L 1 VG 2/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 12 VG 5/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VG 2/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. März 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob den Klägern als gesetzlichen Erben nach ihrer verstorbenen Mutter ... (S.) Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opfer- entschädigungsgesetz - OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.

Die Kläger sind die gesetzlichen Erben der im Juli ... geborenen und am 25. Mai 2001 verstorbenen S., die im September 1992 mit ihrem damaligen Ehemann, dem kubanischen Staatsangehörigen ... (M.), mit dem sie von 1988 bis 11. Dezember 1992 (nach eigenen Angaben der S.) verheiratet war, ein Einfamilienhaus in ...bewohnte.

Am 18. September 1992 gegen ... Uhr wurde S. im Kreiskrankenhaus B ... stationär aufgenommen, in das sie von M. (in Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann) mit dem Pkw transportiert wurde. Nach dem Aufnahmebefund vom 18. September 1992 war S. beim Eintreffen in der Ambulanz des Krankenhaus orientiert, wach und kooperativ. Nach einem Unfallprotokoll des Kreiskrankenhauses B ... vom 18. September 1992 war sie bei Aufnahme ansprechbar und zum Unfallereignis orientiert. In der Anamnese des Protokolls wird angegeben: "Beim Spielen (?) mit einer Schreckschusspistole löste sich ein Schuss, Pat. danach die Treppe heruntergestürzt." Nach Primärversorgung mehrerer zerfranster, stark blutender Kopfplatzwunden rechtstemporal und oxipital sowie von zwei kleineren Kopfplatzwunden im Stirnbereich und im Bereich des linken Mundwinkels sowie provisorische Erhebung eines rechtstemporal und ca. 6 mm nach zentralimprimierten knöchernen Fragments zur Druckentlastung des Hirns wurde im Ergebnis eine Schädelberstungsfraktur diagnostiziert. Am 19. September 1992 wurde S. zur definitiven Versorgung der ausgedehnten, instabilen Schädelberstungsfraktur in das Städtische Krankenhaus D ... verlegt. In einem Schreiben des Kreiskrankenhauses B ... an die damalige Verfahrensbevollmächtigte der S., RAin Sch ... in B ..., vom 16. Oktober 1992 wurde ausgeführt, nach Aussagen des M. habe S. am 18. September 1992 beim Spielen mit einer Schreckschusspistole eine schwere Körperverletzung durch einen unerwartet brechenden Schuss erlitten. M. habe dem Aufnahmearzt mitgeteilt, S. sei nach dem ungewollten Auslösen des Schusses eine Treppe heruntergestürzt. In einem Bericht des Kreiskrankenhauses B ... vom 01. Dezember 1991 (gemeint ist wohl 1992) an Dr. R ..., Facharzt für Allgemeinmedizin in S ..., wurde ausgeführt, zur Ursache der schweren Körperverletzung der S. lägen unterschiedliche Aussagen vor. Nach Darstellung des Lebensgefährten habe sich die S. die Verletzung beim Spielen mit einer Schreckschusspistole zugezogen. Durch einen unerwartet brechenden Schuss sei S. erschrocken und eine Treppe heruntergestürzt. Später sei diese Aussage des Lebensgefährten durch die S. als unwahr dargestellt worden.

