Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 6 SB 167/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 8/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12.10.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Grad der Behinderung (GdB) und über die Vergabe des Merkzeichens "RF".
Wegen eines dialysepflichtigem Nierenleidens stellte die Versorgungsverwaltung des beklagten Freistaates bei dem am 13.05.1953 geborenen Kläger zunächst mit Bescheid vom 16.09.1991 einen GdB von 100 fest. Nach einer im November 1991 erfolgten Implantation einer Spenderniere stellte der Kläger am 20.01.1994 einen auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" gerichteten Verschlimmerungsantrag. Nach Einholung von Befundberichten erteilte der Beklagte dem Kläger unter dem 05.05.1994 einen bindend gewordenen Änderungs-Bescheid, stellte als Funktionsbeeinträchtigung "Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung)" mit einem GdB von 50 fest und lehnte die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen ab.
Auf einen weiteren Verschlimmerungsantrag (vom 01.12.1995), den der Kläger nach Erleidung eines Herzinfarktes stellte, erteilte der Beklagte am 17.01.1996 einen weiteren Änderungs-Bescheid mit Feststellung eines GdB von 70 und folgenden Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Durchblutungsstörung des Herzens. Herzinfarkt (in Heilungsbewährung). Bluthochdruck.
2. Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung).
3. Hodenwasserbruch.
Auch dieser Bescheid ist, nach Durchführung des Vorverfahrens, das auch die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" zum Gegenstand hatte, bindend geworden.
Am 15.10.1996 hat der Beklagte von Amts wegen ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, in welchem der Kläger wegen einer Atheromexstirpation an der rechten Serotalseite mit nachfolgender Hämatomausräumung einen Dauerschaden geltend machte; er könne seit der Operation nicht mehr schmerzfrei sitzen, stehen oder laufen. Nach Beiziehung von Befundberichten stellte er mit Änderungs-Bescheid vom 03.06.1997 einen GdB von 80 und das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung mit den folgenden Funktionsbeeinträchtigungen fest:
1. Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung).
2. Herzleistungsminderung; Durchblutungsstörung des Herzens; Herzwandaneurysma; Herzkranzgefäßdilatation; Bluthochdruck.
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
4. Polyneuropathie.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 04.09.1997, zugestellt am 08.09.1997).
Hiergegen hat sich die am 09.09.1997 erhobene Klage gerichtet, die, neben der Erhöhung des GdB, auch die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF zum Gegenstand hatte. Das Sozialgericht (SG) hat Krankenunterlagen und ärztliche Befundberichte wie folgt beigezogen: Im Befundbericht nebst Arztbrief der Urologischen Klinik der Universität L ... vom 20.08.1998 wird über eine am 14.03.1996 erfolgte Hämatomausräumung (massives Scrotalhämatom) berichtet. Im Gutachten vom 22.04.1999, das der Nephrologe Prof. Dr. G ... dem Sächsischen LSG in einem rentenrechtlichen Berufungsverfahren erstattet hat, wird über die Leistungsfähigkeit des Klägers berichtet und ausgeführt, der Allgemein- und Kräftezustand sei unauffällig. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. St ... hat im Befundbericht vom 11.12.1999 nebst Anlagen ausgeführt, dass sich die Befunde seit 1995 aufgrund des Herzinfarktes verschlechtert hätten. 1996 sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen; eine Gehbehinderung liege nicht vor. Im Befundbericht des Urologen Dr. med. D ... W ... vom 20.01.2000 ist ausgeführt, der Kläger habe über gelegentliche Beschwerden am rechten Hoden geklagt. Im Abschlussbericht der Medizinischen Fakultät der Universität R ... vom 30.12.1997 wird über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers berichtet und ausgeführt, es bestehe der Verdacht auf einen Alkoholentzug. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch ... führt in seinem Befundbericht vom 04.07.2000 eine Verschlechterung der Befunde seit 30.11.1999 aus. Schließlich hat das SG ein Pflegegutachten des MDK Sachsen vom 04.03.1998 beigezogen. Darin wird ausgeführt, dass der Kläger überwiegend bettlägerig sei. Er gehe mittels einer Unterarm-Gehstütze und Begleitung innerhalb der Wohnung. Es bestehe ein mäßiger Allgemein- und ein reduzierter Kräftezustand.
