Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 6/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 8/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Verkehrsunfalles (Tag des Ereignisses: 22.7.1982) als Arbeitsunfall.
Der am ... geborene Kläger war 1982 beim VEB (K) Stadtdirektion Straßenwesen K ... als Platzwart beschäftigt. Die Betriebsstätte befand sich in C ..., W ... Am Unfalltag, einem Donnerstag, war der Kläger mit einem Kleinkraftrad um die Mittagszeit unterwegs. Gegenüber der Volkspolizei erklärte er anlässlich seiner Vernehmung:
"Am 22.07.1982 gegen 12.00 Uhr kam ich von einer Besorgung während der Mittagspause mit meinem Moped von der R ... Straße und war nach rechts in die L ... Straße landwärts eingebogen. Hier fuhr ich weiter ..." (Blatt 110 der Beklagtenakte).
In Höhe des Hausgrundstückes L ... Straße 198 hielt der später zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Fahrer eines LKW an, um durch ein Wendemanöver auf die andere Straßenseite zu gelangen. Beim Zurückfahren bemerkte er den Kläger nicht, der in der irrtümlichen Annahme, der LKW werde weiterhin stehen bleiben, mit seinem Kleinkraftrad zum Linksüberholen ansetzte. Der Kläger geriet unter die Hinterräder des langsam schräg über die Straße rückwärtsfahrenden LKW und wurde dabei schwer verletzt.
In einem aus Anlass des Unfalls für die Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erstellten ärztlichen Gutachten vom 18. August 1988 wurde im Rahmen der Nachbegutachtung wurden als ursprüngliche Unfallfolgen eine offene Unterschenkelfraktur 1. Grades rechts, Schnittwunden am linken Oberschenkel, Verbrennungen 3. Grades an der rechten und linken Wade sowie eine Fraktur der 5. Rippe rechts festgestellt. Die Unterschenkelfraktur erforderte einen Küntschernagel , der am 30.03.1988 entfernt wurde. Weiterhin bestand eine Schwellung und Rötung im Frakturbereich. Das Beschwerdebild (Schmerzen bei Belastung des Beines und beim Gang über unebenem Boden) nahm zu. Es wurde vom Gutachter ein Dauerschaden von 20 % angenommen (Blatt 15 der Beklagtenakte; siehe ferner Blatt 68 und 85 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 24.08.1982 lehnte es die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) des VEB (K) Stadtdirektion Straßenwesen ab, den "Wegeverkehrsunfall" als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bl. 188 der SG-Akte, irrtümlich ist auf dem Vordruck "Die BGL" durchgestrichen). Unterschrieben wurde der Bescheid von dem damaligen BGL-Vorsitzenden und im Gerichtsverfahren als Zeugen vernommenen Herrn R ... H ... In einem nachfolgenden Schreiben vom 02.09.1982 an den Verlag "Die Wirtschaft", Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht, teilte der Direktor des VEB mit, auf der Grundlage der Arbeitsrechtskartei sei der Unfall vom Betrieb zunächst als Arbeitsunfall anerkannt und im Nachgang durch die Kreisstelle der Sozialversicherung K ... abgelehnt worden. Den Unfallhergang wurde in diesem Schreiben wie folgt geschildert (Blatt 185 SG-Akte):
"Während der Mittagspause erhielt ein Kollege von seinem Leiter die Genehmigung, mit dem Moped Brötchen zu holen. Auf der Rückfahrt wurde besagter Kollege schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt, mit größerem Körperschaden."
Abgesehen von Zahlungen der Staatlichen Versicherung erhielt der Kläger keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
In einem Schreiben vom 15.12.1993, bei der Beklagten am 20.12.1993 eingegangen, bat Dr. M ..., stellvertretender D-Arzt, um die Einleitung eines Begutachtungsvorgangs. Im Betreff ist zu lesen: "Unfall ..., ..., geb ..., vom 22.07.82 ...". (Blatt 1a der Beklagtenakte). Am 14.01.1994 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf "Unfallteilrente" und legte u. a. in Kopie eine von einer Frau S ... geschriebene, undatierte, nach späterer Angabe des Klägers (Blatt 148 der Beklagtenakte) 1993 geschriebene "Notiz für Frau Z ..." vor, in der mitgeteilt wurde, der Kläger sei im Auftrag seines Vorgesetzten zum Bäcker gefahren. Der Unfall habe als Arbeitsunfall anerkannt werden sollen, sei aber im Nachhinein von BGL und Parteileitung abgelehnt worden (Blatt 5 der Beklagtenakte).
Am 30.03.1994 gab der Kläger an, den Auftrag, zu einem Bäcker zu fahren, habe er von seinem Vorgesetzten Herrn W ..., erhalten. Ein solcher Auftrag sei jede Woche donnerstags von Herrn W ... einem Kollegen erteilt worden. Er selbst habe nichts für sich beim Bäcker gekauft (Blatt 34 der Beklagtenakte). Während des Verwaltungsverfahrens erklärte am 07.07.1994 der Zeuge R ... V ... schriftlich, der Unfall sei - soweit ihm erinnerlich - als Betriebsunfall anerkannt worden. Von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem 1984 verstorbenen G ... W ..., habe der Kläger den Auftrag erhalten, "Besorgungen für die Arbeiterbetreuung" auszuführen (Bl. 130 der Beklagtenakte). Nach einer Gesprächsnotiz vom 23.09.1994 soll der Zeuge H ... mitgeteilt haben, der Kläger versuche eidesstattliche Erklärungen dahingehend beizubringen, dass es sich in seinem Fall um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. "Er, der Zeuge H ..., könne wohl keine solche Erklärung abgeben, weil er sich schwer erinnern , was damals war" (Bl. 137 der Beklagtenakte). Der Zeuge E ..., damals Sicherheitsinspektor, gab mit Schreiben vom 27.12.1994 gegenüber der Beklagten an, der damalige Leiter habe den Kläger mit der "Sicherung der Pausenversorgung" beauftragt und den Kläger zum Einkauf geschickt (Blatt 147 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 24.05.1995 lehnte es die Beklagte ab, den - damals weder im Original noch in Kopie vorliegenden und bis auf die "Notiz für Frau Z ..." nicht nachgewiesenen - Bescheid der BGL zurückzunehmen, mit dem der Unfall vom 22.07.1982 als Arbeitsunfall abgelehnt worden war (Blatt 165 f. der Beklagtenakte). Im Wesentlichen führte die Beklagte darin aus, die Entscheidung der BGL sei nicht fehlerhaft gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die BGL die Anerkennung abgelehnt habe, weil dem unfallbringenden Weg eigenwirtschaftliche Motive zugrunde gelegen hätten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 19.12.1995 - Blatt 185 der Beklagtenakte).
Mit seiner dagegen vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe während der Mittagspause auf Anweisung Lebensmittel zur Pausenversorgung eingekauft. Er sei zum Unfallzeitpunkt von der Rudolf-Krahl-Straße gekommen. Dort habe er Brot und Brötchen für die insgesamt 13 bis 14 Kollegen eingekauft.
Mit Bescheid vom 24.07.1997 hat die Beklagte während des sozialgerichtlichen Verfahrens ihren Ausgangsbescheid vom 24.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zurückgenommen, und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 22.07.1982 abgelehnt. Es sei weder erwiesen, dass damals ein Bescheid der BGL überhaupt ergangen sei, noch, dass es sich bei dem Unfall des Klägers um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger vorgetragen, es sei weder zu einer Ablehnung noch zu einer Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall gekommen. Da er zivilrechtliche Ansprüche nach DDR-Recht gehabt habe und diese erfüllt worden seien, habe er keinen Grund gehabt, sich darüber Gedanken zu machen. Erst infolge der Zunahme seiner Beschwerden und der geänderten Rechtslage habe er sich um seine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung gekümmert. Ihm sei nur mitgeteilt worden, dass die Unfallanzeige an die zuständigen Organe weitergeleitet worden sei. Eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall sei ihm niemals mitgeteilt worden (Blatt 132 SG-Akte).
Der Kläger hat sodann u. a. eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen H ... vorgelegt, wonach die BGL den Unfall als Arbeitsunfall behandelt habe. Der Unfall habe sich während der Dienstzeit ereignet. Der Kläger sei "im betrieblichen Auftrag" unterwegs gewesen (Blatt 139 SG-Akte).
Am 17.08.1998 hat das Stadtarchiv Chemnitz dem SG weitere Unterlagen, unter ihnen eine Kopie des Ablehnungsbescheides der BGL übersandt (Bl. 184-188). Darin wird zur Begründung der Ablehnung angeführt, Unfälle, die im Zusammenhang mit der Freistellung (von der Arbeitspflicht) aus persönlichen Gründen gem. § 188 Arbeitsgesetzbuch (AGB) eingetreten seien, würden nicht als Wegeunfälle gem. § 220 AGB anerkannt (SG-Akten Bl. 1888). Daraufhin hat die Beklagte u. a. vorgetragen, dass trotz der Aufhebung des eigenen Bescheides vom 24.05.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1995 der Ablehnungsbescheid der BGL bestandskräftig geblieben sei. Indizien dafür, dass die BGL das Recht unrichtig angewandt habe, bestünden nicht. Allein die Zustimmung des betrieblichen Vorgesetzten zur Zurücklegung eines privat veranlassten Weges reiche auch bei der Anwendung von § 220 Abs. 2 AGB nicht aus, den betrieblichen Zusammenhang zu begründen. Da die Beklagte erst nach dem 31.12.1993 vom Unfall Kenntnis erlangt habe, sei außerdem zu prüfen, ob der Weg nach der Reichsversicherungsordnung versichert gewesen sei. Dies sei zu verneinen.
In der vorletzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausweislich der Niederschrift erklärt, er habe am Unfalltag nichts für sich besorgen wollen. Er habe drei Brote und ca. 25 Brötchen gekauft. Üblicherweise sei ein anderer Kollege mit seinem Auto zum Bäcker gefahren. Am Unfalltage habe dieser jedoch kein Fahrzeug dabeigehabt. Hätte er, der Kläger, den Auftrag abgelehnt, wäre ein anderer Freiwilliger geschickt worden. Leiter der Mischanlage im Betrieb Weideweg sei Herr W ... gewesen (Blatt 212 der SG-Akte).
In der letzten der insgesamt vier mündlichen Verhandlungen vor dem SG hat der Kläger erklärt, die Einkäufe seien donnerstags getätigt worden, weil an diesem Tag auch für die bevorstehenden Wochenenden eingekauft worden sei, an denen teilweise auch gearbeitet worden sei (Blatt 245 der SG-Akte). Das SG hat den früheren BGL-Vorsitzenden H ... uneidlich als Zeugen vernommen. Die Zeugenvernehmung hat die Entscheidungsfindung in der BGL zum Gegenstand gehabt.
Das SG hat mit Urteil vom 08.12.1998 alle Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid der BGL vom 24.08.1982 zurückzunehmen, das Ereignis vom 22.07.1982 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) finde keine Anwendung. Maßgeblich sei allein das Unfallversicherungsrecht der DDR. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei der Bescheid der BGL aufzuheben. Art. 19 Satz 2 und 3 des Einigungsvertrages erlaubten eine Überprüfung der Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit. Für die rechtliche Überprüfung des Bescheides der BGL sei die damalige Sach- und Rechtslage maßgeblich. Die Auslegung der Vorschriften der DDR hätten jedoch aus heutiger Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung") zu erfolgen. Nach diesen Grundsätzen sei der Unfall des Klägers ein Arbeitsunfall. Nach § 220 Abs. 1 AGB sei ein Arbeitsunfall die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess. Der Kläger habe am 22.07.1982 einen Weg im dienstlichen Auftrag seines Vorgesetzten W ... unternommen. Unerheblich sei, dass der Kläger nicht nur Nahrungsmittel für die Mittagspause eingekauft habe, sondern auch für einen darüber hinausgehenden Bedarf. Nach dem Recht der DDR seien auch Unfälle beim Einkaufen während der Mittagspause unfallversicherungsrechtlich geschützt gewesen. Dagegen sei die Begründung des BGL-Bescheides unzutreffend. Es habe sich nicht um eine Freistellung aus persönlichen Gründen nach § 188 AGB-DDR gehandelt. Eine Freistellung habe nicht vorgelegen. Der Kläger sei ohnehin während der Mittagspause unterwegs gewesen. Jedoch sei keine Freistellung erforderlich gewesen, weil der Kläger einen dienstlichen Auftrag erledigt habe.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die Beweiswürdigung des SG sei fehlerhaft. Der Zeuge H ... sei unglaubwürdig, weil er erst im Laufe des Verfahrens seine Angaben präzisiert habe und dies auch nur insoweit, als es um den betrieblichen Charakter der Besorgungsfahrt gegangen sei. So habe er 1994 keinerlei Erinnerungsvermögen zu den Begleitumständen des Unfalls gehabt. Auch könne er sich an den Entscheidungsvorgang nicht mehr erinnern ("gespaltenes Erinnerungsvermögen"). Auch die schriftlichen Angaben einiger anderer Kollegen des Klägers seien wenig geeignet, eine betriebliche Veranlassung der Fahrt zu erhärten; es handele sich sämtlich um Zeugen vom Hörensagen. Das SG habe bei seiner Beweiswürdigung zeitnahe Umstände (ablehnende Entscheidung der BGL, Rechtsauskunft beim Verlag "Die Wirtschaft") unberücksichtigt gelassen. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger mit Zustimmung des Vorgesetzten Nahrung für die Pausenversorgung eingeholt habe. Ferner beruft sich die Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R -.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. Dezember 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich im Wesentlichen auf die Gründe des angegriffenen Urteils und führt ergänzend aus, die angegriffene Entscheidung der BGL stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze dar. Außerdem sei es zweifelhaft, ob überhaupt ein wirksamer Verwaltungsakt vorliege.
Der Senat hat die Herren D ..., E ..., H ..., ..., V ... und W ... als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (LSG-Akten Bl. 71-77) verwiesen.
Dem Senat liegen neben den Verfahrensakten beider Rechtszüge die Beklagtenakte vor.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben. Zutreffend hat es die entgegenstehenden Bescheide der Beklagte aufgehoben und sie verpflichtet, den Bescheid der BGL zurückzunehmen sowie den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist dann, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und wenn deshalb insoweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der betreffende Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist § 44 SGB X anzuwenden (I). Der Verkehrsunfall des Klägers vom 22.07.1982 war nach dem Recht der DDR ein Arbeitsunfall, der zu Unrecht von der BGL abgelehnt wurde (II). Die ursprüngliche Weigerung der Beklagten, die Entscheidung der BGL zu korrigieren, sowie die nachträgliche Ablehnung von Leistungen "aus Anlass des Ereignisses vom 22. Juli 1982" waren daher aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Entscheidung der BGL vom 24.08.1982 aufzuheben (III).
I.
Die für den Kläger positive Entscheidung des SG scheitert nicht von vornherein daran, dass Art. 19 Satz 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31.08.1990 (im Folgenden: EinigVrt) in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Vertrag vom 31.08.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertragsgesetz - und der Vereinbarung vom 18.09.1990 vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885) nur die Möglichkeit einräume, von der Verwaltung der DDR erlassene rechtswidrige Verwaltungsakte aufzuheben, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVrt unvereinbar seien.
1. Bei Art. 19 Satz 2 EinigVrt handelt es sich nicht um eine (weitgehend) abschließende Regelung über die Aufhebung von Bescheiden der DDR. Der entgegenstehenden Auffassung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (, Urt. v. 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 26 ff.) folgt der Senat nicht. Die Auffassung des BSG lässt sich weder durch eine Auslegung des Art. 19 EinigVrt nach Wortlaut, Systematik und Zweck noch aus den Materialien zum EinigVrt begründen. Auch steht die Auffassung des BSG insbesondere in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, mit der sich das BSG nicht auseinandergesetzt hat. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 30.05.2000 (L 2 U 19/95; Revision anhängig unter dem Az.: B 2 U 32/00 R) ausführlich dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf II. und III. der Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen (abgedruckt in HVBG-INFO 2000, 2777 ff.).
2. Ergänzend ist ferner auf folgenden verfassungsrechtlichen Aspekt hinzuweisen: Ein Ausschluss der Anwendung des § 44 SGB X auf Verwaltungsakte der Unfallversicherungsträger der DDR würde darüber hinaus auch den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen.
Nach der insbesondere in sozialrechtlichen Materien vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtsprechung ergibt sich folgender Maßstab für die Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes:
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz will vielmehr ausschließen, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Die Anwendung dieses Grundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Innerhalb dieser Grenzen ist er in seiner Entscheidung frei (BVerfGE 94, 241, 260). Eine Grundrechtsverletzung liegt aber nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfGE 58, 369, 374).
Der Gesetzgeber hat - wiewohl grundsätzlich möglich, da insoweit sachliche Gründe ausreichen - selbst kein Differenzierungskriterium aufgestellt, das der Bestandskraft in DDR-Altfällen einen nahezu absoluten Vorrang einräumt (a). Im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen behandelt die vom BSG vertretene Auffassung (b) den Kläger und andere Versicherte, denen von den Unfallversicherungsträgern der DDR zu Unrecht ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung versagt wurde (Gruppe 1), ohne sachlichen Grund ungleich gegenüber - der Gruppe der Versicherten, die in den alten Bundesländern einen Arbeitsunfall erlitten haben, der abgelehnt wurde, und die weiterhin die Möglichkeit haben, ihn nach § 44 SGB X überprüfen zu lassen (Gruppe 2), sowie gegenüber - der Gruppe der Versicherten, die vor dem 03.10.1990 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall erlitten haben, der zu DDR-Zeiten nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens war (Gruppe 3).
a) Jedenfalls durch § 1150 Abs. 2 RVO wurden Ansprüche aus der im Beitrittsgebiet bestehenden gesetzlichen Unfallversicherung unter den Schutz der Rechtsordnung des Grundgesetzes gestellt. Die für diese Ansprüche geltenden Vorschriften über Inhalt und Schranken sind auch solche, die die Bestandskraft von Verwaltungakten betreffen. Inhalt und Schranken dürfen aber nicht sachwidrig ungleich ausgestaltet werden.
aa) Eine Unterscheidung nach alten Bundesländern und Beitrittsgebiet ist nicht von vornherein sachwidrig. Aus den Urteilen des BVerfG vom 28.04.1999 (BVerfGE 100, 1 ff.; 59 ff.; 104 ff.; 138 ff.) zur Überleitung der im Beitrittsgebiet erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche und -anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung geht hervor, dass der auf das Beitrittsgebiet bezogene Binnenvergleich maßgeblich sein soll. Dagegen ergibt sich aus dem Urteil des BVerfG vom 14.03.2000 (BVerfGE 101, 41 ff.) zur Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz im Beitrittsgebiet, dass eine länger währende Ungleichbehandlung nicht schon durch die Schwierigkeiten der Herstellung der Rechtseinheit sachlich begründet werden kann. Diese Entscheidung stützt sich allerdings allein auf die Sondersituation der Kriegsopfer unter Berücksichtigung der Funktion der Grundrente. Eine allgemeingültige Aussage dazu, ob die sich aus der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ergebenden besonderen Umstände einen ausreichenden sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung abgeben, ist in dieser Pauschalität weder positiv noch negativ möglich. Maßgeblich ist der jeweilige Regelungszusammenhang.
bb) Das BSG geht mit insoweit zutreffenden Erwägungen davon aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bereits festgestellte Renten nicht allein aus Anlass der Überleitung der RVO von Amts wegen zu überprüfen und neu festzustellen seien; nicht zuletzt wegen des Umstandes, dass es bereits an der erforderlichen Gutachterkapazität fehlen würde, rund 300.000 übergeleitete Rentenfälle (innerhalb eines kurzen Zeitraums) auf die Richtigkeit der seinerzeit vorgenommenen Bemessung des Grades des Körperschadens bzw. auf die Richtigkeit der Kausalitätsbeurteilung zwischen versicherter Tätigkeit und Körperschaden zu beurteilen (BSGE 80, 119, 124 m. w. N.). Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber wie das BSG meint, von der Vorstellung ausgegangen sei, sämtliche Verwaltungsakte der Unfallversicherungsträger der DDR seien unter nahezu keinem rechtlichen Aspekt mit Ausnahme der in Art. 19 Satz 2 EinigVrt genannten Voraussetzungen mehr für die Vergangenheit überprüfbar. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang die in ständiger Rechtsprechung vom BSG verwendete Formel. Hiernach soll die Überprüfung der DDR-Bescheide unter Beachtung des Gesichtspunktes des vorrangigen Bestandsschutzes nach den §§ 45, 48 SGB X (BSG, Urt. v. 18.03.1997 - B 2 RU 19/96 R - BSGE 80, 119, 122) bzw. nach den §§ 44, 45 und 48 SGB X (BSG Urt. v. 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 28) nur eingeschränkt möglich sein. Das BSG nennt keine Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen die von ihm postulierte Einschränkung ausnahmsweise nicht eingreift. Es ist daher davon auszugehen, dass nach Ansicht des BSG § 44 Abs. 1 SGB X grundsätzlich nicht anzuwenden sei.
Eine derartige zeitlich-räumliche Gruppenbildung des Gesetzgebers (Bestandsschutz im positiven Sinne und Bestandskraft im negativen Sinne für Arbeitsunfälle im Beitrittsgebiet vor dem 03.10.1990) wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber nicht nur eine Überprüfung der Leistungen gewährenden und ablehnenden Entscheidungen der DDR-Behörden ausgeschlossen hätte, sondern grundsätzlich alle DDR-Arbeitsunfälle, die nicht in einem Feststellungsverfahren zu DDR-Zeiten überprüft worden wären, einer späteren Prüfung in einem Verwaltungsverfahren entzogen hätte. Nur eine solche Gruppenbildung wäre sachgerecht. Denn es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum es heute einem Versicherten möglich sein soll, wegen eines zu DDR-Zeiten nicht geltend gemachten Unfalls ein Feststellungsverfahren mit der Folge der Gewährung von Rentenleistungen durchzuführen, es aber einem Versicherten heute verwehrt sein soll, sich darauf zu berufen, es sei ihm zu DDR-Zeiten eine Leistung zu Unrecht versagt worden. Es ist nach geltendem Recht durchaus möglich, z. B. wegen eines nicht angezeigten Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1960 heute noch ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen und im Falle des Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen eine Rentenleistung zu gewähren. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ist aber derjenige, der seinen Anspruch gegen den DDR-Unfallversicherungsträger nicht verfolgt, ohne davon in rechtsstaatswidriger Weise abgehalten worden zu sein, nicht schutzwürdiger und schutzbedürftiger als derjenige, der erfolglos versucht hat, seinen Anspruch durchzusetzen.
Der Gesetzgeber verfügte, wie schon dieses Beispiel zeigt, keineswegs über ein solch umfassendes Konzept der Behandlung der DDR-Arbeitsunfälle, wie es das BSG dem Art. 19 EinigVrt zugrunde legt. Er hat lediglich die Überprüfbarkeit der zu DDR-Zeiten festgesetzten Rentenhöhe nur eingeschränkt ermöglichen wollen und im Wesentlichen die Anwendbarkeit des § 48 SGB X modifiziert (§ 1154 Abs. 1 RVO; siehe insbesondere auch dessen Satz 3, der die Fortschreibung des bisherigen Grades Körperschadens unter den Vorbehalt des § 45 SGB X stellt.). Dies beruht, wie das BSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, auf einem sachgemäßen Grund, der sich aus den Besonderheiten der Überleitung von 300.000 Renten ergibt. Auch zeigt § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVO, dass der Gesetzgeber im Grundsatz sehr wohl von der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X ausgegangen ist. Zwar handelt es sich bei § 1154 Abs. 1 Satz 2 RVO um eine Sonderregelung (vgl. BT-Drucks 12/405 S. 156). Der Gesetzgeber sah sich jedoch veranlasst, u. a. klarzustellen, dass eine aus Anlass der Neufeststellung der Rentenhöhe nach § 581 RVO als zu niedrig erkannte Festsetzung des Körperschadens nicht rückwirkend zu einer Erhöhung der Rentenhöhe führt. Die Anwendbarkeit des gesamten § 44 SGB X wird "hinsichtlich der sich aus der Bemessung des Körperschadens ergebenden Rechtsfolgen" ausgeschlossen. Wäre die Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf DDR-Arbeitsunfälle nach Art. 19 Satz 3 EinigVrt von vornherein ausgeschlossen, hätte es auch nicht des § 1154 Abs. 1 Satz 2 2. HS RVO bedurft.
cc) Da der Gesetzgeber keine umfassende Sonderregelung für alle Altfälle des Beitrittsgebiets in dem Sinne vorgesehen hat, dass nur der zu DDR-Zeiten anerkannte Bestand auf die Unfallversicherungsträger übergeleitet werden solle, ist das Differenzierungskriterium "Beitrittsgebiet" nicht bereits für sich genommen ein sachlicher Grund, um den allgemeinen Rechtsschutz - hier § 44 SGB X - im Vergleich von Altbundesgebiet und Beitrittsgebiet zum Nachteil der Versicherten im Beitrittsgebiet einzuschränken. Es ist auch nichts für eine dahingehende Intention des Gesetzgebers ersichtlich.
§ 44 Abs. 1 SGB X zeichnet sich als ein in einem weiteren Sinne außerordentlicher Rechtsbehelf aus, der die Wiederaufnahme formal abgeschlossener Verwaltungsverfahren und die Durchbrechung der sich daraus ergebenden Bestandskraft ermöglicht. § 44 Abs. 1 SGB X begründet keine eigenständigen Ansprüche, sondern ermöglicht die Durchsetzung anderweit tatbestandlich umschriebener Ansprüche, die nach der materiellen Rechtslage zwar objektiv bestehen, im Erkenntnisverfahren, dem jeweiligen konkreten Verwaltungsverfahren, jedoch zu Unrecht versagt worden waren. Eine Ungleichbehandlung im Rechtsschutz kann jedoch nach dem In-Kraft-Setzen des SGB X im Beitrittsgebiet nicht auf etwaige Besonderheiten im Beitrittsgebiet gestützt werden. Es mag sozial- und rechtspolitisch fraglich sein, ob eine Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens nach § 44 SGB X ohne eine nach der zeitlichen Lage des Sachverhalts zu bestimmende Ausschlussfrist sinnvoll ist. Hierbei handelt es sich jedoch um ein gesamtdeutsches Problem, soweit durch Zeitablauf ein Verlust von Beweismitteln droht. Die Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf bestandskräftige Verwaltungsakte ist nur im Umfang des Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes vom 18.08.1980 (BGBl. I S.1469, ber. S. 2218) ausgeschlossen.
Eine Besonderheit des Beitrittsgebiets mag allerdings darin bestehen, dass es - wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist - in nicht wenigen Fällen schwierig ist, das jeweils geltende DDR-Recht in seiner damaligen praktischen Umsetzung zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat jedoch, wie aus § 1150 Abs. 2 RVO hervorgeht, die erstmalige Durchführung von Verwaltungsverfahren hinsichtlich schon lange zurückliegender, nach DDR-Recht zu beurteilender Sachverhalte nicht ausgeschlossen. Demnach kann die ungenügende Dokumentation der DDR-Sozialrechtspraxis keinen sachlichen Grund für die Ausklammerung von DDR-Fällen aus dem Anwendungsbereich des § 44 SGB X darstellen. Ansonsten ergäbe sich, bezogen auf das Beitrittsgebiet, im Verhältnis zwischen Erst- und Überprüfungsverfahren eine willkürliche Ungleichbehandlung. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil bei Überprüfungsverfahren die Tatsachenfeststellung bzw. die Rechtsauffassung der zuständigen Behörden der DDR bereits dokumentiert ist. Es ist aber grundsätzlich leichter, eine vorgegebene, begründete Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, als nunmehr nachträglich eine Erstentscheidung zu treffen. Im letzteren Fall ist die Gefahr eher größer, Besonderheiten der DDR-Rechtspraxis zu verkennen, als im Überprüfungsverfahren. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass etwaige rechtliche Besonderheiten, die dem heutigen Rechtsanwender nicht ohne weiteres zugänglich sind, in der Begründung der zu überprüfenden Ablehnungsentscheidung genannt werden.
Auch kann sich die Begünstigung solcher Sachverhalte, die zu DDR-Zeiten nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens waren, nicht aus dem Gesichtspunkt der Typisierung rechtfertigen. Derartige Sachverhalte spielen in der Praxis der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte eine nicht bloß unerhebliche Rolle. Ihre Größenordnung ist nicht völlig vernachlässigenswert. Sie stellen eine eigene Gruppe dar, die in den Vergleich einzustellen ist.
b) Die Auslegung des Art. 19 Satz 2 EinigVrt durch das BSG führt zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung der Gruppe 1 gegenüber den anderen beiden Gruppen, die - hätte sie der Gesetzgeber in dieser Weise geregelt - auch zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes führen würde.
Die Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten belastet die Gruppe 1 ohne sachlichen Grund gegenüber der Gruppe 2. Gründe der Verwaltungspraktikabilität und des Vertrauensschutzes, die für eine weitgehende Derogierung des § 48 SGB X sprechen, haben im Rahmen der von den Versicherten nach § 44 Abs. 1 SGB X beantragten Verfahren keine Gültigkeit (vgl. oben a), cc)). Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass von dem Recht, einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen, hinsichtlich der DDR-Sachverhalte in wesentlich größerem Umfang Gebrauch gemacht würde, als bei sonstigen Sachverhalten. Gerade durch die relativ großzügige Bestandsschutzregelung von § 1154 RVO besteht - anders als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - nicht die Gefahr zahlloser und sich in vielen Fällen seit einem Jahrzehnt hinziehender umfangreicher Streitigkeiten über Art und Umfang der Rentenüberleitung. Im Übrigen könnte sich aus einer übermäßigen Inanspruchnahme der Möglichkeiten des § 44 Abs. 1 SGB X durch die Gruppe 1 allein keine Befugnis der Sozialgerichte ableiten, generell diese Rechtsschutzmöglichkeit zu Lasten der Gruppe 1 zu versagen, wenn Gruppe 2 weiterhin umfassend von diesem Recht Gebrauch machen darf. Dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kommt im Verhältnis der Gruppen 1 und 2 ohnehin keine Bedeutung zu.
Eine Begünstigung der Gruppe 3 ist, wie bereits ausgeführt, durch keinen sachlichen Grund gedeckt. Insbesondere kann sie für sich im Verhältnis zur Gruppe 1 keinen gesteigerten "Bestandsschutz" in Anspruch nehmen. Ihr Vertrauen, doch noch Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EinigVrt nicht schutzwürdiger als das Vertrauen der Gruppe 1, doch noch zu ihrem Recht zu gelangen. Im Übrigen sind die (rechts-)tatsächlichen Schwierigkeiten, wie oben schon ausgeführt, im Falle der Gruppe 1 jedenfalls nicht größer als im Falle der Gruppe 3.
Auch besteht, wie schon die einfachrechtliche Auslegung des Art. 19 Satz 2 und Satz 3 EinigVrt zeigt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30.05.2000 - L 2 U 19/95 - HVBG-INFO 2000, 2777 ff.), nicht einmal die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung, um einen Gleichheitsverstoß zu vermeiden. Vielmehr ergibt sich die Anwendbarkeit des § 44 SGB X zwingend aus der Anwendung des allgemeinen Auslegungskanons.
II.
Der Verkehrsunfall des Klägers vom 22.07.1982 erfüllt die Voraussetzungen des Arbeitsunfalls nach § 220 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 16.06.1977 (GBl. I Nr. 18 S. 185) und gilt nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall im Sinne des Dritten Buches. § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO findet nach § 215 SGB VII auch weiterhin Anwendung.
1. Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 AGB wurde der Arbeitsunfall definiert als die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess; die Verletzung musste durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein. Letztere Voraussetzung ist hier offensichtlich erfüllt. Der Kläger geriet durch ein Fehlverhalten des LKW-Fahrers unter die Hinterräder des LKW und wurde schwer verletzt. Der Kläger erfüllt aber auch die Voraussetzung, dass die Verletzung im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess eingetreten sein muss. Gemeint ist damit, dass zwischen der konkreten Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt und seiner versicherten Tätigkeit als Werktätiger (Arbeitnehmer) ein innerer Zusammenhang (Zurechnungszusammenhang) bestanden haben muss. Ein Arbeitnehmer ist nicht allgemein, d. h. nicht zu allen Zeiten und an allen Orten, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen, wenn er die Voraussetzungen des Pflichtversicherungstatbestandes erfüllt (hier § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17.11.1977 ). Er ist nur dann in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen, wenn seine konkrete Tätigkeit, die zum Unfall geführt hat bzw. während der sich der Unfall ereignet hat, bei wertender Betrachtung als versicherte Arbeitnehmertätigkeit anzusehen ist. Zwar befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht auf einem Dienstweg im Interesse des Betriebes (a). Der Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess war nach § 220 Abs. 1 AGB jedoch auch dann gegeben, wenn sich der Unfall während der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause ereignete (b). Zur sinnvollen Gestaltung gehörten insbesondere die Einnahme der Mahlzeit in den Betriebsräumen, auch die regelmäßige Einnahme des Werkessens außerhalb des Betriebes, die Erholung, Einkäufe des täglichen Bedarfs in der Betriebsverkaufsstelle oder in Verkaufsstellen in unmittelbarer Nähe des Betriebes. Bei Einkäufen während der Mittagspause, insbesondere außerhalb des Betriebs, war allerdings darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer die Dauer der Pause nicht überschritt (Renneberg , AuA 1983, 123). Bei der Einschätzung der zitierten Literaturstelle ist insbesondere zu beachten, dass es sich dabei nicht um eine private Meinungsäußerung des Autors handelte, sondern um eine Stellungnahme mit "offiziösem" Charakter.
a) Der Kläger war, als er den Unfall erlitt, nicht im betrieblichen Interesse unterwegs. Die vom Senat durchgeführte Vernehmung der Zeugen K ..., D ..., E ..., H ..., W ... und V ... hat nicht ergeben, dass der Kläger aufgrund eines dienstlichen Auftrags unterwegs war. Die entgegenstehenden schriftlichen Äußerungen und die Aussage des Zeugen E ... stehen dieser Bewertung nicht entgegen. Der Zeuge V ... hat seine schriftliche Erklärung vom 07.07.1994 (Blatt 130 der Beklagtenakte) bei seiner Zeugenvernehmung nicht bestätigen können, vielmehr nur angegeben, von dem Unfall des Klägers zwar gehört zu haben, aber keine Einzelheiten zu kennen. Demgegenüber hat der Zeuge E ... wohl den Inhalt seines Schreibens vom 27.12.1994 (Blatt 147 Beklagtenakte) anlässlich der Zeugenvernehmung bestätigt. Der Zeuge führt auch aus, er verfüge über ein sehr gutes Gedächtnis. Seine Befragung zeigt jedoch, dass er über viele Dinge, die mit seiner damaligen Tätigkeit als Sicherheitsinspektor zusammenhingen, keineswegs eine derart akkurate Erinnerung mehr hat, wie von ihm zunächst behauptet. Für den Senat erscheint dagegen die Aussage des Zeugen D ..., des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, glaubwürdig und plausibel, dass er nicht als Vorgesetzter den Kläger angewiesen, Brötchen und Brot zu holen, sondern ihn lediglich als Kollegen aufgefordert habe, ausnahmsweise einzuspringen, weil der PKW des Zeugen D ... defekt war. Hierbei kommt es nicht darauf, ob die wörtliche Rede ("H ..., ich habe heute kein Auto, da musst du fahren") vom Zeugen völlig korrekt wiedergegeben wurde. Angesichts der lange zurückliegenden Zeit müssen insoweit erhebliche Zweifel angemeldet werden. So, wie der Zeuge jedoch den Vorgang geschildert, war seine Aufforderung für ihn eine kollegiale Selbstverständlichkeit, weil der Kläger über ein Fahrzeug verfügte. Dies wird durch die zitierte wörtliche Rede lediglich besonders verdeutlicht. Auch hätte er keine Möglichkeit gehabt, den Kläger zu zwingen, sein ihm gehörendes, privat genutztes Kleinkraftrad für dienstliche Belange einzusetzen. Dafür spricht auch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 25.11.1998 vor dem SG ausgeführt hat: "Hätte ich den Auftrag abgelehnt, wäre ein anderer Freiwilliger geschickt worden." Die Aussage des Zeugen K ... steht insoweit im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen D ..., als unterschiedliche Angaben dazu gemacht wurden, ob alle Beschäftigten sich einheitlich oder getrennt nach Gruppen Lebensmittel für die Mittagspause mitbringen ließen. Der Zeuge K ... hat sehr dezidiert und vom vorher vernommenen Zeugen D ... unwidersprochen glaubwürdig und überzeugend ausgesagt, dass die Abteilung Ökonomie (der verstorbene Herr W ... - der Verwaltungsleiter der Mischanlage -, der Zeuge D ... und der Kläger) ihre Pausenversorgung organisierte und die Abteilung Mischanlage - deren (technischer) Leiter der Zeuge K ... war - für sich selbst sorgte. Auch diese Art der Organisation der Pausenversorgung spricht mehr für eine gruppenbezogene "Selbsthilfe" der dort Beschäftigten, denn für eine betrieblich organisierte, "ambulante Kantine". Jedenfalls ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats der Nachweis erbracht worden, dass der Kläger eine dienstliche Anweisung erhalten hat, Brot und Brötchen zu holen.
b) Der Kläger befand sich jedoch auf einem Weg, der der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause diente, indem er Einkäufe des täglichen Bedarfs in einer Verkaufsstelle in unmittelbarer Nähe des Betriebes im eigenen Interesse und im Interesse der Kollegen erledigte. Auch ein derartiger Weg stellt einen Arbeitsunfall gem. § 220 Abs. 1 AGB dar (s. Renneberg, Zur Anerkennung von Arbeitsunfällen, AuA 1983, 123; vgl. ferner bereits J. Micha (Leiter), Arbeitsrecht der DDR 2. Aufl. 1970 S. 452). Seine Behauptung, er habe nicht für sich selbst Brot oder Brötchen eingekauft, muss als eine in Verkennung der Rechtslage erhobene Schutzbehauptung angesehen werden, zumal aufgrund der Aussage des Zeugen K ... der Senat auch nicht von den vom Kläger gemachten Mengenangaben überzeugt ist. Es ist gerade im Hinblick auf die zum Teil schwierige Versorgungslage, die vom Zeugen W ... hervorgehoben wurde, nicht anzunehmen, dass der Kläger nur wegen des Zeugen D ... und Herrn W ... zum Bäcker gefahren ist, jedoch bei dieser Gelegenheit nichts für sich eingekauft hat. Dem Erfordernis der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits kurz vor 12.00 Uhr auf dem Rückweg war. Der Zeuge D ... hat hierzu ausgeführt, es habe aufgrund der besonderen Art ihrer Tätigkeit (Bedienung und Überwachung der für das Schüttgut bestimmten Waage der Mischanlage) keine feste Mittagspause gegeben. Der damalige Direktor des VEB Stadtdirektion Straßenwesen, der Zeuge W ..., hat - in einer etwas allgemeineren Form - nicht nur dies bestätigt, sondern auch, dass die Praxis der Pausenversorgung der Betriebsleitung bekannt war und mit ihrem Einverständnis erfolgte. Insbesondere war ihr auch bekannt, dass es in unmittelbarer räumlicher Nähe der Mischanlage "Weideweg" keine Verkaufsstellen gab. Die Fahrt zum Kauf von Brötchen und Brot fand nicht "auf eigene Faust" statt, sondern aufgrund der von dem verstorbenen Herrn W ... erteilten Genehmigung. Dies geht bereits aus dem Schreiben des Zeugen W ... vom 02.09.1982 hervor (Blatt 185 SG-Akte). Vor dem Hintergrund der betrieblich nicht nur stillschweigend geduldeten, sondern ausdrücklich durch Herrn W ... genehmigten Praxis kann es nicht darauf ankommen, dass sich die Verkaufsstelle nicht in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes befand, sondern nur zu den nächstgelegenen gehörte, und der Kläger für die Zurücklegung des Weges mit dem Kleinkraftrad einige wenige Minuten benötigte. Der Kläger war jedenfalls bereits durch das betrieblich veranlasste Vertrauen in die Zulässigkeit seines Verhaltens geschützt, in rechtlicher Bewertung handele es sich um einen Betriebsweg, und damit die Verletzung als eine solche, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess stand (§ 220 Abs. 1 Satz 1 AGB).
2. Aber selbst wenn man sich der gegenteiligen Auffassung anschließen wollte, wonach Einkäufe, die nicht in unmittelbarer Nähe getätigt werden, in keinem Fall mehr Teil der sinnvollen Pausengestaltung sein könnten, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Zwar lägen dann die Voraussetzungen einer Genehmigung nach § 188 AGB hier nicht vor (vgl. dazu Püschel, Mitteilungen, FDGB-Bundesvorstand - Verwaltung der Sozialversicherung, 80/1, ohne Seitenangabe; siehe ferner das Schreiben der Chefredakteurin der Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht vom 08.09.1982 ), jedoch hat dann der Kläger, wenn auch keinen Arbeitsunfall nach § 220 Abs. 1 AGB so zumindest einen Wegeunfall nach § 220 Abs. 2 AGB erlitten.
Nach § 220 Abs. 2 AGB gilt als Arbeitsunfall auch der Unfall, der sich auf einem mit der Tätigkeit im Betrieb zusammenhängenden Weg zur Arbeitsstelle ereignet. Nach der weiten Auslegung, welche diese Vorschrift in der Arbeitsrechtsliteratur der DDR gefunden hat, gilt in der Regel jeder Weg, der die Arbeitsstelle zum Ziel hat, als Weg zur Arbeitsstelle, und jeder Weg von der Arbeitsstelle, der die Wohnung zum Ziel hat, als Weg von der Arbeitsstelle, wenn Ausgangspunkt und Ziel im vernünftigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit stehen (Püschel, Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall, AuA 1980, 477; zustimmend Bunzel, Anerkennung von Wegeunfällen als Arbeitsunfälle, AuA 1981, 87; ferner F. Kunz (Leiter), Arbeitsrecht, 1. Aufl. 1983, S. 298, wo diese Auslegung als "umstritten" bezeichnet wird). Darüber hinaus waren nach der im Beitrittsgebiet geltenden Auslegung dieser Vorschrift auf Wegeunfälle, die während der Mittagspause auf dem Weg zur Wohnung zum Einnehmen des Mittagessens und von dieser zurück zum Betrieb eintraten, Wegeunfälle (vgl. Püschel in Mitteilungen, FDGB-Bundesvorstand Verwaltung der Sozialversicherung 80/1 ohne Seitenangabe; ferner Lexikon Arbeitsrecht von A bis Z, hg. v. F. Kunz u.a. 1. Aufl. 1983 S. 60 Stichw. Arbeitsunfall, ebenso 2. Aufl. 1987 S. 57). Der Zusammenhang zwischen Weg von und zur Arbeitsstelle und der Betriebstätigkeit war immer dann gegeben, wenn der Weg nach bzw. von der Arbeitsstelle mit der Erfüllung der Pflichten und Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zusammenhing. Als Weg nach der Arbeitsstelle galt dabei jeder Weg, der die Arbeitsstelle zum Ziel hatte, unabhängig vom Ausgangspunkt des Weges (AuA 1978, Heft 1, S. 37, 38; ohne Verfasserangabe). Da sich der Kläger gerade wegen des Mittagessens auf den Weg gemacht hat, darf er nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der sich wegen des Mittagessens nach Hause begeben hat und auf dem Rückweg einen Unfall erlitten hat. In diesem Sinne ist die um die Mittagszeit aufgesuchte Bäckerei mit dem eigenen Zuhause vergleichbar. Als der Kläger verunglückte, befand er sich auch auf dem direkten Weg zum Betrieb.
III.
Die Aufhebung des Bescheides der BGL vom 24.08.1987 ist nicht etwa schon deswegen entbehrlich, weil der Kläger behauptet, er habe diesen Bescheid nicht erhalten. Der Kläger bestreitet nicht, Kenntnis davon gehabt zu haben, dass ein Feststellungsverfahren eingeleitet wurde. Es ist ungeachtet der Merkwürdigkeiten zu Beginn und während des Feststellungsverfahrens der Beklagten (nachträgliche Eintragung eines "AU" in den Sozialversicherungsausweis ; die Behauptung des Klägers, er könne nicht nachvollziehen, wie die "Notiz für Frau Z ..." in die Beklagtenakte gelangt sei, obwohl er sie selbst seinem Antrag beigefügt hat ) schon wegen der Schwere der Verletzung nicht glaubhaft, dass sich der Kläger bei der BGL nicht nach dem Ergebnis des Feststellungsverfahrens erkundigt hat, wenn er den Bescheid der BGL tatsächlich nicht alsbald nach dem 24.08.1982 erhalten haben sollte. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger vom Bescheid der BGL Kenntnis erlangt hat, er ihm also bekannt gemacht wurde.
Die Aufhebung des Bescheides der BGL ist auch nicht schon deswegen entbehrlich, weil die Beklagte in Unkenntnis der Existenz des Bescheides der BGL am 24.07.1997 einen vermeintlichen Erstbescheid, in Wirklichkeit aber einen Zweitbescheid erlassen hat und mit diesem Bescheid ihren Bescheid nach § 44 SGB X vom 24.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1995 aufgehoben und Leistungen abgelehnt hat. Nach dem Urteil des BSG vom 23.03.1999 (B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 23 und 26) eröffnet auch ein Zweitbescheid grundsätzlich - mit Ausnahme des Art. 19 Satz 2 EinigVrt - keine Überprüfbarkeit der DDR-Rechtslage. Er ersetzt den DDR-Bescheid nicht. Aus Gründen der Rechtsklarheit hat daher der Senat die Entscheidung des SG, das alle Bescheide der Beklagten aufgehoben hat, bestätigt.
Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid der BGL vom 24.08.1982 aufzuheben, weil der Unfall des Klägers aus den unter II. genannten Gründen nach dem Recht des Beitrittsgebiets ein Arbeitsunfall ist. Dem steht auch nicht § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO entgegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Unfall des Klägers auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ein Arbeitsunfall wäre - wovon der Senat ausgeht (vgl. BSG, Urteil v. 11.05.1995 - 2 RU 30/94 - NJW 1995, 2942, 2943; Urteil v. 02.07.1998 - 2 RU 34/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 S. 55) -, weil der Beklagten noch vor dem 01.01.1994 der Unfall des Klägers durch das Schreiben des stellvertretenden D-Arztes Dr. Morgenstern vom 15.12.1993 bekannt wurde (Blatt 1a Beklagtenakte). Dieses Schreiben ging der Beklagten am 20.12.1993 zu. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO verlangt aber keine positive Kenntnis eines Sachbearbeiters der Beklagten. Es genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision wird insoweit zugelassen, als dieses Urteil von dem Urteil des BSG vom 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Verkehrsunfalles (Tag des Ereignisses: 22.7.1982) als Arbeitsunfall.
Der am ... geborene Kläger war 1982 beim VEB (K) Stadtdirektion Straßenwesen K ... als Platzwart beschäftigt. Die Betriebsstätte befand sich in C ..., W ... Am Unfalltag, einem Donnerstag, war der Kläger mit einem Kleinkraftrad um die Mittagszeit unterwegs. Gegenüber der Volkspolizei erklärte er anlässlich seiner Vernehmung:
"Am 22.07.1982 gegen 12.00 Uhr kam ich von einer Besorgung während der Mittagspause mit meinem Moped von der R ... Straße und war nach rechts in die L ... Straße landwärts eingebogen. Hier fuhr ich weiter ..." (Blatt 110 der Beklagtenakte).
In Höhe des Hausgrundstückes L ... Straße 198 hielt der später zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Fahrer eines LKW an, um durch ein Wendemanöver auf die andere Straßenseite zu gelangen. Beim Zurückfahren bemerkte er den Kläger nicht, der in der irrtümlichen Annahme, der LKW werde weiterhin stehen bleiben, mit seinem Kleinkraftrad zum Linksüberholen ansetzte. Der Kläger geriet unter die Hinterräder des langsam schräg über die Straße rückwärtsfahrenden LKW und wurde dabei schwer verletzt.
In einem aus Anlass des Unfalls für die Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erstellten ärztlichen Gutachten vom 18. August 1988 wurde im Rahmen der Nachbegutachtung wurden als ursprüngliche Unfallfolgen eine offene Unterschenkelfraktur 1. Grades rechts, Schnittwunden am linken Oberschenkel, Verbrennungen 3. Grades an der rechten und linken Wade sowie eine Fraktur der 5. Rippe rechts festgestellt. Die Unterschenkelfraktur erforderte einen Küntschernagel , der am 30.03.1988 entfernt wurde. Weiterhin bestand eine Schwellung und Rötung im Frakturbereich. Das Beschwerdebild (Schmerzen bei Belastung des Beines und beim Gang über unebenem Boden) nahm zu. Es wurde vom Gutachter ein Dauerschaden von 20 % angenommen (Blatt 15 der Beklagtenakte; siehe ferner Blatt 68 und 85 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 24.08.1982 lehnte es die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) des VEB (K) Stadtdirektion Straßenwesen ab, den "Wegeverkehrsunfall" als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bl. 188 der SG-Akte, irrtümlich ist auf dem Vordruck "Die BGL" durchgestrichen). Unterschrieben wurde der Bescheid von dem damaligen BGL-Vorsitzenden und im Gerichtsverfahren als Zeugen vernommenen Herrn R ... H ... In einem nachfolgenden Schreiben vom 02.09.1982 an den Verlag "Die Wirtschaft", Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht, teilte der Direktor des VEB mit, auf der Grundlage der Arbeitsrechtskartei sei der Unfall vom Betrieb zunächst als Arbeitsunfall anerkannt und im Nachgang durch die Kreisstelle der Sozialversicherung K ... abgelehnt worden. Den Unfallhergang wurde in diesem Schreiben wie folgt geschildert (Blatt 185 SG-Akte):
"Während der Mittagspause erhielt ein Kollege von seinem Leiter die Genehmigung, mit dem Moped Brötchen zu holen. Auf der Rückfahrt wurde besagter Kollege schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt, mit größerem Körperschaden."
Abgesehen von Zahlungen der Staatlichen Versicherung erhielt der Kläger keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
In einem Schreiben vom 15.12.1993, bei der Beklagten am 20.12.1993 eingegangen, bat Dr. M ..., stellvertretender D-Arzt, um die Einleitung eines Begutachtungsvorgangs. Im Betreff ist zu lesen: "Unfall ..., ..., geb ..., vom 22.07.82 ...". (Blatt 1a der Beklagtenakte). Am 14.01.1994 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf "Unfallteilrente" und legte u. a. in Kopie eine von einer Frau S ... geschriebene, undatierte, nach späterer Angabe des Klägers (Blatt 148 der Beklagtenakte) 1993 geschriebene "Notiz für Frau Z ..." vor, in der mitgeteilt wurde, der Kläger sei im Auftrag seines Vorgesetzten zum Bäcker gefahren. Der Unfall habe als Arbeitsunfall anerkannt werden sollen, sei aber im Nachhinein von BGL und Parteileitung abgelehnt worden (Blatt 5 der Beklagtenakte).
Am 30.03.1994 gab der Kläger an, den Auftrag, zu einem Bäcker zu fahren, habe er von seinem Vorgesetzten Herrn W ..., erhalten. Ein solcher Auftrag sei jede Woche donnerstags von Herrn W ... einem Kollegen erteilt worden. Er selbst habe nichts für sich beim Bäcker gekauft (Blatt 34 der Beklagtenakte). Während des Verwaltungsverfahrens erklärte am 07.07.1994 der Zeuge R ... V ... schriftlich, der Unfall sei - soweit ihm erinnerlich - als Betriebsunfall anerkannt worden. Von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem 1984 verstorbenen G ... W ..., habe der Kläger den Auftrag erhalten, "Besorgungen für die Arbeiterbetreuung" auszuführen (Bl. 130 der Beklagtenakte). Nach einer Gesprächsnotiz vom 23.09.1994 soll der Zeuge H ... mitgeteilt haben, der Kläger versuche eidesstattliche Erklärungen dahingehend beizubringen, dass es sich in seinem Fall um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. "Er, der Zeuge H ..., könne wohl keine solche Erklärung abgeben, weil er sich schwer erinnern , was damals war" (Bl. 137 der Beklagtenakte). Der Zeuge E ..., damals Sicherheitsinspektor, gab mit Schreiben vom 27.12.1994 gegenüber der Beklagten an, der damalige Leiter habe den Kläger mit der "Sicherung der Pausenversorgung" beauftragt und den Kläger zum Einkauf geschickt (Blatt 147 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 24.05.1995 lehnte es die Beklagte ab, den - damals weder im Original noch in Kopie vorliegenden und bis auf die "Notiz für Frau Z ..." nicht nachgewiesenen - Bescheid der BGL zurückzunehmen, mit dem der Unfall vom 22.07.1982 als Arbeitsunfall abgelehnt worden war (Blatt 165 f. der Beklagtenakte). Im Wesentlichen führte die Beklagte darin aus, die Entscheidung der BGL sei nicht fehlerhaft gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die BGL die Anerkennung abgelehnt habe, weil dem unfallbringenden Weg eigenwirtschaftliche Motive zugrunde gelegen hätten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 19.12.1995 - Blatt 185 der Beklagtenakte).
Mit seiner dagegen vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe während der Mittagspause auf Anweisung Lebensmittel zur Pausenversorgung eingekauft. Er sei zum Unfallzeitpunkt von der Rudolf-Krahl-Straße gekommen. Dort habe er Brot und Brötchen für die insgesamt 13 bis 14 Kollegen eingekauft.
Mit Bescheid vom 24.07.1997 hat die Beklagte während des sozialgerichtlichen Verfahrens ihren Ausgangsbescheid vom 24.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zurückgenommen, und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 22.07.1982 abgelehnt. Es sei weder erwiesen, dass damals ein Bescheid der BGL überhaupt ergangen sei, noch, dass es sich bei dem Unfall des Klägers um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger vorgetragen, es sei weder zu einer Ablehnung noch zu einer Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall gekommen. Da er zivilrechtliche Ansprüche nach DDR-Recht gehabt habe und diese erfüllt worden seien, habe er keinen Grund gehabt, sich darüber Gedanken zu machen. Erst infolge der Zunahme seiner Beschwerden und der geänderten Rechtslage habe er sich um seine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung gekümmert. Ihm sei nur mitgeteilt worden, dass die Unfallanzeige an die zuständigen Organe weitergeleitet worden sei. Eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall sei ihm niemals mitgeteilt worden (Blatt 132 SG-Akte).
Der Kläger hat sodann u. a. eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen H ... vorgelegt, wonach die BGL den Unfall als Arbeitsunfall behandelt habe. Der Unfall habe sich während der Dienstzeit ereignet. Der Kläger sei "im betrieblichen Auftrag" unterwegs gewesen (Blatt 139 SG-Akte).
Am 17.08.1998 hat das Stadtarchiv Chemnitz dem SG weitere Unterlagen, unter ihnen eine Kopie des Ablehnungsbescheides der BGL übersandt (Bl. 184-188). Darin wird zur Begründung der Ablehnung angeführt, Unfälle, die im Zusammenhang mit der Freistellung (von der Arbeitspflicht) aus persönlichen Gründen gem. § 188 Arbeitsgesetzbuch (AGB) eingetreten seien, würden nicht als Wegeunfälle gem. § 220 AGB anerkannt (SG-Akten Bl. 1888). Daraufhin hat die Beklagte u. a. vorgetragen, dass trotz der Aufhebung des eigenen Bescheides vom 24.05.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1995 der Ablehnungsbescheid der BGL bestandskräftig geblieben sei. Indizien dafür, dass die BGL das Recht unrichtig angewandt habe, bestünden nicht. Allein die Zustimmung des betrieblichen Vorgesetzten zur Zurücklegung eines privat veranlassten Weges reiche auch bei der Anwendung von § 220 Abs. 2 AGB nicht aus, den betrieblichen Zusammenhang zu begründen. Da die Beklagte erst nach dem 31.12.1993 vom Unfall Kenntnis erlangt habe, sei außerdem zu prüfen, ob der Weg nach der Reichsversicherungsordnung versichert gewesen sei. Dies sei zu verneinen.
In der vorletzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausweislich der Niederschrift erklärt, er habe am Unfalltag nichts für sich besorgen wollen. Er habe drei Brote und ca. 25 Brötchen gekauft. Üblicherweise sei ein anderer Kollege mit seinem Auto zum Bäcker gefahren. Am Unfalltage habe dieser jedoch kein Fahrzeug dabeigehabt. Hätte er, der Kläger, den Auftrag abgelehnt, wäre ein anderer Freiwilliger geschickt worden. Leiter der Mischanlage im Betrieb Weideweg sei Herr W ... gewesen (Blatt 212 der SG-Akte).
In der letzten der insgesamt vier mündlichen Verhandlungen vor dem SG hat der Kläger erklärt, die Einkäufe seien donnerstags getätigt worden, weil an diesem Tag auch für die bevorstehenden Wochenenden eingekauft worden sei, an denen teilweise auch gearbeitet worden sei (Blatt 245 der SG-Akte). Das SG hat den früheren BGL-Vorsitzenden H ... uneidlich als Zeugen vernommen. Die Zeugenvernehmung hat die Entscheidungsfindung in der BGL zum Gegenstand gehabt.
Das SG hat mit Urteil vom 08.12.1998 alle Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid der BGL vom 24.08.1982 zurückzunehmen, das Ereignis vom 22.07.1982 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) finde keine Anwendung. Maßgeblich sei allein das Unfallversicherungsrecht der DDR. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei der Bescheid der BGL aufzuheben. Art. 19 Satz 2 und 3 des Einigungsvertrages erlaubten eine Überprüfung der Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit. Für die rechtliche Überprüfung des Bescheides der BGL sei die damalige Sach- und Rechtslage maßgeblich. Die Auslegung der Vorschriften der DDR hätten jedoch aus heutiger Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung") zu erfolgen. Nach diesen Grundsätzen sei der Unfall des Klägers ein Arbeitsunfall. Nach § 220 Abs. 1 AGB sei ein Arbeitsunfall die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess. Der Kläger habe am 22.07.1982 einen Weg im dienstlichen Auftrag seines Vorgesetzten W ... unternommen. Unerheblich sei, dass der Kläger nicht nur Nahrungsmittel für die Mittagspause eingekauft habe, sondern auch für einen darüber hinausgehenden Bedarf. Nach dem Recht der DDR seien auch Unfälle beim Einkaufen während der Mittagspause unfallversicherungsrechtlich geschützt gewesen. Dagegen sei die Begründung des BGL-Bescheides unzutreffend. Es habe sich nicht um eine Freistellung aus persönlichen Gründen nach § 188 AGB-DDR gehandelt. Eine Freistellung habe nicht vorgelegen. Der Kläger sei ohnehin während der Mittagspause unterwegs gewesen. Jedoch sei keine Freistellung erforderlich gewesen, weil der Kläger einen dienstlichen Auftrag erledigt habe.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die Beweiswürdigung des SG sei fehlerhaft. Der Zeuge H ... sei unglaubwürdig, weil er erst im Laufe des Verfahrens seine Angaben präzisiert habe und dies auch nur insoweit, als es um den betrieblichen Charakter der Besorgungsfahrt gegangen sei. So habe er 1994 keinerlei Erinnerungsvermögen zu den Begleitumständen des Unfalls gehabt. Auch könne er sich an den Entscheidungsvorgang nicht mehr erinnern ("gespaltenes Erinnerungsvermögen"). Auch die schriftlichen Angaben einiger anderer Kollegen des Klägers seien wenig geeignet, eine betriebliche Veranlassung der Fahrt zu erhärten; es handele sich sämtlich um Zeugen vom Hörensagen. Das SG habe bei seiner Beweiswürdigung zeitnahe Umstände (ablehnende Entscheidung der BGL, Rechtsauskunft beim Verlag "Die Wirtschaft") unberücksichtigt gelassen. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger mit Zustimmung des Vorgesetzten Nahrung für die Pausenversorgung eingeholt habe. Ferner beruft sich die Beklagte auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R -.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. Dezember 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich im Wesentlichen auf die Gründe des angegriffenen Urteils und führt ergänzend aus, die angegriffene Entscheidung der BGL stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze dar. Außerdem sei es zweifelhaft, ob überhaupt ein wirksamer Verwaltungsakt vorliege.
Der Senat hat die Herren D ..., E ..., H ..., ..., V ... und W ... als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (LSG-Akten Bl. 71-77) verwiesen.
Dem Senat liegen neben den Verfahrensakten beider Rechtszüge die Beklagtenakte vor.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben. Zutreffend hat es die entgegenstehenden Bescheide der Beklagte aufgehoben und sie verpflichtet, den Bescheid der BGL zurückzunehmen sowie den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist dann, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und wenn deshalb insoweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der betreffende Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist § 44 SGB X anzuwenden (I). Der Verkehrsunfall des Klägers vom 22.07.1982 war nach dem Recht der DDR ein Arbeitsunfall, der zu Unrecht von der BGL abgelehnt wurde (II). Die ursprüngliche Weigerung der Beklagten, die Entscheidung der BGL zu korrigieren, sowie die nachträgliche Ablehnung von Leistungen "aus Anlass des Ereignisses vom 22. Juli 1982" waren daher aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Entscheidung der BGL vom 24.08.1982 aufzuheben (III).
I.
Die für den Kläger positive Entscheidung des SG scheitert nicht von vornherein daran, dass Art. 19 Satz 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31.08.1990 (im Folgenden: EinigVrt) in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Vertrag vom 31.08.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertragsgesetz - und der Vereinbarung vom 18.09.1990 vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885) nur die Möglichkeit einräume, von der Verwaltung der DDR erlassene rechtswidrige Verwaltungsakte aufzuheben, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVrt unvereinbar seien.
1. Bei Art. 19 Satz 2 EinigVrt handelt es sich nicht um eine (weitgehend) abschließende Regelung über die Aufhebung von Bescheiden der DDR. Der entgegenstehenden Auffassung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (, Urt. v. 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 26 ff.) folgt der Senat nicht. Die Auffassung des BSG lässt sich weder durch eine Auslegung des Art. 19 EinigVrt nach Wortlaut, Systematik und Zweck noch aus den Materialien zum EinigVrt begründen. Auch steht die Auffassung des BSG insbesondere in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, mit der sich das BSG nicht auseinandergesetzt hat. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 30.05.2000 (L 2 U 19/95; Revision anhängig unter dem Az.: B 2 U 32/00 R) ausführlich dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf II. und III. der Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen (abgedruckt in HVBG-INFO 2000, 2777 ff.).
2. Ergänzend ist ferner auf folgenden verfassungsrechtlichen Aspekt hinzuweisen: Ein Ausschluss der Anwendung des § 44 SGB X auf Verwaltungsakte der Unfallversicherungsträger der DDR würde darüber hinaus auch den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen.
Nach der insbesondere in sozialrechtlichen Materien vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtsprechung ergibt sich folgender Maßstab für die Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes:
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz will vielmehr ausschließen, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Die Anwendung dieses Grundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Innerhalb dieser Grenzen ist er in seiner Entscheidung frei (BVerfGE 94, 241, 260). Eine Grundrechtsverletzung liegt aber nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfGE 58, 369, 374).
Der Gesetzgeber hat - wiewohl grundsätzlich möglich, da insoweit sachliche Gründe ausreichen - selbst kein Differenzierungskriterium aufgestellt, das der Bestandskraft in DDR-Altfällen einen nahezu absoluten Vorrang einräumt (a). Im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen behandelt die vom BSG vertretene Auffassung (b) den Kläger und andere Versicherte, denen von den Unfallversicherungsträgern der DDR zu Unrecht ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung versagt wurde (Gruppe 1), ohne sachlichen Grund ungleich gegenüber - der Gruppe der Versicherten, die in den alten Bundesländern einen Arbeitsunfall erlitten haben, der abgelehnt wurde, und die weiterhin die Möglichkeit haben, ihn nach § 44 SGB X überprüfen zu lassen (Gruppe 2), sowie gegenüber - der Gruppe der Versicherten, die vor dem 03.10.1990 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall erlitten haben, der zu DDR-Zeiten nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens war (Gruppe 3).
a) Jedenfalls durch § 1150 Abs. 2 RVO wurden Ansprüche aus der im Beitrittsgebiet bestehenden gesetzlichen Unfallversicherung unter den Schutz der Rechtsordnung des Grundgesetzes gestellt. Die für diese Ansprüche geltenden Vorschriften über Inhalt und Schranken sind auch solche, die die Bestandskraft von Verwaltungakten betreffen. Inhalt und Schranken dürfen aber nicht sachwidrig ungleich ausgestaltet werden.
aa) Eine Unterscheidung nach alten Bundesländern und Beitrittsgebiet ist nicht von vornherein sachwidrig. Aus den Urteilen des BVerfG vom 28.04.1999 (BVerfGE 100, 1 ff.; 59 ff.; 104 ff.; 138 ff.) zur Überleitung der im Beitrittsgebiet erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche und -anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung geht hervor, dass der auf das Beitrittsgebiet bezogene Binnenvergleich maßgeblich sein soll. Dagegen ergibt sich aus dem Urteil des BVerfG vom 14.03.2000 (BVerfGE 101, 41 ff.) zur Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz im Beitrittsgebiet, dass eine länger währende Ungleichbehandlung nicht schon durch die Schwierigkeiten der Herstellung der Rechtseinheit sachlich begründet werden kann. Diese Entscheidung stützt sich allerdings allein auf die Sondersituation der Kriegsopfer unter Berücksichtigung der Funktion der Grundrente. Eine allgemeingültige Aussage dazu, ob die sich aus der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ergebenden besonderen Umstände einen ausreichenden sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung abgeben, ist in dieser Pauschalität weder positiv noch negativ möglich. Maßgeblich ist der jeweilige Regelungszusammenhang.
bb) Das BSG geht mit insoweit zutreffenden Erwägungen davon aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bereits festgestellte Renten nicht allein aus Anlass der Überleitung der RVO von Amts wegen zu überprüfen und neu festzustellen seien; nicht zuletzt wegen des Umstandes, dass es bereits an der erforderlichen Gutachterkapazität fehlen würde, rund 300.000 übergeleitete Rentenfälle (innerhalb eines kurzen Zeitraums) auf die Richtigkeit der seinerzeit vorgenommenen Bemessung des Grades des Körperschadens bzw. auf die Richtigkeit der Kausalitätsbeurteilung zwischen versicherter Tätigkeit und Körperschaden zu beurteilen (BSGE 80, 119, 124 m. w. N.). Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber wie das BSG meint, von der Vorstellung ausgegangen sei, sämtliche Verwaltungsakte der Unfallversicherungsträger der DDR seien unter nahezu keinem rechtlichen Aspekt mit Ausnahme der in Art. 19 Satz 2 EinigVrt genannten Voraussetzungen mehr für die Vergangenheit überprüfbar. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang die in ständiger Rechtsprechung vom BSG verwendete Formel. Hiernach soll die Überprüfung der DDR-Bescheide unter Beachtung des Gesichtspunktes des vorrangigen Bestandsschutzes nach den §§ 45, 48 SGB X (BSG, Urt. v. 18.03.1997 - B 2 RU 19/96 R - BSGE 80, 119, 122) bzw. nach den §§ 44, 45 und 48 SGB X (BSG Urt. v. 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 28) nur eingeschränkt möglich sein. Das BSG nennt keine Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen die von ihm postulierte Einschränkung ausnahmsweise nicht eingreift. Es ist daher davon auszugehen, dass nach Ansicht des BSG § 44 Abs. 1 SGB X grundsätzlich nicht anzuwenden sei.
Eine derartige zeitlich-räumliche Gruppenbildung des Gesetzgebers (Bestandsschutz im positiven Sinne und Bestandskraft im negativen Sinne für Arbeitsunfälle im Beitrittsgebiet vor dem 03.10.1990) wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber nicht nur eine Überprüfung der Leistungen gewährenden und ablehnenden Entscheidungen der DDR-Behörden ausgeschlossen hätte, sondern grundsätzlich alle DDR-Arbeitsunfälle, die nicht in einem Feststellungsverfahren zu DDR-Zeiten überprüft worden wären, einer späteren Prüfung in einem Verwaltungsverfahren entzogen hätte. Nur eine solche Gruppenbildung wäre sachgerecht. Denn es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum es heute einem Versicherten möglich sein soll, wegen eines zu DDR-Zeiten nicht geltend gemachten Unfalls ein Feststellungsverfahren mit der Folge der Gewährung von Rentenleistungen durchzuführen, es aber einem Versicherten heute verwehrt sein soll, sich darauf zu berufen, es sei ihm zu DDR-Zeiten eine Leistung zu Unrecht versagt worden. Es ist nach geltendem Recht durchaus möglich, z. B. wegen eines nicht angezeigten Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1960 heute noch ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen und im Falle des Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen eine Rentenleistung zu gewähren. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ist aber derjenige, der seinen Anspruch gegen den DDR-Unfallversicherungsträger nicht verfolgt, ohne davon in rechtsstaatswidriger Weise abgehalten worden zu sein, nicht schutzwürdiger und schutzbedürftiger als derjenige, der erfolglos versucht hat, seinen Anspruch durchzusetzen.
Der Gesetzgeber verfügte, wie schon dieses Beispiel zeigt, keineswegs über ein solch umfassendes Konzept der Behandlung der DDR-Arbeitsunfälle, wie es das BSG dem Art. 19 EinigVrt zugrunde legt. Er hat lediglich die Überprüfbarkeit der zu DDR-Zeiten festgesetzten Rentenhöhe nur eingeschränkt ermöglichen wollen und im Wesentlichen die Anwendbarkeit des § 48 SGB X modifiziert (§ 1154 Abs. 1 RVO; siehe insbesondere auch dessen Satz 3, der die Fortschreibung des bisherigen Grades Körperschadens unter den Vorbehalt des § 45 SGB X stellt.). Dies beruht, wie das BSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, auf einem sachgemäßen Grund, der sich aus den Besonderheiten der Überleitung von 300.000 Renten ergibt. Auch zeigt § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVO, dass der Gesetzgeber im Grundsatz sehr wohl von der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X ausgegangen ist. Zwar handelt es sich bei § 1154 Abs. 1 Satz 2 RVO um eine Sonderregelung (vgl. BT-Drucks 12/405 S. 156). Der Gesetzgeber sah sich jedoch veranlasst, u. a. klarzustellen, dass eine aus Anlass der Neufeststellung der Rentenhöhe nach § 581 RVO als zu niedrig erkannte Festsetzung des Körperschadens nicht rückwirkend zu einer Erhöhung der Rentenhöhe führt. Die Anwendbarkeit des gesamten § 44 SGB X wird "hinsichtlich der sich aus der Bemessung des Körperschadens ergebenden Rechtsfolgen" ausgeschlossen. Wäre die Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf DDR-Arbeitsunfälle nach Art. 19 Satz 3 EinigVrt von vornherein ausgeschlossen, hätte es auch nicht des § 1154 Abs. 1 Satz 2 2. HS RVO bedurft.
cc) Da der Gesetzgeber keine umfassende Sonderregelung für alle Altfälle des Beitrittsgebiets in dem Sinne vorgesehen hat, dass nur der zu DDR-Zeiten anerkannte Bestand auf die Unfallversicherungsträger übergeleitet werden solle, ist das Differenzierungskriterium "Beitrittsgebiet" nicht bereits für sich genommen ein sachlicher Grund, um den allgemeinen Rechtsschutz - hier § 44 SGB X - im Vergleich von Altbundesgebiet und Beitrittsgebiet zum Nachteil der Versicherten im Beitrittsgebiet einzuschränken. Es ist auch nichts für eine dahingehende Intention des Gesetzgebers ersichtlich.
§ 44 Abs. 1 SGB X zeichnet sich als ein in einem weiteren Sinne außerordentlicher Rechtsbehelf aus, der die Wiederaufnahme formal abgeschlossener Verwaltungsverfahren und die Durchbrechung der sich daraus ergebenden Bestandskraft ermöglicht. § 44 Abs. 1 SGB X begründet keine eigenständigen Ansprüche, sondern ermöglicht die Durchsetzung anderweit tatbestandlich umschriebener Ansprüche, die nach der materiellen Rechtslage zwar objektiv bestehen, im Erkenntnisverfahren, dem jeweiligen konkreten Verwaltungsverfahren, jedoch zu Unrecht versagt worden waren. Eine Ungleichbehandlung im Rechtsschutz kann jedoch nach dem In-Kraft-Setzen des SGB X im Beitrittsgebiet nicht auf etwaige Besonderheiten im Beitrittsgebiet gestützt werden. Es mag sozial- und rechtspolitisch fraglich sein, ob eine Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens nach § 44 SGB X ohne eine nach der zeitlichen Lage des Sachverhalts zu bestimmende Ausschlussfrist sinnvoll ist. Hierbei handelt es sich jedoch um ein gesamtdeutsches Problem, soweit durch Zeitablauf ein Verlust von Beweismitteln droht. Die Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf bestandskräftige Verwaltungsakte ist nur im Umfang des Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes vom 18.08.1980 (BGBl. I S.1469, ber. S. 2218) ausgeschlossen.
Eine Besonderheit des Beitrittsgebiets mag allerdings darin bestehen, dass es - wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist - in nicht wenigen Fällen schwierig ist, das jeweils geltende DDR-Recht in seiner damaligen praktischen Umsetzung zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat jedoch, wie aus § 1150 Abs. 2 RVO hervorgeht, die erstmalige Durchführung von Verwaltungsverfahren hinsichtlich schon lange zurückliegender, nach DDR-Recht zu beurteilender Sachverhalte nicht ausgeschlossen. Demnach kann die ungenügende Dokumentation der DDR-Sozialrechtspraxis keinen sachlichen Grund für die Ausklammerung von DDR-Fällen aus dem Anwendungsbereich des § 44 SGB X darstellen. Ansonsten ergäbe sich, bezogen auf das Beitrittsgebiet, im Verhältnis zwischen Erst- und Überprüfungsverfahren eine willkürliche Ungleichbehandlung. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil bei Überprüfungsverfahren die Tatsachenfeststellung bzw. die Rechtsauffassung der zuständigen Behörden der DDR bereits dokumentiert ist. Es ist aber grundsätzlich leichter, eine vorgegebene, begründete Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, als nunmehr nachträglich eine Erstentscheidung zu treffen. Im letzteren Fall ist die Gefahr eher größer, Besonderheiten der DDR-Rechtspraxis zu verkennen, als im Überprüfungsverfahren. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass etwaige rechtliche Besonderheiten, die dem heutigen Rechtsanwender nicht ohne weiteres zugänglich sind, in der Begründung der zu überprüfenden Ablehnungsentscheidung genannt werden.
Auch kann sich die Begünstigung solcher Sachverhalte, die zu DDR-Zeiten nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens waren, nicht aus dem Gesichtspunkt der Typisierung rechtfertigen. Derartige Sachverhalte spielen in der Praxis der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte eine nicht bloß unerhebliche Rolle. Ihre Größenordnung ist nicht völlig vernachlässigenswert. Sie stellen eine eigene Gruppe dar, die in den Vergleich einzustellen ist.
b) Die Auslegung des Art. 19 Satz 2 EinigVrt durch das BSG führt zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung der Gruppe 1 gegenüber den anderen beiden Gruppen, die - hätte sie der Gesetzgeber in dieser Weise geregelt - auch zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes führen würde.
Die Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten belastet die Gruppe 1 ohne sachlichen Grund gegenüber der Gruppe 2. Gründe der Verwaltungspraktikabilität und des Vertrauensschutzes, die für eine weitgehende Derogierung des § 48 SGB X sprechen, haben im Rahmen der von den Versicherten nach § 44 Abs. 1 SGB X beantragten Verfahren keine Gültigkeit (vgl. oben a), cc)). Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass von dem Recht, einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen, hinsichtlich der DDR-Sachverhalte in wesentlich größerem Umfang Gebrauch gemacht würde, als bei sonstigen Sachverhalten. Gerade durch die relativ großzügige Bestandsschutzregelung von § 1154 RVO besteht - anders als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - nicht die Gefahr zahlloser und sich in vielen Fällen seit einem Jahrzehnt hinziehender umfangreicher Streitigkeiten über Art und Umfang der Rentenüberleitung. Im Übrigen könnte sich aus einer übermäßigen Inanspruchnahme der Möglichkeiten des § 44 Abs. 1 SGB X durch die Gruppe 1 allein keine Befugnis der Sozialgerichte ableiten, generell diese Rechtsschutzmöglichkeit zu Lasten der Gruppe 1 zu versagen, wenn Gruppe 2 weiterhin umfassend von diesem Recht Gebrauch machen darf. Dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kommt im Verhältnis der Gruppen 1 und 2 ohnehin keine Bedeutung zu.
Eine Begünstigung der Gruppe 3 ist, wie bereits ausgeführt, durch keinen sachlichen Grund gedeckt. Insbesondere kann sie für sich im Verhältnis zur Gruppe 1 keinen gesteigerten "Bestandsschutz" in Anspruch nehmen. Ihr Vertrauen, doch noch Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EinigVrt nicht schutzwürdiger als das Vertrauen der Gruppe 1, doch noch zu ihrem Recht zu gelangen. Im Übrigen sind die (rechts-)tatsächlichen Schwierigkeiten, wie oben schon ausgeführt, im Falle der Gruppe 1 jedenfalls nicht größer als im Falle der Gruppe 3.
Auch besteht, wie schon die einfachrechtliche Auslegung des Art. 19 Satz 2 und Satz 3 EinigVrt zeigt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30.05.2000 - L 2 U 19/95 - HVBG-INFO 2000, 2777 ff.), nicht einmal die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung, um einen Gleichheitsverstoß zu vermeiden. Vielmehr ergibt sich die Anwendbarkeit des § 44 SGB X zwingend aus der Anwendung des allgemeinen Auslegungskanons.
II.
Der Verkehrsunfall des Klägers vom 22.07.1982 erfüllt die Voraussetzungen des Arbeitsunfalls nach § 220 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 16.06.1977 (GBl. I Nr. 18 S. 185) und gilt nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall im Sinne des Dritten Buches. § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO findet nach § 215 SGB VII auch weiterhin Anwendung.
1. Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 AGB wurde der Arbeitsunfall definiert als die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess; die Verletzung musste durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein. Letztere Voraussetzung ist hier offensichtlich erfüllt. Der Kläger geriet durch ein Fehlverhalten des LKW-Fahrers unter die Hinterräder des LKW und wurde schwer verletzt. Der Kläger erfüllt aber auch die Voraussetzung, dass die Verletzung im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess eingetreten sein muss. Gemeint ist damit, dass zwischen der konkreten Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt und seiner versicherten Tätigkeit als Werktätiger (Arbeitnehmer) ein innerer Zusammenhang (Zurechnungszusammenhang) bestanden haben muss. Ein Arbeitnehmer ist nicht allgemein, d. h. nicht zu allen Zeiten und an allen Orten, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen, wenn er die Voraussetzungen des Pflichtversicherungstatbestandes erfüllt (hier § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17.11.1977 ). Er ist nur dann in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen, wenn seine konkrete Tätigkeit, die zum Unfall geführt hat bzw. während der sich der Unfall ereignet hat, bei wertender Betrachtung als versicherte Arbeitnehmertätigkeit anzusehen ist. Zwar befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht auf einem Dienstweg im Interesse des Betriebes (a). Der Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess war nach § 220 Abs. 1 AGB jedoch auch dann gegeben, wenn sich der Unfall während der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause ereignete (b). Zur sinnvollen Gestaltung gehörten insbesondere die Einnahme der Mahlzeit in den Betriebsräumen, auch die regelmäßige Einnahme des Werkessens außerhalb des Betriebes, die Erholung, Einkäufe des täglichen Bedarfs in der Betriebsverkaufsstelle oder in Verkaufsstellen in unmittelbarer Nähe des Betriebes. Bei Einkäufen während der Mittagspause, insbesondere außerhalb des Betriebs, war allerdings darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer die Dauer der Pause nicht überschritt (Renneberg , AuA 1983, 123). Bei der Einschätzung der zitierten Literaturstelle ist insbesondere zu beachten, dass es sich dabei nicht um eine private Meinungsäußerung des Autors handelte, sondern um eine Stellungnahme mit "offiziösem" Charakter.
a) Der Kläger war, als er den Unfall erlitt, nicht im betrieblichen Interesse unterwegs. Die vom Senat durchgeführte Vernehmung der Zeugen K ..., D ..., E ..., H ..., W ... und V ... hat nicht ergeben, dass der Kläger aufgrund eines dienstlichen Auftrags unterwegs war. Die entgegenstehenden schriftlichen Äußerungen und die Aussage des Zeugen E ... stehen dieser Bewertung nicht entgegen. Der Zeuge V ... hat seine schriftliche Erklärung vom 07.07.1994 (Blatt 130 der Beklagtenakte) bei seiner Zeugenvernehmung nicht bestätigen können, vielmehr nur angegeben, von dem Unfall des Klägers zwar gehört zu haben, aber keine Einzelheiten zu kennen. Demgegenüber hat der Zeuge E ... wohl den Inhalt seines Schreibens vom 27.12.1994 (Blatt 147 Beklagtenakte) anlässlich der Zeugenvernehmung bestätigt. Der Zeuge führt auch aus, er verfüge über ein sehr gutes Gedächtnis. Seine Befragung zeigt jedoch, dass er über viele Dinge, die mit seiner damaligen Tätigkeit als Sicherheitsinspektor zusammenhingen, keineswegs eine derart akkurate Erinnerung mehr hat, wie von ihm zunächst behauptet. Für den Senat erscheint dagegen die Aussage des Zeugen D ..., des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, glaubwürdig und plausibel, dass er nicht als Vorgesetzter den Kläger angewiesen, Brötchen und Brot zu holen, sondern ihn lediglich als Kollegen aufgefordert habe, ausnahmsweise einzuspringen, weil der PKW des Zeugen D ... defekt war. Hierbei kommt es nicht darauf, ob die wörtliche Rede ("H ..., ich habe heute kein Auto, da musst du fahren") vom Zeugen völlig korrekt wiedergegeben wurde. Angesichts der lange zurückliegenden Zeit müssen insoweit erhebliche Zweifel angemeldet werden. So, wie der Zeuge jedoch den Vorgang geschildert, war seine Aufforderung für ihn eine kollegiale Selbstverständlichkeit, weil der Kläger über ein Fahrzeug verfügte. Dies wird durch die zitierte wörtliche Rede lediglich besonders verdeutlicht. Auch hätte er keine Möglichkeit gehabt, den Kläger zu zwingen, sein ihm gehörendes, privat genutztes Kleinkraftrad für dienstliche Belange einzusetzen. Dafür spricht auch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 25.11.1998 vor dem SG ausgeführt hat: "Hätte ich den Auftrag abgelehnt, wäre ein anderer Freiwilliger geschickt worden." Die Aussage des Zeugen K ... steht insoweit im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen D ..., als unterschiedliche Angaben dazu gemacht wurden, ob alle Beschäftigten sich einheitlich oder getrennt nach Gruppen Lebensmittel für die Mittagspause mitbringen ließen. Der Zeuge K ... hat sehr dezidiert und vom vorher vernommenen Zeugen D ... unwidersprochen glaubwürdig und überzeugend ausgesagt, dass die Abteilung Ökonomie (der verstorbene Herr W ... - der Verwaltungsleiter der Mischanlage -, der Zeuge D ... und der Kläger) ihre Pausenversorgung organisierte und die Abteilung Mischanlage - deren (technischer) Leiter der Zeuge K ... war - für sich selbst sorgte. Auch diese Art der Organisation der Pausenversorgung spricht mehr für eine gruppenbezogene "Selbsthilfe" der dort Beschäftigten, denn für eine betrieblich organisierte, "ambulante Kantine". Jedenfalls ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats der Nachweis erbracht worden, dass der Kläger eine dienstliche Anweisung erhalten hat, Brot und Brötchen zu holen.
b) Der Kläger befand sich jedoch auf einem Weg, der der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause diente, indem er Einkäufe des täglichen Bedarfs in einer Verkaufsstelle in unmittelbarer Nähe des Betriebes im eigenen Interesse und im Interesse der Kollegen erledigte. Auch ein derartiger Weg stellt einen Arbeitsunfall gem. § 220 Abs. 1 AGB dar (s. Renneberg, Zur Anerkennung von Arbeitsunfällen, AuA 1983, 123; vgl. ferner bereits J. Micha (Leiter), Arbeitsrecht der DDR 2. Aufl. 1970 S. 452). Seine Behauptung, er habe nicht für sich selbst Brot oder Brötchen eingekauft, muss als eine in Verkennung der Rechtslage erhobene Schutzbehauptung angesehen werden, zumal aufgrund der Aussage des Zeugen K ... der Senat auch nicht von den vom Kläger gemachten Mengenangaben überzeugt ist. Es ist gerade im Hinblick auf die zum Teil schwierige Versorgungslage, die vom Zeugen W ... hervorgehoben wurde, nicht anzunehmen, dass der Kläger nur wegen des Zeugen D ... und Herrn W ... zum Bäcker gefahren ist, jedoch bei dieser Gelegenheit nichts für sich eingekauft hat. Dem Erfordernis der sinnvollen Gestaltung der Mittagspause steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits kurz vor 12.00 Uhr auf dem Rückweg war. Der Zeuge D ... hat hierzu ausgeführt, es habe aufgrund der besonderen Art ihrer Tätigkeit (Bedienung und Überwachung der für das Schüttgut bestimmten Waage der Mischanlage) keine feste Mittagspause gegeben. Der damalige Direktor des VEB Stadtdirektion Straßenwesen, der Zeuge W ..., hat - in einer etwas allgemeineren Form - nicht nur dies bestätigt, sondern auch, dass die Praxis der Pausenversorgung der Betriebsleitung bekannt war und mit ihrem Einverständnis erfolgte. Insbesondere war ihr auch bekannt, dass es in unmittelbarer räumlicher Nähe der Mischanlage "Weideweg" keine Verkaufsstellen gab. Die Fahrt zum Kauf von Brötchen und Brot fand nicht "auf eigene Faust" statt, sondern aufgrund der von dem verstorbenen Herrn W ... erteilten Genehmigung. Dies geht bereits aus dem Schreiben des Zeugen W ... vom 02.09.1982 hervor (Blatt 185 SG-Akte). Vor dem Hintergrund der betrieblich nicht nur stillschweigend geduldeten, sondern ausdrücklich durch Herrn W ... genehmigten Praxis kann es nicht darauf ankommen, dass sich die Verkaufsstelle nicht in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes befand, sondern nur zu den nächstgelegenen gehörte, und der Kläger für die Zurücklegung des Weges mit dem Kleinkraftrad einige wenige Minuten benötigte. Der Kläger war jedenfalls bereits durch das betrieblich veranlasste Vertrauen in die Zulässigkeit seines Verhaltens geschützt, in rechtlicher Bewertung handele es sich um einen Betriebsweg, und damit die Verletzung als eine solche, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess stand (§ 220 Abs. 1 Satz 1 AGB).
2. Aber selbst wenn man sich der gegenteiligen Auffassung anschließen wollte, wonach Einkäufe, die nicht in unmittelbarer Nähe getätigt werden, in keinem Fall mehr Teil der sinnvollen Pausengestaltung sein könnten, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Zwar lägen dann die Voraussetzungen einer Genehmigung nach § 188 AGB hier nicht vor (vgl. dazu Püschel, Mitteilungen, FDGB-Bundesvorstand - Verwaltung der Sozialversicherung, 80/1, ohne Seitenangabe; siehe ferner das Schreiben der Chefredakteurin der Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht vom 08.09.1982 ), jedoch hat dann der Kläger, wenn auch keinen Arbeitsunfall nach § 220 Abs. 1 AGB so zumindest einen Wegeunfall nach § 220 Abs. 2 AGB erlitten.
Nach § 220 Abs. 2 AGB gilt als Arbeitsunfall auch der Unfall, der sich auf einem mit der Tätigkeit im Betrieb zusammenhängenden Weg zur Arbeitsstelle ereignet. Nach der weiten Auslegung, welche diese Vorschrift in der Arbeitsrechtsliteratur der DDR gefunden hat, gilt in der Regel jeder Weg, der die Arbeitsstelle zum Ziel hat, als Weg zur Arbeitsstelle, und jeder Weg von der Arbeitsstelle, der die Wohnung zum Ziel hat, als Weg von der Arbeitsstelle, wenn Ausgangspunkt und Ziel im vernünftigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit stehen (Püschel, Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall, AuA 1980, 477; zustimmend Bunzel, Anerkennung von Wegeunfällen als Arbeitsunfälle, AuA 1981, 87; ferner F. Kunz (Leiter), Arbeitsrecht, 1. Aufl. 1983, S. 298, wo diese Auslegung als "umstritten" bezeichnet wird). Darüber hinaus waren nach der im Beitrittsgebiet geltenden Auslegung dieser Vorschrift auf Wegeunfälle, die während der Mittagspause auf dem Weg zur Wohnung zum Einnehmen des Mittagessens und von dieser zurück zum Betrieb eintraten, Wegeunfälle (vgl. Püschel in Mitteilungen, FDGB-Bundesvorstand Verwaltung der Sozialversicherung 80/1 ohne Seitenangabe; ferner Lexikon Arbeitsrecht von A bis Z, hg. v. F. Kunz u.a. 1. Aufl. 1983 S. 60 Stichw. Arbeitsunfall, ebenso 2. Aufl. 1987 S. 57). Der Zusammenhang zwischen Weg von und zur Arbeitsstelle und der Betriebstätigkeit war immer dann gegeben, wenn der Weg nach bzw. von der Arbeitsstelle mit der Erfüllung der Pflichten und Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zusammenhing. Als Weg nach der Arbeitsstelle galt dabei jeder Weg, der die Arbeitsstelle zum Ziel hatte, unabhängig vom Ausgangspunkt des Weges (AuA 1978, Heft 1, S. 37, 38; ohne Verfasserangabe). Da sich der Kläger gerade wegen des Mittagessens auf den Weg gemacht hat, darf er nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der sich wegen des Mittagessens nach Hause begeben hat und auf dem Rückweg einen Unfall erlitten hat. In diesem Sinne ist die um die Mittagszeit aufgesuchte Bäckerei mit dem eigenen Zuhause vergleichbar. Als der Kläger verunglückte, befand er sich auch auf dem direkten Weg zum Betrieb.
III.
Die Aufhebung des Bescheides der BGL vom 24.08.1987 ist nicht etwa schon deswegen entbehrlich, weil der Kläger behauptet, er habe diesen Bescheid nicht erhalten. Der Kläger bestreitet nicht, Kenntnis davon gehabt zu haben, dass ein Feststellungsverfahren eingeleitet wurde. Es ist ungeachtet der Merkwürdigkeiten zu Beginn und während des Feststellungsverfahrens der Beklagten (nachträgliche Eintragung eines "AU" in den Sozialversicherungsausweis ; die Behauptung des Klägers, er könne nicht nachvollziehen, wie die "Notiz für Frau Z ..." in die Beklagtenakte gelangt sei, obwohl er sie selbst seinem Antrag beigefügt hat ) schon wegen der Schwere der Verletzung nicht glaubhaft, dass sich der Kläger bei der BGL nicht nach dem Ergebnis des Feststellungsverfahrens erkundigt hat, wenn er den Bescheid der BGL tatsächlich nicht alsbald nach dem 24.08.1982 erhalten haben sollte. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger vom Bescheid der BGL Kenntnis erlangt hat, er ihm also bekannt gemacht wurde.
Die Aufhebung des Bescheides der BGL ist auch nicht schon deswegen entbehrlich, weil die Beklagte in Unkenntnis der Existenz des Bescheides der BGL am 24.07.1997 einen vermeintlichen Erstbescheid, in Wirklichkeit aber einen Zweitbescheid erlassen hat und mit diesem Bescheid ihren Bescheid nach § 44 SGB X vom 24.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1995 aufgehoben und Leistungen abgelehnt hat. Nach dem Urteil des BSG vom 23.03.1999 (B 2 U 8/98 R - BSGE 84, 22, 23 und 26) eröffnet auch ein Zweitbescheid grundsätzlich - mit Ausnahme des Art. 19 Satz 2 EinigVrt - keine Überprüfbarkeit der DDR-Rechtslage. Er ersetzt den DDR-Bescheid nicht. Aus Gründen der Rechtsklarheit hat daher der Senat die Entscheidung des SG, das alle Bescheide der Beklagten aufgehoben hat, bestätigt.
Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid der BGL vom 24.08.1982 aufzuheben, weil der Unfall des Klägers aus den unter II. genannten Gründen nach dem Recht des Beitrittsgebiets ein Arbeitsunfall ist. Dem steht auch nicht § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO entgegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Unfall des Klägers auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ein Arbeitsunfall wäre - wovon der Senat ausgeht (vgl. BSG, Urteil v. 11.05.1995 - 2 RU 30/94 - NJW 1995, 2942, 2943; Urteil v. 02.07.1998 - 2 RU 34/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 S. 55) -, weil der Beklagten noch vor dem 01.01.1994 der Unfall des Klägers durch das Schreiben des stellvertretenden D-Arztes Dr. Morgenstern vom 15.12.1993 bekannt wurde (Blatt 1a Beklagtenakte). Dieses Schreiben ging der Beklagten am 20.12.1993 zu. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO verlangt aber keine positive Kenntnis eines Sachbearbeiters der Beklagten. Es genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision wird insoweit zugelassen, als dieses Urteil von dem Urteil des BSG vom 23.03.1999 - B 2 U 8/98 R - abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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