Unter dem 22. September 1992 stellte die RAin Sch ... Strafanzeige wegen des Verdachtes des versuchten Totschlages an S., begangen durch M. Dieser gab im Ermittlungsverfahren im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung durch die Kriminalpolizeiinspektion B ... am 22. September 1992 unter anderem an, am Freitag, den 18. September 1992 seien sie gegen 9.00 Uhr aufgestanden. In der Wohnung seien nur er und seine Frau gewesen. Man habe gemeinsam gefrühstückt. Nach dem Frühstück habe seine Frau mit ihrer häuslichen Tätigkeit begonnen, er habe sich in sein Arbeitszimmer begeben. S. habe ihm jetzt Vorhaltungen wegen des Kostgelds gemacht, was er noch nicht bezahlt gehabt hätte. Er habe ihr erklärt, dass er die Versandhauskosten für einen Radiorekorder und eine Zeitschrift bezahlt habe. Im Anschluss habe sie ihm gesagt, dass er nur an sich denken würde und niemals an sie. Er habe seiner Frau gesagt, dass er auch etwas für sie gekauft habe. Dieses Gespräch habe in ihrem Flur stattgefunden. Im weiteren Verlauf habe er sich in das Arbeitszimmer begeben, sei dort an den Schrank gegangen, der sich in der Nähe des Fensters befinde, und habe dort einen abgelegten Trommelrevolver herausgenommen. Diesen Revolver habe er am 15. September 1992 in B ... käuflich erworben. Dazu habe er 50 Schuss Knallpatronen und 6 Gaspatronen gekauft, ebenfalls noch einiges Zubehör. Bei der Waffe handele es sich um einen Gas-Knall- Revolver. "Mit diesem genannten Revolver ging ich jetzt aus meinem Arbeitszimmer auf unseren Flur. Ich hatte den Revolver mit 6 Patronen geladen. Der Revolver war bestückt mit 2 Knallpatronen/Metall hell und 4 Gaspatronen/Metall dunkel. D.h. die Trommel war voll geladen. Geladen hatte ich die Waffe bereits Tage vorher, wann, weiß ich nicht mehr. Ich hatte die Waffe in der rechten Hand. Der Lauf zeigte nach rechts von meinem Körper weg. In dieser Stellung zeigte ich die Waffe meiner Frau. Bemerken möchte ich noch, dass ich den Finger vermutlich am Abzug hatte. Wiederum ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man bei einer Inhandnahme einer Waffe den Finger automatisch an den Abzug legt, so war es auch bei mir der Fall. Meine Frau musste jetzt offensichtlich erschrocken sein, denn sie griff mit beiden Händen nach meiner rechten Hand. Hierbei kam es dazu, dass der Lauf aufgrund des Zugriffes gegen ihre Person zeigte. Bedingt durch das Zugreifen wurde der Abzug getätigt und es brach der Schuss. Ob meine Frau mit einem ihrer Finger in den Abzugshahn gekommen ist, oder meinen Finger im Abzugshahn nach hinten geschoben hat, weiß ich nicht. Auf alle Fälle hatte zu diesem Zeitpunkt der Revolverlauf oberhalb ihrer Brust, etwa Halshöhe gezeigt. Nach meiner Schätzung wird der Abstand zwischen Laufendung und ihrem Körper einen halben Meter etwa betragen haben. Die Pistole entglitt sofort unseren Händen und fiel auf den Fußboden. Ich selbst machte einen Schritt nach hinten, weil ich erschrocken war. Meine Frau selbst war nach hinten gefallen und lag mit dem Kopf an der Tür. Es handelt sich um die Tür zwischen Flur und Vorraum. Die Tür lässt sich öffnen in Richtung Flur. Gegen diese Tür war meine Frau vom Flur aus gefallen. Vermutlich muss sie bei dem Umfallen mit dem Hinterkopf gegen die Türklinke gefallen sein. Ich stellte fest, als sie aufstand, dass sie am Kopf blutete. Bedingt durch den Schuss war im Zimmer eine Nebelwand, der sehr beißend war. Atmen und Sehen war erschwert. Meine Frau versuchte, an das Fenster im Flur zu kommen, schaffte es aber nicht. Ich bemerkte das und sagte