutbar verwiesen werden könnte. Denn bereits nach Abschluss der ersten Rehabilitationsmaßnahme stand fest, dass sie unter einer chronischen Lumbalgie litt.

Die von der Beklagten benannten Tätigkeiten einer Pförtnerin und einer Bürohilfskraft erfordern keine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten und können deshalb nur Angelernten des oberen Bereichs, nicht aber Facharbeitern zugemutet werden.

Der Rentenbeginn war auf den 2. März 1995 festzusetzen, weil die Klägerin für die Rehabilitationsmaßnahme vom 1. Februar 1995 bis 1. März 1995 einen Anspruch auf Zahlung von Übergangsgeld hatte. Für diesen Zeitraum war ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 116 Absatz 1 Satz 2 SGB VI ausgeschlossen. Gleiches gilt gemäß § 116 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 SGB VI für den Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 31. Januar 1995, da die Klägerin insoweit einen Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld hatte. Die Rente wäre nämlich ab der Antragstellung im Dezember 1994 zu zahlen gewesen (vgl. § 116 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI). Arbeitsunfähigkeit bestand bereits zuvor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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