Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SB 26/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 49/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15. November 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G".
Der Beklagte stellte erstmals im Oktober 1996 bei der am ... geborenen Klägerin fest, dass diese schwerbehindert ist. Am 26.01.1998 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Verschlimmerungsantrag. Als Behinderungen lägen eine seit 1983 bestehende Colitis ulcerosa im gesamten Dickdarm, ein starker Verschleiß in der rechten Schulter mit oft großen Schmerzen, eine Schilddrüsenvergrößerung mit Luftnot beim Laufen und Treppensteigen, Schmerzen im linken Knöchel (Sprunggelenksbruch vor einigen Jahren) bei längerem Laufen oder Stehen, sowie Schmerzen beim Laufen im rechten Fuß bzw. Ballen sowie Spann als Nachwirkung einer gebrochenen oder angebrochenen großen Zehe vor. Der Beklagte holte einen Befundbericht von MR Dr. W ..., Facharzt für Orthopädie, und von Dr. H ..., Fachärztin für Innere Medizin, ein, denen die von Dr. N ..., Gastroenterologe, und von Dr. Sch ..., Pathologe, erhobenen Befunde beilagen. MR Dr. W ... stellte bei der Klägerin eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizsymptomatik und ohne sichere sensomotorische Ausfälle fest. Das rechte Schultergelenk sei teilversteift. Die Hüft- und Kniegelenke seien beidseits frei beweglich. Ein entzündlicher Spreizfuss beidseits mit Hallux rigidus und Hammerkrallenzehen verursache statische Fußbeschwerden. Wesentliche Einschränkungen der Steh- und Gehfähigkeit beständen nicht. Nach Auskunft von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer chronischen und akuten subtotalen Colitis ulcerosa, einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit, einer Struma nodosa sowie unter Diabetes mellitus Grad II (diätisch). Seit Herbst 1997 sei es zu einer Zunahme der akuten Darmsymptomatik mit Blähungen, Bauchkrämpfen, mehrfachen Stuhlabgängen unter Blutbeimengungen gekommen. Histologisch sei es dann zu einer Besserung des Entzündungszustandes des Darmes gekommen. Die allgemeinen Medikamentennebenwirkungen seien dafür aber beträchtlich (Übelkeit, Schwindel). Gleichzeitig hätten die Herzbeschwerden mit rezidivierender Angina pectoris Symptomatik zugenommen.
Mit Änderungsbescheid vom 21.07.1998 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 unter Berücksichtigung folgender Behinderungen fest:
1. Geschwürige Darmentzündung (Colitis ulcerosa)
2. Herzleistungsminderung Durchblutungsstörung des Herzens
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
4. Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes rechts
5. Schilddrüsenvergrößerung
Eine erhebliche Gehbehinderung liege bei der Klägerin nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" bestehe nicht.
Hiergegen legte die Klägerin am 27.07.1998 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass bei ihr auf Grund der statischen Fußbeschwerden und der Atemnot die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorlägen. Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte einen Befundbericht von Dr. H ... ein, dem der Befund der Echokardiographiekontrolle vom 01.10.1998 von Dr. L ..., Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, beigefügt war. Dr. L ... stellte bei der Klägerin einen nahezu altersentsprechenden Echokardiographiebefund fest. Nach Auskunft von Dr. H ... brach die Klägerin die Ergometrie bis einschließlich 2 Minuten über 75 Watt wegen Atemnot ab. Unter Belastung und in der Erholungsphase hätte keine Angina pectoris Symptomatik, keine ST-Strecken-Veränderungen, kein Anhalt für Coronarinsuffizienz und keine Rhythmusstörungen bestanden. Bei 75 Watt sei eine eindeutige hypertone RR-Regulation aufgetreten, die zu der angegebenen Luftnot führe (Riva-Rocci).
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.1999 zurück. Die Behinderungen seien mit einem GdB von 60 richtig bewertet. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" könnten nicht festgestellt werden. Die bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule/unteren Gliedmaßen bestehenden Behinderungen bedingten nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Eine gleichschwere Beeinträchtigung wie bei dem Verlust eines Beines im Unterschenkel liege nicht vor. Weder seitens des Herzens noch der Lunge bestände eine entsprechend schwere Funktionseinschränkung.
Mit ihrer am 16.02.1999 auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter vertreten.
Das SG hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht von MR Dr. W ... und Dr. H ... eingeholt. Nach Auskunft von MR Dr. W ... beständen seit 1995 zunehmende Beschwerden im Bereich des Lendenabschnittes der Wirbelsäule im Sinne eines rezidivierenden Lumbalsyndroms. Außerdem lägen zusätzliche Beschwerden durch die inzwischen diagnostizierte postklimakterische Osteoporose vor.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.11.1999 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Der Beklagte habe zutreffend vorgetragen, dass eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder die rezidivierend auftretende Darmentzündung sich nicht so gravierend auf das Gehvermögen auswirkten, wie bei schweren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten. Der behandelnde Orthopäde Dr. W ... habe bereits im Februar 1998 festgestellt, dass eine wesentliche Einschränkung der Steh- und Gehfähigkeit nicht bestehe.
Gegen den Gerichtsbescheid (an die Klägerin abgesandt am 02.12.1999) richtet sich die am 13.12.1999 beim SG eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" weiter verfolgt. Die letzte Begutachtung durch Dr. W ... habe 1998 stattgefunden. Seitdem sei eine Verschlechterung eingetreten. Auch die Atembeschwerden hätten zugenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15. November 1999 sowie den Bescheid vom 21. Juli 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 1999 und des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 19. März 2001 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr ab 26. Januar 1998 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zur weiteren Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht von Dr. W ... und von Dr. H ... eingeholt. Dr. W ... gab zunehmende Beschwerden durch eine Gelenkkontraktur des linken OSG (oberes Sprunggelenk) nach Knöchelfraktur und Fußdeformität trotz orthopädischer Maßschuhversorgung an. Auf Grund der vorliegenden Erkrankungen der Lendenwirbelsäule und der Funktionsstörung beider Füße könne man von einer funktionellen Gleichstellung mit einem Versicherten mit einer Fußgelenkversteifung ausgehen. Nach Auskunft von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer geringen obstruktiven Ventilationsstörung. Auf die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, eine Wegstrecke von 2 Kilometern im ebenen Gelände binnen 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, gab Dr. H ... an: "Kann ich nicht beurteilen - eher ja."
Der Senat hat Beweis erhoben und ein Gutachten auf orthopädischem Gebiet von Prof. Dr. v ... S ... eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.12.2000 den GdB für die Gesundheitsstörung der Wirbelsäule mit 20 bewertet. In demselben Ausmaß sei die durch die Gesundheitsstörung beider Schultergelenke hervorgerufene Behinderung einzuschätzen. Die Fußfehlform entspräche bei alleiniger Würdigung einem GdB von 10. Bei zusammenhängender Betrachtung aller Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet ergebe sich ein Grad der Behinderung von 30. Der Klägerin könnten Wegstrecken von 2 Kilometern auf ebenen Gelände, in einer Zeit von etwa 30 Minuten zugemutet werden. Die Gesundheitsstörungen an den unteren Extremitäten seien hinsichtlich ihrer Funktionsbehinderung nicht mit einer Hüft-, Knie- oder Fußgelenksversteifung gleichzustellen. Alle Gelenke der unteren Extremitäten seien für den normalen Geh- und Abrollvorgang ausreichend beweglich. Auf das Gutachten von Prof. Dr. v ... S ... im Übrigen (Bl. 68 - 81 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat zu dem Gutachten Stellung genommen und sich mit ihm nicht einverstanden erklärt, da Prof. Dr. v ... S ... die ständige Verschlechterung nicht berücksichtigt habe bzw. dass sie immer schlechter zu Fuß sei. Sie habe Luftnot durch die Beeinträchtigung der Schilddrüsenerkrankung. Dies habe er unberücksichtigt gelassen. Der Beklagte erklärte sich mit Teilanerkenntnis vom 19.03.2001 bereit, mit Wirkung ab 4/2000 festzustellen, dass die Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit einem GdB von 70 vorliege.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, ihr Gesundheitszustand, Schmerzen beim Laufen, im Rücken, Knöchel, Oberschenkel und rechten Fuß hätte sich leider verschlechtert, die Luftnot sei auch nicht besser geworden, im Gegenteil. Außerdem leide sie seit März an einem akuten Schub ihrer Colitis ulcerosa verbunden mit Schmerzen im Unterleib, wodurch das Gehen sehr beschwerlich sei. Der Senat hat in erneuter Sachermittlung einen weiteren Befundbericht von MR Dr. W ... und Dr. H ... eingeholt. Nach Auskunft von MR Dr. W ... hat sich bei der Klägerin seit dem 06.11.2000 gegenüber der Vorberichterstattung von März 2000 keine wesentliche Befundänderung ergeben. Dr. H ... gab an, dass es im Februar 2001 wiederum zu einer akuten Phase der chronisch entzündlichen Darmerkrankung gekommen sei. Auffällig seien wieder 4-5 durchfällig-breiige Stühle mit Blutbeimengungen, Bauchschmerzen und erheblichen Blähungen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 19.03.2001 angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 21.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.1999 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), als sie keinen Anspruch darauf hat, dass die nach § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046 ff.) zuständigen Behörden des Beklagten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" feststellen und im Schwerbehindertenausweis eintragen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Ausweisverordnung-Schwerbehindertengesetz -SchwbGAV), weil bei ihr keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich zu befördern. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 SGB IX). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, hat den unbestimmten Rechtsbegriff der "üblichen Wegstrecke" konkretisiert; danach beträgt bei den derzeitigen Verhältnissen die üblicherweise im Ortsverkehr zu Fuß zurückgelegte Strecke zwei Kilometer bei einer Gehdauer von 30 Minuten (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9 a RVs 11/87 m. w. N. -). Dabei kommt es weder auf die Fähigkeit an, extreme Wegverhältnisse zu bewältigen, noch darauf, ob die Gehstrecke von 2.000 Metern in 30 Minuten schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Behinderte diese Wegstrecke nur unter unzumutbaren starken Schmerzen zurücklegen könnte. Die Einschätzung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist indes nicht allein von der Wegstrecke abhängig, die zu Fuß von dem Schwerbehinderten noch zurück gelegt werden kann. Vielmehr muss gerade eine sich auf das Gehvermögen entsprechend auswirkende Behinderung bestehen. Welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist", ergibt sich aus den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zuletzt 1996 herausgegeben hat. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben, dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSGE 72, 285, 286 ff.). Die AHP stellen eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkennntnisse der medizinischen Wissenschaften zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen dar. Denn in ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben. Sie ermöglichen auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung, die dem Gleichheitsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" tragen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Meßgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen (vgl. Gebauer, MedSach 1995, 53). Von diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die nach § 146 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Bewegungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die AHP beschreiben dazu in Ziffer 30 Abs. 3 - 5 Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können.
Gemäß Ziffer 30 Abs. 3 (S. 166) der AHP sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe III (Ziffer 26.9. S. 87 der AHP) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (Ziffer 26.8 S. 83 der AHP) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit einem Hb-Wert unter 8 g/dl, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund steht der Klägerin der Nachteilsausgleich "G" nicht zu. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, d.h. aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aber aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen und den von Dr. H ... erhobenen Befunden.
Danach leidet die Klägerin auf internistischem Gebiet unter einer chronischen Colitis ulcerosa, einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit, einer Schilddrüsenvergrößerung sowie unter einem Diabetes mellitus Grad II sowie auf orthopädischem Gebiet an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Kalksalzmangel, einer Verschleißerkrankung beider Schultergelenke mit Bewegungseinschränkungen, einer Fußfehlform, Osteoporose und unter einer geringen Funktionsstörung des Daumens. Aus orthopädischer Sicht ist die Klägerin in der Lage, 2 Kilometer auf ebenem Gelände in einer Zeit von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Dieser führt schlüssig und nachvollziehbar aus, dass Auswirkungen auf das Gehvermögen nur durch die Verschleißerkrankungen der Lendenwirbelsäule und durch die Fußfehlform angenommen werden können. Da keinerlei motorisches Defizit an den unteren Extremitäten nachvollzogen werden könne und auch anamnestisch keine Claudicatio spinalis (Gehbehinderung wegen Spinalkanalenge) beklagt werde, seien keine höhergradigen Einschränkungen des Gehvermögens durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet abzuleiten.
Darüber hinaus liegen bei der Klägerin keine nach Maßgabe der Ziffer 30 Abs. 3 der AHP maßgeblichen Behinderungen vor, noch sind die bei der Klägerin vorliegenden mit diesen vergleichbar. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen zwar degenerative Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ist indes allenfalls mäßiggradig gemindert. Lediglich der für die Reklination gemessene Wert mit 10 Grad (normal bis 30 Grad, vgl. Ziff. 8 S. 16 AHP) und der für die Seitneige jeweils mit 20 Grad (normal 30-40/0/30-40) gemessene Wert weichen von den Bewegungsmaßen einer gesunden Lendenwirbelsäule ab. Ein Wirbelsäulenschaden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit besonders schweren Auswirkungen, für den die AHP einen GdB von 50 vorsehen, liegt daher nicht vor. Ebenso wenig bestehen im Sinne von Ziffer 30 Abs. 3 AHP wesentliche Behinderungen an den unteren Gliedmaßen. Die Hüft- und Kniegelenke sind beidseits frei beweglich. Die Fußfehlform (Spreizfuß mit Zehendeformitäten) ist nur mäßig ausgeprägt. Der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen angegebene GdB für die Fußdeformität von 10 steht im Einklang mit den AHP, wonach bei Fußdeformitäten mit statischer Auswirkung geringen Grades ein GdB von 10 anzusetzen ist. Für eine insoweit bestehende Funktionsstörung stärkeren Grades hat der Senat angesichts der von Prof. Dr. v ... S ... erhobenen Befunde keinen Anhalt. Im Bereich der Sprunggelenke liegen keine wesentlichen degenerativen Veränderungen vor. Die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk links mit gemessenen Werten von 10/0/30 (normal 20-30/0/40-50) ist geringen Grades, rechts mit gemessenen Werten von 5/0/20 mittleren Grades. Die AHP sehen für eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades einen GdB von 0 und für eine solche mittleren Grades (Hebe/Senke 0-0-30) einen GdB von 10 vor. Eine wesentliche Funktionsstörung liegt daher auch im Bereich des oberen Sprunggelenkes nicht vor. Die bei der Klägerin vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen sind entgegen der Auffassung von MR Dr. W ... nicht mit einer Versteifung des Fußgelenkes in ungünstiger Stellung vergleichbar, da auch nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen alle Gelenke der unteren Extremitäten für den normalen Geh- und Abrollvorgang ausreichend beweglich sind. Soweit die Klägerin nach der Erstellung des Gutachtens von Prof. Dr. v ... S ... am 06.11.2000 eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes auf orthopädischem Gebiet geltend gemacht hat, bestehen hierfür keine Anhaltspunkte. Nach Mitteilung von MR Dr. W ... haben sich die orthopädischen Befunde seit März 2000 nicht wesentlich geändert.
Auch die bei der Klägerin vorliegenden inneren Leiden schränken das Gehvermögen der Klägerin nicht erheblich ein. Die Klägerin gibt zwar Atemnot an. Eine Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades liegt indes nicht vor. Nach den Feststellungen von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung. Die im Juli 1998 gemessenen statischen und dynamischen Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung waren vornehmlich nicht bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte. Dies ist indes unter anderem Voraussetzung für die Annahme einer Lungenfunktionsstörung mittleren Grades (vgl. Ziffer 26.18 S. 83 AHP). So lag die im April 2000 gemessene Vitalkapazität mit einem Wert Ist/Soll von 104 über, die forcierte Vitalkapazität mit einem Wert von 84 nicht wesentlich unter Normalwerten. Auch die übrigen Lungenfunktionswerte lagen nicht bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte. Für eine wesentliche Verschlechterung der Lungenfunktionswerte seit April 2000 besteht kein Anhalt. Die Klägerin gab zwar eine Ausweitung der Atemnot an. Die behandelnde Internistin teilte indes eine Befundverschlechterung diesbezüglich nicht mit. Der Senat sah sich daher zu weiteren Ermittlungen insoweit nicht veranlasst.
Die bei der Klägerin vorliegende Herzleistung entspricht nicht wenigstens der Gruppe III der Herzkrankheiten (vgl. Ziffer 26.9. S. 780 AHP). Dies setzt eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen [3-4 Kilometer], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) sowie Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) voraus. Die Klägerin war über 2 Minuten über 75 Watt belastbar. Unter Belastungen in der Erholungsphase bestand nach den Feststellungen von Frau Dr. H ... keine Angina pectoris Symptomatik, keine ST-Strecken-Veränderung, kein Anhalt für Coronarinsuffizienz und keine Rhythmusstörungen. Die Herzfrequenz-Regulation war normal. Bei 75 Watt trat eine hypertone RR-Regulation auf, die letztlich ursächlich für die Luftnot der Klägerin ist. Pathologische Meßdaten bei 50 Watt traten indes nicht auf.
Schließlich hat die festgestellte Colitis ulcerosa keine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin im Sinne von Ziffer 30 Abs. 3 der AHP zur Folge. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin durch die Folgen dieser Erkrankung in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigt ist. Indes ist die Erkrankung nicht derart, als dass sie mit einer chronischen Niereninsuffizienz mit einem Hb-Wert unter 8 g/dl gleichgestellt werden kann. Diese setzt eine schwere Leistungsbeeinträchtigung insbesondere infolge einer ausgeprägten Anämie voraus. Ihr ist eine Colitis ulcerosa-Erkrankung mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie), die nach Ziffer 26.10, S. 98 mit einem GdB von 70-80 zu bewerten ist, vergleichbar. Einen derartigen Schweregrad hat die bei der Klägerin vorliegende entzündliche Darmerkrankung indes nicht erreicht. Die dem Gericht vorliegenden Hämoglobin-Werte lagen 1999 mit 7,6 mmol/l, 7,3 mmol/l, 7,6 mmol/l und 8,4 mmol/l bei einem Normbereich von 7,5 bis 9,9 mmol/l fast ausschließlich im Normbereich. Auch im letzten Befundbericht von Dr. H ..., der während des letzten akuten Schubs der Darmerkrankung im Februar 2001 vom Senat eingeholt worden ist, ist eine ausgeprägte Anämie nicht angegeben. Auch lässt sich der medizinischen Dokumentation keine schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes entnehmen, zumal die Klägerin noch zu einer Belastung in der Ergometrie bis 75 Watt fähig war. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. v ... S ... wog die Klägerin 73 Kilogramm bei einer Größe von 162 cm. Der Allgemeinzustand wurde vom gerichtlich bestellten Sachverständigen als gut bezeichnet. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes ergibt sich hieraus nicht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G".
Der Beklagte stellte erstmals im Oktober 1996 bei der am ... geborenen Klägerin fest, dass diese schwerbehindert ist. Am 26.01.1998 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Verschlimmerungsantrag. Als Behinderungen lägen eine seit 1983 bestehende Colitis ulcerosa im gesamten Dickdarm, ein starker Verschleiß in der rechten Schulter mit oft großen Schmerzen, eine Schilddrüsenvergrößerung mit Luftnot beim Laufen und Treppensteigen, Schmerzen im linken Knöchel (Sprunggelenksbruch vor einigen Jahren) bei längerem Laufen oder Stehen, sowie Schmerzen beim Laufen im rechten Fuß bzw. Ballen sowie Spann als Nachwirkung einer gebrochenen oder angebrochenen großen Zehe vor. Der Beklagte holte einen Befundbericht von MR Dr. W ..., Facharzt für Orthopädie, und von Dr. H ..., Fachärztin für Innere Medizin, ein, denen die von Dr. N ..., Gastroenterologe, und von Dr. Sch ..., Pathologe, erhobenen Befunde beilagen. MR Dr. W ... stellte bei der Klägerin eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizsymptomatik und ohne sichere sensomotorische Ausfälle fest. Das rechte Schultergelenk sei teilversteift. Die Hüft- und Kniegelenke seien beidseits frei beweglich. Ein entzündlicher Spreizfuss beidseits mit Hallux rigidus und Hammerkrallenzehen verursache statische Fußbeschwerden. Wesentliche Einschränkungen der Steh- und Gehfähigkeit beständen nicht. Nach Auskunft von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer chronischen und akuten subtotalen Colitis ulcerosa, einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit, einer Struma nodosa sowie unter Diabetes mellitus Grad II (diätisch). Seit Herbst 1997 sei es zu einer Zunahme der akuten Darmsymptomatik mit Blähungen, Bauchkrämpfen, mehrfachen Stuhlabgängen unter Blutbeimengungen gekommen. Histologisch sei es dann zu einer Besserung des Entzündungszustandes des Darmes gekommen. Die allgemeinen Medikamentennebenwirkungen seien dafür aber beträchtlich (Übelkeit, Schwindel). Gleichzeitig hätten die Herzbeschwerden mit rezidivierender Angina pectoris Symptomatik zugenommen.
Mit Änderungsbescheid vom 21.07.1998 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 unter Berücksichtigung folgender Behinderungen fest:
1. Geschwürige Darmentzündung (Colitis ulcerosa)
2. Herzleistungsminderung Durchblutungsstörung des Herzens
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
4. Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes rechts
5. Schilddrüsenvergrößerung
Eine erhebliche Gehbehinderung liege bei der Klägerin nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" bestehe nicht.
Hiergegen legte die Klägerin am 27.07.1998 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass bei ihr auf Grund der statischen Fußbeschwerden und der Atemnot die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorlägen. Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte einen Befundbericht von Dr. H ... ein, dem der Befund der Echokardiographiekontrolle vom 01.10.1998 von Dr. L ..., Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, beigefügt war. Dr. L ... stellte bei der Klägerin einen nahezu altersentsprechenden Echokardiographiebefund fest. Nach Auskunft von Dr. H ... brach die Klägerin die Ergometrie bis einschließlich 2 Minuten über 75 Watt wegen Atemnot ab. Unter Belastung und in der Erholungsphase hätte keine Angina pectoris Symptomatik, keine ST-Strecken-Veränderungen, kein Anhalt für Coronarinsuffizienz und keine Rhythmusstörungen bestanden. Bei 75 Watt sei eine eindeutige hypertone RR-Regulation aufgetreten, die zu der angegebenen Luftnot führe (Riva-Rocci).
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.1999 zurück. Die Behinderungen seien mit einem GdB von 60 richtig bewertet. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" könnten nicht festgestellt werden. Die bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule/unteren Gliedmaßen bestehenden Behinderungen bedingten nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Eine gleichschwere Beeinträchtigung wie bei dem Verlust eines Beines im Unterschenkel liege nicht vor. Weder seitens des Herzens noch der Lunge bestände eine entsprechend schwere Funktionseinschränkung.
Mit ihrer am 16.02.1999 auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter vertreten.
Das SG hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht von MR Dr. W ... und Dr. H ... eingeholt. Nach Auskunft von MR Dr. W ... beständen seit 1995 zunehmende Beschwerden im Bereich des Lendenabschnittes der Wirbelsäule im Sinne eines rezidivierenden Lumbalsyndroms. Außerdem lägen zusätzliche Beschwerden durch die inzwischen diagnostizierte postklimakterische Osteoporose vor.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.11.1999 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Der Beklagte habe zutreffend vorgetragen, dass eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder die rezidivierend auftretende Darmentzündung sich nicht so gravierend auf das Gehvermögen auswirkten, wie bei schweren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten. Der behandelnde Orthopäde Dr. W ... habe bereits im Februar 1998 festgestellt, dass eine wesentliche Einschränkung der Steh- und Gehfähigkeit nicht bestehe.
Gegen den Gerichtsbescheid (an die Klägerin abgesandt am 02.12.1999) richtet sich die am 13.12.1999 beim SG eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" weiter verfolgt. Die letzte Begutachtung durch Dr. W ... habe 1998 stattgefunden. Seitdem sei eine Verschlechterung eingetreten. Auch die Atembeschwerden hätten zugenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15. November 1999 sowie den Bescheid vom 21. Juli 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 1999 und des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 19. März 2001 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr ab 26. Januar 1998 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zur weiteren Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht von Dr. W ... und von Dr. H ... eingeholt. Dr. W ... gab zunehmende Beschwerden durch eine Gelenkkontraktur des linken OSG (oberes Sprunggelenk) nach Knöchelfraktur und Fußdeformität trotz orthopädischer Maßschuhversorgung an. Auf Grund der vorliegenden Erkrankungen der Lendenwirbelsäule und der Funktionsstörung beider Füße könne man von einer funktionellen Gleichstellung mit einem Versicherten mit einer Fußgelenkversteifung ausgehen. Nach Auskunft von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer geringen obstruktiven Ventilationsstörung. Auf die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, eine Wegstrecke von 2 Kilometern im ebenen Gelände binnen 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, gab Dr. H ... an: "Kann ich nicht beurteilen - eher ja."
Der Senat hat Beweis erhoben und ein Gutachten auf orthopädischem Gebiet von Prof. Dr. v ... S ... eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.12.2000 den GdB für die Gesundheitsstörung der Wirbelsäule mit 20 bewertet. In demselben Ausmaß sei die durch die Gesundheitsstörung beider Schultergelenke hervorgerufene Behinderung einzuschätzen. Die Fußfehlform entspräche bei alleiniger Würdigung einem GdB von 10. Bei zusammenhängender Betrachtung aller Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet ergebe sich ein Grad der Behinderung von 30. Der Klägerin könnten Wegstrecken von 2 Kilometern auf ebenen Gelände, in einer Zeit von etwa 30 Minuten zugemutet werden. Die Gesundheitsstörungen an den unteren Extremitäten seien hinsichtlich ihrer Funktionsbehinderung nicht mit einer Hüft-, Knie- oder Fußgelenksversteifung gleichzustellen. Alle Gelenke der unteren Extremitäten seien für den normalen Geh- und Abrollvorgang ausreichend beweglich. Auf das Gutachten von Prof. Dr. v ... S ... im Übrigen (Bl. 68 - 81 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat zu dem Gutachten Stellung genommen und sich mit ihm nicht einverstanden erklärt, da Prof. Dr. v ... S ... die ständige Verschlechterung nicht berücksichtigt habe bzw. dass sie immer schlechter zu Fuß sei. Sie habe Luftnot durch die Beeinträchtigung der Schilddrüsenerkrankung. Dies habe er unberücksichtigt gelassen. Der Beklagte erklärte sich mit Teilanerkenntnis vom 19.03.2001 bereit, mit Wirkung ab 4/2000 festzustellen, dass die Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit einem GdB von 70 vorliege.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, ihr Gesundheitszustand, Schmerzen beim Laufen, im Rücken, Knöchel, Oberschenkel und rechten Fuß hätte sich leider verschlechtert, die Luftnot sei auch nicht besser geworden, im Gegenteil. Außerdem leide sie seit März an einem akuten Schub ihrer Colitis ulcerosa verbunden mit Schmerzen im Unterleib, wodurch das Gehen sehr beschwerlich sei. Der Senat hat in erneuter Sachermittlung einen weiteren Befundbericht von MR Dr. W ... und Dr. H ... eingeholt. Nach Auskunft von MR Dr. W ... hat sich bei der Klägerin seit dem 06.11.2000 gegenüber der Vorberichterstattung von März 2000 keine wesentliche Befundänderung ergeben. Dr. H ... gab an, dass es im Februar 2001 wiederum zu einer akuten Phase der chronisch entzündlichen Darmerkrankung gekommen sei. Auffällig seien wieder 4-5 durchfällig-breiige Stühle mit Blutbeimengungen, Bauchschmerzen und erheblichen Blähungen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 19.03.2001 angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 21.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.1999 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), als sie keinen Anspruch darauf hat, dass die nach § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046 ff.) zuständigen Behörden des Beklagten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" feststellen und im Schwerbehindertenausweis eintragen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Ausweisverordnung-Schwerbehindertengesetz -SchwbGAV), weil bei ihr keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich zu befördern. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 SGB IX). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, hat den unbestimmten Rechtsbegriff der "üblichen Wegstrecke" konkretisiert; danach beträgt bei den derzeitigen Verhältnissen die üblicherweise im Ortsverkehr zu Fuß zurückgelegte Strecke zwei Kilometer bei einer Gehdauer von 30 Minuten (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9 a RVs 11/87 m. w. N. -). Dabei kommt es weder auf die Fähigkeit an, extreme Wegverhältnisse zu bewältigen, noch darauf, ob die Gehstrecke von 2.000 Metern in 30 Minuten schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Behinderte diese Wegstrecke nur unter unzumutbaren starken Schmerzen zurücklegen könnte. Die Einschätzung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist indes nicht allein von der Wegstrecke abhängig, die zu Fuß von dem Schwerbehinderten noch zurück gelegt werden kann. Vielmehr muss gerade eine sich auf das Gehvermögen entsprechend auswirkende Behinderung bestehen. Welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist", ergibt sich aus den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zuletzt 1996 herausgegeben hat. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben, dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSGE 72, 285, 286 ff.). Die AHP stellen eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkennntnisse der medizinischen Wissenschaften zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen dar. Denn in ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben. Sie ermöglichen auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung, die dem Gleichheitsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" tragen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Meßgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen (vgl. Gebauer, MedSach 1995, 53). Von diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die nach § 146 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Bewegungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die AHP beschreiben dazu in Ziffer 30 Abs. 3 - 5 Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können.
Gemäß Ziffer 30 Abs. 3 (S. 166) der AHP sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe III (Ziffer 26.9. S. 87 der AHP) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (Ziffer 26.8 S. 83 der AHP) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit einem Hb-Wert unter 8 g/dl, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund steht der Klägerin der Nachteilsausgleich "G" nicht zu. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, d.h. aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aber aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen und den von Dr. H ... erhobenen Befunden.
Danach leidet die Klägerin auf internistischem Gebiet unter einer chronischen Colitis ulcerosa, einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit, einer Schilddrüsenvergrößerung sowie unter einem Diabetes mellitus Grad II sowie auf orthopädischem Gebiet an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Kalksalzmangel, einer Verschleißerkrankung beider Schultergelenke mit Bewegungseinschränkungen, einer Fußfehlform, Osteoporose und unter einer geringen Funktionsstörung des Daumens. Aus orthopädischer Sicht ist die Klägerin in der Lage, 2 Kilometer auf ebenem Gelände in einer Zeit von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Dieser führt schlüssig und nachvollziehbar aus, dass Auswirkungen auf das Gehvermögen nur durch die Verschleißerkrankungen der Lendenwirbelsäule und durch die Fußfehlform angenommen werden können. Da keinerlei motorisches Defizit an den unteren Extremitäten nachvollzogen werden könne und auch anamnestisch keine Claudicatio spinalis (Gehbehinderung wegen Spinalkanalenge) beklagt werde, seien keine höhergradigen Einschränkungen des Gehvermögens durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet abzuleiten.
Darüber hinaus liegen bei der Klägerin keine nach Maßgabe der Ziffer 30 Abs. 3 der AHP maßgeblichen Behinderungen vor, noch sind die bei der Klägerin vorliegenden mit diesen vergleichbar. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen zwar degenerative Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ist indes allenfalls mäßiggradig gemindert. Lediglich der für die Reklination gemessene Wert mit 10 Grad (normal bis 30 Grad, vgl. Ziff. 8 S. 16 AHP) und der für die Seitneige jeweils mit 20 Grad (normal 30-40/0/30-40) gemessene Wert weichen von den Bewegungsmaßen einer gesunden Lendenwirbelsäule ab. Ein Wirbelsäulenschaden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit besonders schweren Auswirkungen, für den die AHP einen GdB von 50 vorsehen, liegt daher nicht vor. Ebenso wenig bestehen im Sinne von Ziffer 30 Abs. 3 AHP wesentliche Behinderungen an den unteren Gliedmaßen. Die Hüft- und Kniegelenke sind beidseits frei beweglich. Die Fußfehlform (Spreizfuß mit Zehendeformitäten) ist nur mäßig ausgeprägt. Der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen angegebene GdB für die Fußdeformität von 10 steht im Einklang mit den AHP, wonach bei Fußdeformitäten mit statischer Auswirkung geringen Grades ein GdB von 10 anzusetzen ist. Für eine insoweit bestehende Funktionsstörung stärkeren Grades hat der Senat angesichts der von Prof. Dr. v ... S ... erhobenen Befunde keinen Anhalt. Im Bereich der Sprunggelenke liegen keine wesentlichen degenerativen Veränderungen vor. Die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk links mit gemessenen Werten von 10/0/30 (normal 20-30/0/40-50) ist geringen Grades, rechts mit gemessenen Werten von 5/0/20 mittleren Grades. Die AHP sehen für eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades einen GdB von 0 und für eine solche mittleren Grades (Hebe/Senke 0-0-30) einen GdB von 10 vor. Eine wesentliche Funktionsstörung liegt daher auch im Bereich des oberen Sprunggelenkes nicht vor. Die bei der Klägerin vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen sind entgegen der Auffassung von MR Dr. W ... nicht mit einer Versteifung des Fußgelenkes in ungünstiger Stellung vergleichbar, da auch nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen alle Gelenke der unteren Extremitäten für den normalen Geh- und Abrollvorgang ausreichend beweglich sind. Soweit die Klägerin nach der Erstellung des Gutachtens von Prof. Dr. v ... S ... am 06.11.2000 eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes auf orthopädischem Gebiet geltend gemacht hat, bestehen hierfür keine Anhaltspunkte. Nach Mitteilung von MR Dr. W ... haben sich die orthopädischen Befunde seit März 2000 nicht wesentlich geändert.
Auch die bei der Klägerin vorliegenden inneren Leiden schränken das Gehvermögen der Klägerin nicht erheblich ein. Die Klägerin gibt zwar Atemnot an. Eine Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades liegt indes nicht vor. Nach den Feststellungen von Dr. H ... leidet die Klägerin unter einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung. Die im Juli 1998 gemessenen statischen und dynamischen Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung waren vornehmlich nicht bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte. Dies ist indes unter anderem Voraussetzung für die Annahme einer Lungenfunktionsstörung mittleren Grades (vgl. Ziffer 26.18 S. 83 AHP). So lag die im April 2000 gemessene Vitalkapazität mit einem Wert Ist/Soll von 104 über, die forcierte Vitalkapazität mit einem Wert von 84 nicht wesentlich unter Normalwerten. Auch die übrigen Lungenfunktionswerte lagen nicht bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte. Für eine wesentliche Verschlechterung der Lungenfunktionswerte seit April 2000 besteht kein Anhalt. Die Klägerin gab zwar eine Ausweitung der Atemnot an. Die behandelnde Internistin teilte indes eine Befundverschlechterung diesbezüglich nicht mit. Der Senat sah sich daher zu weiteren Ermittlungen insoweit nicht veranlasst.
Die bei der Klägerin vorliegende Herzleistung entspricht nicht wenigstens der Gruppe III der Herzkrankheiten (vgl. Ziffer 26.9. S. 780 AHP). Dies setzt eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen [3-4 Kilometer], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) sowie Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) voraus. Die Klägerin war über 2 Minuten über 75 Watt belastbar. Unter Belastungen in der Erholungsphase bestand nach den Feststellungen von Frau Dr. H ... keine Angina pectoris Symptomatik, keine ST-Strecken-Veränderung, kein Anhalt für Coronarinsuffizienz und keine Rhythmusstörungen. Die Herzfrequenz-Regulation war normal. Bei 75 Watt trat eine hypertone RR-Regulation auf, die letztlich ursächlich für die Luftnot der Klägerin ist. Pathologische Meßdaten bei 50 Watt traten indes nicht auf.
Schließlich hat die festgestellte Colitis ulcerosa keine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin im Sinne von Ziffer 30 Abs. 3 der AHP zur Folge. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin durch die Folgen dieser Erkrankung in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigt ist. Indes ist die Erkrankung nicht derart, als dass sie mit einer chronischen Niereninsuffizienz mit einem Hb-Wert unter 8 g/dl gleichgestellt werden kann. Diese setzt eine schwere Leistungsbeeinträchtigung insbesondere infolge einer ausgeprägten Anämie voraus. Ihr ist eine Colitis ulcerosa-Erkrankung mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie), die nach Ziffer 26.10, S. 98 mit einem GdB von 70-80 zu bewerten ist, vergleichbar. Einen derartigen Schweregrad hat die bei der Klägerin vorliegende entzündliche Darmerkrankung indes nicht erreicht. Die dem Gericht vorliegenden Hämoglobin-Werte lagen 1999 mit 7,6 mmol/l, 7,3 mmol/l, 7,6 mmol/l und 8,4 mmol/l bei einem Normbereich von 7,5 bis 9,9 mmol/l fast ausschließlich im Normbereich. Auch im letzten Befundbericht von Dr. H ..., der während des letzten akuten Schubs der Darmerkrankung im Februar 2001 vom Senat eingeholt worden ist, ist eine ausgeprägte Anämie nicht angegeben. Auch lässt sich der medizinischen Dokumentation keine schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes entnehmen, zumal die Klägerin noch zu einer Belastung in der Ergometrie bis 75 Watt fähig war. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. v ... S ... wog die Klägerin 73 Kilogramm bei einer Größe von 162 cm. Der Allgemeinzustand wurde vom gerichtlich bestellten Sachverständigen als gut bezeichnet. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes ergibt sich hieraus nicht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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Aus
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