L 2 U 52/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 351/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 52/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.02.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit.

Der am ... geborene Kläger war nach einer Lehre zum La- ckierer von November 1948 bis Februar 1960 als Nadelsetzer tätig. Von Februar 1960 bis April 1997 arbeitete er als Kraftfahrer und war als solcher vom 12.02.1962 bis 30.04.1997 bei der Deutschen Post AG tätig.

In einer "Mitteilung über eine arbeitsmedizinische Beurteilung/Stellungnahme" des Zentrums für Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der Deutschen Post AG vom 06.11.1996 nach einer Untersuchung am 29.10.1996 wurde angegeben, dass (hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit) keine gesundheitlichen Bedenken unter der Voraussetzung bestünden, dass eine Nachuntersuchung in 12 Monaten durchgeführt werde.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.01.1997, bei der Beklagten eingegangen am 04.02.1997, unter Hinweis auf starke Abnutzungserscheinungen seiner Halswirbelsäule und Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule einen Leistungsantrag gestellt hatte, ließ die Beklagte im Rahmen ihrer Ermittlungen zunächst eine Belastungsanalyse erstellen. In dieser Belastungsanalyse vom 20.08.1997 wird ausgeführt, dass der Kläger folgende Tätigkeiten ausgeübt habe:

Briefkastenleerung im Stadtbereich von Zwickau, Vertreter im Kraftfahrdienst, Fahren von Fahrzeugen als Landkraftposten und Kraftgüterposten im Landbereich von Zwickau zu Postämtern und Poststellen und Ein- und Ausladen der Beutel und Pakete, Durchführung des Ladungsaustausches bei Postämtern und Poststellen, verbunden mit dem Heben und Tragen von Brief- und Päckchenbeuteln sowie Zeitungspaketen, Hüllbehälter in das Fahrzeug heben, einzelne Briefbehälter ein- und ausladen, Abholung der Luftpostbeutel aus Leipzig und ein- und ausladen derselben.

Regelmäßig seien Beutel, Zeitungspakete und Pakete mit einem Gewicht von 18 bis 20 kg, nicht regelmäßig Kastenleerungstachen mit einem Gewicht von 15 kg und Luftpostbeutel mit einem Gewicht von 30 kg gehoben und getragen worden. Der Begriff "regelmäßig" sei mit dem Begriff "häufiger" vergleichbar (mehr als zwei- bis dreimal pro Stunde).

Als Ergebnis der Belastungsanalyse wurde festgehalten, dass die vom Kläger bei der Deutschen Bundespost geleisteten Tätigkeiten nicht die Ursache sein könnten für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule gemäß BK 2108 oder der Halswirbelsäule nach BK 2109, da eine Überschreitung der Grenzwerte nur für 1350 Std. festgestellt worden sei. Der Kläger habe zwar während seiner 35-jährigen Tätigkeit bei der Post regelmäßig Lasten gehoben und getragen, aber die Grenzwerte für die Einzellasten seien nicht oder nur in einzelnen Fällen überschritten worden. Eine Einschätzung nach BK 2110 erscheine angebrachter. Der Kläger sei ca. 75 % seiner gesamten Dienstzeit mit Fahrzeugen gefahren, die keine schwingungsgedämpften Fahrersitze hätten. Hierbei habe es sich um Belastungen und Expositionen gehandelt, bei denen Gesundheitsschäden zu erwarten seien, da eine mäßige oder zeitweilig hohe Überschreitung der arbeitshygienischen Grenzwerte vorgelegen habe. Die vom Kläger befahrenen Straßen hätten altersdefektes Kopfsteinpflaster oder seien teilweise unbefestigt gewesen. Da die Langjährigkeit der Einwirkung gegeben sei, könne eingeschätzt werden, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach BK 2110 möglich sei.

Ferner gab die Beklagte nach Einholung von Befundberichten und sonstigen medizinischen Unterlagen ein fachärztliches Gutachten in Auftrag. Der Gutachter Dr. D ... stellte im Gutachten vom 11.03.1998 folgende Diagnosen:

1. Osteochondrose und Spondylarthrose der unteren HWS mit klinischer Symptomatik des Cervikobrachialsyndroms beidseits.

2. Diskreter Rundrücken mit altersentsprechenden degenerativen Verschleißerscheinungen im Bereich der mittleren BWS.

3. Lumbalgiforme Beschwerden bei beginnender Osteochondrosis intervertebralis L1/L2 und Spondylosis deformans der unteren LWS (L4/L5).

Die anlässlich der Gutachtenserstellung angefertigten Röntgenaufnahmen vom 13.02.1998 ergaben im Bereich der Halswirbelsäule normal hohe Wirbelkörper. Der Zwischenwirbelraum war bei C5/C6 und C6/C7 verschmälert. Die Grund- und Deckenplatten waren im Sinne der Osteochondrosis intervertebralis verändert. Ventrale und dorsale spondylotische Rekationen mit uncovertebralen Veränderungen fanden sich in den geannten Segmenten. Die Wirbelkörper der Brustwirbelsäule waren normal hoch, die Zwischenwirbelräume nicht verschmälert. Die Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule waren ebenfalls normal hoch und die Zwischenwirbelräume nicht erniedrigt. Im Bereich L1/L2 fand sich eine beginnende Bandscheibendegeneration, ferner fanden sich ventrale spondylotische Reaktionen bei L1/L2 und bei L4/L5 und eine seitliche Spangenbildung bei L1/L2 rechts. Röntgenaufnahmen vom 01.12.1995 zeigten einen im Wesentlichen gleichen Befund. Die Seitneigungen der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule seien eingeschränkt gewesen und vom Kläger mit Schmerzen angegeben worden. Zusammenfassend führte der Gutachter aus, dass röntgenologisch degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule, der mittleren Brustwirbelsäule und bei L1/L2 und L4/L5 nachzuweisen seien. Insgesamt müsse aber gesagt werden, dass die Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule das Maß der natürlichen Degeneration nicht wesentlich überschritten. Eine beruflich verursachte oder wesentlich teilverursachte Erkrankung im Sinne der geltenden Berufskrankheitenverordnung sei nicht anzunehmen. Als von einer Berufskrankheit unabhängige Leiden seien natürliche degenerative Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule mit dem klinischen Bild eines Cervikalsyndroms und einer Lumbalgie zu nennen.

In einer Stellungnahme vom 20.04.1998 schloss sich die Gewerbeärztin Frau Dipl.-Med. G ... der Einschätzung des Gutachters an und verwies nochmals darauf, dass röntgenologisch keine das so genannte Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule nachweisbar gewesen seien, die Zwischenwirbelräume seien nicht erniedrigt.

Am 28.05.1998 erließ die Beklagte einen Bescheid, in dem sie ausführte, dass eine Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung nicht vorliege. Es liege weder eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung noch eine Berufskrankheit nach der Nr. 2109 - Erkrankung der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter - vor. Da der Kläger in seinem Berufsleben häufig Fahrzeuge gefahren habe, die keine schwingungsgedämpften Fahrersitze gehabt hätten, habe der Verdacht einer Berufskrankheit nach der Nr. 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen - nahe gelegen. Dieser Verdacht habe sich jedoch nicht bestätigt. Aus dem eingeholten Gutachten habe sich ergeben, dass keine das so genannte Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nachweisbar seien, so dass auch keine Berufskrankheit nach der Nr. 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliege.

Der Kläger legte Widerspruch ein gegen den Bescheid und verwies insbesondere darauf, dass seiner Meinung nach die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 vorlägen. Die von ihm gefahrenen LKW seien mit der Hand ein- und ausgeladen worden. Dadurch habe man sich bücken müssen, sehr oft habe man im Auto nur in gebückter Haltung die gesamte Ladung durchführen können. In jeder Hand habe man 15 bis 20 kg schwere Zeitungspakete gehalten. Dadurch sei es zu langjährigen Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung gekommen. Nicht ersichtlich sei, woher sonst seine Halswirbel- und Wirbelsäulenschäden mit starken Schmerzen kommen könnten.

Mit Bescheid vom 30.10.1998, dem Kläger zugestellt am 06.11.1998, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Am 24.11.1998 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben.

Das SG hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes in medizinischer Hinsicht insbesondere Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S ... hat im Befundbericht vom 20.01.1999 ausgeführt, dass der Kläger unter chronischen Schmerzen der Halswirbelsäule und seit Anfang 1997 auch der unteren Brustwirbelsäule leide. Krankhafte Befunde an den Bandscheiben der Lendenwirbelsäule lägen nicht vor. Der Befund an der Lendenwirbelsäule eile einem typischen altersentsprechenden Befund nicht voraus. Auch eile der Befund an der Lendenwirbelsäule den Befunden an der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule nicht voraus. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dr. W ..., bei dem der Kläger von Oktober 1994 bis Januar 1997 in Behandlung war, führte an Diagnosen ein zervikales Verspannungssyndrom bei motorischer Dysbalance der HWS und ein Lumbalsyndrom auf. Der Röntgenbefund habe eine Spondylarthrose C2/3-C4/5 ergeben, ferner eine ventrale Osteochondrose der mittleren Brustwirbelkörper und relativ weite lumbale Zwischenwirbelräume, eine Spondylose L1/2 rechts, gering L1/2 bis L4/5 ventral. Der Befund an der Lendenwirbelsäule eile weder einem typischen altersentsprechenden Befund voraus noch den Befunden an der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B ...-G ... verwies hinsichtlich der orthopädischen Probleme auf Befundberichte der behandelnden Orthopäden.

Mit Urteil vom 16.02.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es an einem berufskrankheitentypischen Befund der Lendenwirbelsäule fehle. So ergäben die eingeholten Unterlagen, dass die Befunde an der Lendenwirbelsäule im Wesentlichen alterstypisch seien. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass auch der haftungsausfüllende Kausalzusammenhang deswegen nicht hinreichend wahrscheinlich sei, weil beim Kläger im Bereich der gesamten Wirbelsäule, vornehmlich auch im Bereich der nicht exponierten Halswirbelsäule, erhebliche degenerative Veränderungen bestünden. Die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2109 scheitere bereits an dem Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der Kläger habe nicht in der überwiegenden Zahl seiner Arbeitsschichten schwere Lasten von 50 kg und mehr einseitig auf der Schulter unter Verdrehung der Halswirbelsäule getragen. Die Kammer verkenne nicht, dass der Kläger im Einzelfall Lasten mit derartigen Gewichten auf der Schulter getragen habe. Das vereinzelte Tragen von Lasten von 50 kg und mehr einseitig auf der Schulter reiche jedoch für die Anerkennung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht aus.

Gegen das ihm am 02.03.2000 mit Einschreiben zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.03.2000 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass seine gesamte Wirbelsäule mehrere Schäden aufweise. Wenn diese nicht vom LKW-Fahren, vom Beladen und Entladen der Fracht kämen, frage er sich, wo sie sonst herkommen sollten. Die gesamte Fracht der LKW und Hänger, Zeitungen und Pakete, sei in einer extremen Rumpfbeugehaltung und mit einer Drehbewegung beladen und entladen worden. Die Ladung sei immer von der Ladefläche mit den Händen aufgehoben worden. Zum Nachtdienst seien mehrere Tonnen Zeitungen beladen und entladen worden, dabei habe er jeweils 30 kg an den Händen getragen. Er habe über 35 Jahre diese körperliche Arbeit gemacht, deshalb weise seine Wirbelsäule diese Schäden auf. Er nehme nur noch starke Medikamente und komme ohne diese nicht mehr aus.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.02.2000 mit dem Bescheid der Beklagten vom 28.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 aufzuheben, festzustellen, dass es sich bei seinen Wirbelsäulenbeschwerden um eine Berufskrankheit der Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung handelt und die Beklagte zu verurteilen, diese zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils bezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Voraussetzungen für die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) i. V. m. den Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) liegen nicht vor.

Anzuwenden sind die Bestimmungen des SGB VII i. V. m. der BKV vom 31.10.1997, da als möglicher Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles nur ein Zeitpunkt nach dem 31.12.1996 in Betracht kommt (§§ 212 ff. SGB VII).

Maßgeblich für den Zeitpunkt des Eintretens des Versicherungsfalles und somit für den Eintritt einer Berufskrankheit ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, also der Eintritt jenes Gesundheitsschadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer Berufskrankheit erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung - BKV -, Kommentar, E § 9 SGB VII Rn. 42 S. 97 m. w. N.). Im Einzelnen sind die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles Berufskrankheit eingetreten, sobald die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines Berufskrankheitentatbestandes erfüllt und wenn gegebenenfalls erforderliche besondere Merkmale, insbesondere die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten, erfüllt sind (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, § 9 SGB VII Rn. 7; Koch in: Schulen, Handbuch des Versicherungsrechts, Bd. 2 § 35 Rn. 19, 1. Aufl. 1996 S. 678).

Da der Kläger bis zum 30.04.1997 als Kraftfahrer tätig war und der "Mitteilung über eine arbeitsmedizinische Beurteilung/Stellungnahme" des Zentrums für Arbeitsmedizin der Deutschen Post AG vom 06.11.1996 nach einer Untersuchung am 29.10.1996 entnommen werden kann, dass sein Leistungsvermögen so eingeschätzt wurde, dass er die bisher ausgeübte Fahrtätigkeit weiterhin ausüben könne und da eine Nachuntersuchung erst in 12 Monaten empfohlen wurde, kommt als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles allenfalls der Zeitpunkt, ab dem der Kläger nicht mehr wirbelsäulenbelastend tätig war, somit der 01.05.1997 in Betracht mit der Folge, dass die Regelungen des SGB VII anwendbar sind.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.

Die Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 der aufgrund der Ermächtigung des § 9 Abs. 1 SGB VII erlassenen BKV liegen jedoch nicht vor.

Hinsichtlich der BK 2109 - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - sind die Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht langjährig schwere Lasten auf der Schulter getragen hat. Insofern ergibt sich aus der von der Beklagten erstellten Belastungsanalyse, dass ein Tragen schwerer Lasten auf der Schulter nicht regelmäßig anfiel. Es waren im Wesentlichen Kastenleerungstaschen, Beutel, Zeitungspakete, Pakete und Luftpostbeutel zu heben und zu tragen. Der Kläger hat insoweit selbst immer wieder vorgetragen, diese Lasten hätten mit den Händen getragen werden müssen. Hinweise darauf, dass er schwere Lasten in größerem Umfang auf der Schulter getragen haben könnte, sind nicht ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen einer BK 2108 - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - bzw. BK Nr. 2110 - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - liegen nicht vor. Zwar dürften die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen jedenfalls für die Berufskrankheit Nr. 2110 gegeben sein. Jedoch hat der Senat schon erhebliche Zweifel daran, ob die Gesundheitsstörungen des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule in Form von Schmerzzuständen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 bzw. 2110 darstellen, da es sich aus sämtlichen vorhandenen Gutachten und Befundberichten der behandelnden Ärzte ergibt, dass die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule im altersüblichen Bereich liegen.

Des Weiteren hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass - eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule unterstellt - die vom Kläger langjährig ausgeübte berufliche Tätigkeit eine rechtlich wesentliche Ursache für diese Erkrankung ist.

Der Kläger hat zwar, wie sich insbesondere aus der Belastungsanalyse der Beklagten vom 20.08.1997 ergibt, im Laufe seiner 35-jährigen Tätigkeit bei der heutigen Deutschen Post AG in einem nicht unerheblichen Umfang schwere Lasten gehoben und getragen und war auch langjährig vorwiegend vertikalen Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt. Auch kann unterstellt werden, dass die körperlichen Belastungen, denen er in seiner beruflichen Tätigkeit als Kraftfahrer ausgesetzt war, sein Risiko, an einem Bandscheibenleiden zu erkranken, zu erhöhen geeignet waren. Damit ist davon auszugehen, dass die beruflichen Einwirkungen in naturwissenschaftlicher Hinsicht zumindest mit ursächlich für die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden waren. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben jedoch vielfältige Ursachen (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bekanntmachung des BMA, BArbBl 3/93 S. 50, abgedr. in Mehrtens/Perlebach, M 2108, S. 1 ff.); sie können z. B. durch Fehlbelastungen im privaten Bereich und durch typische Zivilisationsfolgen wie Bewegungs- und Belastungsarmut ebenso hervorgerufen werden wie durch berufliche Einwirkungen. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Versicherter ca. 35 Jahre lang beruflichen, für seine Wirbelsäule physiologisch ungünstigen Einwirkungen ausgesetzt war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Belastungen überhaupt nicht zu später auftretenden Abnutzungserscheinungen an der Landenwirbelsäule beigetragen haben.

Rechtlich ist jedoch eine Erkrankung nur dann "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten und als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen, wenn die beruflichen Belastungen in rechtlich wesentlicher Weise bei der Krankheitsentstehung mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht gemeinsam zum Entstehen der Erkrankung beigetragen, sind sie nebeneinander (mit) Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist hierbei nicht identisch mit den Beschreibungen überwiegend, gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige sondern rechnerisch oder verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist vielmehr nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Daher ist es zulässig, eine rein naturwissenschaftlich betrachtet nicht gleichwertige Ursache rechtlich als wesentlich zu betrachten.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung jeder Versicherte in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 81).

Vorliegend ist jedoch insbesondere angesichts der geringen Ausprägung der Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule zweifelhaft, ob das bestehende Beschwerdebild nicht im Wesentlichen auf körpereigenen Ursachen beruht. Die naturwissenschaftlich zu unterstellende Verschlechterung der Befunde durch die berufliche Tätigkeit ist objektiv nicht zu belegen, da Funktionseinschränkungen kaum und neurologische Ausfälle nicht vorhanden sind. Bandscheibenprotrusion oder ein Bandscheibenprolaps wurden nie diagnostiziert. Hinweise auf eine Verschlechterung können lediglich den Angaben des Klägers entnommen, durch objektive Befunde jedoch nicht belegt werden.

Ob die berufliche Tätigkeit im Falle des Klägers tatsächlich eine rechtlich wesentliche Bedingung für die Erkrankung der Lendenwirbelsäule darstellt bzw. ob der Kläger überhaupt an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV leidet, kann jedoch dahinstehen, da das weitere Merkmal des so genannten Unterlassungszwanges jedenfalls nicht gegeben ist.

Insbesondere ist nicht nachgewiesen und auch nicht nachweisbar, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule den Kläger zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die Berufskrankheiten Nr. 2108 und 2110 der BKV erfordern jeweils als besonderes versicherungsrechtliches Merkmal, dass die angeschuldigte bandscheibenbedingte Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Zwang zur Unterlassung dieser Tätigkeiten muss medizinisch geboten sein, was im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen ist (Mehrtens/Perlebach, a. a. O., E § 7 S. 49 f.). Dieser Unterlassungszwang muss sich auch auf alle künftigen gefährdenden Tätigkeiten beziehen, d. h. auch von einer neu aufgenommenen Tätigkeit dürfen keinerlei Gefahren für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ausgehen (Mehrtens/Perlebach, a. a. O., E § 9 SGB VII Rn. 27.3 S. 52 f.).

Der Kläger hat jedoch bis April 1997 in der belastenden Tätigkeit als Kraftfahrer gearbeitet. Noch am 29.10.1996 ist ihm vom Zentrum für Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der Deutschen Post AG bescheinigt worden, dass er seine Tätigkeit weiter ausüben könne. Da sich den medizinischen Unterlagen zudem ein im Wesentlichen altersentsprechender Befund der Lendenwirbelsäule entnehmen lässt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit im April 1997 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule in einem solchen Ausmaß vorlag, dass sie den Kläger zu einem Unterlassen aller Tätigkeiten gezwungen hätte, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ursächlich sein können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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