Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 SB 32/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 4/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.12.1999 sowie der Bescheid vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1998 abgeändert und der Beklagte verurteilt, ab 17.04.1997 als weitere Behinderung "statische Auswirkungen eines Senk-Spreizfußes mit Hallux valgus", ab 27.08.1998 als weitere Behinderung "Lungenfunktionsstörung leichten Grades" und den Grad der Behinderung mit 60, ab 30.06.1999 als weitere Behinderung "Lungenfunktionsstörung mittleren Grades", den Grad der Behinderung mit 70 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" und ab 11.10.2000 als weitere Behinderung "chronisch somatisierte Schmerzstörung" und den Grad der Behinderung mit 80 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Der am ... geborene Kläger beantragte am 17.04.1997 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem SchwbG zu treffen. Als Gesundheitsstörung gab er "Morbus Bechterew" an. Der Beklagte zog Krankenunterlagen von Dr. B ... und einen Befundbericht sowie Krankenunterlagen von der Fachärztin für Allgemeinmedizin V ... bei und stellte mit Bescheid vom 22.09.1997 bei dem Kläger eine Behinderung mit einem GdB von 50 unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort und auch im Folgenden als "Behinderungen" bezeichnet) fest:
- Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule
Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wurde abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger am 09.10.1997 Widerspruch ein. Sein Gehvermögen sei auf Grund der entzündlichen Erkrankung der Wirbelsäule, verbunden mit Schüben, eingeschränkt und er sei nicht mehr in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden würden. Um kleinste Wegstrecken zu bewältigen, müsse er öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.1998 (abgesandt am 08.01.1998) zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich nach den vorliegenden Befundberichten bei der entzündlichen Erkrankung hier um eine absteigende Form des Morbus Bechterew handele. Da der entzündliche Prozess vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert sei, seien die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht gegeben.
Hiergegen hat der Kläger am 05.02.1998 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben.
Das SG hat zur Klärung des medizinischen Sachverhalts ein Gutachten von Dr. S ..., das im laufenden Rentenverfahren erstellt worden war, eingeholt. Diese hatte beim Kläger am 05.12.1997 ein fortgeschrittenes Bild eines Morbus Bechterew festgestellt. Die Wirbelsäule sei in allen Abschnitten weitgehend versteift, auch die Rippenbeweglichkeit dadurch vermindert und die Atemtätigkeit eingeschränkt. Dem SG haben weiterhin Befundberichte von Dr. K ..., Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, von Dr. B ..., Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, und der Ärztin V ... vorgelegen. Dr. K ... hat beim Kläger im September 1998 eine leichte restriktive Ventilationsstörung und eine deutliche obstruktive Ventilationsstörung festgestellt.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. F ... vom 15.09.1999 auf lungen- und bronchialheilkundlichem Fachgebiet, der beim Kläger neben der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung eine Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut bei Lungenüberblähung und ein Einengung der kleinen Bronchie feststellte. Von Seiten der Atemwege und Lungen liege 1999 eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades vor. Der Grad der Behinderung liege unter Berücksichtigung der respiratorischen Partialinsuffizienz bei 50. Nach dem mündlichen Bericht von Dr. K ...vom 27.08.1998 könne zum damaligen Zeitpunkt bei angegebenen normalen Blutgasen ein GdB von 40 geschätzt werden. Der GdB für Morbus Bechterew und Atemwegs- und Lungenerkrankungen betrage 70. Der Kläger könne von Seiten der Atemwegsbefunde eine Gehstrecke von 2.000 Metern in mehr als 30 Minuten zurücklegen. Die Gehfähigkeit des Klägers werde durch die krankhafte Blutgaserniedrigung, Lungenüberblähung und Einengung der kleinen Bronchien beeinträchtigt (dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades). Auf das Gutachten von Dr. F ... wird im Übrigen (Bl. 73 - 85 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.12.1999 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G", da er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sei. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 3 AHP 96. Zwar lägen beim Kläger Erkrankungen der Wirbelsäule vor, die ingesamt einen GdB von 50 bedingten, jedoch sei für die Feststellung des Merkzeichens "G" erforderlich, dass alleine die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule einen GdB von 50 bedingen würden. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" Ziff. 26.18 sei jedoch bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt höchstens ein GdB von 30 anzusetzen. Damit könne der Kläger einen für das Merkzeichen "G" erforderlichen GdB von 50 allein im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht erreichen. Auch die Funktionseinschränkungen der Lunge rechtfertigten das Merkzeichen "G" nicht. Dr. F ... habe für die Lungenfunktionseinschränkung mittleren Grades einen GdB von 40 für ausreichend und angemessen entsprechend der Anhaltspunkte Ziff. 26.8 erachtet.
Gegen den an den Kläger am 17.12.1999 abgesandten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18.01.2000 eingelegte Berufung des Klägers. Im Gerichtsbescheid sei nicht berücksichtigt worden, dass bei der Erkrankung Schübe erfolgten. Diese Schübe seien nicht beeinflussbar und zeitlich nicht absehbar. In dieser Zeit sei er hilfslos, da auch die verordneten Medikamente das nicht verhindern könnten. Er schaffe es nur unter großen Mühen nach Hause zu kommen. Zusätzlich sei die Lungenfunktion eingestrengt. Ohne ein Spray (Berodual) gehe es nicht mehr. Ein GdB von 80 sei zuzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.12.1999 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1998 zu verurteilen, als weitere Funktionsbeeinträchtigungen "statische Auswirkungen eines Senk-Spreizfußes mit Hallux valgus", "Lungenfunktionsstörung mittleren Grades", "chronisch somatisierte Schmerzstörung" und einen GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Dem Senat hat zunächst einen Befundbericht von der Ärztin V ... und einen von Dr. B ...eingeholt. Nach Auskunft von der Ärztin V ... ist der Kläger nicht in der Lage, eine Wegstrecke von 2 Kilometern im ebenen Gelände binnen 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Der Kläger bleibe nach ca. 60 Metern wegen Atemenge stehen. Frau Dr. B ... gab an, dass die Gehbehinderung beim Kläger durch starke Atemnot und starke Rückenschmerzen, da der Kläger in ständig gebeugter Haltung gehen müsse und die Muskeln entsprechend schmerzten, bedingt sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. G ... vom 11.10.2000. Danach besteht eine fast vollständig aufgehobene Bewegung der Lendenwirbelsäule, eine komplette Versteifung der Brustwirbelsäule einschließlich der Rippenansatzgelenke sowie eine nahezu vollkommende Einsteifung der Halswirbelsäule. Für die Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei ein Einzel-GdB von 30, für die entzündlich- rheumatische Krankheit der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 60, für die Lungenfunktionsstörungen mittleren Grades ein Einzel-GdB von 50, für die Schultersteife beidseits ein Einzel-GdB von 10, wobei diese Erkrankung bereits im Rahmen der Bechterewschen Krankheit erfasst sei, und für das chronisch somatisierte Schmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 10 gerechtfertigt. Auf Grund der Überschneidung der Funktionsbeeinträchtigung der Lungenkrankheiten und der Wirbelsäulenkrankheiten sowie unter Berücksichtigung der ausgeprägten Schmerzhaftigkeit sei ein Gesamt-GdB von 80 gerechtfertigt. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G". Die vom Kläger angegebene subjektiv stark gefärbte, sehr kurze Gehstrecke mit extrem langer Gehzeit sei durch die objektiv erkennbaren Krankheiten nicht zu klären. Auch im unbeobachteten Zustand sei der Kläger keinesfalls als gehbehindert anzusehen. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger Wegstrecken von 2 Kilometern im ebenen Gelände in 30 Minuten zurücklegen. Auf das Gutachten vod Dr. G ... im Übrigen (Bl. 83 bis 103 der SG-Akte) wird Bezug genommen.
Der Kläger hat zur gutachterlichen Untersuchung Stellung genommen. Er hat vorgetragen, dass die Behandlung entwürdigend gewesen sei. Der Pulmologe habe einen weiteren Verlust der Lungenfunktion um weitere 10 % diagnostiziert. Der Senat hat daraufhin einen Befundbericht von Dr. K ... eingeholt und die von ihr erhobenen Befunde dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... vorgelegt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den im Rahmen der Begutachtung am 30.06.1999 erhobenen Befunden keine wesentliche Änderung nachweisbar sei. Auf Grund der Bronchialeinengung, der Lungenüberblähung und der Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut könne der Kläger 2.000 Meter nur in mehr als 30 Minuten zurücklegen. Wegen der Atemnot bei vorstehend genannten Befunden sei das Gehen nur mit Ruhepausen möglich.
Der Kläger hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. F ... vom 13.12.2000 zum laufenden Verfahren des Klägers auf Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente vorgelegt. Dieser kam u.a. zu dem Ergebnis, das wiederholtes Gehen über längere Strecken von 500 Metern nach Aktenlage nicht möglich sei.
Der Beklagte hat zu den von Dr. K ... erhobenen Befunden und dem Gutachten von Dr. F ... Stellung genommen. Anhand der zahlreichen Lungenfunktionsprüfungsbefunde sei festzustellen, dass sich eine wesentliche Änderung beispielsweise bezüglich der Vitalkapazität zwischen dem 27.08.1998 und dem 29.08.2000 nicht feststellen lasse. Die entsprechenden gemessenen Befunde bewegten sich zwischen 61 und 64 % der Normalwerte. Daraus resultiere keinesfalls eine Lungenfunktionsstörung, die für sich allein mit einen GdB von 50 festgestellt werden könne, um daraus das Merkzeichen "G" abzuleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und der Schwerbehinderten-Akte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und erweist sich in der Sache zum überwiegenden Teil als begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser kann von dem Beklagten die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nach Maßgabe des der Hauptsachenentscheidung zu I gemäß §§ 1, 3, 4 SchwbG verlangen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SchwbG stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden und damit der Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 4 SchwbG.
Behinderung ist nach § 3 Abs. 1 SchwbG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter Typischen abweicht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich. Die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung ist gemäß § 3 Abs. 2 SchwbG als Grad der Behinderung, nach Zehner-Graden abgestuft, von 20 bis 100 festzustellen, wobei nach § 3 Abs. 3 SchwbG die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG normierten Maßstäbe entsprechend gelten. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehende Beeinträchtigung den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten im Haushalt oder in der Freizeit Berücksichtigung. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ordnet § 4 Abs. 3 SchwbG an, dass der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist.
Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zuletzt 1996 herausgegeben hat. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben, dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -, BSGE 72, 285, 286 ff.). Die AHP stellen eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaften zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung dar. Denn in ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben. Sie ermöglichen auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichheitsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Der Begriff des GdB umfasst im Übrigen nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Begriff, so dass seine Festlegung nicht Aufgabe von Sachverständigen ist. Diese beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, die jedoch mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; doch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Beklagte den bei dem Kläger festzustellenden GdB mit 50 zunächst zutreffend bemessen. Da sich jedoch der Gesundheitszustand des Klägers im Laufe des Rechtsstreites weiter verschlechterte und weitere Behinderungen hinzutraten, hat sich der Gesamt-GdB ab 27.08.1998 auf 60, ab 30.06.1999 auf 70 und ab 11.10.2000 auf 80 erhöht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, d.h. aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aber aus dem Gutachten von Dr. S ... und den Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... und Dr. G ... Die Sachverständigen haben die bei dem Kläger bestehenden Behinderungen und ihre Auswirkungen nach umfassender eigener Untersuchung und unter Berücksichtigung der ihnen vorgelegten medizinischen Unterlagen zutreffend festgestellt und in Übereinstimmung mit den AHP bewertet.
Danach leidet der Kläger an einem Morbus Bechterew, an einer Lungenfunktionsstörung, statischen Auswirkungen eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus sowie unter einem chronisch somatisierten Schmerzsyndrom.
Die Bechterew-Erkrankung hat der Beklagte zunächst zutreffend mit einem GdB von 50 bewertet. Ausweislich der von Dr. G ... festgestellten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers hat sich der Einzel-GdB für diese Erkrankung ab 11.10.2000 (Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G ...) auf 60 erhöht. Gemäß Ziffer 26.18, S. 135 AHP ist für entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule (z.B. Bechterew-Krankheit) ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden ein GdB von 10, mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalles, geringe Krankheitsaktivität) ein GdB von 20 bis 40, mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) ein GdB von 50 bis 70 und mit schweren Auswirkungen (irreversible Funktionseinbußen, hochgradige Progrediente) ein GdB von 80 bis 100 anzusetzen. Auswirkungen über sechs Monate anhaltender aggressiver Therapien sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen.
Die beim Kläger auf Grund des Morbus Bechterew bestehende Funktionseinschränkungen sind mittelgradiger Art. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. G ... und Dr. S ... Danach besteht eine völlige Einsteifung der Brustwirbelsäule sowie eine fast komplette Einsteifung der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule. Die Krankheitsaktivität ist schwer beeinflussbar, eine hochgradige Progredienz besteht indes nicht (mehr). Nach Auskunft von Dr. B ... ging durch die durchgeführte Behandlung die anfangs hohe Aktivität der Erkrankung zurück. Diese mittelgradigen Auswirkungen waren zunächst mit einem GdB von 50 zu bemessen. Im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens kam es infolge des Morbus Bechterews zu einer Befundverschlechterung. Während Dr. G ... beim Kläger eine nunmehr unbewegliche Brustwirbelsäule feststellte, war dem Kläger in diesem Bereich im Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. S ... noch eine, wenn auch eingeschränkte Rotationsbewegung möglich war. Auch ergibt ein Vergleich der Angaben des Klägers gegenüber beiden Sachverständigen, dass es beim Kläger offensichtlich zu einer Zunahme der Schmerzen infolge der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung kam und sich das Beschwerdebild weiter chronifiziert hat. Soweit Dr. G ... entsprechend der festgestellten hochschmerzhaften, fast kompletten Einsteifung der gesamten Wirbelsäule infolge des Morbus Bechterew einen GdB von 60 für angemessen hält, schließt sich dem der Senat nach rechtlicher Prüfung an. Nachgewiesen ist die Verschlechterung im Hinblick auf den Morbus Bechterew erstmals durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. G ... Daher ist der Einzel-GdB für den Morbus Bechterew in Höhe von 60 ab 11.10.2000 anzunehmen.
Seit diesen Zeitpunkt ist darüber hinaus beim Kläger als weitere Behinderung ein chronisch somatisiertes Schmerzsyndrom festzustellen. Nach Ziffer 26.3, Seite 60 AHP sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bemessen. Ausgehend hiervon ist für die Somatisierungsstörung ein GdB von 10 anzusetzen. Der Senat folgt auch insoweit den Feststellungen von Dr. G ... Anhaltspunkte, dass beim Kläger mehr als nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen vorliegen, liegen nicht vor. Solche ergeben sich weder aus den Auskünften der behandelnden Ärzte noch aus den vorliegenden Gutachten. Eine weitere Begutachtung des Klägers war daher nicht erforderlich.
Der Beklagte hat ferner ab 27.08.1998 als weitere Behinderung eine Lungenfunktionsstörung leichten Grades und ab 30.06.1999 eine solche mittleren Grades festzustellen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen von Dr. F ... in Zusammenschau mit den von Dr. K ... erhobenen Befunden.
Nach den Festellungen von Dr. F ..., an dessen Richtigkeit der Senat keinen Anlass zum Zweifeln hatte, leidet der Kläger unter einer Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut bei Lungenüberblähung und Einengung der kleinen Bronchien. Auf Grund dessen lag 1999 eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades vor. Der Grad der Behinderung liegt unter Berücksichtigung der respiratorischen Partialinsuffzienz bei 50. Nach dem Befundbericht von Dr. K ... vom 27.08.1998 konnte zum damaligen Zeitpunkt bei angegebenen normalen Blutgasen ein GdB von 40 geschätzt werden. Die von Dr. F ... getroffene Einschätzung über die jeweilige Höhe des GdB steht in Übereinstimmung mit Ziffer 26.8 Seite 83 der AHP. Danach ist bei Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung [z.B. forsches Gehen (5 bis 6 Kilometer), mittelschwere körperliche Arbeit]; statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu einem Drittel niedriger als die Sollwerte, Blutgase im Normbereich) ein GdB von 20 bis 40, mittleren Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung [z.B. Spazierengehen (3-4 km/h), Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit]; statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu zwei Dritteln niedriger als die Sollwerte, respiratorische Partialinsuffizienz) einen GdB von 50 bis 70 und schweren Grades (Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe; statische und dynamische Meßwerte bei Lungenfunktionsprüfung um mehr als zwei Drittel niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz) ein GdB von 80 bis 100 anzusetzen.
Dr. K ... stellte beim Kläger am 27.08.1998 eine leichte restrektive und eine schwere obstruktive Ventilationsstörung fest, wobei die Blutgasanalyse in Ruhe altersentsprechende Normalbefunde ergab. Im Hinblick auf diese Befunde ist zunächst von einer bestehenden Lungenfunktionsstörung geringen Grades auszugehen. Seit der Untersuchung von Dr. K ... am 27.08.1998 kam es ausweislich der von Dr. F ... erhobenen Befunde zu einer weiteren Verschlechterung der Lungenfunktion des Klägers. Dr. F ... stellte beim Kläger eine manifeste respiratorische Partialinsuffizienz fest. Darüber hinaus waren zwei der dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung (MEF 50: Ist/Soll 26.4 und MEF 75: Ist/Soll 28.4) zu mehr als zwei Dritteln, ein dynamischer Messwert (MEF 25: Ist/Soll 39.7) bis zu zwei Dritteln niedriger und ein statischer Messwert der Lungenfunktionsprüfung (FEV 1: Ist/Soll 54.6) ebenso bis zu zwei Dritteln niedriger als der jeweilige Sollwert. Diese festgestellten Sollwerte lassen im Hinblick auf die vorliegende respiratorische Partialinsuffizienz einen GdB von 50 als gerechtfertigt und in Übereinstimmung mit den AHP erscheinen. Andererseits ergibt sich aus dem Ergebnis der Lungenfunktionsprüfung, dass eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades beim Kläger nicht vorliegt.
Vom Zeitpunkt der Antragstellung (17.04.1997) ab, hat der Beklagte als weitere Behinderung "statische Auswirkungen eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus" festzustellen. Ein Einzel-GdB ist hierfür allerdings nicht anzusetzen. Nach dem Gutachten von Dr. S ... besteht beim Kläger ein Knick-Senk-Fuß leichten Grades. Die AHP (Ziff. 26.18 S. 153) sehen bei "anderen" Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z.B. Senk-Spreiz-Fuß) einen GdB von 0 vor.
Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Funktionsstörungen ist der Gesamt-GdB ab 27.08.1998 mit 60, ab 30.06.1999 mit 70 und ab 11.10.2000 mit 80 festzustellen.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind gemäß Ziffer 19 Abs. 1 der AHP bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen zwar die Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgeblich sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Dabei führen indes leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, die bei einem Gesamt-GdB berücksichtigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R -). Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB von 20 ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen ist zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (vgl. Ziffer 19 Abs. 3 der AHP). Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist zu beachten, wie weit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob sich eine Behinderung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, wieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden, oder ob das Ausmaß einer Behinderung durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt wird.
Da sich die beim Kläger vorliegende Behinderung "Lungenfunktionsstörung" und "entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule" in ihren Auswirkungen überschneiden, ist der Gesamt-GdB zwar wesentlich niedriger als die Summe der einzelnen GdB, aber höher als für die Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB anzusetzen, da zusätzliche Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigung hinzutreten. Dementsprechend erhöht sich der zunächst von dem Beklagten zutreffend festgestellte GdB von 50 ab 27.08.1998 durch Hinzutritt der Lungenfunktionsstörung leichten Grades auf 60 und nach weiterer Verschlechterung der Lungenfunktion ab 30.06.1999 auf 70. Nachdem Dr. G ... am 11.10.2000 eine erhöhte Schmerzhaftigkeit infolge des Morbus Bechterew feststellte, hält der Senat ab 11.10.2000 einen Gesamt-GdB von 80 für zutreffend und im Einklang stehend mit den AHP.
Darüber hinaus erfüllt der Kläger ab 30.06.1999 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G".
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SchwbG sind Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 4 Abs. 5 im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 60 Abs. 1 SchwbG). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, hat den unbestimmten Rechtsbegriff der "üblichen Wegstrecke" konkretisiert; danach beträgt bei den derzeitigen Verhältnissen die üblicherweise im Ortsverkehr zu Fuß zurückgelegte Strecke 2 Kilometer bei einer Fußwegdauer von 30 Minuten (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - Az: 9a RVs 11/87 m. w. N. -). Dabei kommt es weder auf die Fähigkeit an, extreme Wegverhältnisse zu bewältigen, noch darauf, ob die Gehstrecke von 2.000 Metern in 30 Minuten schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Behinderte diese Wegstrecke nur unter unzumutbaren starken Schmerzen zurücklegen könnte (vgl. Willrodt/Neumann, Schwerbehindertengesetz, 7. Auflage, § 60 Rdz. 4). Die Einschätzung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist indes nicht allein von der Wegstrecke abhängig, die zu Fuß von dem Schwerbehinderten noch zurückgelegt werden kann. Vielmehr muss gerade eine auf das Gehvermögen entsprechend auswirkende Behinderung vorliegen. Nach Ziffer 30 Abs. 3 (S. 166) der AHP sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlußkrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen.
Vor diesem Hintergrund steht dem Kläger der Nachteilsausgleich "G" ab 30.06.1999 zu.
Soweit der Kläger die Zuerkennung dieses Nachteilsausgleichs bereits zu einem früheren Zeitpunkt begehrt, hat die Berufung indessen keinen Erfolg.
Der Kläger kann eine Wegstrecke von 2 Kilometern nicht innerhalb von 30 Minuten zurücklegen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... in Übereinstimmung mit der gutachterlichen Stellungnahme der behandelnden Hausärztin V ... Dr. F ... hatte bereits im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt, dass der Kläger seitens der Atemwegsbefunde eine Wegstrecke von 2.000 Metern (nur) in mehr als 30 Minuten zurücklegen kann. Diese Aussage hat er gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Denn wegen der Atemnot sei das Gehen nur mit Ruhepausen möglich. Dem stehen die Feststellungen von Dr. G ... nicht entgegen. Die von ihm getroffene Einschätzung, der Kläger könne 2 Kilometer in ebenen Gelände in 30 Minuten zurücklegen, wurde nur unter Berücksichtigung der orthopädischen Gesundheitseinschränkungen des Klägers getroffen. Die von Dr. G ... gemessene Gehzeit von 5 bis 6 Minuten für eine Gehstrecke von ca. 300 Metern berücksichtigt hingegen nicht, dass der Kläger bei einer Wegstrecke von 2 Kilometern zusätzliche Ruhepausen benötigt. Im Übrigen errechnet sich bei einer Gehzeit von 5 Minuten für die Gehstrecke von ca. 300 Metern eine Gehzeit von 33 Minuten und 33 Sekunden für eine Gehstrecke von 2.000 Metern, bei einer Gehzeit von 6 Minuten eine solche von knapp 40 Minuten. Auch die von Dr. G ... festgestellte Gehzeit liegt dementsprechend über 30 Minuten.
Diese Bewegungsbeeinträchtigung des Klägers ist ursächlich auf die Lungenfunktionsstörung des Klägers mittleren Grades zurückzuführen, die wegen der am 30.06.1999 festgestellten respiratorischen Partialinsuffizienz mittleren Grades ist.
Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" zu einem früheren Zeitpunkt kam hingegen nicht in Betracht. Die Erkrankung der gerichtlich bestellten Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, lediglich einen GdB von 30. Die Lungenfunktionsstörung mittleren Grades lag nachweislich erst ab 30.06.1999 in dem von Ziffer 30 Abs. 3 gefordertem Ausmaß vor.
Nach alledem war der Berufung zum überwiegenden Teil stattzugeben und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
II. Die Beklagte trägt 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Der am ... geborene Kläger beantragte am 17.04.1997 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem SchwbG zu treffen. Als Gesundheitsstörung gab er "Morbus Bechterew" an. Der Beklagte zog Krankenunterlagen von Dr. B ... und einen Befundbericht sowie Krankenunterlagen von der Fachärztin für Allgemeinmedizin V ... bei und stellte mit Bescheid vom 22.09.1997 bei dem Kläger eine Behinderung mit einem GdB von 50 unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort und auch im Folgenden als "Behinderungen" bezeichnet) fest:
- Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule
Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wurde abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger am 09.10.1997 Widerspruch ein. Sein Gehvermögen sei auf Grund der entzündlichen Erkrankung der Wirbelsäule, verbunden mit Schüben, eingeschränkt und er sei nicht mehr in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden würden. Um kleinste Wegstrecken zu bewältigen, müsse er öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.1998 (abgesandt am 08.01.1998) zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich nach den vorliegenden Befundberichten bei der entzündlichen Erkrankung hier um eine absteigende Form des Morbus Bechterew handele. Da der entzündliche Prozess vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert sei, seien die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht gegeben.
Hiergegen hat der Kläger am 05.02.1998 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben.
Das SG hat zur Klärung des medizinischen Sachverhalts ein Gutachten von Dr. S ..., das im laufenden Rentenverfahren erstellt worden war, eingeholt. Diese hatte beim Kläger am 05.12.1997 ein fortgeschrittenes Bild eines Morbus Bechterew festgestellt. Die Wirbelsäule sei in allen Abschnitten weitgehend versteift, auch die Rippenbeweglichkeit dadurch vermindert und die Atemtätigkeit eingeschränkt. Dem SG haben weiterhin Befundberichte von Dr. K ..., Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, von Dr. B ..., Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, und der Ärztin V ... vorgelegen. Dr. K ... hat beim Kläger im September 1998 eine leichte restriktive Ventilationsstörung und eine deutliche obstruktive Ventilationsstörung festgestellt.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. F ... vom 15.09.1999 auf lungen- und bronchialheilkundlichem Fachgebiet, der beim Kläger neben der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung eine Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut bei Lungenüberblähung und ein Einengung der kleinen Bronchie feststellte. Von Seiten der Atemwege und Lungen liege 1999 eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades vor. Der Grad der Behinderung liege unter Berücksichtigung der respiratorischen Partialinsuffizienz bei 50. Nach dem mündlichen Bericht von Dr. K ...vom 27.08.1998 könne zum damaligen Zeitpunkt bei angegebenen normalen Blutgasen ein GdB von 40 geschätzt werden. Der GdB für Morbus Bechterew und Atemwegs- und Lungenerkrankungen betrage 70. Der Kläger könne von Seiten der Atemwegsbefunde eine Gehstrecke von 2.000 Metern in mehr als 30 Minuten zurücklegen. Die Gehfähigkeit des Klägers werde durch die krankhafte Blutgaserniedrigung, Lungenüberblähung und Einengung der kleinen Bronchien beeinträchtigt (dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades). Auf das Gutachten von Dr. F ... wird im Übrigen (Bl. 73 - 85 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.12.1999 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G", da er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sei. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 3 AHP 96. Zwar lägen beim Kläger Erkrankungen der Wirbelsäule vor, die ingesamt einen GdB von 50 bedingten, jedoch sei für die Feststellung des Merkzeichens "G" erforderlich, dass alleine die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule einen GdB von 50 bedingen würden. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" Ziff. 26.18 sei jedoch bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt höchstens ein GdB von 30 anzusetzen. Damit könne der Kläger einen für das Merkzeichen "G" erforderlichen GdB von 50 allein im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht erreichen. Auch die Funktionseinschränkungen der Lunge rechtfertigten das Merkzeichen "G" nicht. Dr. F ... habe für die Lungenfunktionseinschränkung mittleren Grades einen GdB von 40 für ausreichend und angemessen entsprechend der Anhaltspunkte Ziff. 26.8 erachtet.
Gegen den an den Kläger am 17.12.1999 abgesandten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18.01.2000 eingelegte Berufung des Klägers. Im Gerichtsbescheid sei nicht berücksichtigt worden, dass bei der Erkrankung Schübe erfolgten. Diese Schübe seien nicht beeinflussbar und zeitlich nicht absehbar. In dieser Zeit sei er hilfslos, da auch die verordneten Medikamente das nicht verhindern könnten. Er schaffe es nur unter großen Mühen nach Hause zu kommen. Zusätzlich sei die Lungenfunktion eingestrengt. Ohne ein Spray (Berodual) gehe es nicht mehr. Ein GdB von 80 sei zuzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.12.1999 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1998 zu verurteilen, als weitere Funktionsbeeinträchtigungen "statische Auswirkungen eines Senk-Spreizfußes mit Hallux valgus", "Lungenfunktionsstörung mittleren Grades", "chronisch somatisierte Schmerzstörung" und einen GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Dem Senat hat zunächst einen Befundbericht von der Ärztin V ... und einen von Dr. B ...eingeholt. Nach Auskunft von der Ärztin V ... ist der Kläger nicht in der Lage, eine Wegstrecke von 2 Kilometern im ebenen Gelände binnen 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Der Kläger bleibe nach ca. 60 Metern wegen Atemenge stehen. Frau Dr. B ... gab an, dass die Gehbehinderung beim Kläger durch starke Atemnot und starke Rückenschmerzen, da der Kläger in ständig gebeugter Haltung gehen müsse und die Muskeln entsprechend schmerzten, bedingt sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. G ... vom 11.10.2000. Danach besteht eine fast vollständig aufgehobene Bewegung der Lendenwirbelsäule, eine komplette Versteifung der Brustwirbelsäule einschließlich der Rippenansatzgelenke sowie eine nahezu vollkommende Einsteifung der Halswirbelsäule. Für die Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei ein Einzel-GdB von 30, für die entzündlich- rheumatische Krankheit der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 60, für die Lungenfunktionsstörungen mittleren Grades ein Einzel-GdB von 50, für die Schultersteife beidseits ein Einzel-GdB von 10, wobei diese Erkrankung bereits im Rahmen der Bechterewschen Krankheit erfasst sei, und für das chronisch somatisierte Schmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 10 gerechtfertigt. Auf Grund der Überschneidung der Funktionsbeeinträchtigung der Lungenkrankheiten und der Wirbelsäulenkrankheiten sowie unter Berücksichtigung der ausgeprägten Schmerzhaftigkeit sei ein Gesamt-GdB von 80 gerechtfertigt. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G". Die vom Kläger angegebene subjektiv stark gefärbte, sehr kurze Gehstrecke mit extrem langer Gehzeit sei durch die objektiv erkennbaren Krankheiten nicht zu klären. Auch im unbeobachteten Zustand sei der Kläger keinesfalls als gehbehindert anzusehen. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger Wegstrecken von 2 Kilometern im ebenen Gelände in 30 Minuten zurücklegen. Auf das Gutachten vod Dr. G ... im Übrigen (Bl. 83 bis 103 der SG-Akte) wird Bezug genommen.
Der Kläger hat zur gutachterlichen Untersuchung Stellung genommen. Er hat vorgetragen, dass die Behandlung entwürdigend gewesen sei. Der Pulmologe habe einen weiteren Verlust der Lungenfunktion um weitere 10 % diagnostiziert. Der Senat hat daraufhin einen Befundbericht von Dr. K ... eingeholt und die von ihr erhobenen Befunde dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... vorgelegt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den im Rahmen der Begutachtung am 30.06.1999 erhobenen Befunden keine wesentliche Änderung nachweisbar sei. Auf Grund der Bronchialeinengung, der Lungenüberblähung und der Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut könne der Kläger 2.000 Meter nur in mehr als 30 Minuten zurücklegen. Wegen der Atemnot bei vorstehend genannten Befunden sei das Gehen nur mit Ruhepausen möglich.
Der Kläger hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. F ... vom 13.12.2000 zum laufenden Verfahren des Klägers auf Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente vorgelegt. Dieser kam u.a. zu dem Ergebnis, das wiederholtes Gehen über längere Strecken von 500 Metern nach Aktenlage nicht möglich sei.
Der Beklagte hat zu den von Dr. K ... erhobenen Befunden und dem Gutachten von Dr. F ... Stellung genommen. Anhand der zahlreichen Lungenfunktionsprüfungsbefunde sei festzustellen, dass sich eine wesentliche Änderung beispielsweise bezüglich der Vitalkapazität zwischen dem 27.08.1998 und dem 29.08.2000 nicht feststellen lasse. Die entsprechenden gemessenen Befunde bewegten sich zwischen 61 und 64 % der Normalwerte. Daraus resultiere keinesfalls eine Lungenfunktionsstörung, die für sich allein mit einen GdB von 50 festgestellt werden könne, um daraus das Merkzeichen "G" abzuleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und der Schwerbehinderten-Akte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und erweist sich in der Sache zum überwiegenden Teil als begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser kann von dem Beklagten die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nach Maßgabe des der Hauptsachenentscheidung zu I gemäß §§ 1, 3, 4 SchwbG verlangen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SchwbG stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden und damit der Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 4 SchwbG.
Behinderung ist nach § 3 Abs. 1 SchwbG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter Typischen abweicht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich. Die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung ist gemäß § 3 Abs. 2 SchwbG als Grad der Behinderung, nach Zehner-Graden abgestuft, von 20 bis 100 festzustellen, wobei nach § 3 Abs. 3 SchwbG die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG normierten Maßstäbe entsprechend gelten. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehende Beeinträchtigung den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten im Haushalt oder in der Freizeit Berücksichtigung. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ordnet § 4 Abs. 3 SchwbG an, dass der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist.
Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zuletzt 1996 herausgegeben hat. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben, dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -, BSGE 72, 285, 286 ff.). Die AHP stellen eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaften zur Bemessung sowohl des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung dar. Denn in ihnen ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben. Sie ermöglichen auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichheitsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Der Begriff des GdB umfasst im Übrigen nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Begriff, so dass seine Festlegung nicht Aufgabe von Sachverständigen ist. Diese beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, die jedoch mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; doch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Beklagte den bei dem Kläger festzustellenden GdB mit 50 zunächst zutreffend bemessen. Da sich jedoch der Gesundheitszustand des Klägers im Laufe des Rechtsstreites weiter verschlechterte und weitere Behinderungen hinzutraten, hat sich der Gesamt-GdB ab 27.08.1998 auf 60, ab 30.06.1999 auf 70 und ab 11.10.2000 auf 80 erhöht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, d.h. aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aber aus dem Gutachten von Dr. S ... und den Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... und Dr. G ... Die Sachverständigen haben die bei dem Kläger bestehenden Behinderungen und ihre Auswirkungen nach umfassender eigener Untersuchung und unter Berücksichtigung der ihnen vorgelegten medizinischen Unterlagen zutreffend festgestellt und in Übereinstimmung mit den AHP bewertet.
Danach leidet der Kläger an einem Morbus Bechterew, an einer Lungenfunktionsstörung, statischen Auswirkungen eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus sowie unter einem chronisch somatisierten Schmerzsyndrom.
Die Bechterew-Erkrankung hat der Beklagte zunächst zutreffend mit einem GdB von 50 bewertet. Ausweislich der von Dr. G ... festgestellten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers hat sich der Einzel-GdB für diese Erkrankung ab 11.10.2000 (Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G ...) auf 60 erhöht. Gemäß Ziffer 26.18, S. 135 AHP ist für entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule (z.B. Bechterew-Krankheit) ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden ein GdB von 10, mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalles, geringe Krankheitsaktivität) ein GdB von 20 bis 40, mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) ein GdB von 50 bis 70 und mit schweren Auswirkungen (irreversible Funktionseinbußen, hochgradige Progrediente) ein GdB von 80 bis 100 anzusetzen. Auswirkungen über sechs Monate anhaltender aggressiver Therapien sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen.
Die beim Kläger auf Grund des Morbus Bechterew bestehende Funktionseinschränkungen sind mittelgradiger Art. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. G ... und Dr. S ... Danach besteht eine völlige Einsteifung der Brustwirbelsäule sowie eine fast komplette Einsteifung der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule. Die Krankheitsaktivität ist schwer beeinflussbar, eine hochgradige Progredienz besteht indes nicht (mehr). Nach Auskunft von Dr. B ... ging durch die durchgeführte Behandlung die anfangs hohe Aktivität der Erkrankung zurück. Diese mittelgradigen Auswirkungen waren zunächst mit einem GdB von 50 zu bemessen. Im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens kam es infolge des Morbus Bechterews zu einer Befundverschlechterung. Während Dr. G ... beim Kläger eine nunmehr unbewegliche Brustwirbelsäule feststellte, war dem Kläger in diesem Bereich im Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. S ... noch eine, wenn auch eingeschränkte Rotationsbewegung möglich war. Auch ergibt ein Vergleich der Angaben des Klägers gegenüber beiden Sachverständigen, dass es beim Kläger offensichtlich zu einer Zunahme der Schmerzen infolge der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung kam und sich das Beschwerdebild weiter chronifiziert hat. Soweit Dr. G ... entsprechend der festgestellten hochschmerzhaften, fast kompletten Einsteifung der gesamten Wirbelsäule infolge des Morbus Bechterew einen GdB von 60 für angemessen hält, schließt sich dem der Senat nach rechtlicher Prüfung an. Nachgewiesen ist die Verschlechterung im Hinblick auf den Morbus Bechterew erstmals durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. G ... Daher ist der Einzel-GdB für den Morbus Bechterew in Höhe von 60 ab 11.10.2000 anzunehmen.
Seit diesen Zeitpunkt ist darüber hinaus beim Kläger als weitere Behinderung ein chronisch somatisiertes Schmerzsyndrom festzustellen. Nach Ziffer 26.3, Seite 60 AHP sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bemessen. Ausgehend hiervon ist für die Somatisierungsstörung ein GdB von 10 anzusetzen. Der Senat folgt auch insoweit den Feststellungen von Dr. G ... Anhaltspunkte, dass beim Kläger mehr als nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen vorliegen, liegen nicht vor. Solche ergeben sich weder aus den Auskünften der behandelnden Ärzte noch aus den vorliegenden Gutachten. Eine weitere Begutachtung des Klägers war daher nicht erforderlich.
Der Beklagte hat ferner ab 27.08.1998 als weitere Behinderung eine Lungenfunktionsstörung leichten Grades und ab 30.06.1999 eine solche mittleren Grades festzustellen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen von Dr. F ... in Zusammenschau mit den von Dr. K ... erhobenen Befunden.
Nach den Festellungen von Dr. F ..., an dessen Richtigkeit der Senat keinen Anlass zum Zweifeln hatte, leidet der Kläger unter einer Sauerstoffpartialdruckerniedrigung im Blut bei Lungenüberblähung und Einengung der kleinen Bronchien. Auf Grund dessen lag 1999 eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades vor. Der Grad der Behinderung liegt unter Berücksichtigung der respiratorischen Partialinsuffzienz bei 50. Nach dem Befundbericht von Dr. K ... vom 27.08.1998 konnte zum damaligen Zeitpunkt bei angegebenen normalen Blutgasen ein GdB von 40 geschätzt werden. Die von Dr. F ... getroffene Einschätzung über die jeweilige Höhe des GdB steht in Übereinstimmung mit Ziffer 26.8 Seite 83 der AHP. Danach ist bei Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung [z.B. forsches Gehen (5 bis 6 Kilometer), mittelschwere körperliche Arbeit]; statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu einem Drittel niedriger als die Sollwerte, Blutgase im Normbereich) ein GdB von 20 bis 40, mittleren Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung [z.B. Spazierengehen (3-4 km/h), Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit]; statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu zwei Dritteln niedriger als die Sollwerte, respiratorische Partialinsuffizienz) einen GdB von 50 bis 70 und schweren Grades (Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe; statische und dynamische Meßwerte bei Lungenfunktionsprüfung um mehr als zwei Drittel niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz) ein GdB von 80 bis 100 anzusetzen.
Dr. K ... stellte beim Kläger am 27.08.1998 eine leichte restrektive und eine schwere obstruktive Ventilationsstörung fest, wobei die Blutgasanalyse in Ruhe altersentsprechende Normalbefunde ergab. Im Hinblick auf diese Befunde ist zunächst von einer bestehenden Lungenfunktionsstörung geringen Grades auszugehen. Seit der Untersuchung von Dr. K ... am 27.08.1998 kam es ausweislich der von Dr. F ... erhobenen Befunde zu einer weiteren Verschlechterung der Lungenfunktion des Klägers. Dr. F ... stellte beim Kläger eine manifeste respiratorische Partialinsuffizienz fest. Darüber hinaus waren zwei der dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung (MEF 50: Ist/Soll 26.4 und MEF 75: Ist/Soll 28.4) zu mehr als zwei Dritteln, ein dynamischer Messwert (MEF 25: Ist/Soll 39.7) bis zu zwei Dritteln niedriger und ein statischer Messwert der Lungenfunktionsprüfung (FEV 1: Ist/Soll 54.6) ebenso bis zu zwei Dritteln niedriger als der jeweilige Sollwert. Diese festgestellten Sollwerte lassen im Hinblick auf die vorliegende respiratorische Partialinsuffizienz einen GdB von 50 als gerechtfertigt und in Übereinstimmung mit den AHP erscheinen. Andererseits ergibt sich aus dem Ergebnis der Lungenfunktionsprüfung, dass eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades beim Kläger nicht vorliegt.
Vom Zeitpunkt der Antragstellung (17.04.1997) ab, hat der Beklagte als weitere Behinderung "statische Auswirkungen eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus" festzustellen. Ein Einzel-GdB ist hierfür allerdings nicht anzusetzen. Nach dem Gutachten von Dr. S ... besteht beim Kläger ein Knick-Senk-Fuß leichten Grades. Die AHP (Ziff. 26.18 S. 153) sehen bei "anderen" Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z.B. Senk-Spreiz-Fuß) einen GdB von 0 vor.
Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Funktionsstörungen ist der Gesamt-GdB ab 27.08.1998 mit 60, ab 30.06.1999 mit 70 und ab 11.10.2000 mit 80 festzustellen.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind gemäß Ziffer 19 Abs. 1 der AHP bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen zwar die Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgeblich sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Dabei führen indes leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, die bei einem Gesamt-GdB berücksichtigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R -). Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB von 20 ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen ist zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (vgl. Ziffer 19 Abs. 3 der AHP). Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist zu beachten, wie weit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob sich eine Behinderung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, wieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden, oder ob das Ausmaß einer Behinderung durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt wird.
Da sich die beim Kläger vorliegende Behinderung "Lungenfunktionsstörung" und "entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule" in ihren Auswirkungen überschneiden, ist der Gesamt-GdB zwar wesentlich niedriger als die Summe der einzelnen GdB, aber höher als für die Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB anzusetzen, da zusätzliche Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigung hinzutreten. Dementsprechend erhöht sich der zunächst von dem Beklagten zutreffend festgestellte GdB von 50 ab 27.08.1998 durch Hinzutritt der Lungenfunktionsstörung leichten Grades auf 60 und nach weiterer Verschlechterung der Lungenfunktion ab 30.06.1999 auf 70. Nachdem Dr. G ... am 11.10.2000 eine erhöhte Schmerzhaftigkeit infolge des Morbus Bechterew feststellte, hält der Senat ab 11.10.2000 einen Gesamt-GdB von 80 für zutreffend und im Einklang stehend mit den AHP.
Darüber hinaus erfüllt der Kläger ab 30.06.1999 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G".
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SchwbG sind Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 4 Abs. 5 im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 60 Abs. 1 SchwbG). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, hat den unbestimmten Rechtsbegriff der "üblichen Wegstrecke" konkretisiert; danach beträgt bei den derzeitigen Verhältnissen die üblicherweise im Ortsverkehr zu Fuß zurückgelegte Strecke 2 Kilometer bei einer Fußwegdauer von 30 Minuten (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - Az: 9a RVs 11/87 m. w. N. -). Dabei kommt es weder auf die Fähigkeit an, extreme Wegverhältnisse zu bewältigen, noch darauf, ob die Gehstrecke von 2.000 Metern in 30 Minuten schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Behinderte diese Wegstrecke nur unter unzumutbaren starken Schmerzen zurücklegen könnte (vgl. Willrodt/Neumann, Schwerbehindertengesetz, 7. Auflage, § 60 Rdz. 4). Die Einschätzung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist indes nicht allein von der Wegstrecke abhängig, die zu Fuß von dem Schwerbehinderten noch zurückgelegt werden kann. Vielmehr muss gerade eine auf das Gehvermögen entsprechend auswirkende Behinderung vorliegen. Nach Ziffer 30 Abs. 3 (S. 166) der AHP sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlußkrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen.
Vor diesem Hintergrund steht dem Kläger der Nachteilsausgleich "G" ab 30.06.1999 zu.
Soweit der Kläger die Zuerkennung dieses Nachteilsausgleichs bereits zu einem früheren Zeitpunkt begehrt, hat die Berufung indessen keinen Erfolg.
Der Kläger kann eine Wegstrecke von 2 Kilometern nicht innerhalb von 30 Minuten zurücklegen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. F ... in Übereinstimmung mit der gutachterlichen Stellungnahme der behandelnden Hausärztin V ... Dr. F ... hatte bereits im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt, dass der Kläger seitens der Atemwegsbefunde eine Wegstrecke von 2.000 Metern (nur) in mehr als 30 Minuten zurücklegen kann. Diese Aussage hat er gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Denn wegen der Atemnot sei das Gehen nur mit Ruhepausen möglich. Dem stehen die Feststellungen von Dr. G ... nicht entgegen. Die von ihm getroffene Einschätzung, der Kläger könne 2 Kilometer in ebenen Gelände in 30 Minuten zurücklegen, wurde nur unter Berücksichtigung der orthopädischen Gesundheitseinschränkungen des Klägers getroffen. Die von Dr. G ... gemessene Gehzeit von 5 bis 6 Minuten für eine Gehstrecke von ca. 300 Metern berücksichtigt hingegen nicht, dass der Kläger bei einer Wegstrecke von 2 Kilometern zusätzliche Ruhepausen benötigt. Im Übrigen errechnet sich bei einer Gehzeit von 5 Minuten für die Gehstrecke von ca. 300 Metern eine Gehzeit von 33 Minuten und 33 Sekunden für eine Gehstrecke von 2.000 Metern, bei einer Gehzeit von 6 Minuten eine solche von knapp 40 Minuten. Auch die von Dr. G ... festgestellte Gehzeit liegt dementsprechend über 30 Minuten.
Diese Bewegungsbeeinträchtigung des Klägers ist ursächlich auf die Lungenfunktionsstörung des Klägers mittleren Grades zurückzuführen, die wegen der am 30.06.1999 festgestellten respiratorischen Partialinsuffizienz mittleren Grades ist.
Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" zu einem früheren Zeitpunkt kam hingegen nicht in Betracht. Die Erkrankung der gerichtlich bestellten Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, lediglich einen GdB von 30. Die Lungenfunktionsstörung mittleren Grades lag nachweislich erst ab 30.06.1999 in dem von Ziffer 30 Abs. 3 gefordertem Ausmaß vor.
Nach alledem war der Berufung zum überwiegenden Teil stattzugeben und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
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Aus
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