L 6 RJ 323/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 2 RJ 955/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 323/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 09. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren sind.

Die am ... geborene Klägerin absolvierte in der Zeit von August 1982 bis Juli 1984 eine Ausbildung zum Maschinisten für Außenanlagen. Über ein Zeugnis hierüber verfügt sie nicht mehr. Sie arbeitete in diesem Beruf bis November 1984. Nach der Geburt ihrer Tochter arbeitete sie von Juni 1985 bis Februar 1987 und von Juni 1988 bis September 1992 als Raumpflegerin.

Bereits im Oktober 1993 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, welcher von der Beklagten jedoch abschlägig beschieden wurde. Am 11.09.1996 beantragte sie erneut eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer Deformierung des linken Handgelenkes.

Die Beklagte zog einen Befundbericht von Dipl.-Med. M ... vom 23.09.1996 bei, wonach bei der Klägerin seit 6 Jahren Schmerzen im linken Handgelenk radial bestehen und ließ die Klägerin durch Dr. K ... am 05.11.1996 gutachterlich untersuchen. Der Sachverständige fand bei der klinischen Untersuchung eine erhebliche Funktionseinschränkung der linken Hand und des Unterarms mit aufgehobenem Kraftsinn. Die Klägerin war wegen fortdauernder Beschwerden im Juni 1996 am linken Handgelenk operiert worden (Verkürzungsosteotomie der Speiche des linken Armes). Nach Auffassung des Gutachters waren der Klägerin lediglich leichte Arbeiten vollschichtig ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr und nicht an laufenden Maschinen zumutbar. Für die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten wurde das Leistungsvermögen auf unter 2 Std. festgesetzt, während auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe.

Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.01.1997 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab. Zwar bestehe bei der Klägerin eine schmerzhafte Handgelenksknochenarthrose links mit Abbauerscheinungen des Mondbeines bei Zustand nach Verkürzungsosteotomie der Speiche mit noch liegenden Verschraubungen, hieraus folge eine erhebliche Minderbelastbarkeit und Funktionseinschränkung der linken Hand und des Unterarms, ferner leide sie an Adipositas, Arthralgie des linken Kniegelenks und zeitweisen Gichtanfällen, jedoch könnten mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten noch vollschichtig ausgeübt werden. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente seien hingegen erfüllt. Anspruch auf Invalidenrente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes bestehe ebenfalls nicht.

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 29.01.1997. Nach Angaben unabhängiger Gutachter hätte ihr nach dem Renten-Überleitungsgesetz Rente wegen EU bzw. BU für einen Zeitraum von 2 Jahren zugesprochen werden müssen. Außerdem sei sie am 21.01.1997 erneut operiert worden.

Die Beklagte zog die Epikrisen des Kreiskrankenhauses W ..., Abt. Gynäkologie, vom 15.05.1997 und 26.05.1997 bei. Außerdem lag der Beklagten der Befundbericht von Dipl.-Med. M ... vom 05.09.1997 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar sei aufgrund des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung (Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand) nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, obwohl die Klägerin grundsätzlich als ungelernte Arbeiterin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen seien ihr jedoch Tätigkeiten als Telefonistin, Pförtnerin und Aufsichtskraft im Museum zumutbar. Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der §§ 43 und 44 SGB VI bestehe daher nicht. Ebenso bestehe kein Anspruch auf Invalidenrente nach Artikel 2 § 7 RÜG.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 23.10.1997 zum Sozialgericht Dresden (SG). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert habe. Insbesondere habe sie sich einem gynäkologischen Eingriff unterziehen müssen. Weiterhin seien die zeitweise auftretenden Gichtanfälle zu beachten. Ferner sei bei der Klägerin nunmehr eine erhebliche psychische Erkrankung feststellbar.

Das SG hat umfangreich medizinisch ermittelt und folgende medizinische Unterlagen beigezogen: Unterlagen des Arbeitsamtes B ... einschließlich des medizinischen Gutachtens vom 21.04.1997, MDK-Gutachten vom 30.05.1994, Befundbericht von Dr. J ..., Frauenarzt, vom 31.03.1998, Befundbericht von Dipl.-Med. S ... M ..., Orthopäde, vom 02.04.1998, Befundbericht von Dr. R ... vom 22.04.1998, Befundbericht von Dr. L ... vom 10.04.1998, Befundbericht von Dr. L ... vom 25.04.1998 und Befundbericht von Herrn R ..., Arzt der Psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses S ..., vom 28.07.1998. Ferner wurde Oberarzt Dr. G ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie des Krankenhauses D ..., mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. Er diagnostizierte auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine neurasthenische Neurose mit rascher Erschöpfbarkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit, allgemeiner Unsicherheit, Depression und Angst. Ein Zusammenhang der Beschwerdesymptomatik mit emotionalen Konflikten/psychosozialen Problemen sei nachweisbar. Die sich von der Anamnese her bereits abzeichnende neurotische Genese der Beschwerdesymptomatik habe sich durch die testpsychologische Diagnostik eindrucksvoll bestätigen lassen. Für eine hirnorganische Störung ergebe sich jedoch kein Anhaltspunkt. Aufgrund der erhobenen Befunde sei das Leistungsvermögen der Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer Sicht zwar qualitativ beeinträchtigt, aber nicht quantitativ bezüglich der möglichen Arbeitszeit vermindert. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die Klägerin daher mit einer zumutbaren Willensanstrengung leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an geistige und psychische Belastbarkeit/ohne Zeitdruck/ohne Stress vollschichtig ausüben. Leistungsmotivation und Ausdauer seien neurotisch bedingt beeinträchtigt, jedoch nicht so weitgehend, dass eine vollschichtige Tätigkeit nicht möglich sei. Nicht beeinträchtigt seien Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Gewissenhaftigkeit, Selbständigkeit des Handelns und Denkens, Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögen, Reaktionsvermögen und Umstellungsfähigkeit, praktische Anstelligkeit und Findigkeit sowie die Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel.

Ferner wurde im Auftrag des Gerichts noch ein orthopädisches Gutachten über die Klägerin erstellt. In dem Gutachten vom 06.08.1999 kommt die Gutachterin Frau Dr. P ... zu der Schlussfolgerung, dass die Klägerin leichte körperliche Arbeiten ausführen kann. Es kämen Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen in Betracht. Sie könne sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen arbeiten. Bestimmte Verrichtungen, die eine uneingeschränkte Funktion der linken Hand erforderten, könnten nicht ausgeführt werden. So sei das Heben, Tragen und Halten schwerer Lasten linksseitig nicht möglich. Auch der Umgang mit Werkzeugen in der linken Hand könne nicht gefordert werden. Ebenso sei eine Teilkörpervibration der linken Hand und des Unterarms zu vermeiden. Bücken und Treppensteigen seien uneingeschränkt möglich. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten erforderten unter Umständen eine Sicherung mit der linken Hand und sollten deshalb gemieden werden. Arbeiten im Büro und am Bildschirm könnten in Erwägung gezogen werden. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin die ihr zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.09.1999 ab. Das SG führte aus, dass die Klägerin nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei. Nach der letzten beruflichen Tätigkeit als Raumpflegerin sei die Klägerin der Gruppe der ungelernten Arbeiterinnen zuzuordnen. Vom Beruf des Maschinisten für Wärmekraftwerksaußenanlagen habe sich die Klägerin aus nicht gesundheitlichen Gründen gelöst, so dass kein Berufsschutz bestehe. Nach den Gutachten stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar sei. Die von Dr. G ... diagnostizierte neurasthenische Neurose sei nach Auffassung des Gutachters zu überwinden. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die Klägerin daher mit einer zumutbaren Willensanstrengung leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an geistige und psychische Belastbarkeit/ohne Zeitdruck/ohne Stress vollschichtig ausüben. Auch nach dem Gutachten von Frau Dr. P ... könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten ausführen, wobei Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen in Betracht kämen. Die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht die ihr zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben. Diesen gutachterlichen Ausführungen schließe sich das Gericht an. Die Gutachten seien sorgfältig und sachkundig erstellt, die gutachterlichen Ausführungen ließen weder Denkfehler noch sonstige Widersprüche und Mängel erkennen. Mit dem danach noch anzunehmenden Leistungsvermögen könne die Klägerin die Tätigkeit der Raumpflegerin nicht mehr ausüben. Da diese Tätigkeit aber dem ungelernten Bereich zuzuordnen sei, könne die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Die konkrete Benennung eines Arbeitsplatzes sei nicht erforderlich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes bestehe. Dies führe dazu, dass die Klägerin bestimmte Verrichtungen, die eine uneingeschränkte Funktion der linken Hand erforderten, nicht ausführen könne. Es liege hiermit jedoch nicht bereits eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Somit lägen weder Berufsunfähigkeit, noch Erwerbsunfähigkeit, noch Invalidität im Sinne des Artikels 2 § 7 Abs. 3 RÜG vor.

Gegen den dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.11.1999 zugestellten Gerichtsbescheid wandte sich die Klägerin mit der Berufungsschrift vom 09.12.1999. Zur Berufungsbegründung ist vorgetragen, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehe, welche sie daran hindere, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und damit Entgelt zu erzielen. Die Klägerin sei weder auf dem 1. noch auf dem 2. Arbeitsmarkt vermittelbar, so dass durch eine angemessene Tätigkeit die neurotischen Störungen weder gebessert noch beseitigt werden könnten. Sie sei aufgrund der gutachterlich festgestellten neurasthenischen Neurose nicht in der Lage, eine angemessene Tätigkeit zu verrichten. Hinzu komme die schwere spezifische Leistungseinschränkung wegen der Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand.

Die Klägerin habe zwischenzeitlich ihr linkes Handgelenk versteifen lassen, so dass schon deshalb der Anspruch der Klägerin berechtigt sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 09.09.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 16.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.07.1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Invalidität nach Artikel 2 § 7 RÜG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Dresden für zutreffend. Insbesondere liege keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Die bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen qualitativer Art seien vielmehr Ausdruck dessen, dass sie eben nur noch leichte Tätigkeiten verrichten könne. Es handele sich demnach um eine Anzahl gewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Auch bei Berücksichtigung der Versteifungsoperation sei eine schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht feststellbar. Eine Benennungspflicht einer konkreten Verweisungstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe daher nicht. Schließlich sei der Klägerin auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Nach der Rechtsprechung des BSG liege Erwerbsunfähigkeit auch dann vor, wenn der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Die Rechtsprechung des BSG habe hier einen Katalog mit insgesamt 7 Fallgruppen erstellt. Dieser Katalog sei nach der Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 abschließend. Im Fall der Klägerin sei jedoch keiner dieser Fälle gegeben. Insbesondere seien keine betriebsunüblichen Pausen erforderlich.

Der Senat hat zur weiteren Sachverhaltsaufklärung eine ergänzende Stellungnahme des im SG-Verfahren angehörten Gutachters Dr. G ... beigezogen. In der Stellungnahme vom 23.06.2000 führte Dr. G ... aus, dass die Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer Sicht vollschichtig als Bürohilfskraft, Mitarbeiterin einer Poststelle oder Pförtnerin mit Publikumsverkehr einsatzfähig sei. Lediglich auf Wechselschicht sollte verzichtet werden. Des Weiteren wurde beigezogen ein Befundbericht von Dipl.-Med. M ... vom 19.10.2000. Dieser teilte mit, dass orthopädischerseits keine Veränderungen seit der Begutachtung aufgetreten seien. Eine Tätigkeit als Bürohilfskraft oder Pförtnerin sei der Klägerin möglich. Ferner liegt ein Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ... vom 13.11.2000 vor, bei welchem die Klägerin seit dem 07.10.1999 in Behandlung ist. Er diagnostizierte eine schwere reaktive Depression. Ab Mai 2000 habe sich die schwere reaktive Depression in eine hypochondrisch depressive Störung, also in eine Neurose umgewandelt. Auch bestehe die Symptomatik eines beginnenden hirnorganischen Psychosyndroms. Dem Befundbericht beigefügt war die Verlaufsdokumentation über die Behandlung der Klägerin. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2001 äußerte sich Dr. P ... nochmals zum gesundheitlichen Zustand der Klägerin. Nach seiner Ansicht bestehe bei der Klägerin ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Verlangsamung, Schwungarmut und Aufmerksamkeitsstörung, welche die berufliche Einsetzbarkeit beeinflussten. Mit diesen Symptomen sei auf Dauer keine Aufmerksamkeit und Konzentration erfordernde Leistung möglich. Dies bedeute, dass die Tätigkeit als Telefonistin oder als Pförtnerin nicht problemlos möglich sei.