zu ihr, dass sie ruhig sein soll. Ich begab mich in die Küche, wusch mir die Augen mit Wasser aus und ging mit einem Behälter Wasser zu meiner Frau in den Flur. Hier habe ich ihr das Wasser in das Gesicht geschüttet, damit sie wieder sehen und Luft holen kann. In der Wohnstube öffnete ich das Fenster zum Zweck der Belüftung. Zwischenzeitlich begab sich meine Frau an die Tür zwischen Flur und Arbeitszimmer. Es ist die Tür, die in den Keller führt. Die Tür war wie immer offen. Als ich nach dem Fensteröffnen aus der Stube kam, hörte ich im Keller ein Geräusch, dass sich anhörte, als ob meine Frau gefallen wäre. Ich begab mich in den Keller, lief die Betontreppe hinunter und sah meine Frau unterhalb der Treppe liegen. Sie lag auf dem Rücken, die Beine zum Teil noch auf der Treppe und der Kopf an einem Trabantmotorgehäuseteil. Ob sie mit dem Kopf gegen das Gehäuseteil gefallen ist, weiß ich nicht, vermute es aber, weil das Gehäuse voll Blut war. Ich nahm meine Frau über meine Schulter, weil sie nicht laufen konnte und versuchte, sie nach oben zu tragen. Etwa in Treppenmitte entglitt sie mir und fiel noch einmal die Treppe herunter. Wie sie jetzt genau gefallen ist, kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle lag sie da mit dem Kopf nach unten. Erneut ergriff ich sie und trug sie über meinen Schultern nach oben in den Flur und legte sie auf den Fußboden vor dem dortigen Schrank ab. Zum Zwecke der Belüftung habe ich jetzt die Flur-Vorraum-Tür geöffnet. Ich habe jetzt meiner Frau mit Wasser das Gesicht gesäubert. Vom Schrank nahm ich eine Binde und verband ihr damit den Kopf. Geblutet hat sie an der Stirn und am Hinterkopf. Ich zog mir jetzt ein Hemd über und holte unseren Pkw Trabant aus der Garage. Die Kleidung meiner Frau wurde nicht gewechselt. Meine Frau brachte ich in das Kreiskrankenhaus nach B ... Dort habe ich erzählt, dass es einen Unfall mit einer Gaspistole gab, meine Frau verletzt ist und ich Hilfe benötige ... Als ich meine Frau am Freitag ins Krankenhaus brachte, war sie teilweise bei Bewusstsein. Sie gab mir teilweise Antwort auf meine Fragen. Allerdings muss ich bemerken, war meine Frau nach der Schussabgabe und während ihres Aufenthaltes noch in der Wohnung teilweise sehr stark benommen. Nach dem Kellersturz war sie bewusstlos. Die Bewusstlosigkeit lies erst nach, als ich ihr im Flur mit Wasser das Gesicht wusch ... Ich habe die Waffe zu meiner eigenen Sicherheit gekauft, weil ich kubanischer Staatsbürger bin ... Vorgebracht hatte ich die Waffe aus dem Arbeitszimmer nur zu dem Zweck, um sie meiner Frau zu zeigen ... Das war alles ein Unfall. Ich wollte meine Frau nicht bedrohen oder verletzen. Ich wollte ihr nur die Pistole zeigen und ihr schenken für ihre Sicherheit. Ich liebe meine Frau und aus diesem Grunde würde ich meine Frau niemals verletzen. Ich weiß, dass meine Frau auch in nervenärztlicher Behandlung ist, bei welchem Arzt, weiß ich nicht. Ich möchte noch bemerken, nach diesem Unfall habe ich meine Frau selbst ins Krankenhaus gebracht, weil ich sie nicht verlieren wollte und ich habe alles getan bei meiner ersten Hilfe. Ich fühle mich für diesen Unfall nicht schuldig ... Die Kellertür vom Flur in den Keller ist fast immer auf, ich berichtige, ist immer auf ... Ich möchte, dass meine Frau zu diesem Sachverhalt gehört wird, damit meine Angaben bestätigt werden können ...". Wegen der weiteren Angaben des M. wird auf das Vernehmungsprotokoll vom 22. September 1992 auf Bl. 24 bis 34 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B ... (AZ: ...) verwiesen.

S. hat am 25. September 1992 bei ihrer polizeilichen Vernehmung unter anderem angegeben, es sei fortlaufend auch zu Auseinandersetzungen zwischen ihr und M. gekommen. Sie selbst habe 1990 beim Kreisgericht B ... die Ehescheidung eingereicht, da es nur noch zu Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten gekommen sei. So habe sie erfahren, dass M. versuche, fortlaufend an Geld zu kommen, mit welchem er seine Frau und sein Kind in Kuba habe unterstützen wollen. Zur Zeit werde ein Dreiecksverhältnis zwischen ihnen praktiziert. Nach Einreichen der Scheidung und Ausspruch des Trennungsjahres 1991 habe sie ihr Mann bei Auseinandersetzungen zum Teil wörtlich, zum Teil auch tätlich psychisch fertig gemacht, so dass sie einen Arzt habe aufsuchen müssen. Als sie im April 1991 ihrem Mann erzählt habe, dass sie den Klägern ihr Haus überschrieben habe, habe er sie sehr misshandelt, d. h. er habe sie mit Händen und Fäusten am ganzen Körper geschlagen. Sie habe auch am ganzen Körper Hämatome gehabt. Nach Einreichung der Scheidung habe M. mehrfach gedroht, sie umzubringen, falls sie die Scheidung nicht zurückziehe. Er habe sinngemäß gesagt, dass ihr Leben in einer Tragödie enden werde. M. habe sie psychisch unter Druck gesetzt und sie gezwungen, die Scheidung wieder zurückzuziehen. Bis in die letzte Zeit habe sie M. immer wieder unter Druck gesetzt, psychisch und auch physisch in Form von Tätlichkeiten und Schlägen, dass sie sich ja nicht von ihm trennen solle. Sie nutzten einen Raum als Arbeitszimmer, der sich direkt neben dem Kelleraufgang befinde, die Tür zu diesem Arbeitszimmer befinde sich rechts neben der Kellertür. Diesen Raum nutze jetzt M. als seinen Wohnraum. Dort habe er seine Waffen "drin", d. h. eine Armbrust, zwei Metallhandschellen, eine Sprühflasche Reizgasspray, ein langes Samurai-Schwert sowie ein Gerät, das M. direkt in Spanien gekauft habe (2 runde Holzstäbe, welche mit einer Eisenkette an je einem Ende verbunden sind). Des Weiteren habe sie in seinem Arbeitszimmer einen sogenannten Elektroschocker gesehen. Eine Pistole im Besitz ihres Mannes sei ihr nicht bekannt. M. habe jedoch schon einmal eine Pistole 1991 zum Scheidungstermin, die er sich von einem Versandhaus für über 200,00 DM habe schicken lassen, mitgenommen. An dem Scheidungstermin sei vom Gericht festgelegt worden, dass er diese Pistole sofort dem Versandhaus wieder zurückschicken solle, da er sie damit auch schon mehrfach bedroht und sie auch Angst vor dieser Pistole gehabt habe. Diese Pistole habe er auch nachweislich wieder an das Versandhaus zurückgeschickt. Seit diesem Zeitpunkt habe sie bei ihm keine Pistole mehr gesehen.

Ferner hat sie ausgesagt: "Zu dem direkten Ereignis am Freitag, dem 18.09.1992, kann ich mich kaum erinnern. Dies wird wahrscheinlich aufgrund der Schockeinwirkung sowie meiner schweren Kopfverletzung sein. Ich weiß nur noch, dass ich aus irgendeinem Grund an diesem Freitag, den 18.09.1992, in den Flur kam, dort mit einem Mal eine große Gaswolke stand und ich ein Fenster im großen Flurraum rechts neben der Eingangstür mit meiner Faust bzw. mit meinen Fäusten zerschlagen wollte, dies gelang mir aber nicht. Wie es zu dieser Qualmwolke kam, weiß ich nicht. Mir wurde die Beschuldigtenvernehmung meines Ehemannes L ... vom 22. September 1992 wörtlich vorgelesen. Hierzu muss ich sagen, dass mein Ehemann hier eine Lüge gegenüber der Kriminalpolizei ausgesprochen hat, da er mir niemals eine Pistole kaufen wollte zu meinem Schutz und ich auch keine Pistole zu meinem eigenen Schutz benötige. Im Gegenteil, ich benötige Schutz vor meinem eigenen Ehemann, da er mich fortlaufend bedroht und massive Morddrohungen