L 2 U 93/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 228/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 93/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Mehrkosten für spezielle Schutzhandschuhe zu erstatten.

Der Kläger ist als selbständiger Zahnarzt bei der Beklagten versichert. Am 10.02.1994 zeigte der Hautarzt Prof. Dr. R ... der Beklagten das Vorliegen einer beim Kläger bestehenden Hautkrankheit an. Er teilte mit, dass der Kläger seit 1991 an einer Hauterkrankung der Hände leide, die nach Ansicht des Klägers durch eine chronische Irritation (Nässe, DIM, Stomatologika) plus Allergie ungeklärter Genese entstanden sei. Prof. Dr. R ... diagnostizierte ein allergisches Kontaktekzem auf chronischer Irritationsdermatose. Er schlug u. a. als prophylaktische Maßnahme zur Minimierung der vorhandenen Hautirritationen optimale Schutz- und Pflegemaßnahmen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) vor. Verlauf, Morphe und Lokalisation sowie Testergebnisse hätten die Berufsbedingtheit eindeutig belegt.

Mit Schreiben vom 15.03.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei im Rahmen des § 3 BKV aus vorbeugenden Gründen bereit, die Kosten der wegen des Hautleidens erforderlichen ambulanten hautfachärztlichen Behandlung zu übernehmen. Ferner werde Ersatz für Mehrkosten, z. B. für besondere Schutzhandschuhe geleistet. Dem entsprechend wurde in der Folgezeit verfahren.

Am 19.10.1994 wies die Hautärztin Dr. M ... die Beklagte darauf hin, dass der Kläger an einem Kontaktekzem bei Irritationsdermatose leide. Obwohl alle Gründe für eine BK 5101 sprächen, komme eine BK-Anerkennung nicht in Betracht. Der Kläger kenne die auslösenden Allergene, versuche den Kontakt mit diesen Stoffen auf einem Minimum zu halten und verbleibe in engmaschiger intensiver hautärztlicher Betreuung. Da dieses Vorgehen in den zurückliegenden sechs Monaten eine Besserung und Stabilisierung des Hautbefundes gebracht habe, sollten weiterhin über § 3 BKV alle sinnvollen Hautschutz-, Pflege- und Behandlungsmaßnahmen unterstützt werden sowie die Mehrkosten für besondere Schutzhandschuhe übernommen werden.

In einer arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 03.04.1995 empfahl die Fachärztin für Arbeitsmedizin/Gewerbeärztin Dr. B ... der Beklagten, die finanziellen Aufwendungen für ungepuderte thiuramfreie Handschuhe gemäß § 3 BKV zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 12.12.1995 erklärte sich die Beklagte bereit, Mehraufwendungen für thiuramfreie Handschuhe zu übernehmen. Sie erklärte weiter, dass derartige Mehraufwendungen nur dann für einen gewissen Zeitraum übernommen werden könnten, wenn es sich um besondere Schutzmaßnahmen handele, die besondere, über das übliche Maß hinausgehende Mehraufwendungen verursachten. Normale Schutzhandschuhe seien vom Unternehmer im Rahmen seiner Fürsorgepflicht bereitzustellen.

Mit Bescheid vom 07.03.1996 wurde die Anerkennung der Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV abgelehnt. Die Hauterkrankung habe bisher nicht zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit gezwungen. Ein objektiver Zwang zur Aufgabe sei derzeit auch nicht gegeben. Vielmehr könne die Tätigkeit bei sorgfältiger Anwendung geeigneter Schutz- und Pflegemaßnahmen auch weiterhin ausgeübt werden ohne dass die Gefahr bestehe, dass sich eine Berufskrankheit entwickele. Um einer Verschlimmerung der Hauterkrankung und somit dem Entstehen einer Berufskrankheit vorzubeugen, sei die Durchführung sorgfältiger Schutz- und Pflegemaßnahmen dringend erforderlich. Deren Kosten würden gemäß § 3 BKV übernommen, soweit sie nicht vom Kläger selbst zu tragen seien.

Mit weiterem Bescheid vom 28.02.1998 erklärte die Beklagte, aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen der Rechtsgrundlage und da thiuramfreie Handschuhe wesentlich billiger geworden seien und somit keine erheblichen Mehrkosten mehr entstünden, könne die (Mehr-)Kostenübernahmeerklärung nicht aufrecht erhalten werden. Aus den Unfallverhütungsvorschriften ergebe sich, dass der Unternehmer geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen habe. Somit sei der Kläger als Unternehmer allein dafür verantwortlich, individuell gesundheitlich verträgliche Handschuhe bereitzustellen. Daher würden künftig keine Kosten für Schutzhandschuhe mehr übernommen. Die Kosten für die ambulante hautfachärztliche Behandlung würden weiterhin übernommen.

Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 07.07.1998 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Unfallverhütungsvorschrift VBG 1 in Verbindung mit der Unfallverhütungsvorschrift VBG 103 der Unternehmer - auch für sich selbst - geeignete Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen habe. Als geeignet sei die Schutzausrüstung anzusehen, von der keine gesundheitliche Gefährung für den Benutzer ausgehe.

Am 24.07.1998 ist vor dem Sozialgericht Dresden (SG) Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben worden. Das SG hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 20.04.2000 verurteilt, dem Kläger auch weiterhin die Mehrkosten für geeignete hautverträgliche Schutzhandschuhe zu erstatten.

Die Beklagte hat am 13.06.2000 Berufung gegen den ihr am 15.05.2000 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus der UVV VBG 103 § 7 Abs. 1 i.V.m. den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 540 ergebe, dass der Unternehmer verpflichtet sei, geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung habe Vorrang gegenüber ihrer Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 BKVO.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichs Dresden vom 20.04.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Seiner Ansicht sind die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches erfüllt. Bei den Rechtsvorschriften, die die Beklagte herangezogen habe, handele es sich sämtlich um solche, die das Verhältnis von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer regelten und deshalb vorliegend nicht zutreffend seien. Auch TRGS 540 sei nicht einschlägig, weil ihr Anliegen mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht korrespondiere.

Die Beteiligten haben sich am 24.04.2001 bzw.16.05.2001 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, da das gemäß § 155 Abs. 4, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hierfür erforderliche Einverständnis vorliegt.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid vom 28.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1998 war rechtswidrig; die Beklagte muss dem Kläger aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV die Mehrkosten für die für ihn geeigneten Schutzhandschuhe ersetzen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV haben die Unfallversicherungsträger dann, wenn für Versicherte die Gefahr besteht, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, dieser Gefahr mit allen Mitteln entgegenzuwirken.

Beim Kläger besteht die Gefahr der Entstehung der Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV; dass diese Gefahr besteht, ist auch von seiten der Beklagten nie bezweifelt worden. Des Weiteren stellen für den Kläger geeignete Schutzhandschuhe ein geeignetes Mittel dar, dieser Gefahr entgegenzuwirken. Auch dies hat die Beklagte nicht bezweifelt.

Somit muss die Beklagte aufgrund der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV dem Kläger die Mehrkosten für die von ihm zur Vermeidung der Entstehung einer Berufskrankheit benötigten Schutzhandschuhe erstatten. § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV formuliert insoweit eindeutig, dass eine entsprechende Pflicht der Beklagten zum Tätigwerden besteht ("hat ... entgegenzuwirken"). Eine Vorschrift, aus der sich ergeben könnte, dass die Leistungspflicht der Beklagten entfällt, sofern ein weiterer Anspruchsgegner vorhanden ist, ist nicht ersichtlich.

Deshalb kann dahinstehen, ob ein Arbeitgeber verpflichtet wäre, in einem vergleichbaren Fall seinem an einer Hautkrankheit der Hände leidenden Arbeitnehmer lediglich Schutzhandschuhe zur Verfügung zu stellen, die zur Ausübung seiner Tätigkeit im allgemeinen erforderlich sind oder ob er jedenfalls dann spezielle Schutzmittel zur Verfügung stellen müsste, wenn solche wegen einer besonderen gesundheitlichen Schwäche und Krankheitsanlage des Arbeitnehmers notwendig würden bzw. ob spezielle Schutzmittel jedenfalls dann vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden müssten, wenn sich eine gesundheitliche Schwäche bei der Arbeit in besonderer, deutlich verstärkter Weise bemerkbar macht (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.12.1985, Az. L 5 U 127/84).

Nicht berücksichtigt hat die Beklagte zudem, dass, sofern man der von ihr vorgetragenen Argumentation folgen würde, der Arbeitgeber zunächst feststellen müsste, ob die Gefahr besteht, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Hierfür sind jedoch die Unfallversicherungsträger zuständig (vgl. § 1 SGB VII). Auch ist keine Norm ersichtlich, aus der geschlossen werden könnte, dass die Unfallversicherungsträger die Feststellung hinsichtlich der in § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV beschriebenen Gefahr zu treffen und die Arbeitgeber aufgrund einer entsprechenden Feststellung geeignete Maßnahmen zu ergreifen hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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