Auf Anforderung des Gerichts erstellte Frau Dr. H ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, am 24.09.2001 ein Gutachten über die Klägerin. Die Sachverständige stellte fest, dass bei der Klägerin die Grundstimmung nach klinischem Eindruck leicht- bis mittelgradig depressiv ausgelenkt sei ohne Hinweise auf zirkadiane Schwankungen und ohne Hinweis auf organische Überlagerung. Der Antrieb sei ausreichend, keine kognitiven Leistungseinschränkungen, insbesondere keine Störungen der Hirnleistungsfähigkeit, gut erhaltene höhere Intelligenzfunktion mit guter Überschau- und Umstellungsfähigkeit. Es sei eine umfangreiche testpsychometrische Untersuchung durchgeführt worden, weil vom betreuenden Nervenarzt eine hirnorganische Leistungsminderung mitgeteilt worden sei. Bei der durchgeführten Begutachtung seien jedoch klinisch-pathologisch keine Hinweise auf Hirnleistungsminderung gefunden worden. Dieser Befund könne testpsychometrisch bestätigt werden. Auch im durchgeführten EEG zeigten sich keine Hinweise, die man typischerweise bei chronischen Durchblutungsstörungen als Folge eines Bluthochdrucks finden könne. Damit bliebe nur die neurotische Depression mit allgemeinem psychosomatischen Beschwerdebild zu beurteilen. Diese Symptomatik sei bereits vom Vorgutachter festgestellt worden. Bei der Begutachtung ließe sich jetzt eine leichte bis mäßige depressive Gestimmtheit belegen. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht antidepressiv behandelt werde. Demzufolge sei vom behandelnden Nervenarzt eine Alltagsrelevanzdepression nicht angenommen worden, d. h. die Klägerin sei in der Lage, ihre Alltagsaufgaben zu bewältigen. Die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben sei durch die neurotische Persönlichkeitsstörung mit neurotischer Depression bei depressiver Persönlichkeitsstruktur qualitativ, aber nicht quantitativ beeinträchtigt. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten in wechselvoller Körperhaltung vollschichtig, d. h. 8 Std. täglich, verrichten. Dabei sei wegen der psychischen und psychopathologischen Symptomatik Nachtarbeit und Akkordarbeit ungünstig. Zu berücksichtigen seien weiterhin die fachfremden Diagnosen, insbesondere die Funktionsminderung des linken Handgelenkes. Die sich hieraus ergebenden qualitativen Funktionseinschränkungen seien im fachorthopädischen Gutachten ausführlich dargestellt. Ein belangvoller organneurologischer Befund, der weitere qualitative Funktionsminderungen bedingen würde, könne nicht erhoben werden. Die Klägerin sei in ihrem Denken und Handeln selbständig, sei verantwortungsbewusst und gewissenhaft. Die zur Aufnahme einer Arbeit notwendige Leistungsmotivation könne ihr zugemutet werden und sei aufgrund der erhobenen psychischen und psychopathologischen Befunde auch nicht vermindert. Die Wegefähigkeit sei bei der Klägerin gegeben. Nach dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses W ... über den stationären Aufenthalt vom 08.05. bis 14.05.2001 liege eine uneingeschränkte Kniebeweglichkeit und subjektives Wohlbefinden bei der Klägerin vor. Die Klägerin könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Die Klägerin könne als Pförtnerin tätig sein, als Mitarbeiterin einer Poststelle und auch als Bürohilfskraft, wenn die qualitativen Funktionseinschränkungen berücksichtigt werden. Die Tätigkeit als Reinigungskraft sei ihr wegen der Funktionsminderung des linken Handgelenkes nicht mehr zumutbar. Da Hirnleistungsstörungen fehlten, sei sie in der Lage, sich auf andere Tätigkeiten als die zuletzt ausgeübte um- und einzustellen. Die Klägerin sei in der Lage, die zur Verfügung stehenden Therapieangebote anzunehmen und zu nutzen und motiviert mitzuarbeiten. Die psychische und psychopathologische Symptomatik sei damit besserungsfähig und nach angemessener Behandlungsdauer auch überwindbar.

Des Weiteren liegt dem Gericht der Entlassungsbericht des Krankenhauses W ... über die Kniegelenksspiegelung der Klägerin vom 31.05.2001 sowie der Bericht über die Arthrodese des linken Handgelenks vom 27.09.2001 vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144 SGG) erweist sich als unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Dresden (SG) die Klage abgewiesen, denn die Klägerin ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung. Das Gesetz ist in dieser Fassung anzuwenden, da die Klägerin sich auf einen Leistungsfall aus dem Jahr 1996 und damit vor dem 31.12.2000 bezieht, § 300 Abs. 2 SGB VI.

Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann.

Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164). Dies war bei der Klägerin die Tätigkeit einer Reinigungskraft, welche sie zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat. Auf diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit käme es dann nicht an, wenn die Klägerin früher eine höherwertige (Facharbeiter-)Tätigkeit ausgeübt hätte, die sie aus gesundheitlichen Gründen hätte aufgeben müssen. Letzteres ist bei der Klägerin nicht der Fall. Sie hat zwar wohl eine Ausbildung zur Maschinistin für Wärmekraftwerksaußenanlagen absolviert und war als solche kurze Zeit beschäftigt, doch hat sie sich von dieser Tätigkeit gelöst, ohne dass gesundheitliche Gründe für diesen Wechsel ausschlaggebend waren. Vielmehr erfolgte die Lösung von diesem Beruf freiwillig. Zum einen sagte diese Tätigkeit der Klägerin nicht zu, zum anderen ließ sich nach Angaben der Klägerin die Tätigkeit einer Reinigungskraft leichter mit der Erziehung ihrer Kinder vereinbaren. Die damit für die Bestimmung des bisherigen Berufes maßgebliche Tätigkeit einer Reinigungskraft kann die Klägerin bei Würdigung der vorliegenden Befunde nicht mehr ausüben. Einer derartigen Tätigkeit steht vor allem die Behinderung an der linken Hand sowie die Tatsache entgegen, dass die Klägerin lediglich noch leichte Arbeiten verrichten kann.

Dennoch ist die Klägerin nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Sie ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen sie mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann. Zur Bestimmung auf welche Tätigkeiten ein leistungsgeminderter Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten. Später hat das BSG diesen 3 Gruppen noch eine weitere Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion hinzugefügt (vgl. BSGE 43, 243), zu welcher auch besonders hoch qualifizierte Facharbeiter gehören (BSGE 45, 276). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter gliedert sich in einen oberen und in einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 109, 132, 143). Dem unteren Bereich unterfallen alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildung oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- und Anlernzeit von über 12 Monaten bis zu 24 Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Diesem Schema ist eigentümlich, dass jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden kann, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind als es dem bisherigen Beruf entspricht.

In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist die Klägerin der Gruppe mit dem Leitberuf der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Tätigkeit einer Reinigungskraft mit keinerlei Ausbildung oder einer längeren betrieblichen Einweisung verbunden ist.

Als Ungelernte kann die Klägerin aber zumutbar auf andere ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass grundsätzlich eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Zu Recht hat das SG auch festgestellt, dass die Klägerin hinsichtlich des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig leistungsfähig ist. Zu diesem Ergebnis gelangen übereinstimmend alle mit der Sachlage befassten medizinischen Sachverständigen. Die von ihnen erstellten Gutachten sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Sie stimmen mit den erhobenen Befunden überein. Auch die Einschätzung der behandelnden Ärzte weicht nicht im Wesentlichen davon ab. So stellte der behandelnde Orthopäde dem Gericht gegenüber klar, dass ein Einsatz der Klägerin als Pförtnerin oder Bürohilfskraft möglich sei. Der behandelnde Neurologe und Psychiater hielt zwar solche Tätigkeiten nicht für problemlos möglich, begründete dies aber mit dem Verdacht auf Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms, welcher sich testpsychologisch nicht bestätigte. Die diagnostizierte Depression hielt auch er nicht für alltagsrelevant.

Im Ergebnis aller Begutachtungen sind der Klägerin zumindest leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zumutbar. Darüber hinaus bedingen die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen weitere qualitative Einschränkungen. So ist ihr weder Nachtarbeit zumutbar noch Akkordarbeit, noch eine Tätigkeit, die eine volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand voraussetzt. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht jedoch begründen die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen nicht. Das Leistungsvermögen der Klägerin wird vor allem durch die Behinderung der linken Hand bestimmt. Hierbei handelt es sich nach den vorhandenen Unterlagen um eine Lunatummalazie, welche eine Radiusverkürzungsosteotomie und letztlich eine Versteifung des Handgelenks erforderlich machte. Diese Funktionsbehinderung der linken Hand hat jedoch lediglich Einschränkungen hinsichtlich des qualitativen Leistungsvermögens zur Folge. Hieraus abgeleitet sind der Klägerin nur noch leichte Arbeiten zumutbar ohne schwere Belastungen des linken Handgelenkes. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht resultiert hieraus jedoch nicht.

Auch die bei der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehende Erkrankung hat keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens zur Folge. Durch die Begutachtung durch Frau Dr. H ... konnte zunächst der vom behandelnden Neurologen geäußerte Verdacht ausgeräumt werden, dass bei der Klägerin ein hirnorganisches Psychosyndrom besteht. Im Ergebnis der Begutachtung steht fest, dass eine Hirnleistungsschwäche ausgeschlossen ist. Vielmehr wird die Klägerin als gut konzentrationsfähig und gut reaktionsfähig beschrieben. Sie ist bei gutem Überschau- und Umstellungsvermögen, verantwortungsbewusst und gewissenhaft. Ein organneurologischer Befund, der quantitative oder qualitative Funktionsminderungen zur Folge hätte, konnte bei der Begutachtung gerade nicht erhoben werden. Der bei der Klägerin bestehenden neurotischen Depression wird dadurch Rechnung getragen, dass nach dem Votum von Frau Dr. H ... Nachtarbeit und Akkordarbeit nicht zumutbar sind. Im Übrigen gelangte Frau Dr. H ... jedoch wie der Vorgutachter Dr. G ... zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanspannung dazu in der Lage ist, die psychische und psychopathologische Symptomatik zu bessern und nach angemessener Behandlungsdauer zu überwinden. Auch die übrigen bei der Klägerin bestehenden Krankheitsbilder (Gichtanfälle, Bluthochdruck, Übergewicht, Zustand nach Schilddrüsenoperation) führen zu keiner zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens.

Der Klägerin steht auch nicht unter Berücksichtigung einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 ist der Nachweis und die Benennung einer speziellen Verweisungstätigkeit erforderlich, sofern eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung besteht. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nach sich zieht, ist von der Rechtsprechung des BSG zum Beispiel bei Einarmigkeit angenommen worden. Eine derartige schwere spezifische Leistungsbehinderung besteht bei der Klägerin auch bei Berücksichtigung der im September 2001 erfolgten Operation des Handgelenks nicht. Zwar wurde das Handgelenk versteift, doch wurde die Funktionsfähigkeit der Finger und des Ellenbogengelenks im Wesentlichen aufrechterhalten. Insofern können mit dem linken Arm noch bestimmte Verrichtungen ausgeführt werden, so dass der Behinderung allein dadurch Rechnung getragen wird, dass nur noch leichte Arbeiten ohne besondere Belastungen der linken Hand gutachterlich für zumutbar gehalten werden. Selbst wenn man jedoch bei der Klägerin die bestehende Versteifung der linken Hand einer Einarmigkeit funktionell gleichsetzen wollte, läge keine Berufsunfähigkeit vor, denn als zumutbare Verweisungstätigkeit kann die Tätigkeit einer Pförtnerin benannt werden. Diese Tätigkeit sowie die Tätigkeit einer Telefonistin oder einer Aufsichtskraft in einem Museum wurden der Klägerin bereits durch die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.09.1997 benannt. Bei der Tätigkeit eines Pförtners handelt es sich um leichte Tätigkeiten in einem geschlossenen beheizten Raum. Die Tätigkeit wird überwiegend im Sitzen verrichtet; es besteht jedoch die Möglichkeit, ab und zu aufzustehen und umherzugehen. Diese Tätigkeit ist der Klägerin auch unter Berücksichtigung einer Versteifungsoperation des linken Handgelenkes zumutbar. Zwar müssten auch in gewissem Umfang Notizen gemacht werden, doch ist dies der Klägerin, die Rechtshänderin ist, unproblematisch möglich. Die übrigen Voraussetzungen für diese Tätigkeit bringt sie mit, insbesondere wurde sie von der Gutachterin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet als verantwortungsbewusst und gewissenhaft umschrieben. Ebenso liegt bei ihr die notwendige Umstellungsfähigkeit für eine neue Tätigkeit vor.

Nachdem somit Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht vorliegt, hat sie erst recht keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der strengeren Vorschrift des § 44 SGB VI (a. F.).

Auch ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Invalidität nach der Übergangsvorschrift des Artikel 2 § 7 RÜG besteht nicht, weil die Klägerin - bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit - nicht invalide im Sinne des Absatzes 3 dieser Vorschrift ist.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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