Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 Vs 628/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 1/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. November 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.
Der am ... geborene Kläger beantragte erstmals am 08.02.1991 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz zu treffen. Als Gesundheitsstörung gab er dabei die Amputation des rechten Unterschenkels im Jahre 1958 mit Folgeschäden in Form einer schmerzhaften Überbelastung des linken Fußes und Kniegelenkes, der Abnutzung der Hals- und Lendenwirbelsäule an sowie Bruch des linken Fußgelenkes im Jahre 1979, Diabetes mellitus und schmerzhafte Verletzung des linken Hüftgelenkes im Jahre 1981 mit Abnutzungserscheinungen. Dem Beklagten lagen Krankenunterlagen des Rates des Kreises der Stadt G ... vor sowie Krankenunterlagen des Bezirkskrankenhauses C ... Mit Bescheid vom 05.06.1991 stellte der Beklagte eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" fest unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort wie auch im Folgenden als "Behinderungen" bezeichnet): 1. Verlust des Beines im Unterschenkel rechts, Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bds, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Zuckerkrankheit, 4. Bluthochdruck.
Hiergegen legte der Kläger am 12.07.1991 Widerspruch ein, mit dem er die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" begehrte. Mit Teilabhilfebescheid vom 21.08.1991 stellte der Beklagte unter Beibehaltung der ursprünglichen Feststellungen ferner die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "B" fest und wies mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.1991 den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurück; der Kläger erfülle nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Der Kläger beantragte am 15.10.1991 bei dem Beklagten die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" wegen einer Gelenkverschlimmerung im Hüftbereich und der übrigen orthopädischen Erkrankungen. Nachdem der Beklagte einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet beigezogen hatte, lehnte er mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 24.01.1992 den Antrag des Klägers ab.
Der Kläger beantragte am 25.01.1993 erneut die Zuerkennung des Merkzeichens "aG"; die Leiden im Bereich des linken Beines sowie im Bereich der Wirbelsäule hätten sich verschlimmert. Der Beklagte zog einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet bei und stellte mit Änderungsbescheid vom 02.11.1994 eine Behinderung mit einem GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "G" unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen fest: 1. Verlust des Beines rechts im Unterschenkel, Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes bds., Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Zuckerkrankheit, Bluthochdruck. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wurde abgelehnt.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.1994 wegen der Nichtzuerkennung des Merkzeichens "aG" Widerspruch eingelegt. Der Beklagte zog nochmals einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet bei (Bl. 73 VA) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1995 den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 1995 Klage beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat zur Klärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. Z ... Der Sachverständige kommt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das bei der Untersuchung demonstrierte Gehvermögen des Klägers für die Beantwortung und Bewertung des Gehvermögens nicht verwertbar sei. Der Kläger laufe hier schwerfällig, steifbeinig und vornübergeneigt. Aus dem freien Stand bewege er sich nur zögernd fort. Bei der Funktionsuntersuchung sei keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am geklagten linken Hüftgelenk feststellbar. Das Gehvermögen läge erheblich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten noch zugemutet werden könne. Der Kläger sei nicht mit dem durch das Merkzeichen "aG" begünstigenden Personenkreis vergleichbar; auf das Gutachten im Übrigen (Bl. 72 ff. SG-Akte) wird Bezug genommen.
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 27.11.1996 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" feststelle. Zur Begründung hat das SG sich im Wesentlichen auf das keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am beklagten linken Hüftgelenk feststellen können; der Unterschenkelstumpf rechts sei grundsätzlich prothesenfähig. Nach den objektiven Untersuchungsbefunden sei eine Gehfähigkeit über 100 Meter möglich. Der Kläger sei daher nicht dem Personenkreis gleichgestellt, der das Merkzeichen "aG" beanspruchen könne.
Gegen das mit eingeschriebenem Brief vom 11.12.1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.01.1997 eingelegte Berufung, mit der der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" weiterverfolgt.
Mit Änderungsbescheid vom 16.02.2000 hat der Beklagte eine Behinderung mit einem GdB von 100 unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen festgestellt: 1. Verlust des Beines im Unterschenkel rechts, Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes beidseits, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Lungenfunktionsbeeinträchtigung, 4. Zuckerkrankheit, Bluthochdruck.
Der Kläger macht geltend, er benutze eine alte Prothese; neue Prothesen seien nie so hergerichtet worden, dass er sie benutzen könne. Bei dem Kläger liege eine allgemeine Leistungsinsuffizienz vor. Auch seien bei der Vergabe des Merkzeichens "aG" internistische Leiden zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27.11.1996 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1995 zu verurteilen, bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass bei dem Kläger kein moderner Prothesenstumpf angepasst werden könne.
Mit Beweisanordnung vom 03.11.1998 hat das Gericht Dr. G ... auf orthopädischem Fachgebiet zum Sachverständigen ernannt. Der Sachverständige teilte sodann mit Schreiben vom Januar 1999 mit, dass der Kläger aufgrund eines schlechten Allgemeinzustandes zur Untersuchung nicht habe kommen können, so dass sich die Erstellung des Gutachtens verschiebe. Mit weiterem Schreiben vom April 1999 hat der Sachverständige die Gutachtenunterlagen zurückgesandt, da der Kläger bei der Vorstellung aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes beim Internisten habe vorgestellt werden müssen. Der Kläger sei sodann später nochmals angerufen worden, wobei er mitteilte, er fühle sich nicht in der Lage, in den nächsten sechs bis acht Wochen zu einem Gutachtentermin zu erscheinen. Dr. G ... teilte weiter mit, dass die massive Leistungsinsuffizienz des Klägers wohl nicht durch internistische Erkrankungen erklärt werden könne und dass nach der Aktenlage die orthopädischen Befunde für die Anerkennung des Merkzeichens "aG" schwerlich ausreichen würden, so dass er empfehle, das Verfahren generell ruhen zu lassen.
Dem Gericht lagen ferner vom Kläger eingereichte Krankenunterlagen von Dr. T ... auf internistischem Fachgebiet vor. Mit Beschluss vom 19.05.1999 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Kläger hat am 14.12.1999 das Verfahren unter Vorlage von Krankenunterlagen des Klinikums C ... wieder aufgerufen. Der sodann zuständige 1. Senat des LSG hat Befundberichte von Dr. W ... auf internistischem Fachgebiet und von Dr. H ... ebenfalls auf internistischem Fachgebiet beigezogen; auf die Befundberichte (Bl. 114 f.; 119 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Schwerbehindertenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 02.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1995 in der Fassung des Bescheides vom 16.02.2000, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG".
Nach dem Schwerbehindertenrecht hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für diesen Nachteilsausgleich festzustellen und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen (§ 4 Abs. 4 des "Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft [Schwerbehindertengesetz - SchwbG]" in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.08.1986 [BGBl. I S. 1421, ber. S. 1550], § 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung - SchwbAwV -). Dieses Merkzeichen berechtigt den Behinderten, bei der Teilnahme am Straßenverkehr bestimmte Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen; diese Vergünstigungen sind in § 46 StVO und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift (VV) vom 22.07.1976 in der Fassung vom 19.03.1992 (BAnz 1992, 2285) näher geregelt und konkretisiert. Der Ausweis mit dem Merkzeichen "aG" befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der außergewöhnlichen Gehbehinderung ergibt sich indes nicht aus dem Schwerbehindertenrecht unmittelbar, sondern aus § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, auf den § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbvAwV verweist, in Verbindung mit Nr. 11, II 1 der genannten VV zu § 46 StVO. Danach ist außergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann.
Zu diesem begünstigten Personenkreis zählen zunächst Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind. Bei diesem Personenkreis liegen vornehmlich Schädigungen der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß vor, die bewirken, dass Beine und Füße die ihnen zukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen.
Zu diesem im Einzelnen angesprochenen Personenkreis gehört der Kläger indes nicht.
Neben den vorstehend beispielhaft aufgeführten Behinderungen zählen zum berechtigten Personenkreis nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO aber auch diejenigen Behinderten, die nach versorgungsärztlicher Feststellung aufgrund von Erkrankungen dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Für eine Gleichstellung mit dem in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften im einzelnen genannten Personenkreis kommt es dabei nicht entscheidend auf die vergleichbare allgemeine Schwere der Leiden an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleich zu achten sind. Der Leidenszustand muss also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 18, Nr. 28; Urteil des BSG vom 13.12.1994 - Az.: 9 RVs 3/94 -). Dabei ist zu beachten, dass der Begriff der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" rechtstechnisch einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der als normatives Tatbestandsmerkmal durch eine entsprechende Wertung auszufüllen ist. Dabei beinhaltet die vorgenannte Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO eine Auslegungshilfe dieses unbestimmten Rechtsbegriffs für die Verwaltung. Im Streitfall obliegt es jedoch letztendlich den Gerichten, das normative Tatbestandsmerkmal der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" inhaltlich zu füllen. Die vorgenannte Verwaltungsvorschrift als wichtiges Hilfsmittel heranzuziehen, da sie den unbestimmten Rechtsbegriff insoweit präzisiert und auch Eingang in die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ziff. 31, gefunden hat.
Um das normative Tatbestandsmerkmal der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" inhaltlich ausfüllen zu können, hat der Senat im Rahmen der vorzunehmenden Bewertung der Ermittlungen die medizinischen Sachverhalte zugrunde zu legen. Auf der Grundlage der beigezogenen Krankenunterlagen und Befundberichte steht indes zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger dem in der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO aufgeführten Personenkreis nicht gleichgestellt werden kann und mithin die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG" nicht erfüllt.
Die bei dem Kläger unstreitig auf orthopädischem Fachgebiet vorliegende Behinderung führt nicht dazu, dass eine Fortbewegung auf das Schwerste im vorgenannten Sinne eingeschränkt ist, was aber für eine Vergleichbarkeit mit der genannten Personengruppe erforderlich wäre. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme fest:
Der Sachverständige führt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde aus, dass bei dem Kläger am Bewegungssystem folgende Störungen vorlägen: Zustand nach alter Unterschenkelamputation rechts von 1958 mit grundsätzlich prothesenfähigem mittellangem Stumpf; beginnender Hüftgelenksaufbrauch beidseits mit Hüftkopfeinmauerung; beginnender Gelenkaufbrauch am rechten Ellenbogengelenk; Anzeichen der wenig ausgeprägten Ischialgie links durch Degeneration im Lendenwirbelsäulenbereich ohne neurologische Ausfälle. Ferner lägen auf internistischem Gebiet Zuckerkrankheit und früher Bluthochdruck vor. Der Sachverständige führt in Beantwortung der Beweisfragen zur Wegstrecke weiter aus, dass das bei der Untersuchung demonstrierte Gehvermögen für die Beantwortung und Bewertung des Gehvermögens nicht verwertbar sei. Der Kläger laufe hier schwerfällig, steifbeinig und vornübergeneigt; aus dem freien Stand bewege er sich nur zögernd fort. Bei der Funktionsuntersuchung sei keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am beklagten linken Hüftgelenk, feststellbar gewesen. Der Unterschenkelstumpf rechts sei grundsätzlich prothesenfähig. Die vorhandene Prothese sei alt und ziemlich verbraucht. Nach den objektiven Untersuchungsbefunden sei eine Gehfähigkeit über 100 Meter möglich. Fremde Hilfe sei dazu nicht erforderlich. Der körperliche Zustand sei insgesamt als befriedigend einzuschätzen, so dass die Gehleistung auch keine übermäßige Anstrengung erfordere. Das Gehvermögen liege erheblich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten noch zugemutet werden könne. Der Kläger sei nicht vergleichbar gehbehindert wie die für das Merkzeichen "aG" genannten Geschädigten.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Das Gutachten ist in der Erhebung der Befunde, in der würdigenden Bewertung der Vorgeschichte und der bereits erhobenen Befunde sowie in der Beantwortung der Beweisfragen sorgfältig und sachkundig erstellt und somit überzeugend. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wegen der bei ihm vorliegenden orthopädischen Leiden.
Dem Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung soll ermöglicht werden, mit einem Kraftfahrzeug möglichst nahe an das jeweilige Ziel zu fahren; das Merkzeichen "aG" ermöglicht dem Schwerbehinderten, in Fußgängerzonen zu parken, Parkzeiten zu überschreiten, oder ohne Gebühr zu parken. Um diesem Gesetzesauftrag gerecht zu werden, müssen ortsnahe Parkplätze etwa in der Nähe von Behörden, Krankenhäuser oder anderen öffentlichen Gebäuden, aber auch vor Wohnungen oder in der Nähe der Arbeitsstätten der Behinderten eingerichtet werden, wenn in zumutbarer Entfernung eine Garage oder ein Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes nicht vorhanden ist. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass dem Zweck des Nachteilsausgleichs, nämlich die neben der Benutzung des Kfz unausweichlich anfallenden tatsächlichen Wegstrecken soweit wie möglich zu verkürzen, genügt wird. Dies hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Folge, dass der berechtigte Personenkreis für das Merkzeichen "aG" eng zu fassen ist. Denn öffentlicher Parkraum kann nicht beliebig vermehrt werden, so dass mit einer Ausweitung des berechtigten Personenkreises letztlich dem gesamten Personenkreis wieder deutlich längere Wegstrecken zugemutet werden müssten, weil insoweit öffentlicher Parkraum, der dem Merkzeichen "aG" genügt, nicht beliebig geschaffen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.1994, Az.: 9 RVs 3/94; Urteil vom 17.12.1997, Az.: 9 RVs 16/96).
Die von dem Sachverständigen mitgeteilten orthopädischen Befunde rechtfertigen eine entsprechende Gleichstellung mit der oben genannten Zielsetzung mit dem Personenkreis, der für die Vergabe des Merkzeichens "aG" wegen des bei ihm vorliegenden Krankheitsbildes und der damit einhergehenden funktionellen Auswirkungen auf die Gehfähigkeit in Betracht kommt, nicht. Insbesondere teilt der Senat die Einschätzung des Sachverständigen, dass die mitgeteilten Funktionswerte eine Vergleichbarkeit nicht zu begründen vermögen. Insoweit betragen die von dem Sachverständigen gemessenen Werte nach der Neutral-Null-Methode im Hüftgelenksbereich bei der Extension/Flexion rechts 0/10/115-Grad und links 0/10/100-Grad. Werte eines gesunden Hüftgelenkes betragen insoweit 10/0/130-Grad (vgl. Ziff. 8 der Anhaltspunkte, S. 15). Bei diesen mitgeteilten Befunden ist auch unter Berücksichtigung, dass im rechten Hüftgelenk bei der Rotation eine Streckung in Außendrehstellung vorliegt und eine Eindrehung nur bis Mittelstellung möglich ist, für den erkennenden Senat die Schlussfolgerung des Sachverständigen nachvollziehbar, dass der Kläger mit dem aus der Straßenverkehrsvorschrift zu § 46 StVO genannten Personenkreis hinsichtlich der funktionellen Schwere der Fortbewegung nicht gleichgestellt werden kann.
Auch die sich aus den beigezogenen Unterlagen im Berufungsverfahren ergebende allgemeine Leistungsinsuffizienz ist als solche nicht geeignet, die Vergabe des Merkzeichens "aG" zu rechtfertigen. Zwar kann nach Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte auch eine Erkrankung der inneren Organe eine Gleichstellung rechtfertigen; hierzu zählen aber Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades. Nach dem vorliegenden Krankenbericht des Klinikums Chemnitz wird dort die initial beklagte Leistungsinsuffizienz des Klägers am ehesten auf die deutlich hyperglykämische Stoffwechsellage zurückgeführt. Diese Stoffwechselstörung entspricht indes nicht der in den Anhaltspunkten maßgeblichen internistischen Erkrankung des Herzens oder der Lunge, welche einer Vergabe des Merkzeichens "aG" zu rechtfertigen vermag.
Unabhängig davon liegt bei dem Kläger auch keine entsprechende Leistungseinschränkung des Herzens vor, welche bei der Prüfung des Merkzeichens "aG" zu berücksichtigen wäre. Denn - wie ausgeführt - sind hierfür Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz erforderlich. Nach Ziff. 26.9 der Anhaltspunkte (S. 88) zählen hierzu aber Leistungseinschränkungen des Herzens mit gelegentlich auftretenden vorübergehenden schweren Dekompensationserscheinungen, die für sich ein Teil-GdB von 80 bedingen oder Herzschäden mit Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz), welche für sich bereits einen Teil-GdB zwischen 90 bis 100 bedingen. Solche Herzschädigungen sind aus den vorliegenden Krankenunterlagen nicht ersichtlich. Insbesondere wird im Krankenbericht des Klinikums C ... vom Mai 1999 (Bl. 90 LSG-Akte) mitgeteilt, dass bei einem EKG ein normo frequenter SR vorliege. Aus dem Bericht insgesamt lässt sich nicht entnehmen, dass bei dem Kläger eine Herzschädigung in dem vorgenannten, schweren Ausmaß vorliegt.
Schließlich kann - entgegen der Ansicht des Klägers - auch die bei ihm vorliegende Lungenfunktionseinschränkung nicht die Vergabe des Merkzeichens "aG" rechtfertigen. Nach Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte (S. 168) ist hierfür nämlich eine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades i. S. d. Ziff. 26.8 der Anhaltspunkte (S. 83) erforderlich. Eine solche dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades misst sich daran, dass Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe vorliegt bzw. die statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte liegen und damit ein Teil-GdB zwischen 80 bis 100 gerechtfertigt ist. Nach dem vom Senat beigezogenen Befundbericht von Dr. W ... und den dabei übersandten Lungenfunktionswerten beträgt die forcierte Vitalkapazität (FVC) 48,9 % des Sollwertes und die Vitalkapazität (VC) 44,6 bzw. 47,2 % des Sollwertes. Diese Werte erreichen damit noch nicht das Maß der nach den Anhaltspunkten maßgeblichen Erniedrigung des Sollwertes von mehr als 2/3 (d. h. weniger als 33 % des Sollwertes), so dass eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades, welche die Vergabe des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte, nicht zu bejahen ist. Hieran ändert auch nichts die Einschätzung von Dr. H ... in ihrem Befundbericht, wonach aufgrund von weiteren Erkrankungen eine Gleichstellung mit dem begünstigten Personenkreis für das Merkzeichen "aG" gerechtfertigt ist; denn Dr. H ... begründet insoweit ihre Einschätzung mit der Luftnot und der Belastungsinsuffizienz, die - wie ausgeführt - aber gerade nicht geeignet sind, auf der Grundlage der Anhaltspunkte die Vergabe des begehrten Merkzeichens zu rechtfertigen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.
Der am ... geborene Kläger beantragte erstmals am 08.02.1991 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz zu treffen. Als Gesundheitsstörung gab er dabei die Amputation des rechten Unterschenkels im Jahre 1958 mit Folgeschäden in Form einer schmerzhaften Überbelastung des linken Fußes und Kniegelenkes, der Abnutzung der Hals- und Lendenwirbelsäule an sowie Bruch des linken Fußgelenkes im Jahre 1979, Diabetes mellitus und schmerzhafte Verletzung des linken Hüftgelenkes im Jahre 1981 mit Abnutzungserscheinungen. Dem Beklagten lagen Krankenunterlagen des Rates des Kreises der Stadt G ... vor sowie Krankenunterlagen des Bezirkskrankenhauses C ... Mit Bescheid vom 05.06.1991 stellte der Beklagte eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" fest unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort wie auch im Folgenden als "Behinderungen" bezeichnet): 1. Verlust des Beines im Unterschenkel rechts, Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bds, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Zuckerkrankheit, 4. Bluthochdruck.
Hiergegen legte der Kläger am 12.07.1991 Widerspruch ein, mit dem er die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" begehrte. Mit Teilabhilfebescheid vom 21.08.1991 stellte der Beklagte unter Beibehaltung der ursprünglichen Feststellungen ferner die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "B" fest und wies mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.1991 den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurück; der Kläger erfülle nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Der Kläger beantragte am 15.10.1991 bei dem Beklagten die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" wegen einer Gelenkverschlimmerung im Hüftbereich und der übrigen orthopädischen Erkrankungen. Nachdem der Beklagte einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet beigezogen hatte, lehnte er mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 24.01.1992 den Antrag des Klägers ab.
Der Kläger beantragte am 25.01.1993 erneut die Zuerkennung des Merkzeichens "aG"; die Leiden im Bereich des linken Beines sowie im Bereich der Wirbelsäule hätten sich verschlimmert. Der Beklagte zog einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet bei und stellte mit Änderungsbescheid vom 02.11.1994 eine Behinderung mit einem GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "G" unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen fest: 1. Verlust des Beines rechts im Unterschenkel, Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes bds., Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Zuckerkrankheit, Bluthochdruck. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wurde abgelehnt.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.1994 wegen der Nichtzuerkennung des Merkzeichens "aG" Widerspruch eingelegt. Der Beklagte zog nochmals einen Befundbericht von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet bei (Bl. 73 VA) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1995 den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 1995 Klage beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat zur Klärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte von Dr. J ... auf orthopädischem Fachgebiet beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. Z ... Der Sachverständige kommt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das bei der Untersuchung demonstrierte Gehvermögen des Klägers für die Beantwortung und Bewertung des Gehvermögens nicht verwertbar sei. Der Kläger laufe hier schwerfällig, steifbeinig und vornübergeneigt. Aus dem freien Stand bewege er sich nur zögernd fort. Bei der Funktionsuntersuchung sei keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am geklagten linken Hüftgelenk feststellbar. Das Gehvermögen läge erheblich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten noch zugemutet werden könne. Der Kläger sei nicht mit dem durch das Merkzeichen "aG" begünstigenden Personenkreis vergleichbar; auf das Gutachten im Übrigen (Bl. 72 ff. SG-Akte) wird Bezug genommen.
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 27.11.1996 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" feststelle. Zur Begründung hat das SG sich im Wesentlichen auf das keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am beklagten linken Hüftgelenk feststellen können; der Unterschenkelstumpf rechts sei grundsätzlich prothesenfähig. Nach den objektiven Untersuchungsbefunden sei eine Gehfähigkeit über 100 Meter möglich. Der Kläger sei daher nicht dem Personenkreis gleichgestellt, der das Merkzeichen "aG" beanspruchen könne.
Gegen das mit eingeschriebenem Brief vom 11.12.1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.01.1997 eingelegte Berufung, mit der der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" weiterverfolgt.
Mit Änderungsbescheid vom 16.02.2000 hat der Beklagte eine Behinderung mit einem GdB von 100 unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen festgestellt: 1. Verlust des Beines im Unterschenkel rechts, Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes beidseits, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links, 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, 3. Lungenfunktionsbeeinträchtigung, 4. Zuckerkrankheit, Bluthochdruck.
Der Kläger macht geltend, er benutze eine alte Prothese; neue Prothesen seien nie so hergerichtet worden, dass er sie benutzen könne. Bei dem Kläger liege eine allgemeine Leistungsinsuffizienz vor. Auch seien bei der Vergabe des Merkzeichens "aG" internistische Leiden zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27.11.1996 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1995 zu verurteilen, bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass bei dem Kläger kein moderner Prothesenstumpf angepasst werden könne.
Mit Beweisanordnung vom 03.11.1998 hat das Gericht Dr. G ... auf orthopädischem Fachgebiet zum Sachverständigen ernannt. Der Sachverständige teilte sodann mit Schreiben vom Januar 1999 mit, dass der Kläger aufgrund eines schlechten Allgemeinzustandes zur Untersuchung nicht habe kommen können, so dass sich die Erstellung des Gutachtens verschiebe. Mit weiterem Schreiben vom April 1999 hat der Sachverständige die Gutachtenunterlagen zurückgesandt, da der Kläger bei der Vorstellung aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes beim Internisten habe vorgestellt werden müssen. Der Kläger sei sodann später nochmals angerufen worden, wobei er mitteilte, er fühle sich nicht in der Lage, in den nächsten sechs bis acht Wochen zu einem Gutachtentermin zu erscheinen. Dr. G ... teilte weiter mit, dass die massive Leistungsinsuffizienz des Klägers wohl nicht durch internistische Erkrankungen erklärt werden könne und dass nach der Aktenlage die orthopädischen Befunde für die Anerkennung des Merkzeichens "aG" schwerlich ausreichen würden, so dass er empfehle, das Verfahren generell ruhen zu lassen.
Dem Gericht lagen ferner vom Kläger eingereichte Krankenunterlagen von Dr. T ... auf internistischem Fachgebiet vor. Mit Beschluss vom 19.05.1999 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Kläger hat am 14.12.1999 das Verfahren unter Vorlage von Krankenunterlagen des Klinikums C ... wieder aufgerufen. Der sodann zuständige 1. Senat des LSG hat Befundberichte von Dr. W ... auf internistischem Fachgebiet und von Dr. H ... ebenfalls auf internistischem Fachgebiet beigezogen; auf die Befundberichte (Bl. 114 f.; 119 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Schwerbehindertenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 02.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1995 in der Fassung des Bescheides vom 16.02.2000, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG".
Nach dem Schwerbehindertenrecht hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für diesen Nachteilsausgleich festzustellen und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen (§ 4 Abs. 4 des "Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft [Schwerbehindertengesetz - SchwbG]" in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.08.1986 [BGBl. I S. 1421, ber. S. 1550], § 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung - SchwbAwV -). Dieses Merkzeichen berechtigt den Behinderten, bei der Teilnahme am Straßenverkehr bestimmte Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen; diese Vergünstigungen sind in § 46 StVO und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift (VV) vom 22.07.1976 in der Fassung vom 19.03.1992 (BAnz 1992, 2285) näher geregelt und konkretisiert. Der Ausweis mit dem Merkzeichen "aG" befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der außergewöhnlichen Gehbehinderung ergibt sich indes nicht aus dem Schwerbehindertenrecht unmittelbar, sondern aus § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, auf den § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbvAwV verweist, in Verbindung mit Nr. 11, II 1 der genannten VV zu § 46 StVO. Danach ist außergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann.
Zu diesem begünstigten Personenkreis zählen zunächst Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind. Bei diesem Personenkreis liegen vornehmlich Schädigungen der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß vor, die bewirken, dass Beine und Füße die ihnen zukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen.
Zu diesem im Einzelnen angesprochenen Personenkreis gehört der Kläger indes nicht.
Neben den vorstehend beispielhaft aufgeführten Behinderungen zählen zum berechtigten Personenkreis nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO aber auch diejenigen Behinderten, die nach versorgungsärztlicher Feststellung aufgrund von Erkrankungen dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Für eine Gleichstellung mit dem in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften im einzelnen genannten Personenkreis kommt es dabei nicht entscheidend auf die vergleichbare allgemeine Schwere der Leiden an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleich zu achten sind. Der Leidenszustand muss also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 18, Nr. 28; Urteil des BSG vom 13.12.1994 - Az.: 9 RVs 3/94 -). Dabei ist zu beachten, dass der Begriff der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" rechtstechnisch einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der als normatives Tatbestandsmerkmal durch eine entsprechende Wertung auszufüllen ist. Dabei beinhaltet die vorgenannte Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO eine Auslegungshilfe dieses unbestimmten Rechtsbegriffs für die Verwaltung. Im Streitfall obliegt es jedoch letztendlich den Gerichten, das normative Tatbestandsmerkmal der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" inhaltlich zu füllen. Die vorgenannte Verwaltungsvorschrift als wichtiges Hilfsmittel heranzuziehen, da sie den unbestimmten Rechtsbegriff insoweit präzisiert und auch Eingang in die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ziff. 31, gefunden hat.
Um das normative Tatbestandsmerkmal der "außergewöhnlichen Gehbehinderung" inhaltlich ausfüllen zu können, hat der Senat im Rahmen der vorzunehmenden Bewertung der Ermittlungen die medizinischen Sachverhalte zugrunde zu legen. Auf der Grundlage der beigezogenen Krankenunterlagen und Befundberichte steht indes zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger dem in der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO aufgeführten Personenkreis nicht gleichgestellt werden kann und mithin die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG" nicht erfüllt.
Die bei dem Kläger unstreitig auf orthopädischem Fachgebiet vorliegende Behinderung führt nicht dazu, dass eine Fortbewegung auf das Schwerste im vorgenannten Sinne eingeschränkt ist, was aber für eine Vergleichbarkeit mit der genannten Personengruppe erforderlich wäre. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme fest:
Der Sachverständige führt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde aus, dass bei dem Kläger am Bewegungssystem folgende Störungen vorlägen: Zustand nach alter Unterschenkelamputation rechts von 1958 mit grundsätzlich prothesenfähigem mittellangem Stumpf; beginnender Hüftgelenksaufbrauch beidseits mit Hüftkopfeinmauerung; beginnender Gelenkaufbrauch am rechten Ellenbogengelenk; Anzeichen der wenig ausgeprägten Ischialgie links durch Degeneration im Lendenwirbelsäulenbereich ohne neurologische Ausfälle. Ferner lägen auf internistischem Gebiet Zuckerkrankheit und früher Bluthochdruck vor. Der Sachverständige führt in Beantwortung der Beweisfragen zur Wegstrecke weiter aus, dass das bei der Untersuchung demonstrierte Gehvermögen für die Beantwortung und Bewertung des Gehvermögens nicht verwertbar sei. Der Kläger laufe hier schwerfällig, steifbeinig und vornübergeneigt; aus dem freien Stand bewege er sich nur zögernd fort. Bei der Funktionsuntersuchung sei keine grobe Funktionsstörung, insbesondere am beklagten linken Hüftgelenk, feststellbar gewesen. Der Unterschenkelstumpf rechts sei grundsätzlich prothesenfähig. Die vorhandene Prothese sei alt und ziemlich verbraucht. Nach den objektiven Untersuchungsbefunden sei eine Gehfähigkeit über 100 Meter möglich. Fremde Hilfe sei dazu nicht erforderlich. Der körperliche Zustand sei insgesamt als befriedigend einzuschätzen, so dass die Gehleistung auch keine übermäßige Anstrengung erfordere. Das Gehvermögen liege erheblich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten noch zugemutet werden könne. Der Kläger sei nicht vergleichbar gehbehindert wie die für das Merkzeichen "aG" genannten Geschädigten.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Das Gutachten ist in der Erhebung der Befunde, in der würdigenden Bewertung der Vorgeschichte und der bereits erhobenen Befunde sowie in der Beantwortung der Beweisfragen sorgfältig und sachkundig erstellt und somit überzeugend. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wegen der bei ihm vorliegenden orthopädischen Leiden.
Dem Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung soll ermöglicht werden, mit einem Kraftfahrzeug möglichst nahe an das jeweilige Ziel zu fahren; das Merkzeichen "aG" ermöglicht dem Schwerbehinderten, in Fußgängerzonen zu parken, Parkzeiten zu überschreiten, oder ohne Gebühr zu parken. Um diesem Gesetzesauftrag gerecht zu werden, müssen ortsnahe Parkplätze etwa in der Nähe von Behörden, Krankenhäuser oder anderen öffentlichen Gebäuden, aber auch vor Wohnungen oder in der Nähe der Arbeitsstätten der Behinderten eingerichtet werden, wenn in zumutbarer Entfernung eine Garage oder ein Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes nicht vorhanden ist. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass dem Zweck des Nachteilsausgleichs, nämlich die neben der Benutzung des Kfz unausweichlich anfallenden tatsächlichen Wegstrecken soweit wie möglich zu verkürzen, genügt wird. Dies hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Folge, dass der berechtigte Personenkreis für das Merkzeichen "aG" eng zu fassen ist. Denn öffentlicher Parkraum kann nicht beliebig vermehrt werden, so dass mit einer Ausweitung des berechtigten Personenkreises letztlich dem gesamten Personenkreis wieder deutlich längere Wegstrecken zugemutet werden müssten, weil insoweit öffentlicher Parkraum, der dem Merkzeichen "aG" genügt, nicht beliebig geschaffen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.1994, Az.: 9 RVs 3/94; Urteil vom 17.12.1997, Az.: 9 RVs 16/96).
Die von dem Sachverständigen mitgeteilten orthopädischen Befunde rechtfertigen eine entsprechende Gleichstellung mit der oben genannten Zielsetzung mit dem Personenkreis, der für die Vergabe des Merkzeichens "aG" wegen des bei ihm vorliegenden Krankheitsbildes und der damit einhergehenden funktionellen Auswirkungen auf die Gehfähigkeit in Betracht kommt, nicht. Insbesondere teilt der Senat die Einschätzung des Sachverständigen, dass die mitgeteilten Funktionswerte eine Vergleichbarkeit nicht zu begründen vermögen. Insoweit betragen die von dem Sachverständigen gemessenen Werte nach der Neutral-Null-Methode im Hüftgelenksbereich bei der Extension/Flexion rechts 0/10/115-Grad und links 0/10/100-Grad. Werte eines gesunden Hüftgelenkes betragen insoweit 10/0/130-Grad (vgl. Ziff. 8 der Anhaltspunkte, S. 15). Bei diesen mitgeteilten Befunden ist auch unter Berücksichtigung, dass im rechten Hüftgelenk bei der Rotation eine Streckung in Außendrehstellung vorliegt und eine Eindrehung nur bis Mittelstellung möglich ist, für den erkennenden Senat die Schlussfolgerung des Sachverständigen nachvollziehbar, dass der Kläger mit dem aus der Straßenverkehrsvorschrift zu § 46 StVO genannten Personenkreis hinsichtlich der funktionellen Schwere der Fortbewegung nicht gleichgestellt werden kann.
Auch die sich aus den beigezogenen Unterlagen im Berufungsverfahren ergebende allgemeine Leistungsinsuffizienz ist als solche nicht geeignet, die Vergabe des Merkzeichens "aG" zu rechtfertigen. Zwar kann nach Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte auch eine Erkrankung der inneren Organe eine Gleichstellung rechtfertigen; hierzu zählen aber Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades. Nach dem vorliegenden Krankenbericht des Klinikums Chemnitz wird dort die initial beklagte Leistungsinsuffizienz des Klägers am ehesten auf die deutlich hyperglykämische Stoffwechsellage zurückgeführt. Diese Stoffwechselstörung entspricht indes nicht der in den Anhaltspunkten maßgeblichen internistischen Erkrankung des Herzens oder der Lunge, welche einer Vergabe des Merkzeichens "aG" zu rechtfertigen vermag.
Unabhängig davon liegt bei dem Kläger auch keine entsprechende Leistungseinschränkung des Herzens vor, welche bei der Prüfung des Merkzeichens "aG" zu berücksichtigen wäre. Denn - wie ausgeführt - sind hierfür Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz erforderlich. Nach Ziff. 26.9 der Anhaltspunkte (S. 88) zählen hierzu aber Leistungseinschränkungen des Herzens mit gelegentlich auftretenden vorübergehenden schweren Dekompensationserscheinungen, die für sich ein Teil-GdB von 80 bedingen oder Herzschäden mit Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz), welche für sich bereits einen Teil-GdB zwischen 90 bis 100 bedingen. Solche Herzschädigungen sind aus den vorliegenden Krankenunterlagen nicht ersichtlich. Insbesondere wird im Krankenbericht des Klinikums C ... vom Mai 1999 (Bl. 90 LSG-Akte) mitgeteilt, dass bei einem EKG ein normo frequenter SR vorliege. Aus dem Bericht insgesamt lässt sich nicht entnehmen, dass bei dem Kläger eine Herzschädigung in dem vorgenannten, schweren Ausmaß vorliegt.
Schließlich kann - entgegen der Ansicht des Klägers - auch die bei ihm vorliegende Lungenfunktionseinschränkung nicht die Vergabe des Merkzeichens "aG" rechtfertigen. Nach Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte (S. 168) ist hierfür nämlich eine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades i. S. d. Ziff. 26.8 der Anhaltspunkte (S. 83) erforderlich. Eine solche dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades misst sich daran, dass Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe vorliegt bzw. die statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte liegen und damit ein Teil-GdB zwischen 80 bis 100 gerechtfertigt ist. Nach dem vom Senat beigezogenen Befundbericht von Dr. W ... und den dabei übersandten Lungenfunktionswerten beträgt die forcierte Vitalkapazität (FVC) 48,9 % des Sollwertes und die Vitalkapazität (VC) 44,6 bzw. 47,2 % des Sollwertes. Diese Werte erreichen damit noch nicht das Maß der nach den Anhaltspunkten maßgeblichen Erniedrigung des Sollwertes von mehr als 2/3 (d. h. weniger als 33 % des Sollwertes), so dass eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades, welche die Vergabe des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte, nicht zu bejahen ist. Hieran ändert auch nichts die Einschätzung von Dr. H ... in ihrem Befundbericht, wonach aufgrund von weiteren Erkrankungen eine Gleichstellung mit dem begünstigten Personenkreis für das Merkzeichen "aG" gerechtfertigt ist; denn Dr. H ... begründet insoweit ihre Einschätzung mit der Luftnot und der Belastungsinsuffizienz, die - wie ausgeführt - aber gerade nicht geeignet sind, auf der Grundlage der Anhaltspunkte die Vergabe des begehrten Merkzeichens zu rechtfertigen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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