L 1 V 29/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 V 39/98 BVG
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 V 29/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht

Die Klägerin ist die Witwe des am ... 1908 geborenen und am ... 1991 verstorbenen Beschädigten K ... H ... (H.). Mit Bescheid des Versorgungsamtes L ... vom 16. Dezember 1944 war bei H. aufgrund des Fürsorge- und Versorgungsgesetzes für die ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht bei besonderem Einsatz und ihre Hinterbliebenen in Verbindung mit den Vorschriften des Wehrmachtsfürsorge- und -versorgungsgesetzes eine "Zuckerharnruhr mittleren Grades" im Sinne der Verschlimmerung anerkannt worden. Bei dem Körperschaden: "Geringe Teilversteifung des linken 4. Fingers und des linken Schultergelenkes durch Inf.-Geschoß" liege eine Beschädigung bei besonderem Einsatz vor.

Auf Antrag des H. vom 25. April 1991, bei dem Beklagten eingegangen am 07. Juni 1991, bewilligte dieser der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin mit Bescheid vom 02. Oktober 1992 eine Beschädigtenversorgung für die Zeit vom 01. Januar 1991 bis 31. Juli 1991. Als Schädigungsfolgen wurden anerkannt:

2. Teilversteifung linkes Schultergelenk, linker vierter Finger. H. sei seit 01. Januar 1991 in seiner Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. gemindert gewesen.

H. verstarb laut Todesbescheinigung Dr. G ..., Facharzt für Innere Medizin in L ..., vom 12.07.1991 an einer akuten Linksherzinsuffizienz, der eine koronare Herzkrankheit mit kompensierter Herzinsuffizienz ursächlich zugrunde lag. Zur Zeit des Todes hätten als andere wesentliche Krankheiten ein Diabetes mellitus Typ I und eine Angioorganopathie vorgelegen. Eine Sektion wurde nicht durchgeführt.

Ein von der Klägerin am 26. Juli 1992 gestellter Antrag auf Hinterbliebenenversorgung, bei dem Beklagten eingegangen am 28. Juli 1992, hat der Beklagte mit Bescheid vom 25. März 1993 abgelehnt. H. sei an einer akuten Linksherzinsuffizienz bei bekannter koronarer Herzkrankheit und kompensierter Herzinsuffizienz verstorben. Ein medizinischer Kausalzusammenhang zwischen Tod und Schädigungsfolge "Diabetes mellitus (im Sinne der Verschlimmerung) und Teilversteifung linkes Schultergelenk, linker vierter Finger" müsse verneint werden. Eine Lebensverkürzung von mindestens einem Jahr durch Schädigungsfolge liege nicht vor. Der Antrag auf Hinterbliebenenversorgung nach § 38 BVG sei somit abzulehnen. Es habe auch kein Grad der Minderung im rentenberechtigendem Grade vorgelegen. Es habe auch kein Anspruch auf Pflegezulage wegen Schädigungsfolge und Nichtschädigungsfolge bestanden. Daher sei keine volle Witwenbeihilfe möglich. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre bzw. eine Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung sei nicht erkennbar. Der Antrag auf Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 48 BVG sei somit abzulehnen.

Ein von der Klägerin mit Schreiben vom 21. April 1993 eingelegter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1995). Die Klägerin erhob am 15. Juni 1995 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage (Az.: S 2 V 154/95). Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen, darunter die Akten des Gesundheitsamtes Leipzig.

Mit Urteil vom 23. Oktober 1997 hat das SG den Bescheid vom 25. März 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1995 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Hinterbliebenenversorgung ab 01. Juli 1992 zu leisten. Die dem Beteiligten zugestellte Urteilsausfertigung bestand aus zwei Seiten, auf der ersten war das Rubrum mit Urteilstenor enthalten, auf der zweiten die Rechtsmittelbelehrung. Die in den SG-Akten befindliche Urschrift ist nicht unterschrieben. Dieser Umstand beruhte auf einer länger dauernden Dienstunfähigkeit des zuständigen Richters.

Auf die von dem Beklagten gegen das Urteil des SG vom 23. Oktober 1997 beim Sächsischen Landessozialgericht am 18. Juli 1998 eingelegte Berufung (Az.: L 2 V 23/98) wurde das Urteil des SG vom 23. Oktober 1997 aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden habe (Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 28. Juli 1998).

