L 2 U 96/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 462/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 96/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. September 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren streiten die allein noch im Verfahren verbliebene frühere Klägerin zu 2. und die Beklagte über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides vom 26.8.1997 sowie mittelbar über die Zuordnung des Gewerbes der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 79 des Gefahrtarifs 1997 der Beklagten.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie fertigt traditionelle erzgebirgische Holzfiguren und Weihnachtsschmuck aus Holz her. In der Betriebsbeschreibung vom 6.2.1991 gab die Klägerin an, sie stelle kunstgewerbliche Erzeugnisse her und benutze dazu Holzbearbeitungsmaschinen. In der Gewerbeanmeldung beim Landratsamt F ... am 27.8.1991 wurde als Unternehmensgegenstand angegeben: "Produktion und Vertrieb von kunstgewerblichen Erzeugnissen, Raum- und Tafelschmuck". Mit Veranlagungsbescheid vom 26.8.1997 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1.1.1997 unter dem Gesichtspunkt "kunstgewerbliche Gegenstände" zur Gefahrtarifstelle 79 des Gefahrtarifs 1997. Der Gefahrtarifstelle 79 ist die Gefahrklasse 4,0 zugeordnet. Der gegen den Veranlagungsbescheid erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.11.1997). Der Vortrag der Klägerin, 90 % der Mitarbeiter des Unternehmens seien in der Malerei und der Leimerei beschäftigt, kämen also nicht mit Holzbearbeitungsmaschinen in Berührung, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, die festgesetzte Gefahrklasse berücksichtige bereits, dass in typischen Unternehmen dieser Art nur ein kleiner Teil der Arbeitszeit auf Holzbearbeitung bzw. Maschinenarbeit entfalle. Die Gefahrklasse für die reine Holzbearbeitung müsse deutlich höher angesetzt werden. Es handele sich bei der Gefahrklasse 4,0 um eine Art Mischkalkulation, in der auch die Tätigkeiten in der Malerei, beim Zusammenbau der Figuren usw. berücksichtigt seien. Die Belastungszahl der Gefahrtarifstelle 79 habe im Beobachtungszeitraum von 1991 bis 1995 3,781 betragen. Durch Rundung habe sich die Gefahrklasse 4,0 ergeben. Den weiteren sinngemäßen Vortrag der Klägerin, aus der gelegentlichen begrifflichen Zuordnung der von ihr hergestellten erzgebirgischen Miniaturen zum Kunstgewerbe könne sich die Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 79 nicht ergeben, ließ die Beklagte nicht gelten. Sie wies im Widerspruchsbescheid darauf hin, dass sämtliche Hersteller von erzgebirgischen Traditionserzeugnisssen (z.B. Nussknacker, Räuchermännchen und Christbaumhänger) in die Gefahrtarifstelle 79 eingeordnet seien.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und dahingehend präzisiert, dass sie entweder in die Gefahrklasse 3 oder 3,5 eingestuft werden wolle. Das Sozialgericht Chemnitz hat mit Urteil vom 8.9.1998 die Klage abgewiesen, weil die Gefahrtarifstelle 79 von der Beklagten unter Ausnutzung der ihr gesetzlich zuerkannten Gestaltungsräume rechtmäßig geschaffen und berechnet und die Klägerin von der Beklagten zutreffend dort eingeordnet worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Einordnung in die Gefahrtarifstelle 79 unter dem Gesichtspunkt "kunstgewerbliche Erzeugnisse" sei willkürlich. Mit ihrer rein begrifflichen Vorgehensweise verkenne die Beklagte, dass der Begriff "Kunstgewerbe" nicht eindeutig definiert sei. Richtigerweise müsse es in ihrem Falle heißen: "Erzgebirgische Volkskunst". Das Unternehmen der Klägerin sei viel besser in die Gefahrtarifstelle 84 (Gefahrklasse 3,0) oder in die Gefahrtarifstelle 85 (Gefahrklasse 3,5) einzuordnen. Die Gefahrtarifstelle 84 enthalte die Gewerbezweige Holzbildhauerei und Schnitzereien. Insbesondere die Schnitzereien seien im Erzgebirge sehr weit verbreitet und stellten einen wichtigen Teil der erzgebirgischen Volkskunst dar. Die erzgebirgische Volkskunst sei eine eigene Branche. Die in der Gefahrtarifstelle 84 aufgeführten Tätigkeiten kämen diesen Tätigkeiten am nächsten, da im Unternehmen der Klägerin kleinteilige Holzverbindungen bearbeitet würden, die zuvor durch Feindrechslerei (Gefahrtarifstelle 85) vorproduziert worden seien.

Tatsächlich entspreche auch die Belastungszahl der erzgebirgischen Volkskunst nicht der veranlagten Gefahrklasse von 4,0.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 8.9.1998 sowie den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 26.8.1997 in der Gestalt des undatierten Widerspruchsbescheids vom 24.11.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin in eine niedrigere Gefahrklasse einzustufen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 79 sei nicht willkürlich erfolgt. Der Berufsverband der Klägerin (Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V.) habe selbst wiederholt die Erzeugnisse der erzgebirgischen Volkskunst als Kunsthandwerk bezeichnet. Dagegen sei die Veranlagung des Unternehmens der Berufungsklägerin nach der Gefahrtarifstelle 84 des Gefahrtarifs nicht möglich, da weder Erzeugnisse der Holzbildhauerei noch Schnitzereien hergestellt würden. Die Gefahrtarifstelle 85 dagegen enthalte neben gänzlich anders gelagerten Unternehmen wie Blumenbindereien Unternehmen, die vorwiegend maschinelle Holzbearbeitung ohne wesentliche manuelle Nachbearbeitung durchführten. Das sei aber bei der Klägerin gerade nicht der Fall. Die Feindrechslerei möge ein Teil der Vorarbeiten für die Produktion der Klägerin sein. Kennzeichnend für das erzgebirgische Kunstgewerbe sei aber gerade die Weiterverarbeitung mit einem hohen Anteil an Mal- und Dekorationsarbeiten. Deshalb sei eine Veranlagung des Unternehmens als Feindrechslerei nicht möglich. Aus den Erfahrungen der Beklagten ergebe sich auch, dass gerade gelegentliche und nicht automatisierte Abläufe in der Holzbearbeitung besondere Unfallgefahren in sich bärgen, die in weitgehend automatisierten und durch elektronische Steuerungsvorgänge gesicherten Fertigungsabläufen in größeren Betrieben in dieser Form nicht aufträten. Im Übrigen müsse die Gefahrtarifstelle eine bestimmte Mindestgröße aufweisen. Daher komme eine eigene Gefahrtarifstelle für die erzgebirgische Volkskunst nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 23.2.2001 hat die Beklagte mitgeteilt, die im Beobachtungszeitraum (1995 bis 1999) für den Gefahrtarif 2001 erhobenen Daten hätten für die Hersteller von kunstgewerblichen Gegenständen, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern hätten, eine Belastungszahl von 3,8604 ergeben. Dabei umfasse die hierfür herangezogene Gruppe 296 Unternehmen nach dem Stand vom 16.11.2000. Diese Gruppe werde fast ausschließlich von den Herstellern erzgebirgischen Kunsthandwerks geprägt. Daraus gehe hervor, dass sie keinesfalls eine geringere Unfallbelastung als der Durchschnitt der Gefahrtarifstelle 79 aufwiesen.

Der Gefahrtarif 2001 der Beklagten sieht für die unverändert formulierte Gefahrtarifstelle 79 nunmehr die Gefahrklasse 3,5 vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 26.8.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1997 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte hat ohne Verstoß gegen die die Bildung des Gefahrtarifs regelnden Vorschriften der hier noch anwendbaren Reichsversicherungsordnung (RVO) die Gefahrtarifstelle 79 des Gefahrtarifs 1997 geschaffen. Maßgeblich sind hier die Vorschriften der RVO noch, weil der anzuwendende Prüfungsmaßstab dasjenige Recht ist, das im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Vertreterversammlung gegolten hat. Da die Beschlussfassung als Rechtssetzungsakt am 14.11.1996 erfolgte und das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erst am 1.1.1997 in Kraft getreten ist, kann Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung autonomen Rechts nur die RVO sein. Die hier maßgebliche Vorschrift des § 730 RVO weicht nach ihrem Regelungsgehalt jedoch von § 157 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB VII, den entsprechenden Regelungen im SGB VII, nicht ab. § 157 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB VII konkretisiert lediglich die schon vorher zu § 730 RVO entwickelten Rechtsgrundsätze. Weitere nach dem 31.12.1996 ergangene Rechtsakte, insbesondere die Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt, und die Regelung über die Höchstgeltungsdauer des Gefahrtarifs bestimmen sich nach SGB VII. Im Übrigen findet nach § 219 SGB VII für die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 79 § 159 Abs. 1 SGB VII Anwendung, da der Veranlagungsbescheid die Jahre ab 1997 betrifft.

Grundlage der als Verwaltungsakt anfechtbaren Veranlagung der Klägerin zur Gefahrklasse (BSG, Urt. v. 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27) ist der von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossene Gefahrtarif vom 14.11.1996.

Die Sozialgerichte sind befugt und verpflichtet, die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit den Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu überprüfen. Dem steht nicht entgegen, dass der Gefahrtarif autonomes Recht der Berufsgenossenschaft darstellt (so jetzt ausdrücklich § 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) und vom Bundesversicherungsamt nach § 158 Abs. 1 SGB VII zu genehmigen ist (zur RVO: BSG, Urt v. 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27). Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei aber keine Rolle (BSGE Urt. v. 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2 S. 6).

Der Gefahrtarif ist durch die Sozialgerichte jedoch nur eingeschränkt überprüfbar. Bei der Erfüllung der sich aus § 730 RVO bzw. aus § 157 SGB VII ergebenden Verpflichtung zur Festsetzung eines nach Tarifstellen gegliederten Gefahrtarifs verbleibt der Vertreterversammlung ein größerer Regelungsspielraum, der durch die in den §§ 725, 730 RVO bzw. durch die in den §§ 153 Abs. 1, 157 Abs. 1 Abs. 3 SGB VII zum Ausdruck gekommenen Zielvorstellungen des Gesetzgebers begrenzt ist (zur RVO: BSG, Urt. v. 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27; Urt. v. 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2 S. 6; Urt. v. 22.9.1988 - 2 RU 2/88 -; Urt. v. 21.8.1991 - 2 RU 54/90 -). Er darf nicht in Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts stehen (BSG, Urt. v. 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2 m.w.N.).

Die Auswahl eines bestimmten Differenzierungskriteriums als Gestaltungsprinzip für die Errichtung des Gefahrtarifs unter mehreren an sich gleich sachgerechten Differenzierungskriterien ist nur am Maßstab der Zweckverfehlung überprüfbar. Eine solche Zweckverfehlung ist dann anzunehmen, wenn die durch Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen und die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aus den jeweiligen Normzweck abgeleiteten Wertungen nicht beachtet wurden und damit durch eine sachwidrige Gruppenbildung der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist.

Die Regelungsmacht der den Gefahrtarif beschließenden Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft erstreckt sich insbesondere darauf, die Kriterien festzulegen, nach denen die Gefahrtarifstellen zu bilden sind. Denn die Vertreterversammlung ist insoweit Normgebungsorgan. Begrenzt wird diese Rege- Gefährdungsrisiken als Bildungsprinzip der Gefahrengemeinschaft vorgibt.

Sachgerecht sind nur solche Differenzierungskriterien, die einen eindeutigen Bezug zu Art und Umfang der anzutreffenden Unfallgefahr haben. Danach kommen für den Bereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften nur der Tätigkeitstarif und der Gewerbezweigtarif oder eine Mischform aus beiden in Betracht. Insgesamt müssen die in einer Gefahrtarifstelle zusammengefassten Unternehmen eine Gruppe darstellen, die im Spannungsfeld von solidarischem Ausgleich und individueller Beitragsgerechtigkeit weitgehend dem Gedanken der individuellen Beitragsgerechtigkeit Rechnung trägt und sich am Ziel orientiert, auf der Grundlage des gewählten Differenzierungskriteriums möglichst homogene Gefahrengemeinschaften zu bilden. Die Berufsgenossenschaft kann nach dem Belastungs- oder dem so genannten "Technologieprinzip" vorgehen, wenn in einer Gefahrtarifstelle zur Gewährleistung eines ausreichenden versicherungsmäßigen Ausgleichs zwingend verschiedene Gewerbezweige zusammenzufassen sind.

Das Ziel der individuellen Beitragsgerechtigkeit determiniert aber nicht die Entscheidung für ein bestimmtes Differenzierungskriterium, wenn die zur Auswahl stehenden Differenzierungskriterien allesamt sachgerecht sind. Die Berufsgenossenschaft kann sich bei der Errichtung des Gefahrtarifs für ein bestimmtes Gestaltungsprinzip entscheiden. Es steht in ihrem Gestaltungsermessen als autonomes Recht setzender öffentlich-rechtlicher Körperschaft, ob und in welchem Umfang sie das gewählte Prinzip durchbrechen will. Sie ist von Rechts wegen nur dort verpflichtet, sich für eine andere Gestaltungsmöglichkeit zu entscheiden, wo ein anderes Differenzierungskriterium evident besser dem Gesichtspunkt der am Verhältnis von Beitragsbelastung und individueller Gefahrenlast zu messenden Beitragsgerechtigkeit entspricht. Im Übrigen kommt es für die gerichtliche Überprüfung eines Gefahrtarifs allein darauf an, dass die Berufsgenossenschaft das von ihr als Gestaltungsprinzip des Gefahrtarifs ausgewählte Differenzierungskriterium im Sinne der Beitragsgerechtigkeit willkürfrei und verhältnismäßig umgesetzt hat (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 157 SGB VII).

Der Regelungsspielraum der Berufsgenossenschaften ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch beschränkt, dass die in den einzelnen Unternehmen anzutreffende Gefahr keine allzu große Bandbreite innerhalb einer Gefahrtarifstelle haben darf (vgl. dazu BSG, Urt. v. 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2; Bayerisches LSG, Urt. v. 7.10.1992 - L 2 U 24/89 - HVBG-INFO 1993, 160, 165). Die Belastungsextreme müssen noch in einem angemessen Verhältnis zueinander stehen. Der solidarische Ausgleich innerhalb der Gefahrengemeinschaft darf die Gefahrengemeinschaft nicht prägen. Eine äußerste Grenze dürfte dabei eine Abweichung um 30 % vom Durchschnitt sein, was Belastungsextreme von minimal 70 % und maximal 130 % zur Folge hätte. Entscheidend ist aber, dass sich die Belastungsextreme nicht auf individuelle Fälle beziehen, sondern nur auf abgrenzbare Untergruppen innerhalb der Gefahrtarifstelle. Die Vertreterversammlung ist im Hinblick auf die Gestaltungsfreiheit bei der Aufstellung der Gefahrtarife nicht gehindert, durch Typisierungen den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen. Dabei auftretende Härten in Einzelfällen sind bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und hinzunehmen (BVerfG SozR 2200 § 734 Nr. 2 m.w.N.), weil derartigen "Härten" regelmäßig - wenn auch bei anderen Unternehmen - entsprechende "Vorteile" gegenüberstehen.

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Beklagte die Klägerin zur Gefahrtarifstelle 79 veranlagt hat.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass das Gewerbe der Klägerin unter den Begriff der "kunstgewerblichen Gegenstände" zu fassen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen auf Seite 8 bis 10 des SG-Urteils verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Verwaltung der Beklagten den Willen der Vertreterversammlung der Beklagten missverstanden hat. Zwar ist der Gefahrtarif als Gesetz im materiellen Sinne entsprechend den dafür geltenden Grundsätzen auszulegen. Da jedoch der Gefahrtarif maßgeblich von den Mitarbeitern der Beitragsabteilung der Beklagten vorbereitet worden ist, kommt ihrer Auslegung des Gefahrtarifs ein besonderes Gewicht zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für Meinungsunterschiede innerhalb der Beklagten bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - schon die Wortauslegung des in der Gefahrtarifstelle aufgeführten Gewerbes zwanglos zu dem Ergebnis führt, dass das in Rede stehende Gewerbe unter diesen Begriff subsumiert werden kann.

Dass die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 79 wegen ihres von diesen Festlegungen abweichenden Unternehmensgegenstandes willkürlich und durch keinerlei Merkmale untersetzt sei, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.11.1998 geäußert hat, trifft nicht zu. Dabei geht es der Klägerin darum, die Unternehmen, die erzgebirgische Traditionserzeugnisse herstellen, als eigenständiges Gewerbe zu erfassen. Denn die erzgebirgische Volkskunst sei eine eigene Branche (so die Ausführungen im Schriftsatz vom 11.11.1998). Sie sei aufgrund ihrer spezifischen Gefährdungsrisiken auch grundsätzlich als eine eigene Gefahrengemeinschaft anzusehen. Wenn ein versicherungsmäßiger Risikoausgleich innerhalb der Gruppe nicht zu erreichen sei, müsse das Gewerbe zumindest der Gefahrtarifstelle zugeordnet werden, die eine im Verhältnis zu der Gruppe der Unternehmen, die erzgebirgische Traditionserzeugnisse herstellten, unfalllastkonformere Gefahrklasse aufweise als die Gefahrtarifstelle 79.

Es kann einerseits dahingestellt bleiben, ob der Klägerin darin zu folgen ist, dass die Beklagte sie als eigenständiges Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle hätte aufführen müssen, obwohl die Beklagte vorgetragen hat, dass das erzgebirgische Kunstgewerbe keineswegs eine in sich geschlossene, homogene Gruppe von Tätigkeiten darstelle (Schriftsatz vom 23.9.1999). Es kann andererseits auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten darin zu folgen ist, dass die Einordnung der Klägerin in die Gefahrtarifstelle 84 oder 85 wegen der anderen Art der ausgeführten Arbeiten (Technologieprinzip) von vornherein nicht möglich sei (Schriftsatz vom 30.12.1998). Gerade dann, wenn man der Klägerin darin folgt, dass die Unternehmen, die erzgebirgische Traditionserzeugnisse herstellen, eine eigenständige Gruppe bilden, bestehen nach dem Belastungsprinzip keine Bedenken, die Klägerin der Gefahrtarifstelle 79 zuzuordnen, da mittlerweile im neuen für den Gefahrtarif 2001 herangezogenen Beobachtungszeitraum von 1995 bis 1999 festgestellt wurde, dass die Belastungszahl für Hersteller von kunstgewerblichen Gegenständen, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern haben, 3,8604 beträgt. Berücksichtigt man, dass diese Gruppe fast ausschließlich von Herstellern erzgebirgischen Kunsthandwerks geprägt ist, hat sich die Beklagte bei der Erstellung des Gefahrtarifs 1997 nicht bloß innerhalb der Grenzen der ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsmacht bewegt, sondern sogar dem Ziel der Beitragsgerechtigkeit in besonderem Maße dadurch Rechnung getragen, dass sie der Klägerin einer Gefahrtarifstelle zuwies, die, ausgehend von der durchschnittlichen Belastungszahl von 3,781 sogar eine geringere Unfallhäufigkeit aufweist als die Gruppe der Hersteller erzgebirgischer Volkskunst. Erst recht ergibt sich nichts anderes, wenn man der letztlich auch vom Senat geteilten Auffassung der Beklagten folgt, dass die Klägerin zulässigerweise in die Gruppe der Hersteller kunstgewerblicher Gegenstände eingeordnet werden durfte.

In keinem Fall gibt es Anhaltspunkte dafür, dass ausgehend von dem Belastungsprinzip eine andere Gefahrtarifstelle evident besser dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit Rechnung getragen hätte als die Gefahrtarifstelle 79.

Im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte für die Hersteller erzgebirgischer Volkskunst keine eigene Gefahrtarifstelle gebildet hat. Dies folgt schon daraus, dass diese Gruppe zahlenmäßig relativ klein ist und die Beklagte zur Sicherung des versicherungsmäßigen Ausgleichs hinreichend große Gefahrgemeinschaften bilden muss.

Da schon die Anfechtungsklage unbegründet ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, ob die ebenfalls erhobene Verpflichtungsklage zulässig ist.

Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg, weil Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ) nicht bestehen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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