Mit Urteil auf mündliche Verhandlung vom 12.10.2000 hat das SG die Klage in Abwesenheit des Klägers abgewiesen. Der Kläger habe derzeit weder einen Anspruch auf Erhöhung des GdB noch auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Dies ergebe sich aus den beigezogenen Befundberichten und Krankenunterlagen. Nach einer Nierentransplantation sei nach einer Heilungsbewährung von allgemein zwei Jahren der GdB entscheidend abhängig von der verbliebenen Funktionsstörung (AHP Nr. 26 Pkt. 12 S. 107); der GdB ist jedoch nicht niedriger als 50 zu bewerten. Vorliegend habe der Beklagte die transplantierte Niere mit dem GdB von 50 bewertet. Dies sei ausreichend. Zwar mache der Kläger eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes geltend. Auch werde im Pflegegutachten vom 04.03.1998 berichtet, dass der Kläger meist bettlägerig sei. Dies widerspreche aber dem am 04.04.1999 erstellten Rentengutachten. Der Sachverständige Prof. Dr. P ... G ... habe festgestellt, dass der Allgemein- und Kräftezustand unauffällig gewesen sei. Lediglich an den Armen und Beinen seien Einschränkungen der groben Kraftentwicklung feststellbar gewesen. Auch im Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... vom 12.05.2000 werde berichtet, dass der Kläger vor der Entlassung mit Unterarmstützen mobil gewesen sei. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass die geltend gemachten Beschwerden nur vorübergehender Natur seien, jedoch keine dauernden Funktionsbeeinträchtigungen darstellten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 seien auf Antrag von der Gebührenpflicht diejenigen Behinderten befreit, die nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert seien und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Nach der gebotenen engen Auslegung von Gebührenbefreiungsvorschriften werde dem Zweck der Befreiung von der Gebührenpflicht für den Rundfunk- und Fernsehempfang Genüge getan, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend vom Besuch von Zusammenkünften, politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen sei. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Betroffene praktisch an das Haus gebunden sei und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen könne. Dem Kläger sei aber noch das Verlassen des Hauses möglich. Dies ergebe sich u.a. auch aus dem Rentengutachten vom 04.04.1999, in welchem ein ausreichender Allgemein- und Kräftezustand beschrieben worden sei. Auch aus dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... vom 05.12.2000 ergebe sich, dass der Kläger mit Unterarmstützen mobil sei. Somit sei der Kläger zumindest in der Lage, mit Begleitung öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Für die Vergabe des Merkzeichens "RF" sei aber Voraussetzung, dass der Betroffene behinderungsbedingt praktisch an das Haus gebunden ist. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
Gegen das am 22.01.2001 per Einschreiben zugestellte Urteil richtet sich die am 14.02.2001 beim SG eingelegte Berufung. Der Kläger rügt sinngemäß, dass die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht den aktuellen Behinderungsgrad wider gäben. Auch wisse er nicht, wie Herr Dr. St ... dazu komme, eine Begutachtung aus dem Jahr 1999 abzugeben. Er habe sich bei diesem Arzt nach dem Umzug nach B ... seit 1996 nicht mehr vorgestellt.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Leipzig vom 12.10.2000 und den Bescheid vom 03.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger einen Grad der Behinderung von mehr als 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die versorgungsärztliche Äußerung vom 24.08.2001.
Der Senat hat einen Befundbericht nebst beigefügtem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... bei dem Allgemeinmediziner Sch ... beigezogen. Er betreue den Kläger per Hausbesuch. Der Kläger sei dauerhaft arbeitsunfähig. Eine Besserung der bestehenden Leiden sei nicht eingetreten. Hinzu gekommene neue Leiden träten spontan auf und hätten bislang zufrieden stellend behandelt werden können. Im Ganzen bestehe ein multiples Krankheitsbild mit Progredienz. Der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen und sei von öffentlichen Zusammenkünften allgemein ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1, § 110 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist statthaft und zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und der streitbefangene Bescheid vom 03.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1997 verletzen den Kläger in seinen Rechten nicht. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung eines GdB von mehr als 80 noch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" zu.
Statthafte Klageart für das Klagebegehren ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000, Az.: B 9 SB 3/99 R). Für eine derartige Klage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 54 Rdnr. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers sind daher die Bestimmungen des am 01.07.2001 in Kraft getretenen Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001 (BGBl. I 1046).
Gem. § 69 Abs. 1 SGB IX stellt die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Behörde das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der Beklagte hat dabei im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 69 SGB IX nur das Vorliegen einer unbenannten Behinderung und den GdB festzustellen. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegende Gesundheitsstörung und die daraus folgende Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen sind demgegenüber lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben. Insoweit ist in den Bestimmungen des SGB IX keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG), das bis zum 30.06.2001 in Kraft stand (dazu BSG, Urteile vom 24.06.1998, Az.: B 9 SB 18/97 R, B 9 SB 20/97 R, B 9 SB 1/98 R und B 9 SB 17/97 R), eingetreten.
Gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB IX ist die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Für den GdB gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG normierten Maßstäbe entsprechend. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehenden Beeinträchtigungen den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausführung von Tätigkeit im Haushalt oder der Freizeit Berücksichtigung. Das SGB IX gilt gleichermaßen für Berufstätige wie für Nichtberufstätige.
Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller behinderten Menschen die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aktualisiert im Jahr 1996 herausgegeben hat. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die AHP als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigung an. In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtssprechung sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ansonsten ist es nicht zulässig, eine vom Gutachter festgestellte Behinderung mit einem GdB-Wert zu bemessen, der nicht im Einklang mit den Richtlinien der AHP steht. Das Bundessozialgericht hat mehrfach die Bedeutung der AHP auf das Gerichtsverfahren herausgestellt und den AHP den Charakter antizipierter Sachverständigengutachten beigemessen (vgl. insoweit BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, 5 und 6). Vorliegend hat der Senat keine Bedenken, die AHP seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Sie sind gerade auch für die Rechtsanwendung im Rahmen des SGB IX maßgeblich.
Es ist nachgewiesen, dass der Kläger an den vom Beklagten im angefochtenen Bescheid festgestelten Gesundheitsstörungen leidet. Diese bedingen entgegen der Meinung des Klägers die Zuerkennung eines höheren GdB nicht.
Wegen der Einzelheiten der beim Kläger nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen und deren GdB-Ausmaß nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab.
Die im Berufungsverfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen rechtfertigen keine anderweitige Beurteilung. Der vom behandelnden Arzt Dr. Sch ... vorgelegte Befundbericht nebst beigefügtem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... belegt zwar, dass der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig und dass eine Besserung der bestehenden Leiden nicht eingetreten ist. Daraus ergibt sich indessen kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB. Im Befundbericht ist unmissverständlich dargelegt, dass die hinzu gekommenen neuen Leiden spontan auftreten und - jedenfalls bislang - der ärztlichen Behandlung "zufrieden stellend" zugänglich sind. Insoweit sind Erkrankungen von lediglich vorüber gehender Natur angesprochen. Diese rechtfertigen aber die Annahme des Vorliegens von Funktionsbeeinträchtigungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung des behaupteten Nachteilsausgleichs RF zu.
Die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens RF richten sich nach § 69 Abs. 4 SGB IX, § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 (SächsGVB. 1992, 16), der seine Ermächtigungsgrundlage in Art. 4 § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 21.04.1991 in Verbindung mit Art. 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 19.12.1991 (SächsGVBl. 1991, 425) findet.
Danach sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens RF in Nr. 33 AHP wie folgt festgelegt: Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens sind nach landesrechtlichen Vorschriften und ergänzender Rechtsprechung immer erfüllt bei
a) Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung.
b) Hörgeschädigten die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. Letzteres ist dann nicht möglich, wenn an beiden Ohren mindestens eine hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit oder hochgradige Innenohrschwerhörigkeit vorliegt und hierfür ein GdB von wenigstens 50 anzusetzen ist. Bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit sind die gesundheitlichen Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllt, da in diesen Fällen bei Benutzung von Hörhilfen eine ausreichende Verständigung möglich ist.
c) Behinderte mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (AHP Nr. 33 S. 169 ff.).
Der Kläger zählt nicht zu dem in den vorstehenden Bestimmungen aufgeführten Personenkreis, von denen hier allein die zu Buchst. c) genannte Gruppe in Betracht kommt. Dazu gehören solche Behinderte, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen, und die deshalb auf Dauer nur mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Mitteln (z. B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können; Behinderte, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken; Behinderte mit nicht nur vorübergehend ansteckungsfähiger Lungentuberkulose; Behinderte nach Organtransplantation und geistig oder seelisch Behinderte, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltung durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören (AHP Nr. 33 Abs. 2 c, Seite 170 bis 171). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht.
Zwar führt der behandelnde Arzt Sch ... im Befundbericht vom 25.06.2001 aus, dass beim Kläger ein multiples Krankheitsbild mit Progredienz besteht; der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen und sei von öffentlichen Zusammenkünften allgemein ausgeschlossen. Daraus ergibt sich indessen nicht der zwingende Schluss darauf, dass der Kläger wegen seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Im Arztbrief des Kreiskrankenhauses T ... vom 12.05.2000 ist ausgeführt, dass sich der Kläger in einem "deutlich reduzierten" Allgemeinzustand befindet. Die weiteren Befunde ergeben insgesamt keinen Anhalt dafür, dass der Kläger zwingend "an das Haus gefesselt" wäre. Der Kläger wurde insbesondere mit "Unterarmstützen mobil" entlassen. Auch der Arztbrief vom 15.06.2001 führt lediglich an, dass der Kläger über Halsschmerzen und über eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes geklagt hat. Diese Erkrankungen wurden indessen mit der Empfehlung der weiteren "dringenden ambulanten Diagnostik" therapiert. Im Übrigen nimmt der Senat auch insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Im Ganzen sieht der Senat weder einen Anhalt dafür, dass der Kläger wegen seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen "ständig nicht teilnehmen" kann, noch besteht Anhalt für weitere Ermittlungen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 160 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Grad der Behinderung (GdB) und über die Vergabe des Merkzeichens "RF".
Wegen eines dialysepflichtigem Nierenleidens stellte die Versorgungsverwaltung des beklagten Freistaates bei dem am 13.05.1953 geborenen Kläger zunächst mit Bescheid vom 16.09.1991 einen GdB von 100 fest. Nach einer im November 1991 erfolgten Implantation einer Spenderniere stellte der Kläger am 20.01.1994 einen auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" gerichteten Verschlimmerungsantrag. Nach Einholung von Befundberichten erteilte der Beklagte dem Kläger unter dem 05.05.1994 einen bindend gewordenen Änderungs-Bescheid, stellte als Funktionsbeeinträchtigung "Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung)" mit einem GdB von 50 fest und lehnte die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen ab.
Auf einen weiteren Verschlimmerungsantrag (vom 01.12.1995), den der Kläger nach Erleidung eines Herzinfarktes stellte, erteilte der Beklagte am 17.01.1996 einen weiteren Änderungs-Bescheid mit Feststellung eines GdB von 70 und folgenden Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Durchblutungsstörung des Herzens. Herzinfarkt (in Heilungsbewährung). Bluthochdruck.
2. Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung).
3. Hodenwasserbruch.
Auch dieser Bescheid ist, nach Durchführung des Vorverfahrens, das auch die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" zum Gegenstand hatte, bindend geworden.
Am 15.10.1996 hat der Beklagte von Amts wegen ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, in welchem der Kläger wegen einer Atheromexstirpation an der rechten Serotalseite mit nachfolgender Hämatomausräumung einen Dauerschaden geltend machte; er könne seit der Operation nicht mehr schmerzfrei sitzen, stehen oder laufen. Nach Beiziehung von Befundberichten stellte er mit Änderungs-Bescheid vom 03.06.1997 einen GdB von 80 und das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung mit den folgenden Funktionsbeeinträchtigungen fest:
1. Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung).
2. Herzleistungsminderung; Durchblutungsstörung des Herzens; Herzwandaneurysma; Herzkranzgefäßdilatation; Bluthochdruck.
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
4. Polyneuropathie.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 04.09.1997, zugestellt am 08.09.1997).
Hiergegen hat sich die am 09.09.1997 erhobene Klage gerichtet, die, neben der Erhöhung des GdB, auch die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF zum Gegenstand hatte. Das Sozialgericht (SG) hat Krankenunterlagen und ärztliche Befundberichte wie folgt beigezogen: Im Befundbericht nebst Arztbrief der Urologischen Klinik der Universität L ... vom 20.08.1998 wird über eine am 14.03.1996 erfolgte Hämatomausräumung (massives Scrotalhämatom) berichtet. Im Gutachten vom 22.04.1999, das der Nephrologe Prof. Dr. G ... dem Sächsischen LSG in einem rentenrechtlichen Berufungsverfahren erstattet hat, wird über die Leistungsfähigkeit des Klägers berichtet und ausgeführt, der Allgemein- und Kräftezustand sei unauffällig. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. St ... hat im Befundbericht vom 11.12.1999 nebst Anlagen ausgeführt, dass sich die Befunde seit 1995 aufgrund des Herzinfarktes verschlechtert hätten. 1996 sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen; eine Gehbehinderung liege nicht vor. Im Befundbericht des Urologen Dr. med. D ... W ... vom 20.01.2000 ist ausgeführt, der Kläger habe über gelegentliche Beschwerden am rechten Hoden geklagt. Im Abschlussbericht der Medizinischen Fakultät der Universität R ... vom 30.12.1997 wird über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers berichtet und ausgeführt, es bestehe der Verdacht auf einen Alkoholentzug. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch ... führt in seinem Befundbericht vom 04.07.2000 eine Verschlechterung der Befunde seit 30.11.1999 aus. Schließlich hat das SG ein Pflegegutachten des MDK Sachsen vom 04.03.1998 beigezogen. Darin wird ausgeführt, dass der Kläger überwiegend bettlägerig sei. Er gehe mittels einer Unterarm-Gehstütze und Begleitung innerhalb der Wohnung. Es bestehe ein mäßiger Allgemein- und ein reduzierter Kräftezustand.
Mit Urteil auf mündliche Verhandlung vom 12.10.2000 hat das SG die Klage in Abwesenheit des Klägers abgewiesen. Der Kläger habe derzeit weder einen Anspruch auf Erhöhung des GdB noch auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Dies ergebe sich aus den beigezogenen Befundberichten und Krankenunterlagen. Nach einer Nierentransplantation sei nach einer Heilungsbewährung von allgemein zwei Jahren der GdB entscheidend abhängig von der verbliebenen Funktionsstörung (AHP Nr. 26 Pkt. 12 S. 107); der GdB ist jedoch nicht niedriger als 50 zu bewerten. Vorliegend habe der Beklagte die transplantierte Niere mit dem GdB von 50 bewertet. Dies sei ausreichend. Zwar mache der Kläger eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes geltend. Auch werde im Pflegegutachten vom 04.03.1998 berichtet, dass der Kläger meist bettlägerig sei. Dies widerspreche aber dem am 04.04.1999 erstellten Rentengutachten. Der Sachverständige Prof. Dr. P ... G ... habe festgestellt, dass der Allgemein- und Kräftezustand unauffällig gewesen sei. Lediglich an den Armen und Beinen seien Einschränkungen der groben Kraftentwicklung feststellbar gewesen. Auch im Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... vom 12.05.2000 werde berichtet, dass der Kläger vor der Entlassung mit Unterarmstützen mobil gewesen sei. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass die geltend gemachten Beschwerden nur vorübergehender Natur seien, jedoch keine dauernden Funktionsbeeinträchtigungen darstellten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 seien auf Antrag von der Gebührenpflicht diejenigen Behinderten befreit, die nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert seien und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Nach der gebotenen engen Auslegung von Gebührenbefreiungsvorschriften werde dem Zweck der Befreiung von der Gebührenpflicht für den Rundfunk- und Fernsehempfang Genüge getan, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend vom Besuch von Zusammenkünften, politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen sei. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Betroffene praktisch an das Haus gebunden sei und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen könne. Dem Kläger sei aber noch das Verlassen des Hauses möglich. Dies ergebe sich u.a. auch aus dem Rentengutachten vom 04.04.1999, in welchem ein ausreichender Allgemein- und Kräftezustand beschrieben worden sei. Auch aus dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... vom 05.12.2000 ergebe sich, dass der Kläger mit Unterarmstützen mobil sei. Somit sei der Kläger zumindest in der Lage, mit Begleitung öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Für die Vergabe des Merkzeichens "RF" sei aber Voraussetzung, dass der Betroffene behinderungsbedingt praktisch an das Haus gebunden ist. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
Gegen das am 22.01.2001 per Einschreiben zugestellte Urteil richtet sich die am 14.02.2001 beim SG eingelegte Berufung. Der Kläger rügt sinngemäß, dass die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht den aktuellen Behinderungsgrad wider gäben. Auch wisse er nicht, wie Herr Dr. St ... dazu komme, eine Begutachtung aus dem Jahr 1999 abzugeben. Er habe sich bei diesem Arzt nach dem Umzug nach B ... seit 1996 nicht mehr vorgestellt.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Leipzig vom 12.10.2000 und den Bescheid vom 03.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger einen Grad der Behinderung von mehr als 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die versorgungsärztliche Äußerung vom 24.08.2001.
Der Senat hat einen Befundbericht nebst beigefügtem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... bei dem Allgemeinmediziner Sch ... beigezogen. Er betreue den Kläger per Hausbesuch. Der Kläger sei dauerhaft arbeitsunfähig. Eine Besserung der bestehenden Leiden sei nicht eingetreten. Hinzu gekommene neue Leiden träten spontan auf und hätten bislang zufrieden stellend behandelt werden können. Im Ganzen bestehe ein multiples Krankheitsbild mit Progredienz. Der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen und sei von öffentlichen Zusammenkünften allgemein ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1, § 110 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist statthaft und zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und der streitbefangene Bescheid vom 03.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1997 verletzen den Kläger in seinen Rechten nicht. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung eines GdB von mehr als 80 noch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" zu.
Statthafte Klageart für das Klagebegehren ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000, Az.: B 9 SB 3/99 R). Für eine derartige Klage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 54 Rdnr. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers sind daher die Bestimmungen des am 01.07.2001 in Kraft getretenen Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001 (BGBl. I 1046).
Gem. § 69 Abs. 1 SGB IX stellt die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Behörde das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der Beklagte hat dabei im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 69 SGB IX nur das Vorliegen einer unbenannten Behinderung und den GdB festzustellen. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegende Gesundheitsstörung und die daraus folgende Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen sind demgegenüber lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben. Insoweit ist in den Bestimmungen des SGB IX keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG), das bis zum 30.06.2001 in Kraft stand (dazu BSG, Urteile vom 24.06.1998, Az.: B 9 SB 18/97 R, B 9 SB 20/97 R, B 9 SB 1/98 R und B 9 SB 17/97 R), eingetreten.
Gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB IX ist die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Für den GdB gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG normierten Maßstäbe entsprechend. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehenden Beeinträchtigungen den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausführung von Tätigkeit im Haushalt oder der Freizeit Berücksichtigung. Das SGB IX gilt gleichermaßen für Berufstätige wie für Nichtberufstätige.
Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller behinderten Menschen die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aktualisiert im Jahr 1996 herausgegeben hat. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die AHP als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigung an. In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtssprechung sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ansonsten ist es nicht zulässig, eine vom Gutachter festgestellte Behinderung mit einem GdB-Wert zu bemessen, der nicht im Einklang mit den Richtlinien der AHP steht. Das Bundessozialgericht hat mehrfach die Bedeutung der AHP auf das Gerichtsverfahren herausgestellt und den AHP den Charakter antizipierter Sachverständigengutachten beigemessen (vgl. insoweit BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, 5 und 6). Vorliegend hat der Senat keine Bedenken, die AHP seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Sie sind gerade auch für die Rechtsanwendung im Rahmen des SGB IX maßgeblich.
Es ist nachgewiesen, dass der Kläger an den vom Beklagten im angefochtenen Bescheid festgestelten Gesundheitsstörungen leidet. Diese bedingen entgegen der Meinung des Klägers die Zuerkennung eines höheren GdB nicht.
Wegen der Einzelheiten der beim Kläger nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen und deren GdB-Ausmaß nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab.
Die im Berufungsverfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen rechtfertigen keine anderweitige Beurteilung. Der vom behandelnden Arzt Dr. Sch ... vorgelegte Befundbericht nebst beigefügtem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses T ... belegt zwar, dass der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig und dass eine Besserung der bestehenden Leiden nicht eingetreten ist. Daraus ergibt sich indessen kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB. Im Befundbericht ist unmissverständlich dargelegt, dass die hinzu gekommenen neuen Leiden spontan auftreten und - jedenfalls bislang - der ärztlichen Behandlung "zufrieden stellend" zugänglich sind. Insoweit sind Erkrankungen von lediglich vorüber gehender Natur angesprochen. Diese rechtfertigen aber die Annahme des Vorliegens von Funktionsbeeinträchtigungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung des behaupteten Nachteilsausgleichs RF zu.
Die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens RF richten sich nach § 69 Abs. 4 SGB IX, § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 (SächsGVB. 1992, 16), der seine Ermächtigungsgrundlage in Art. 4 § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 21.04.1991 in Verbindung mit Art. 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 19.12.1991 (SächsGVBl. 1991, 425) findet.
Danach sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens RF in Nr. 33 AHP wie folgt festgelegt: Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens sind nach landesrechtlichen Vorschriften und ergänzender Rechtsprechung immer erfüllt bei
a) Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung.
b) Hörgeschädigten die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. Letzteres ist dann nicht möglich, wenn an beiden Ohren mindestens eine hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit oder hochgradige Innenohrschwerhörigkeit vorliegt und hierfür ein GdB von wenigstens 50 anzusetzen ist. Bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit sind die gesundheitlichen Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllt, da in diesen Fällen bei Benutzung von Hörhilfen eine ausreichende Verständigung möglich ist.
c) Behinderte mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (AHP Nr. 33 S. 169 ff.).
Der Kläger zählt nicht zu dem in den vorstehenden Bestimmungen aufgeführten Personenkreis, von denen hier allein die zu Buchst. c) genannte Gruppe in Betracht kommt. Dazu gehören solche Behinderte, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen, und die deshalb auf Dauer nur mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Mitteln (z. B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können; Behinderte, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken; Behinderte mit nicht nur vorübergehend ansteckungsfähiger Lungentuberkulose; Behinderte nach Organtransplantation und geistig oder seelisch Behinderte, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltung durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören (AHP Nr. 33 Abs. 2 c, Seite 170 bis 171). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht.
Zwar führt der behandelnde Arzt Sch ... im Befundbericht vom 25.06.2001 aus, dass beim Kläger ein multiples Krankheitsbild mit Progredienz besteht; der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen und sei von öffentlichen Zusammenkünften allgemein ausgeschlossen. Daraus ergibt sich indessen nicht der zwingende Schluss darauf, dass der Kläger wegen seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Im Arztbrief des Kreiskrankenhauses T ... vom 12.05.2000 ist ausgeführt, dass sich der Kläger in einem "deutlich reduzierten" Allgemeinzustand befindet. Die weiteren Befunde ergeben insgesamt keinen Anhalt dafür, dass der Kläger zwingend "an das Haus gefesselt" wäre. Der Kläger wurde insbesondere mit "Unterarmstützen mobil" entlassen. Auch der Arztbrief vom 15.06.2001 führt lediglich an, dass der Kläger über Halsschmerzen und über eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes geklagt hat. Diese Erkrankungen wurden indessen mit der Empfehlung der weiteren "dringenden ambulanten Diagnostik" therapiert. Im Übrigen nimmt der Senat auch insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Im Ganzen sieht der Senat weder einen Anhalt dafür, dass der Kläger wegen seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen "ständig nicht teilnehmen" kann, noch besteht Anhalt für weitere Ermittlungen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved