L 2 U 73/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 224/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 73/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. März 1999 mit dem Bescheid vom 11. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 1996 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01. Januar 1992 zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines nach dem Recht der DDR als Berufskrankheit (BK) anerkannten Wirbelsäulenleidens. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 50.

Der am ... geborene Kläger war nach einer im Bundesgebiet absolvierten Ausbildung zum Maler bis 1962 in diesem Beruf tätig. Nach seiner Übersiedlung in die DDR arbeitete er von 1962 bis 1967 als Transportarbeiter im VEB V ... B ... in der Hohldielenproduktion, wo er manuell 1,5 bis 2 Zentner schwere Dielen zu zweit aufzuheben, transportieren und aufzuschichten hatte. Es war ständig schweres Heben aus vornübergeneigter Haltung ohne technische Hilfsmittel erforderlich (Beklagten-Akte Bl. 72). In der Folgezeit hatte er als Betonbauer ebenfalls Arbeiten in gebückter Stellung zu verrichten. Nach Einschätzung des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) lag auch von 1978 bis 1991 eine BK-relevante Exposition vor (Beklagten-Akte Bl. 89).

Aufgrund einer Begutachtung durch die Ärzte Dres. A ... und F ... (Waldkrankenhaus B ... D ...) v. 2.2.1982, bei der die Sachverständigen eine rezidivierende rechtsseitige Lumboischialgie bei Osteochondrose L5/S1 und reaktiver Osteochondrose L4/5 infolge einer Spondylolisthesis nach Mayerding I bei Spondylolyse L4 diagnostizierten, wurde mit Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 23.08.1983 ab Mai 1981 eine Berufskrankheit nach der Nr. 70 der Berufskrankheitenverordnung der DDR (BKVO) anerkannt. In dem Bescheid wurde der Grad des Körperschadens mit 15 % festgestellt. In dem Gutachten wird zur Begründung ausgeführt, die Spondylolyse bilde einen "locus minoris resistentiae"; durch den eingetretenen Gleitprozeß sei das Segment L4/5 bereits erheblich überbelastet und degenerativ verändert gewesen. Es sei bekannt, daß bei solchen Patienten selbst geringfügige Belastungen durch schweres Heben oder Arbeiten in gebückter Stellung zu vorzeitigen Verschleißerscheinungen führen. Bei einer entsprechenden Einstellungsuntersuchung hätte der Versicherte von Anfang nicht den beruflichen Belastungen ausgesetzt werden dürfen.

Im Juni 1993 wandte sich der Kläger an die Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen mit der Frage, ob ihm eine Rente zustehe. Diese gab den Vorgang an die Beklagte ab, die durch den Orthopäden PD Dr. M ... ein Gutachten erstellen ließ, das zu dem Ergebnis gelangte, bei der deutlichen schmerzhaften Bewegungseinschränkung der LWS und den in die Beine ausstrahlenden Schmerzen sei die berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit mindestens 20 v. H. einzuschätzen (Beklagten-Akte Bl. 46). Aufgrund einer Stellungnahme von Dr. Neumann (Sächsisches Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin), wonach der Kläger seit 1976 keiner relevanten Exposition mehr ausgesetzt gewesen und deshalb der weitere Verlauf der bereits 1981 eingetretenen Berufskrankheit als zunehmend schicksalsbedingt anzusehen sei, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11.08.1994 ab. Die MdE des Klägers betrage weiter 15 %. Zwar hätten sich seine Wirbelsäulenbeschwerden leicht verschlimmert. Die Verschlimmerung sei jedoch nicht als Folge der BK zu werten, sondern auf altersbedingte Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Dagegen legte der Kläger am 25.08.1994 Widerspruch ein.

Der TAD erläuterte in seinem Bericht vom 02.05.1995, bei der Tätigkeit als Transportarbeiter würden sich durch regelmäßiges Heben und häufiges Tragen von Lasten nahe bzw. über der Belastungsgrenze Expositionen ergeben, bei denen angesichts der Vorschädigung die Verschlimmerung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) möglich sei.

Prof. Dr. D ... meinte in seinen gutachtlichen Stellungnahmen vom 13.02. und 04.03.1996, die MdE des Klägers sei mit 20% sogar streng eingeschätzt worden. Zwar hätte die Wirbelsäulenerkrankung nach Ansicht des Gutachters nicht als BK anerkannt werden dürfen, weil die Erkrankung anlagebedingt entstanden sei. Die Verschlimmerung beruhe jedoch eindeutig auf dieser als BK anerkannten Erkrankung, so dass diese nicht getrennt von ihr betrachtet werden könne.

Gleichwohl wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.1996 zurück. Die Sozialversicherung der DDR habe das Wirbelsäulenleiden des Klägers zu Unrecht als BK anerkannt. Daher sei § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) anzuwenden mit der Folge, dass die Verschlimmerung zu Unrecht anerkannter BK-Folgen nicht entschädigt werden könne. Der Grad des Körperschadens von 15% bleibe bestehen. Eine Rentenleistung könne nicht erfolgen, da keine MdE von mindestens 20% vorliege.

Dagegen hat der Kläger am 24.09.1996 das Sozialgericht Leipzig (SG) angerufen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Gutachtens bei Dr. F ..., das dieser am 24.02.1997 erstattet hat und darin zu dem Ergebnis gelangt ist, zwischen der lumbalen Bandscheibenerkrankung und der beruflichen Tätigkeit des Klägers zwischen 1963 und 1991 bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Entstehung und der Verschlimmerung aufgrund der Weiterführung der das Achsenorgan belastenden Tätigkeiten bis 1991. Die Spondylolisthesis habe zu einer Verstärkung der lumbalen Lordose geführt. Bei dieser Ausgangslage habe aber auch die berufliche Belastung negativen Einfluss auf die (weitere) Ausbildung sowohl der Lordose (in der Fachsprache kenne man die "Arbeitslordose" von Sackträgern und Stauern) als auch der Spondylolisthesis gehabt. Die MdE habe bereits 1991 das Ausmaß von 20 v. H. erreicht.

Dieser Auffassung ist sowohl die Beklagte als auch der erneut gehörte Prof. D ... entgegengetreten, Chefarzt F ... hat seine Auffassung weiter erläutert (Stellungnahme v. 22.9.1998, SG-Akte Bl. 173-176).

Mit Urteil vom 25. März 1999 hat das Sozialgericht Leipzig die Klage abgewiesen. Als Anspruchsgrundlage kämen hier die §§ 214 Abs. 3 SGB VII, 580, 581 RVO i.V. m. § 48 SGB X in Betracht. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung habe in Form des Anerkennungsbescheids vom 23.08.1983 vorgelegen. Es sei jedoch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Wesentlich seien nur Änderungen, die dazu führten, dass der Unfallversicherungsträger unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (Hinweis auf BSG, SozR 1300 § 48 Nr. 44). Wesentlich sei allein eine Änderung der MdE um mehr als 5% (BSGE 32, 245; § 73 Abs. 3 SGB VI I). Das sei hier jedoch nicht der Fall. Im Tenor des Anerkennungsbescheides sei bindend ein Grad des Körperschadens von 15 % festgestellt worden. Die ausweislich des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens von Dr. F ... ermittelte MdE des Klägers betrage 20 %. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Sozialversicherung der DDR zu Recht eine BK nach der Nr. 70 der BKVO der DDR festgestellt habe. Sie beziehe sich dabei auf die zutreffenden Ausführungen des Gutachters Dr. F ... in seiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen von Prof. D ... Im Gegensatz zu Prof. D ... sei deshalb davon auszugehen, dass die Bandscheibenerkrankung des Klägers überwiegend durch seine berufliche Tätigkeit entstanden sei. Die Kammer sei jedoch ebenfalls davon überzeugt, dass Dr. F ... die MdE mit 20% zutreffend bewertet habe. Daraus folge jedoch, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten sei, denn die Abweichung im Verhältnis zum im Anerkennungsbescheid festgestellten Grad des Körperschadens betrage lediglich 5 %.

Gegen das ihm am 10.5.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9.6.1999 Berufung eingelegt. Prof. D ... habe die MdE mit wenigstens 20 v.H. eingeschätzt; dies sei 1996 gewesen. Seither habe sich der Zustand permanent verschlechtert und liege nunmehr über 20 v.H.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. März 1999 mit dem Bescheid vom 11.08.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 1. Januar 1992 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, § 1154 Abs. 1 Satz 1 RVO, der den Grad des Körperschadens als MdE fingiere, beziehe sich zwar nur auf bereits festgestellte Renten, müsse aber auch für bereits bindend festgestellte Körperschäden ohne Rentenanspruch angewandt werden. Da aber die Berufskrankheit zu Unrecht festgestellt worden sei, müsse der Grad des Körperschadens gem. § 48 Abs. 3 SGB X eingefroren werden.

Dem Senat liegen neben den Prozessakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, denn dem Kläger steht die geltend gemachte Leistung zu.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVO i.v.m. § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO. Danach gelten solche Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Berufskrankheit im Sinne der RVO. Dies ist hier der Fall. Das Wirbelsäulenleiden des Klägers ist mit dem Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 23.8.1983 als Berufskrankheit gem. Nr. 70 der damals maßgebenden Liste anerkannt worden. Eine Rente erhielt der Kläger jedoch nicht, da der Körperschaden mit lediglich 15 v.H. und damit um 5 v.H. unter dem rentenberechtigenden Grad von 20 v.H. bewertet worden war. Da der Kläger nunmehr - und damit nach dem 31. Dezember 1991 - einen Rentenanspruch geltend macht, richtet sich die Entscheidung darüber, ob ein rentenberechtigendes Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung durch die anerkannte Berufskrankheit eingetreten ist, nach der maßgebenden Regelung von § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVO.

§ 1154 Abs. 1 RVO unterscheidet ausdrücklich zwischen Renten, die vor dem 1.1.1992 im Beitrittsgebiet festgestellt wurden, für die der zugrunde gelegte Grad des Körperschadens als MdE gilt (Satz 1), und anderen Renten (Satz 2), bei denen eine neue Feststellung zu treffen ist, sei es deshalb, weil sie nach dem 31.12.1991 erstmals festgestellt werden (Nr. 1) oder - bei solchen, die vor dem 1.1.1992 festgestellt wurden - weil wegen einer den Körperschaden betreffenden wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eine neue Feststellung beantragt wird (Nr. 2). Bei der Gruppe der Renten nach Satz 2 ist - im Unterschied zu den Renten nach Satz 1 - nicht der Grad des Körperschadens maßgebend, sondern es ist originär § 581 RVO heranzuziehen. Da es im Falle des Klägers an einer Rentenfeststellung vor dem 1.1.1992 fehlt, richtet sich die Entscheidung über das Ob der Rentengewährung und die Höhe der Rente allein danach, ob die bestehende MdE das Maß von 20 v.H. erreicht. Dies ist nach den insoweit übereinstimmenden Einschätzungen der im bisherigen Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. D ... und Chefarzt Dr. F ... der Fall.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in dem Anerkennungsbescheid vom 23.8.1983 der Grad des Körperschadens mit 15 % festgestellt wurde. Denn auf den Eintritt einer wesentlichen Änderung ist nicht abzustellen; dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Bezogen auf eine MdE ist nach bundesdeutschem Recht eine wesentliche Änderung überhaupt nur relevant in Bezug auf die Erhöhung oder Herabsetzung einer bereits gewährten Unfallrente. Dementsprechend hat es das BSG für unzulässig erachtet, in den Verfügungssatz eines Rentenbescheids einen v.-H-Satz der MdE aufzunehmen, der geringer ist als die Zahl 20 (BSG, Urteil v. 22.3.1983 - 2 RU 37/82 - BSGE 55,32). Auch die Regelungen von § 1154 RVO befassen sich durchweg nur mit bereits bestehenden oder noch festzustellenden Renten. Das gilt insbesondere für 48 SGB X, der ausdrücklich im Zusammenhang mit einer vor dem 1.1.1992 festgestellten Rente genannt wird (§ 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz RVO): Auf die Bemessung des Körperschadens soll diese Bestimmung gerade nicht angewandt werden. Diese und die in Satz 3 folgende Regelung zeigen vielmehr, dass in den Fällen einer wesentlichen Änderung maßgebend stets der v.H.-Satz der MdE gem. § 581 RVO ist. Ein Vergleich: Grad des Körperschadens / Höhe der MdE findet gerade nicht statt. Er ließe sich auch nicht sachgerecht durchführen, da beide Maße zwar im Grundsätzlichen übereinstimmen, dies aber im konkreten Einzelfall nicht zwingend so sein muss. Schon aus diesem Grunde ist dem Ansatz des SG nicht zu folgen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsfolgen sich für den Fall ergeben, dass in einem Bescheid dennoch ein MdE-Satz von unter 20 v.H. festgestellt wurde (s. dazu BSG, Urteil v. 22.3.1983 - 2 RU 37/82 - BSGE 55,32). Im Übrigen stellte es einen Wertungswiderspruch dar, einen bundesdeutschen Versicherungsträger bei der Erteilung eines Bescheids nach bundesdeutschem Recht an eine Feststellung zu binden, die nach eben diesem Recht nicht getroffen werden dürfte. Entscheidend ist aber letztlich, dass es in der RVO keine Überleitungsvorschrift für festgestellte GDK-Werte gibt, die nicht zu einer Rente geführt haben. Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages ist insoweit abschließend durch § 1154 RVO konkretisiert worden. Denn ohne die Vorschrift des § 1154 RVO hätte zwar ein Versicherter gegebenenfalls einen durch einen DDR-Verwaltungsakte festgestellten GdK. Mangels Bezugsnorm im bundesdeutschen Unfallversicherungsrecht würde eine derartige Feststellung jedoch ohne einfachrechtliche Überleitung keine Rechtsfolgen auslösen.

Dem Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente steht auch nicht der Umstand entgegen, dass nach der Auffassung von Prof. Dr. D ... der Anerkennungsbescheid zu Unrecht ergangen sei, weil das Wirbelsäulenleiden des Klägers nicht auf seiner Berufstätigkeit sondern auf einer angeborenen Spondylolisthesis beruhe. Ob das zutrifft, braucht nicht entschieden zu werden. Chefarzt Dr. F ... hat dem widersprochen. Deshalb ist es bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition vorliegen, wofür die Beklagte die Beweislast trifft. Denn die Rechtswidrigkeit einer früheren Entscheidung muß förmlich festgestellt werden, woran es hier fehlt. Das BSG hat dazu ausgeführt (BSG, Urteil v. 18.3.1997 - 2 RU 19/96 - BSGE 80, 119):

Eine Rücknahme nach § 45 SGB X scheidet hier schon deshalb aus, weil die Beklagte, wie sie im Bescheid vom 28. Oktober 1991 zutreffend ausgeführt hat, im Hinblick auf das vom Kläger in die Richtigkeit des Bescheids vom 1. März 1983 gesetzte Vertrauen auf die Gewährung einer Unfallrente nach einem Körperschaden von 70 % gebunden ist. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Voraussetzungen der Aussparungsvorschrift des § 48 Abs 3 SGB X ebenfalls nicht erfüllt. Zwar ist diese Regelung nicht nur, wie der Kläger meint, bei Fehlern des Ursprungsbescheids anwendbar, die die Höhe der Leistung (zB zu hoch eingeschätzte Minderung der Erwerbsfähigkeit ), sondern auch bei solchen Fehlern, die den Grund der Leistungsbewilligung betreffen (BSG SozR 1300 § 48 Nrn 51 und 54). Der die Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X durchführende Bescheid setzt jedoch stets die Feststellung voraus, daß der Ursprungsbescheid rechtswidrig ist (BSG Urteil vom 2. November 1988 - 2 RU 39/87 = HV-INFO 1989, 84). Damit greift der Bescheid in die Bestandskraft insoweit ein, als der frühere Bescheid entgegen seinem Inhalt keine Basis mehr hergibt, um künftige Leistungsverbesserungen darauf aufzubauen. Dies ist im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes nur hinnehmbar, wenn die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Anerkennungsbescheids durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt festgestellt wird. Ohne diese Feststellung bleiben der Ursprungsbescheid und die darauf aufbauenden Bescheide rechtmäßig (BSG SozR 1300 § 48 Nr 54). Der Verwaltung bleibt es dabei unbenommen, die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch einen selbständigen Bescheid oder als Teil des Bescheids über die Abschmelzung zu treffen (BSGE 63, 266, 269).

Eine derartige bescheidmäßige Feststellung hat die Beklagte nicht getroffen unabhängig von der Frage, ob eine solche überhaupt hätte getroffen werden dürfen. Denn der allein maßgebliche Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids vom 4.9.1996 lautet: "Ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.8.1994 wird zurückgewiesen". Inhalt jenes Bescheids aber war allein die Ablehnung der Gewährung einer Unfallrente, die damit begründet wurde, dass sich die Folgen der (anerkannten) Berufskrankheit nur leicht verschlimmert hätten und ein MdE um 20 v. H. nicht erreichten. Von einer Rechtswidrigkeit der früheren Entscheidung ist darin nicht die Rede, geschweige denn von einer entsprechenden Feststellung. Sie fehlt - als bescheidmäßiger Verfügungssatz - auch im Widerspruchsbescheid. Denn Ausführungen dazu finden sich allein in der vom Entscheidungssatz deutlich abgesetzten Begründung, in der darüber hinaus ausdrücklich auf die nach wie vor bestehende Wirksamkeit der früheren Entscheidung hingewiesen wird ("Der Bescheid der ehemaligen DDR kann zum einen laut dem Einigungsvertrag nicht zurückgenommen werden [,] zum anderen besteht Bestandsschutz auch nach § 45 SGB X"). Sie dienen deshalb allein zur Erläuterung dessen, weswegen aufgrund des für maßgeblich gehaltenen § 48 Abs. 3 SGB X eine Erhöhung nicht erfolgen kann.

Darüber hinaus aber wäre - was die Beklagte aber nicht getan hat - eine solche Feststellung im Widerspruchsbescheid schon deshalb rechtswidrig, weil sie einen Eingriff in ein bisher bestehendes Recht des Klägers darstellte, der ohne vorherige Anhörung nicht erfolgen darf (§ 24 Abs. 1 i. V. m. § 41 Abs. 3 SGB X). Mit der Behauptung, die frühere Entscheidung sei fehlerhaft, wurde der Kläger aber erstmals im Widerspruchsbescheid konfrontiert (in einer ersten Fassung des Widerspruchsbescheids - unterschrieben von zwei Mitgliedern der dreiköpfigen Widerspruchsausschusses, Beklagten-Akte Bl. 190c - sollte noch eine Rente nach einer MdE um 20 v. H. gewährt werden). Nach der damals geltenden Rechtslage war der Fehler nur bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens heilbar. Nach diesem Zeitpunkt ist ein Aufhebungsanspruch des Klägers endgültig entstanden.

Die insoweit übereinstimmende Einschätzung der Folgen der Berufskrankheit mit einer MdE um 20 v. H. ist aus der Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Ihm stehen auch keine zusätzlichen oder besseren Erkenntnisquellen zur Verfügung, aus denen sich ein anderes Ergebnis ableiten ließe. Prof. D ... hat gegenüber der Beklagten insbesondere dargelegt, dass sich eine Trennung zwischen den Folgen des dem Gutachten von 1983 zugrunde liegenden Befundes und anderen nicht durchführen lässt (Beklagten-Akte Bl. 157,158). Er bezeichnet den Maßstab, der zu einer Bewertung von 20 % führt, als "streng".

Der Beginn der Rente am 1.1.1992 ergibt sich aus § 1156 Abs. 1 RVO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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