Unter dem 13. November 1998 erließ der Beklagte einen ablehnenden Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch vom 21. April 1993 gegen den Bescheid vom 25. März 1993 zurückgewiesen wurde. Der Verstorbene habe bis zum Tod keinen Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen, Pflegezulage wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit, Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre gehabt. Witwenbeihilfe nach § 48 BVG könne deshalb nicht gewährt werden.

In dem beim SG nunmehr unter dem Az.: S 2 V 39/98 BVG geführten Rechtsstreit hat das SG mit Urteil vom 22. Januar 1999 den Bescheid vom 25. März 1993 in der Fassung Widerspruchsbescheide vom 24. Mai 1995 und 13. November 1998 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Hinterbliebenenversorgung gem. § 38 BVG ab 01. Juli 1992 zu leisten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, würdige man die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 19. Juli 1995, vom 01. Oktober 1996 und vom 10. Juli 1998, so sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte einen Zusammenhang zwischen dem bestehenden Diabetes mellitus und dem Tod durch akute Linksherzinsuffizienz nicht erkennen könne. Die inhaltlichen Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes sprächen eindeutig mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang. Im ersten Satz der Stellungnahme vom 19. Juli 1995 heiße es, es sei erstaunlich, dass bei jahrzehntelanger vorliegender Zuckerkrankheit überhaupt das Lebensalter von 82 Jahren erreicht worden sei. Deutlicher könne eigentlich die Tatsache, dass eine Zuckerkrankheit ein Risikofaktor sei, kaum beschrieben werden. Dann sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb die Behauptung, die Zuckerkrankheit habe zu einer Verkürzung der Lebenserwartung geführt, nicht aufrechterhalten werden könne.

Gegen das am 28. Juni 1999 zugestellte Urteil - Eingang des unterschriebenen Urteils bei der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Leipzig am 18. Juni 1999 - legte der Beklagte am 20. Juli 1999 beim Sächsischen Landesozialgericht Berufung ein.

Unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08. Juli 1999 ist der Beklagte der Ansicht, es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zum Tode führenden Leiden und den anerkannten Schädigungsfolgen. Nach neuesten medizinischen Erkenntnissen sei der Diabetes mellitus eine vom Wehrdienst unabhängige Erkrankung und es habe sich damals allenfalls im Rahmen der Verwundung um eine Exazerbation (vorübergehende Verstimmung) gehandelt, die dann mit Insulin behandelt worden sei. Der Diabetes mellitus sei allein nicht geeignet, eine schwerwiegende Koronarsklerose hervorzurufen, da es sich bei Diabetes mellitus um einen Risikofaktor zweiter Ordnung handele.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils bezogen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines kardiologischen Fachgutachtens von Dr. A ..., Chefarzt der II. Medizinischen Klinik des Städtischen Klinikums D ... In seinem Gutachten vom 02. Februar 2000 führt der Sachverständige unter anderem aus, bei dem Diabetes mellitus Typ I, der überwiegend in Jugendjahren und im jugendlichen Alter auftrete, handele es sich um einen primären Insulinmangel, der auf eine immunologisch bedingte Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zurückzuführen sei. Eine genetische Disposition sei bekannt, da er, wenn, bei 50 % der eineiigen Zwillinge auftrete. In seltenen Fällen sei es denkbar, dass Toxine, z. B. Alloxan, eine Schädigung der Beta-Zellen herbeiführten. Schwere Verletzungen, Verwundungen und/oder Operationen stellten keine Ursache für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ I dar. Den Oberarmdurchschuss mit nachfolgender Teilversteifung als Ursache des 1944 manife- Schädigungsfolge entsprechend dem BVG sei auch im Sinne einer Verschlimmerung nach unserem heutigen Wissen nicht haltbar. Insofern entspreche der Bescheid vom 02. Oktober 1992 nicht den heutigen medizinischen Vorstellungen über Pathophysiologie und Pathochemie des insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Es sei bekannt, dass ein langjähriger Diabetes mellitus zu einem so genannten Spätsyndrom führe, dass mit Arteriosklerose der großen Gefäße und mit einer Mikroangiopathie der Kapillaren und Arteriolen einhergehe. Der Tod des H. im 83. Lebensjahr könne nicht ausschließlich auf den Diabetes mellitus zurückgeführt werden, so dass Versorgungsleiden und Todesleiden nicht tatsächlich gleichzusetzen seien. Ein ursächlicher Zusammenhang sei möglich, bei den bekannten epidemiologischen Daten, nach denen Männer, die derzeit in Deutschland geboren werden, eine Lebenserwartung von 74 Jahren haben, aber nicht mit hinlänglicher Sicherheit zu begründen. Eine Aussage zur voraussichtlichen Lebenserwartung des H., wenn der Risikofaktor Diabetes mellitus nicht bestanden hätte, sei rein spekulativ und könne deshalb nicht getroffen werden. Gehe man davon aus, dass bei H. durch Diät und Insulin eine sehr gute Stoffwechseleinstellung vorgelegen habe, sei es außerdem denkbar, dass andere Risikofaktoren, wie Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck abgebaut worden seien, die sich dann selbst positiv auf die Lebenserwartung ausgewirkt haben könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG mit Urteil vom 22. Januar 1999 den Bescheid des Beklagten vom 25. März 1993 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 24. Mai 1995 und 13. November 1998 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Hinterbliebenenversorgung gem. § 38 BVG ab 01. Juli 1992 zu leisten. Es besteht weder ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 BVG noch einer Witwenbeihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG.

Der Anspruch auf Witwenrente nach § 38 Abs. 1 BVG besteht nicht, weil nicht festgestellt werden kann, dass H. an den Folgen einer Schädigung verstorben ist.

Gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG gilt der Tod stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, dass als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Diese Rechtsvermutung gilt stets dann, aber auch nur dann, wenn ein Leiden, für das dem Beschädigten im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war, den Tod verursacht hat, d. h. wenn das Todesleiden dem Rentenleiden entspricht (Förster in Wilke/Fehl/Förster/Leistner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 38 BVG, Rdnr. 16). Die Rechtsvermutung greift auch ein, wenn das anerkannte Versorgungsleiden den Tod nur mittelbar verursacht hat (Förster, a. a. O., § 38 BVG, Rdnr. 17). Mangels Vorliegen eines Sektions- bzw. Obduktionsprotokolles ist H. laut Todesbescheinigung vom 12. Juli 1991 an einer akuten Linksherzinsuffizienz als Folge von koronarer Herzkrankheit mit kompensierter Herzinsuffizienz verstorben. Weder die im Bescheid des Beklagten vom 02. Oktober 1992 anerkannte Schädigungsfolge Diabetes mellitus (im Sinne der Verschlimmerung) noch die anerkannte Schädigungsfolge Teilversteifung des linken Schultergelenkes und des linken vierten Fingers stellen sich damit als Todesleiden dar.

Die festgestellten Schädigungen haben auch nicht mittelbar den Tod verursacht. Der Senat folgt den überzeugenden, nachvollziehbaren und im Ergebnis schlüssigen Ausführungen im Gutachten Dr. A ... vom 02. Februar 2000. Bei dem Diabetes mellitus Typ I, der überwiegend in Jugendjahren und im jugendlichen Alter auftritt, handelt es sich um einen primären Insulinmangel, der auf eine immunologisch bedingte Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zurückzuführen ist. Die Diabetes mellitus ist eine Erkrankung mit genetischer Grundlage (vgl. Fritze (Hrsg.), Die ärztliche Begutachtung, 5. Aufl., S. 612; Marx/Klepzig (Hrsg.), Medizinische Begutachtung innerer Krankheiten, 7. Aufl., S. 401). In seltenen Fällen ist es denkbar, dass Toxine eine Schädigung der Beta-Zellen herbeiführen können. Prinzipiell möglich ist auch eine traumatische Entstehung eines Diabetes mellitus, aber äußerst selten. Durch das Trauma müsste eine weitestgehende Zerstörung des Pancreas eingetreten sein, wobei zwischen Trauma und nachfolgendem Diabetes eine unmittelbare zeitliche Beziehung bestehen muss, die auf etwa drei Monate festgesetzt wird (vgl. Marx/Klepzig (Hrsg.), a. a. O., S. 406; Fritze (Hrsg.), a. a. O., S. 616). Ein derartiges Trauma ist hier jedoch nicht nachgewiesen. Schwere Verletzungen, Verwundungen und/oder Operationen stellen keine Ursache für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ I dar. Insofern kann der Oberarmdurchschuss mit nachfolgender Teilversteifung nicht Ursache des 1944 manifestierten Diabetes mellitus sein. Nach dem heutigen medizinischen Wissensstand ist dieser daher weder als Schädigungsfolge noch als Folge i. S. einer Verschlimmerung anzusehen. Gleichwohl ist ein Diabetes mellitus als Schädigungsfolge anerkannt. Es ist bekannt, dass ein langjähriger Diabetes mellitus zu einem so genannten Spätsyndrom führt, das mit Arteriosklerose der großen Gefäße und mit einer Mikroangiopathie der Kapillaren und der Arteriolen einhergeht. Während die Arteriosklerose, die typischen Krankheitsbilder wie Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere arterielle Durchblutungsstörung hervorruft, kann die Mikroangiopathie zur Erblindung, zu Nervenschäden und zu Nierenversagen führen. Die Arteriosklerose der großen Gefäße beim Diabetiker unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der bei stoffwechselgesunden Personen und ist somit nicht diabetesspezifisch. Allerdings treten diese Veränderungen bei Diabetikern früher auf. Andererseits finden sich bei Nichtdiabetikern aufgrund anderer Risikofaktoren, die durchaus nicht in jedem Fall gemeinsam vorliegen müssen, frühzeitige Gefäßerkrankungen, die zu den bekannten Komplikationen führen können. 50 % der Todesfälle sind auf eine Herz-, Kreislauferkrankung zurückzuführen, diese gehen keineswegs immer mit einem Diabetes einher. Der Tod des H. kann nicht ausschließlich auf den Diabetes mellitus zurückgeführt werden. Ein ursächlicher Zusammenhang ist möglich bei den bekannten epidemiologischen Daten, nach denen Männer, die derzeit in Deutschland geboren werden, eine Lebenserwartung von 74 Jahren haben, aber nach Überzeugung des Senats nicht mit hinlänglicher Sicherheit zu begründen. Bis auf das Zigaretten rauchen bis 1965 und den Diabetes mellitus sind bei H. keine weiteren Risikofaktoren bekannt. Ganz allgemein gilt, dass beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren Gefäßerkrankungen sich frühzeitiger und rascher entwickeln. Zigaretten rauchen hatte in dem zu beurteilenden Fall ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung der Gefäßerkrankung. Die Tatsache, dass 1968 noch keine Durchblutungsstörungen bekannt waren, schließt nicht aus, dass der arteriosklerotische Gefäßprozess bereits vorher begonnen hat. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob sich bei Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ II eine andere Betrachtungsweise ergeben hätte. Das Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ II bei H. ist jedoch nicht nachgewiesen. Die vom SG beigezogenen ärztlichen Unterlagen, die einen Diabetes mellitus Typ II angeben, betreffen die Klägerin selbst.

Stirbt der Beschädigte an einem Leiden, dass nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt war, trifft die Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG nur zu, wenn die Verschlimmung für den Tod ursächlich geworden ist (vgl. Förster, a. a. O., § 38 BVG, Rdnr. 19 m. w. N.). Der im Sinne einer Verschlimmerung als Schädigungsfolge anerkannte Diabetes mellitus ist jedoch nicht für den Tod des H. ursächlich geworden. Zur Bejahung eines ursächlichen Zusammenhangs genügt die Wahrscheinlichkeit, § 1 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 BVG. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (Fehl in Wilke/Fehl/Förster/Leistner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 1 BVG Rdnr. 65). Unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles spricht nach Überzeugung des Senats insgesamt mehr dagegen als dafür, dass der im Sinne einer Verschlimmerung als Schädigungsfolge anerkannte Diabetes mellitus ursächlich am Todesleiden des H. gewesen ist.

Nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz (VV) zu § 38 Nr. 1 Satz 2 ist der Tod auch dann als Folge einer Schädigung anzusehen, wenn der Beschädigte ohne die Schädigungsfolgen mindestens ein Jahr länger gelebt hätte. Dabei kommt es darauf an, ob der Tod des Beschädigten erheblich - in der Regel ein Jahr - früher eingetreten ist, als sonst in Kenntnis aller anderen für ihn bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - außer der Schädigungsfolge - zu erwarten gewesen wäre (BSG SozR 3100 § 1 BVG Nr. 21). Eine Aussage zur voraussichtlichen Lebenserwartung des H., wenn der Risikofaktor Diabetes mellitus nicht bestanden hätte, wäre rein spekulativ und kann deshalb nicht getroffen werden. Geht man davon aus, dass bei H. durch Diät und Insulin eine sehr gute Stoffwechseleinstellung vorlag, ist es sogar denkbar, dass andere Risikofaktoren, wie Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck abgebaut wurden, die sich dann selbst positiv auf die Lebenserwartung ausgewirkt haben könnten.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Witwenrente, wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Wie o. a. ausgeführt, ist H. jedoch nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben.

Ebenso wenig besteht ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG.

Ist ein rentenberechtigter Beschädigter nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben, so ist der Witwe eine Witwenbeihilfe zu zahlen, wenn der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung insgesamt mindestens um den in § 48 Abs. 1 genannten Vomhundertsatz gemindert ist, § 48 Abs. 1 Satz 1 BVG. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf eine Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen oder wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage hatte oder der Beschädigte mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich wegen eines Einkommensverlustes i. S. d. § 30 Abs. 4 oder auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 hatte, § 48 Abs. 1 Satz 5 und 6 BVG. Der Beschädigte hatte weder einen Anspruch auf die Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen noch einen Anspruch auf Pflegezulage wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit. Ein Beschädigter gilt als erwerbsunfähig, der in seiner Erwerbsunfähigkeit um mehr als 90 v. H. beeinträchtigt ist, § 31 Abs. 3 Satz 2 BVG. H. war in seiner Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. gemindert.

Der Beschädigte hatte auch keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich, ein solcher ist ihm nicht gewährt worden. Ein Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich ist ohne eine Gewährung dieser Leistung zwar auch dann als gegeben anzusehen, wenn beim Beschädigten die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Berufsschadenausgleich nach dem Inhalt der über ihn geführten Versorgungsakten auf den ersten Blick für jeden Kundigen klar erkennbar während wenigstens fünf Jahre bestanden haben und wenn sich dieses der Verwaltung aufdrängen musste (BSGE 71, 68, 69; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999, Az.: B 9 V 11/99 R). Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 ein Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H. des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes (Abs. 4) oder, falls es günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Abs. 6. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen, § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG. Ausgehend von dem beruflichen Werdegang des H., wie er von der Klägerin unter dem 25. September 1992 geschildert wurde, hat er keinerlei Ausbildung absolviert. Von 1923 bis 1926 war er als Landarbeiter, danach bis 1933 als Wirtschaftsgehilfe, von 1934 bis 1938 als Tiefbauarbeiter, danach bis 1939 als Arbeiter, ab 1940 als Gießer tätig, im Zeitraum von 1942 bis 1945 leistete er Militärdienst, von 1946 bis 1954 war er als Gießer sowie von 1954 bis 1975 als Schlosser beschäftigt. Die vor der Kriegsteilnahme ausgeübte Tätigkeit als Gießer hat der Beschädigte auch nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst ausgeübt. Er hat also seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf auch nach Eintritt der Schädigung wieder ausgeübt. Ein Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich hat daher "offensichtlich" oder "für jeden Kundigen klar erkennbar" nach Überzeugung des Senats nicht bestanden.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 BVG. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung nicht gehindert, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine konkrete "Versorgungslücke" i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 BVG ist nicht erkennbar. Nur eine "Versorgungslücke" in der abgeleiteten Hinterbliebenenversorgung kann einen Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe auslösen, nicht dagegen die Beeinträchtigung der eigenen Versorgung (Förster in Wilke/Fehl/Förster/Leistner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 48 BVG, Rdnr. 5). Ein konkreter anderer Beruf, den H. ohne die Schädigungsfolgen nach Kriegsende ausgeübt hätte ("Hätte-Beruf") wurde weder von H. noch von der Klägerin benannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision waren für den Senat nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved