Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 SB 248/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 27/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den beim Kläger nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) festzustellenden Grad der Behinderung (GdB).
Bei dem im August 19 ... geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02. Oktober 1995 als Behinderungen eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, einen Wirbelbruch sowie eine Atembehinderung bei traumatischer Schiefnase nach Unfall fest. Der GdB betrage 30. Die von ihm genannte Gesundheitsstörung "Kieferbeschwerden" könne nicht als Behinderung anerkannt werden, da sie für sich allein keinen GdB von wenigstens 10 bedinge. Ein dagegen vom Kläger am 12. Oktober 1995 eingelegter Widerspruch hinsichtlich der Höhe des GdB blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1996).
Unter dem 28. Mai 1997 (Schreiben vom 27. Mai 1997) übersandte der Kläger dem Beklagten weitere ärztliche Unterlagen. Darunter ein ärztliches Attest Dr. B ..., Arzt für Orthopädie und Sportmedizin in Berlin-Lichterfelde, vom 24. März 1997, in dem als Diagnosen ein Zustand nach Fusion HWK 2 und 3 nach Autounfall, OP 16.04.1995, Nasenscheidewanddeviation posttraumatisch sowie eine Adipositas mitgeteilt wurden. Auch nach zwei Jahren nach der Fusions-OP der Halswirbelsäule habe sich der Gesundheitszustand des Klägers in der letzten Zeit deutlich verschlechtert. Er könne sich nur unter starken Schmerzen bewegen und leide unter Kopfschmerzen und Cephalgien. Die Behinderung habe zugenommen. Der GdB müsse neu überprüft werden und mit mindestens 50 % unter Berücksichtigung der Leiden auf anderen Fachgebieten eingeschätzt werden. Da das Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1996 abgeschlossen war, wurde das Schreiben des Klägers von dem Beklagten als "Verschlimmerungsantrag" gewertet.
Der Antrag des Klägers, den Bescheid vom 02. Oktober 1995 aufzuheben und eine Neufeststellung nach § 4 SchwbG zu treffen, wurde mit Bescheid vom 23. Juni 1997 abgelehnt. In den Verhältnissen, die für die Feststellung seiner Behinderung, des GdB und des Anspruchs auf Merkzeichen maßgebend gewesen seien, sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Ein dagegen vom Kläger eingelegter Widerspruch blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. September 1997).
Mit Schreiben vom 17. November 1997, bei dem Beklagten eingegangen am 18. November 1997, stellte der Kläger erneut einen "Verschlimmerungsantrag". Sein Gesundheitszustand habe sich stark verschlimmert. Als Beschwerden gab er an: Dauerzustand Kopfschmerzen; Bluthochdruck, Atmungsbeschwerden durch die Nase, Schlaflosigkeit; Nachtruhe nur auf dem Rücken möglich; Gliederschmerzen: Arme, Schulterbereich, Nackenbereich; manchmal auch Taubheitsgefühle in Armen, Beinen und Hinterkopf; Angstgefühle, Beklemmungen und Unsicherheit; Schwindelanfälle; Kribbeln in den Händen und Füßen; durch das Nichtwohlfühlen resultiere ein Übergewicht; der Verlust an Lebensqualität betrage 80 %; "ohne Begleitperson nicht mehr möglich"; nur vier bis fünf Tage im Monat habe er den Eindruck, dass es ihm besser gehe. Auf Grund der oben genannten Beschwerden sei sein seelischer Zustand auf dem Null-Punkt. Durch seine Beschwerden sei eine Begleitperson notwendig. Er müsse zu seinem Bedauern feststellen, dass er durch die immer häufiger auftretenden Schwindelanfälle zu einer Gefahr für seine Mitmenschen und die Öffentlichkeit werde. Es gehe ihm Woche um Woche schlechter.
Der Beklagte holte Befundberichte von Dr. H ..., Allgemeinärztin in Delitzsch, vom Facharzt für Orthopädie B ... in Bad D ..., sowie ärztliche Unterlagen des Krankenhauses für Orthopädie - Waldkrankenhaus - B ... ein.
Dr. K ..., Versorgungsärztlicher Dienst, gelangte unter dem 26. Februar 1998 zu der Einschätzung, es liege ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS vor (Einzel-GdB 20). Eine Bewegungseinschränkung der HWS ohne wesentliche neurologische Defizite bedinge einen GdB von 20. Die Nasenatmung sei nach erfolgter Operation jetzt ohne Einschränkung. Es liege keine NTA vor. Das "Attest" ohne Befundbericht sei zur Beurteilung der Behinderung nicht geeignet.
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 05. März 1998 zu einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 02. Oktober 1995 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Die bisher als Behinderung festgestellten Gesundheitsstörungen "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion" und "Atembehinderung bei traumatischer Schiefnase" bewirkten keine Funktionsbeeinträchtigung und seien daher keine Behinderung mehr. Der GdB für die verbliebenen Behinderungen betrage nur noch 20. Als Behinderung werde nunmehr anerkannt: Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS. Daraufhin erwiderte der Kläger unter dem 24. März 1998, das Gutachten Dr. B ... sei überhaupt nicht zur Beurteilung hinzugezogen worden. Die Einschätzung des Beklagten entspräche nicht seinem wahrem Gesundheitszustand. Von Dr. B ... holte der Beklagte daraufhin einen weiteren Befundbericht ein. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K ... erließ der Beklagte unter dem 04. Mai 1998 einen Änderungs-Bescheid. Als Behinderung wurde nunmehr ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS festgestellt. Die festgestellte Behinderung bewirke einen GdB von 20. Die Verhältnisse, die dem Bescheid vom 23. Juni 1997 zu Grunde gelegen hätten, hätten sich insofern wesentlich geändert, als eine Besserung der Behinderung des Klägers eingetreten sei. Nach erfolgter Nasen-OP sei die Nasenatmung jetzt ohne Einschränkung. Außerdem seien Motorik, Durchblutung und Sensibilität jetzt intakt. Deshalb sei ein niedrigerer GdB festzustellen. Hinsichtlich der Höhe des GdB legte der Kläger am 27. Mai 1998 Widerspruch ein.
In einer von Dipl.-Med. Sch ... eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme führte dieser u.a. aus, eine wesentliche Besserung im Vergleich zu den Vorbefunden, die zum Bescheid vom 02. Oktober 1995 geführt hätten, sei medizinisch nicht nachweisbar. Es sei in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26. Februar 1998 weder darauf eingegangen worden, womit die Reduktion des GdB zu begründen sei, die vorbestehende Septumdeviation sei lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten - habe somit keinen Einfluss auf die Höhe des Gesamt-GdB -, noch dargelegt, weshalb die bereits festgestellte Beeinträchtigung der Gehirnfunktion bei unverändertem Beschwerdebild nicht mehr bestehe, nachdem im Juni 1997 die vorbestehende versorgungsärztliche Beurteilung als weiterhin medizinisch gültig bewertet worden sei. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades könnten so genannte postkommotionelle Beschwerden längere Zeit (bis ca. zwei Jahre) nach dem Ereignis anhalten. Da diesem jedoch kein organisches Korrelat zu Grunde liege, sei die Wahl des Bescheidtextes für die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen als "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion" medizinisch eigentlich nicht korrekt, wobei nach der aktuellen neurologischen Untersuchung von Januar 1998 bei den geklagten Beschwerden und den festgestellten leichten Sensibilitäts- und Gleichgewichtsstörung eine weitergehende neurologische Diagnostik empfohlen werde, um eine organische Ursache auszuschließen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1995 sei aus medizinischer Sicht somit lediglich hinsichtlich der behinderten Nasenatmung, die nachweislich nicht mehr bestehe, nicht jedoch hinsichtlich der anderen festgestellten Behinderungen und der Höhe des GdB möglich. Von einer versorgungsärztlichen Untersuchung seien keine neuen Gesichtspunkte zu erwarten, da die Befunde in ausreichendem Umfange vorlägen. Eine Anhebung des Gesamt-GdB ließen diese wiederum nicht zu.
Der Beklagte erließ am 27. August 1998 einen Abhilfe-Bescheid. Dem Widerspruch des Klägers (vom 26. Mai 1998) wurde dahingehend abgeholfen, dass als Behinderungen ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS und eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion festgestellt wurden. Die festgestellten Behinderungen bewirkten weiterhin einen GdB von 30. Dieser GdB werde für die Zeit ab 25. Juli 1995 festgestellt. Der GdB liege weiterhin unter 50.
Auch dagegen legte der Kläger am 15. September 1998 Widerspruch ein unter Berufung auf die Einschätzung des GdB durch Dr. B ... Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1998). Die Behinderungen und der GdB seien in Übereinstimmung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 SchwbG i.V.m. § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften vollständig erfasst und mit einem GdB von 30 richtig bewertet worden. Der Kläger sei deshalb nicht schwerbehindert (Mindest-GdB 50), so dass er keinen Ausweis erhalten könne. Dem festgestellten GdB von 30 seien zutreffend die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zu Grunde gelegt worden. Eine Addition der einzelnen Grade der Behinderungen sei unzulässig - auch andere rechnerische Methoden dürften nicht angewandt werden. Auch unter Berücksichtigung des Befundberichtes von Dr. B ... könne für die bei ihm vorliegenden Behinderungen kein höherer GdB als 30 festgestellt werden.
Beim Sozialgericht Leipzig (SG) hat der Kläger am 13. November 1998 Klage erhoben, mit der er die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehrte. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. H ... und Dr. B ...
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2000 abgewiesen. Bei dem Kläger bestehe ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion. Für jede der beiden Behinderungen sei versorgungsärztlich ein Teil-GdB von 20 vorgeschlagen worden, daraus sei ein Gesamt-GdB von 30 gebildet worden. Dies sei nicht zu beanstanden und entspräche insbesondere den allgemeinen Regeln zur Bildung eines Gesamt-GdB. Es lägen aussagekräftige Befundberichte und vor allem auch ein ärztliches Gutachten des MDK Sachsen vom 21. August 1997 vor, so dass auf eine weitere Begutachtung habe verzichtet werden können. Hinsichtlich der erheblichen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne wesentliche neurologische Defizite sei der GdB mit 20 korrekt eingeschätzt worden, da mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vorlägen. Keinesfalls bestehe bei dem Kläger eine Schwerbehinderteneigenschaft (Mindest-GdB 50), wie das etwa der Fall sei bei einem Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen, der beispielsweise die Versteifung großer Teile der Wirbelsäule oder eine anhaltende Ruhigstellung durch eine Rumpforthese erforderlich mache, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasse. Die versorgungsärztliche Beurteilung der Behinderung sei angemessen und die Feststellung der Behinderung ebenso wie die Einschätzung des GdB mit 30 korrekt.
Gegen den als Einschreiben am 03. Mai 2000 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid legte der Kläger am 22. Mai 2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung ein.
Das LSG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes bei Dr. H ... und Einholung einer Auskunft bei Dr. S ...
Der Kläger ist der Ansicht, bei ihm bestehe ein GdB von mindestens 50. Dies sei von Dr. B ... festgestellt worden. Die Folgen des Unfalls hätten bei ihm einen Dauerschaden verursacht.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. März 2000 und den Bescheid des Beklagten vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Behinderung mit einem GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des erstinstanzlichen Urteils für zutreffend. Bei dem Kläger liege keine Schwerbehinderteneigenschaft vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1, § 110 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Der Bescheid des Beklagten vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 ist daher rechtmäßig.
Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherstellung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz - SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421, ber. 1550) stellt der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständige Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Nach § 3 Abs. 1 SchwbG sind als Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht, zu verstehen. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Bei mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen, ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich.
Der Beklagte hat dabei im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SchwbG nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den GdB festzustellen. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörung, die daraus folgende Funktionsbeeinträchtigung und deren Auswirkung sind demgegenüber lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998, Az: B 9 SB 18/97 R; B 9 SB 20/97 R; B 9 SB 1/98 R und B 9 SB 17/97 R).
Nach § 3 Abs. 2 SchwbG ist die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Für den GdB gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) normierten Maßstäbe entsprechend. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehenden Beeinträchtigungen den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten im Haushalt oder in der Freizeit Berücksichtigung. Das SchwbG gilt gleichermaßen für Berufstätige wie auch für Nichtberufstätige. Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (Anhaltspunkte 1996 - AHP). Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die Anhaltspunkte umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung an. In ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ansonsten ist es nicht zulässig, eine vom Gutachter festgestellte Behinderung mit einem GdB-Wert zu bemessen, der nicht im Einklang mit den Richtlinien der AHP steht. Das Bundessozialgericht hat mehrfach die Bedeutung der AHP auch für das Gerichtsverfahren herausgestellt und den AHP den Charakter antizipierter Sachverständigengutachten beigemessen (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 1, 5 u. 6). Vorliegend hat der Senat keine Bedenken, die AHP seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Der Begriff des GdB umschreibt indessen nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Eingriff; seine Festlegung ist daher nicht Aufgabe von Sachverständigen. Sie beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, welche allerdings mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der danach auf den zunächst festzustellenden medizinischen Tatsachen erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; jedoch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1955, Az: 4 RJ 120/54; Urteil vom 29. August 1990, Az: 9 a/9 RVs 7/89 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Hinsichtlich des beim Kläger vorliegenden Wirbelbruches mit Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS) wurden in dem Entlassungsbericht Dr. F .../Dr. Sch ..., Krankenhaus für Orthopädie - Waldkrankenhaus B ... - vom 09. Februar 1998 folgende Werte angegeben: Kinn-Jugulum-Abstand 3 cm, Retroflexion fast frei, Seitneige 20/0/20° (normal: 45/0/45°), Rotation 60/0/50° (links/rechts) (normal: 60-80/0/60-80°), Motorik, Durchblutung und Sensibilität intakt. Im Gutachten Dr. H ... für den MDK im Freistaat Sachsen vom 05. November 1998 werden für die HWS folgende Werte angegeben: Abstand Kinn-Sternum 3 cm, Reklination 20°, Seitneige beidseits 20°, Rotation beidseits 30°, keine cervicale radikuläre Symptomatik. Die den Kläger behandelnde Allgemeinärztin H ... hat in ihrem Befundbericht vom Juli 2000 angegeben, die von ihr erhobenen Befunde hätten sich nicht verschlechtert, die letzte Vorstellung wegen der Beschwerden sei am 28. Januar 1999 erfolgt. Dr. B ... gab gegenüber dem SG in seinem Befundbericht vom 23. Juli 1999 an, der Kläger sei bei ihm zuletzt am 02. April 1998 in Behandlung gewesen. Meßwerte der Gliedmaßen nach der Neutral-Null-Methode habe er nicht erhoben. Die AHP (AHP Nr. 26.18, S. 139-140) bewerten Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10, Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20 sowie Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30. Wegen des Fehlens einer cervicalen radikulären Symptomatik und des Vorliegens einer endgradigen Bewegungseinschränkung haben sowohl der Beklagte als auch das SG nach Überzeugung des Senats den GdB für die Erkrankung "Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS" mit einem GdB von 20 angemessen und zutreffend beurteilt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Attest Dr. B ... vom 24. März 1997. Ohne nähere Begründung hat dieser ausgeführt, der GdB müsse neu überprüft werden und mit mindestens 50 % unter Berücksichtigung der Leiden auf anderen Fachgebieten eingeschätzt werden. Ein GdB von 50 allein für die Erkrankung im Halswirbelsäulenbereich kommt jedoch nicht in Betracht. Einen GdB von 50 bis 70 sehen die AHP beispielsweise für Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) vor. Dr. H ... schätzt den GdB für die Wirbelsäulenschädigung sogar lediglich mit einem GdB von 10 ein.
Für das Vorliegen der von dem Beklagten anerkannten Beeinträchtigung der Gehirnfunktion ergibt sich derzeit kein Anhaltspunkt. Dr. Sch ..., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie und Psychotherapie in der Behandlungsstelle Neurologie/Psychiatrie des medizinischen Zentrums des Landratsamtes Delitzsch, führte in einem Arztbericht vom 08. November 1995 aus, insgesamt lasse sich gegenwärtig kein pathologisch-neurologischer Befund für die geklagten Beschwerden (seit dem Unfall am 16. April 1995 Kopfschmerzen, besonders bei Wetterumschwung und Beschwerden bei schnellen Drehungen, Taubheitsgefühl im Gesicht und besonders morgendliches Einschlafgefühl der Finger) fassen, insgesamt beständen keine neurologischen Reiz- oder Ausfallserscheinungen.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie St ... führte in einem neurologischen Konsil während des Aufenthaltes des Klägers im Krankenhaus für Orthopädie - Waldkrankenhaus B ... - zum neurologischen Befund aus: "Linkshänder. Kopf- und Hirnnerven: Fazialisaugenastschwäche rechts (fragliche Compliancestörung). Hypästhesie/Hypalgesie rechte Gesichtshälfte. Übrige Gehirnnerven (Augenmotilität, Gesichtsfeld intakt). Motorik: keine Paresen ... Psychischer Befund: Bewusstseinsklar, orientiert. Kein Anhalt für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Akzentuierte Persönlichkeit mit fanatisch-expansiven Zügen. Diagnose - Zustand nach Spondylose C 2/3 nach Verkehrsunfall 1995.". Eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion lässt sich aus diesen Befunden sowie auch aus den weiteren in den Akten befindlichen Befunden nicht entnehmen. Ein GdB ist daher hierfür nicht festzustellen.
Gleiches ergibt sich für die vom Kläger geklagten und damit im Zusammenhang stehenden Kopfschmerzen; Gliederschmerzen in Armen, im Schulterbereich und im Nacken; Taubheitsgefühlen in Armen, Beinen und am Hinterkopf, den Schwindelanfällen sowie Kribbeln in Händen und Füßen.
Die beim Kläger bestehende Hypertonie (Bluthochdruck) wurde zuletzt aktenkundig mit einem RR von 160/90 Torr gemessen (vgl. Gutachten Dr. H ... vom 05. November 1998). Gleichzeitig führte Dr. H ... aus, es beständen keine Hinweiszeichen für eine manifeste kardiorespiratorische Insuffizienz, Lungen und Herz seien ohne Befund. Die AHP sehen für einen Bluthochdruck leichter Form (keine oder geringe Funktionsbeeinträchtigung [höchstens leichte Augenhintergrundveränderung]) einen GdB von 0 bis 10 vor, für die mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonikus I - II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 20 bis 40 (AHP Nr. 26.9, S. 92). Aus den vorliegenden Akten ergeben sich für den Senat keinerlei Leistungsbeeinträchtigungen des Klägers durch den bestehenden Bluthochdruck. Der GdB ist daher mit 0 einzuschätzen.
Die beim Kläger vorliegende Adipositas allein bedingt keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) könnten die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna (AHP Nr. 26.15, S. 120). Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich jedoch kein Vorliegen eines Schadens am kardiopulmonalen System des Klägers. Zu den Einschränkungen im Hals-Wirbelsäulenbereich des Klägers wird auf die o.a. Ausführungen verwiesen.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsstörungen zusammen dürfen nach AHP Nr. 19 die einzelnen Teil-GdB-Werte nicht einfach addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Dabei führen indessen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB um 20 ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bestimmung des Gesamt-GdB ist daher in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und damit im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden.
Vor diesem Hintergrund bedingt der Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule allein einen Teil-GdB von 20. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass mit dem daraus resultierenden Gesamt-GdB von 20 dem Beschwerdebild des Klägers hinreichend Rechnung getragen worden ist. Selbst wenn man für den Bluthochdruck einen Teil-GdB von 10 und für die Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, die jedoch nicht nachgewiesen ist, ebenfalls einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachtete, ergäbe sich daraus ingesamt kein höherer Gesamt-GdB als 20. Ein höherer Gesamt-GdB als der von dem Beklagten im Bescheid vom 27. April 1998 festgestellte GdB von 30 war daher nicht festzustellen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den beim Kläger nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) festzustellenden Grad der Behinderung (GdB).
Bei dem im August 19 ... geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02. Oktober 1995 als Behinderungen eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, einen Wirbelbruch sowie eine Atembehinderung bei traumatischer Schiefnase nach Unfall fest. Der GdB betrage 30. Die von ihm genannte Gesundheitsstörung "Kieferbeschwerden" könne nicht als Behinderung anerkannt werden, da sie für sich allein keinen GdB von wenigstens 10 bedinge. Ein dagegen vom Kläger am 12. Oktober 1995 eingelegter Widerspruch hinsichtlich der Höhe des GdB blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1996).
Unter dem 28. Mai 1997 (Schreiben vom 27. Mai 1997) übersandte der Kläger dem Beklagten weitere ärztliche Unterlagen. Darunter ein ärztliches Attest Dr. B ..., Arzt für Orthopädie und Sportmedizin in Berlin-Lichterfelde, vom 24. März 1997, in dem als Diagnosen ein Zustand nach Fusion HWK 2 und 3 nach Autounfall, OP 16.04.1995, Nasenscheidewanddeviation posttraumatisch sowie eine Adipositas mitgeteilt wurden. Auch nach zwei Jahren nach der Fusions-OP der Halswirbelsäule habe sich der Gesundheitszustand des Klägers in der letzten Zeit deutlich verschlechtert. Er könne sich nur unter starken Schmerzen bewegen und leide unter Kopfschmerzen und Cephalgien. Die Behinderung habe zugenommen. Der GdB müsse neu überprüft werden und mit mindestens 50 % unter Berücksichtigung der Leiden auf anderen Fachgebieten eingeschätzt werden. Da das Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1996 abgeschlossen war, wurde das Schreiben des Klägers von dem Beklagten als "Verschlimmerungsantrag" gewertet.
Der Antrag des Klägers, den Bescheid vom 02. Oktober 1995 aufzuheben und eine Neufeststellung nach § 4 SchwbG zu treffen, wurde mit Bescheid vom 23. Juni 1997 abgelehnt. In den Verhältnissen, die für die Feststellung seiner Behinderung, des GdB und des Anspruchs auf Merkzeichen maßgebend gewesen seien, sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Ein dagegen vom Kläger eingelegter Widerspruch blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. September 1997).
Mit Schreiben vom 17. November 1997, bei dem Beklagten eingegangen am 18. November 1997, stellte der Kläger erneut einen "Verschlimmerungsantrag". Sein Gesundheitszustand habe sich stark verschlimmert. Als Beschwerden gab er an: Dauerzustand Kopfschmerzen; Bluthochdruck, Atmungsbeschwerden durch die Nase, Schlaflosigkeit; Nachtruhe nur auf dem Rücken möglich; Gliederschmerzen: Arme, Schulterbereich, Nackenbereich; manchmal auch Taubheitsgefühle in Armen, Beinen und Hinterkopf; Angstgefühle, Beklemmungen und Unsicherheit; Schwindelanfälle; Kribbeln in den Händen und Füßen; durch das Nichtwohlfühlen resultiere ein Übergewicht; der Verlust an Lebensqualität betrage 80 %; "ohne Begleitperson nicht mehr möglich"; nur vier bis fünf Tage im Monat habe er den Eindruck, dass es ihm besser gehe. Auf Grund der oben genannten Beschwerden sei sein seelischer Zustand auf dem Null-Punkt. Durch seine Beschwerden sei eine Begleitperson notwendig. Er müsse zu seinem Bedauern feststellen, dass er durch die immer häufiger auftretenden Schwindelanfälle zu einer Gefahr für seine Mitmenschen und die Öffentlichkeit werde. Es gehe ihm Woche um Woche schlechter.
Der Beklagte holte Befundberichte von Dr. H ..., Allgemeinärztin in Delitzsch, vom Facharzt für Orthopädie B ... in Bad D ..., sowie ärztliche Unterlagen des Krankenhauses für Orthopädie - Waldkrankenhaus - B ... ein.
Dr. K ..., Versorgungsärztlicher Dienst, gelangte unter dem 26. Februar 1998 zu der Einschätzung, es liege ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS vor (Einzel-GdB 20). Eine Bewegungseinschränkung der HWS ohne wesentliche neurologische Defizite bedinge einen GdB von 20. Die Nasenatmung sei nach erfolgter Operation jetzt ohne Einschränkung. Es liege keine NTA vor. Das "Attest" ohne Befundbericht sei zur Beurteilung der Behinderung nicht geeignet.
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 05. März 1998 zu einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 02. Oktober 1995 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Die bisher als Behinderung festgestellten Gesundheitsstörungen "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion" und "Atembehinderung bei traumatischer Schiefnase" bewirkten keine Funktionsbeeinträchtigung und seien daher keine Behinderung mehr. Der GdB für die verbliebenen Behinderungen betrage nur noch 20. Als Behinderung werde nunmehr anerkannt: Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS. Daraufhin erwiderte der Kläger unter dem 24. März 1998, das Gutachten Dr. B ... sei überhaupt nicht zur Beurteilung hinzugezogen worden. Die Einschätzung des Beklagten entspräche nicht seinem wahrem Gesundheitszustand. Von Dr. B ... holte der Beklagte daraufhin einen weiteren Befundbericht ein. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K ... erließ der Beklagte unter dem 04. Mai 1998 einen Änderungs-Bescheid. Als Behinderung wurde nunmehr ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS festgestellt. Die festgestellte Behinderung bewirke einen GdB von 20. Die Verhältnisse, die dem Bescheid vom 23. Juni 1997 zu Grunde gelegen hätten, hätten sich insofern wesentlich geändert, als eine Besserung der Behinderung des Klägers eingetreten sei. Nach erfolgter Nasen-OP sei die Nasenatmung jetzt ohne Einschränkung. Außerdem seien Motorik, Durchblutung und Sensibilität jetzt intakt. Deshalb sei ein niedrigerer GdB festzustellen. Hinsichtlich der Höhe des GdB legte der Kläger am 27. Mai 1998 Widerspruch ein.
In einer von Dipl.-Med. Sch ... eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme führte dieser u.a. aus, eine wesentliche Besserung im Vergleich zu den Vorbefunden, die zum Bescheid vom 02. Oktober 1995 geführt hätten, sei medizinisch nicht nachweisbar. Es sei in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26. Februar 1998 weder darauf eingegangen worden, womit die Reduktion des GdB zu begründen sei, die vorbestehende Septumdeviation sei lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten - habe somit keinen Einfluss auf die Höhe des Gesamt-GdB -, noch dargelegt, weshalb die bereits festgestellte Beeinträchtigung der Gehirnfunktion bei unverändertem Beschwerdebild nicht mehr bestehe, nachdem im Juni 1997 die vorbestehende versorgungsärztliche Beurteilung als weiterhin medizinisch gültig bewertet worden sei. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades könnten so genannte postkommotionelle Beschwerden längere Zeit (bis ca. zwei Jahre) nach dem Ereignis anhalten. Da diesem jedoch kein organisches Korrelat zu Grunde liege, sei die Wahl des Bescheidtextes für die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen als "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion" medizinisch eigentlich nicht korrekt, wobei nach der aktuellen neurologischen Untersuchung von Januar 1998 bei den geklagten Beschwerden und den festgestellten leichten Sensibilitäts- und Gleichgewichtsstörung eine weitergehende neurologische Diagnostik empfohlen werde, um eine organische Ursache auszuschließen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1995 sei aus medizinischer Sicht somit lediglich hinsichtlich der behinderten Nasenatmung, die nachweislich nicht mehr bestehe, nicht jedoch hinsichtlich der anderen festgestellten Behinderungen und der Höhe des GdB möglich. Von einer versorgungsärztlichen Untersuchung seien keine neuen Gesichtspunkte zu erwarten, da die Befunde in ausreichendem Umfange vorlägen. Eine Anhebung des Gesamt-GdB ließen diese wiederum nicht zu.
Der Beklagte erließ am 27. August 1998 einen Abhilfe-Bescheid. Dem Widerspruch des Klägers (vom 26. Mai 1998) wurde dahingehend abgeholfen, dass als Behinderungen ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS und eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion festgestellt wurden. Die festgestellten Behinderungen bewirkten weiterhin einen GdB von 30. Dieser GdB werde für die Zeit ab 25. Juli 1995 festgestellt. Der GdB liege weiterhin unter 50.
Auch dagegen legte der Kläger am 15. September 1998 Widerspruch ein unter Berufung auf die Einschätzung des GdB durch Dr. B ... Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1998). Die Behinderungen und der GdB seien in Übereinstimmung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 SchwbG i.V.m. § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften vollständig erfasst und mit einem GdB von 30 richtig bewertet worden. Der Kläger sei deshalb nicht schwerbehindert (Mindest-GdB 50), so dass er keinen Ausweis erhalten könne. Dem festgestellten GdB von 30 seien zutreffend die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zu Grunde gelegt worden. Eine Addition der einzelnen Grade der Behinderungen sei unzulässig - auch andere rechnerische Methoden dürften nicht angewandt werden. Auch unter Berücksichtigung des Befundberichtes von Dr. B ... könne für die bei ihm vorliegenden Behinderungen kein höherer GdB als 30 festgestellt werden.
Beim Sozialgericht Leipzig (SG) hat der Kläger am 13. November 1998 Klage erhoben, mit der er die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehrte. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. H ... und Dr. B ...
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2000 abgewiesen. Bei dem Kläger bestehe ein Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion. Für jede der beiden Behinderungen sei versorgungsärztlich ein Teil-GdB von 20 vorgeschlagen worden, daraus sei ein Gesamt-GdB von 30 gebildet worden. Dies sei nicht zu beanstanden und entspräche insbesondere den allgemeinen Regeln zur Bildung eines Gesamt-GdB. Es lägen aussagekräftige Befundberichte und vor allem auch ein ärztliches Gutachten des MDK Sachsen vom 21. August 1997 vor, so dass auf eine weitere Begutachtung habe verzichtet werden können. Hinsichtlich der erheblichen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne wesentliche neurologische Defizite sei der GdB mit 20 korrekt eingeschätzt worden, da mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vorlägen. Keinesfalls bestehe bei dem Kläger eine Schwerbehinderteneigenschaft (Mindest-GdB 50), wie das etwa der Fall sei bei einem Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen, der beispielsweise die Versteifung großer Teile der Wirbelsäule oder eine anhaltende Ruhigstellung durch eine Rumpforthese erforderlich mache, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasse. Die versorgungsärztliche Beurteilung der Behinderung sei angemessen und die Feststellung der Behinderung ebenso wie die Einschätzung des GdB mit 30 korrekt.
Gegen den als Einschreiben am 03. Mai 2000 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid legte der Kläger am 22. Mai 2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung ein.
Das LSG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes bei Dr. H ... und Einholung einer Auskunft bei Dr. S ...
Der Kläger ist der Ansicht, bei ihm bestehe ein GdB von mindestens 50. Dies sei von Dr. B ... festgestellt worden. Die Folgen des Unfalls hätten bei ihm einen Dauerschaden verursacht.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. März 2000 und den Bescheid des Beklagten vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Behinderung mit einem GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des erstinstanzlichen Urteils für zutreffend. Bei dem Kläger liege keine Schwerbehinderteneigenschaft vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1, § 110 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Der Bescheid des Beklagten vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 ist daher rechtmäßig.
Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherstellung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz - SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421, ber. 1550) stellt der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständige Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Nach § 3 Abs. 1 SchwbG sind als Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht, zu verstehen. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Bei mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen, ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich.
Der Beklagte hat dabei im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SchwbG nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den GdB festzustellen. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörung, die daraus folgende Funktionsbeeinträchtigung und deren Auswirkung sind demgegenüber lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998, Az: B 9 SB 18/97 R; B 9 SB 20/97 R; B 9 SB 1/98 R und B 9 SB 17/97 R).
Nach § 3 Abs. 2 SchwbG ist die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Für den GdB gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) normierten Maßstäbe entsprechend. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehenden Beeinträchtigungen den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten im Haushalt oder in der Freizeit Berücksichtigung. Das SchwbG gilt gleichermaßen für Berufstätige wie auch für Nichtberufstätige. Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (Anhaltspunkte 1996 - AHP). Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die Anhaltspunkte umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung an. In ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ansonsten ist es nicht zulässig, eine vom Gutachter festgestellte Behinderung mit einem GdB-Wert zu bemessen, der nicht im Einklang mit den Richtlinien der AHP steht. Das Bundessozialgericht hat mehrfach die Bedeutung der AHP auch für das Gerichtsverfahren herausgestellt und den AHP den Charakter antizipierter Sachverständigengutachten beigemessen (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 1, 5 u. 6). Vorliegend hat der Senat keine Bedenken, die AHP seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Der Begriff des GdB umschreibt indessen nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Eingriff; seine Festlegung ist daher nicht Aufgabe von Sachverständigen. Sie beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, welche allerdings mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der danach auf den zunächst festzustellenden medizinischen Tatsachen erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; jedoch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1955, Az: 4 RJ 120/54; Urteil vom 29. August 1990, Az: 9 a/9 RVs 7/89 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Hinsichtlich des beim Kläger vorliegenden Wirbelbruches mit Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS) wurden in dem Entlassungsbericht Dr. F .../Dr. Sch ..., Krankenhaus für Orthopädie - Waldkrankenhaus B ... - vom 09. Februar 1998 folgende Werte angegeben: Kinn-Jugulum-Abstand 3 cm, Retroflexion fast frei, Seitneige 20/0/20° (normal: 45/0/45°), Rotation 60/0/50° (links/rechts) (normal: 60-80/0/60-80°), Motorik, Durchblutung und Sensibilität intakt. Im Gutachten Dr. H ... für den MDK im Freistaat Sachsen vom 05. November 1998 werden für die HWS folgende Werte angegeben: Abstand Kinn-Sternum 3 cm, Reklination 20°, Seitneige beidseits 20°, Rotation beidseits 30°, keine cervicale radikuläre Symptomatik. Die den Kläger behandelnde Allgemeinärztin H ... hat in ihrem Befundbericht vom Juli 2000 angegeben, die von ihr erhobenen Befunde hätten sich nicht verschlechtert, die letzte Vorstellung wegen der Beschwerden sei am 28. Januar 1999 erfolgt. Dr. B ... gab gegenüber dem SG in seinem Befundbericht vom 23. Juli 1999 an, der Kläger sei bei ihm zuletzt am 02. April 1998 in Behandlung gewesen. Meßwerte der Gliedmaßen nach der Neutral-Null-Methode habe er nicht erhoben. Die AHP (AHP Nr. 26.18, S. 139-140) bewerten Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10, Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20 sowie Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30. Wegen des Fehlens einer cervicalen radikulären Symptomatik und des Vorliegens einer endgradigen Bewegungseinschränkung haben sowohl der Beklagte als auch das SG nach Überzeugung des Senats den GdB für die Erkrankung "Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der HWS" mit einem GdB von 20 angemessen und zutreffend beurteilt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Attest Dr. B ... vom 24. März 1997. Ohne nähere Begründung hat dieser ausgeführt, der GdB müsse neu überprüft werden und mit mindestens 50 % unter Berücksichtigung der Leiden auf anderen Fachgebieten eingeschätzt werden. Ein GdB von 50 allein für die Erkrankung im Halswirbelsäulenbereich kommt jedoch nicht in Betracht. Einen GdB von 50 bis 70 sehen die AHP beispielsweise für Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) vor. Dr. H ... schätzt den GdB für die Wirbelsäulenschädigung sogar lediglich mit einem GdB von 10 ein.
Für das Vorliegen der von dem Beklagten anerkannten Beeinträchtigung der Gehirnfunktion ergibt sich derzeit kein Anhaltspunkt. Dr. Sch ..., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie und Psychotherapie in der Behandlungsstelle Neurologie/Psychiatrie des medizinischen Zentrums des Landratsamtes Delitzsch, führte in einem Arztbericht vom 08. November 1995 aus, insgesamt lasse sich gegenwärtig kein pathologisch-neurologischer Befund für die geklagten Beschwerden (seit dem Unfall am 16. April 1995 Kopfschmerzen, besonders bei Wetterumschwung und Beschwerden bei schnellen Drehungen, Taubheitsgefühl im Gesicht und besonders morgendliches Einschlafgefühl der Finger) fassen, insgesamt beständen keine neurologischen Reiz- oder Ausfallserscheinungen.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie St ... führte in einem neurologischen Konsil während des Aufenthaltes des Klägers im Krankenhaus für Orthopädie - Waldkrankenhaus B ... - zum neurologischen Befund aus: "Linkshänder. Kopf- und Hirnnerven: Fazialisaugenastschwäche rechts (fragliche Compliancestörung). Hypästhesie/Hypalgesie rechte Gesichtshälfte. Übrige Gehirnnerven (Augenmotilität, Gesichtsfeld intakt). Motorik: keine Paresen ... Psychischer Befund: Bewusstseinsklar, orientiert. Kein Anhalt für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Akzentuierte Persönlichkeit mit fanatisch-expansiven Zügen. Diagnose - Zustand nach Spondylose C 2/3 nach Verkehrsunfall 1995.". Eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion lässt sich aus diesen Befunden sowie auch aus den weiteren in den Akten befindlichen Befunden nicht entnehmen. Ein GdB ist daher hierfür nicht festzustellen.
Gleiches ergibt sich für die vom Kläger geklagten und damit im Zusammenhang stehenden Kopfschmerzen; Gliederschmerzen in Armen, im Schulterbereich und im Nacken; Taubheitsgefühlen in Armen, Beinen und am Hinterkopf, den Schwindelanfällen sowie Kribbeln in Händen und Füßen.
Die beim Kläger bestehende Hypertonie (Bluthochdruck) wurde zuletzt aktenkundig mit einem RR von 160/90 Torr gemessen (vgl. Gutachten Dr. H ... vom 05. November 1998). Gleichzeitig führte Dr. H ... aus, es beständen keine Hinweiszeichen für eine manifeste kardiorespiratorische Insuffizienz, Lungen und Herz seien ohne Befund. Die AHP sehen für einen Bluthochdruck leichter Form (keine oder geringe Funktionsbeeinträchtigung [höchstens leichte Augenhintergrundveränderung]) einen GdB von 0 bis 10 vor, für die mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonikus I - II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 20 bis 40 (AHP Nr. 26.9, S. 92). Aus den vorliegenden Akten ergeben sich für den Senat keinerlei Leistungsbeeinträchtigungen des Klägers durch den bestehenden Bluthochdruck. Der GdB ist daher mit 0 einzuschätzen.
Die beim Kläger vorliegende Adipositas allein bedingt keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) könnten die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna (AHP Nr. 26.15, S. 120). Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich jedoch kein Vorliegen eines Schadens am kardiopulmonalen System des Klägers. Zu den Einschränkungen im Hals-Wirbelsäulenbereich des Klägers wird auf die o.a. Ausführungen verwiesen.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsstörungen zusammen dürfen nach AHP Nr. 19 die einzelnen Teil-GdB-Werte nicht einfach addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Dabei führen indessen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB um 20 ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bestimmung des Gesamt-GdB ist daher in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und damit im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden.
Vor diesem Hintergrund bedingt der Wirbelbruch mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule allein einen Teil-GdB von 20. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass mit dem daraus resultierenden Gesamt-GdB von 20 dem Beschwerdebild des Klägers hinreichend Rechnung getragen worden ist. Selbst wenn man für den Bluthochdruck einen Teil-GdB von 10 und für die Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, die jedoch nicht nachgewiesen ist, ebenfalls einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachtete, ergäbe sich daraus ingesamt kein höherer Gesamt-GdB als 20. Ein höherer Gesamt-GdB als der von dem Beklagten im Bescheid vom 27. April 1998 festgestellte GdB von 30 war daher nicht festzustellen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
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