gegenüber meiner Person ausspricht ... Es könnte jedoch sein, dass mein Mann mich mit dieser Pistole (Knall- bzw. Gaspistole) am 18.09.1992 im Flur meines Wohnhauses, an die Zeit kann ich mich nicht mehr erinnern, auf den Kopf geschlagen hat. Genaueres hierzu jedoch weiß ich nicht ... An weitere Dinge, welche am Freitag, den 18.09.1992 abgelaufen sind in meinem Haus zwischen mir und meinem Mann, Herrn L ..., kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern. Meine letzte Erinnerung ist nur noch, wie ich in dem vergasten Flurraum stehe und versuche, mit beiden Fäusten die Fensterscheibe rechts neben der Tür einzuschlagen, was mir nicht gelang. Warum ich in den Flur gekommen bin, wie ich in das Krankenhaus gekommen bin, wer mich in das Krankenhaus geschafft hat, entzieht sich alles meiner Kenntnis. Ich glaube auch nicht, dass ich zwischendurch einmal das Bewusstsein wiedererlangte. Demnach muss ich im Flur, als ich versuchte, die Fenster einzuschlagen, das Bewusstsein verloren haben. Mir ist auch nicht bekannt, wie mein Mann in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 22.09.1992 sagte, dass ich gegen eine Tür mit dem Hinterkopf gefallen bin. Dieses weiß ich nicht und es kann auch nicht sein, da ich versuchte mit beiden Händen das Fenster neben der Tür einzuschlagen, damit eventuell frische Luft hereinkommt. Ich glaube auch, ich wollte das Fenster einschlagen, damit ich um Hilfe rufen konnte, da meine Mutter direkt im Grundstück nebenan wohnt. Es wäre auch die Richtung gewesen. Daraus kann ich nur schließen, dass mein Mann mich tätlich angegriffen haben muss ... Mein Ehemann M ... sagte, dass die Kellertür in meinem Haus ständig offen steht. Dies entspricht nicht ganz der Wahrheit, da sie auch oft verschlossen ist, d. h. die Tür ist zugeklinkt ... Wenn mir gesagt wird, durch den vernehmenden Kriminalisten, dass im Keller unterhalb der letzten Kellerstufe ein Motorblock eines Pkw Trabant steht, so kann ich nur dazu sagen, dass dieser vorher noch nicht dort gestanden hat. Ich selbst habe den Motorblock auch noch nie dort unten stehen sehen. Hierzu muss ich sagen, dass mein Mann ständig außerhalb des Hauses in der Nähe des Kaninchenstalles Motorenteile sowie Motoren des Trabants abstellt und auch dort an diesen herumbastelt. Es wäre durchaus möglich, dass er mich erst im Flur geschlagen hat und die Treppe hinuntergestoßen hat zum Keller und hinterher, um seine Schuld zu verdecken, im Nachhinein den Motorblock dort hingezogen hat. Denn er hatte noch nie irgendwelche Pkw-Teile im Keller stehen und bastelte auch nie im Keller an irgendwelchen Teilen herum ...". Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes der Aussage der S. wird auf Bl. 53 bis 62 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B ... verwiesen.

In einer weiteren Zeugenvernehmung gab S. am 21. Oktober 1992 zu Protokoll, am 18. September 1992 habe sie M. morgens überhaupt nicht gesehen. Es könne gegen 8.00 Uhr gewesen sein, als sie aus der Küche in den Flur ging. Dort habe sie einen beißenden Geruch wahrgenommen, nach dem sofort Übelkeit bei ihr einsetzte. Aus diesem Grunde habe sie die Haustür öffnen wollen, um Frischluft in das Haus hineinzulassen. An der Haustür angekommen habe sie bemerkt, dass ihr Schlüsselbund, der sonst immer an der Haustür von innen gesteckt habe, nicht mehr dagewesen sei. Deshalb habe sie versucht, das Fenster neben der Hauseingangstür einzuschlagen. Sie habe es deshalb einschlagen wollen, da dies immer schwer zu öffnen sei. Es sei ihr nicht gelungen, das Fenster mit den Händen einzuschlagen. Ab diesem Moment habe sie keinerlei Erinnerung mehr an die folgenden Geschehnisse.

Ferner wurde der Kläger zu 2. am 23. September und am 25. September 1992 als Zeuge vernommen. Unter dem 25. September 1992 sagte er unter anderem aus: "Meine Mutter wollte von mir nun wissen, was überhaupt in der Wohnung mit ihr vorgefallen sei. Ich sagte ihr, dass ich dies nicht wisse, weil ich nicht dabei war. Gesagt habe ich ihr allerdings, dass sie soll die Kellertreppe heruntergefallen sein. Hierzu meine Mutter, es wäre ihr unbegreiflich, dass sie da allein heruntergefallen sei. Nun stellte mir meine Mutter die Frage, ob sie geblutet habe. Ich sagte ja, im Flur sei Blut gewesen. Meine Mutter sagte mindestens zweimal, sie könne sich nicht erklären, dass sie von ihrem Mann so geschlagen worden wäre, es hätte doch keinen Streit zwischen ihm und ihr gegeben. Diese Äußerung, dass kein Streit stattgefunden hat, wiederholte sie mehrmals. Meine Mutter zeigte mir einen ihrer Oberarme und sagte dazu, dass dieser ganz blau sei. Sie konnte sich nicht erinnern, wie das passiert ist." Wegen des Inhalts der Aussage des Klägers zu 2. wird auf Bl. 42 bis 51 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B ... verwiesen.

Von Dr. B ..., Facharzt für gerichtliche Medizin am Institut für gerichtliche Medizin der Medizinischen Akademie "C ..." D ..., ließ die Staatsanwaltschaft B ... ein gerichtsmedizinisches Gutachten erstellen. In seinem Gutachten vom 15. September 1993 gelangte er zu folgender Beurteilung: Die Beurteilung der Verletzung der Kopfschwarte sei dem Gutachter aus eigener Ansicht nicht möglich. Nach dem Bericht der erstuntersuchenden Ärzte im Krankenhaus B ... habe es sich um ausgefranste Kopfplatzwunden gehandelt. Diese Wunden seien das Zeichen einer oder mehrerer stumpfer Gewalteinwirkungen auf den Schädel. Sie könne sowohl durch einen Sturz als auch durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand entstanden sein. Ein Treppensturz, wie im vorliegenden Fall beschrieben, sei geeignet, derartige Verletzungen hervorzurufen. Der klinisch beschriebene Schädeleinbruch sei die Folge einer erheblichen stumpfen Gewalteinwirkung auf den Schädel. Sie sei nicht typisch für einen Sturz auf eine ebene Fläche. Ein Sturz auf eine Kante oder ein Schlag mit einem kantigen Gegenstand seien geeignet, einen Schädeleinbruch zu erzeugen. Auch der beschriebene Sturz auf ein Motorgehäuse könne die Ursache für diesen Bruch sein. Die beschriebenen Platzwunden an der Stirn und die Weichteilunterblutungen im Bereich der rechten Schulter vorn, des linken Beckenkamms und des linken Schienbeines seien durch ein Sturzgeschehen zu erklären. Sie lägen ausschließlich an sogenannten prominenten Körperstellen. Die kleinere Platzwunde am linken Mundwinkel sei durch ein einfaches Sturzgeschehen schwer erklärbar, könnte jedoch durch das Aufschlagen an hervorspringende Teile des Motorgehäuses entstanden sein. Da sie jedoch nicht in der gleichen Ebene wie die beschriebene Schädelverletzung liege, sei ihre Entstehung schwer durch den gleichen Vorgang zu erklären. Hier sei in erster Linie an eine Schlageinwirkung zu denken. Bei der Schädel-Hirn-Verletzung handele es sich um eine schwere Verletzung, die durchaus als lebensgefährlich eingestuft werden könne. Die beschriebenen Verletzungen im Bereich des Gesichtes und des Rumpfes sowie am linken Schienbein seien als Bagatellverletzung zu bezeichnen, sie führten zu keinem Dauerschaden und zu keiner bleibenden Entstellung. Inzwischen seien sämtliche Verletzungen verheilt. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass alle Verletzungen durch ein Treppensturzgeschehen mit Aufschlagen auf ein Motorgehäuse zu erklären seien, wenn der Sturz mit hoher Beschleunigung (z. B. Schubs oder Stoß) erfolgt sei. Schlageinwirkungen sowohl auf den Körper als auch auf den Kopf könnten aus gerichtsmedizinischer Sicht jedoch nicht ausgeschlossen werden. der Staatsanwaltschaft B ... vermerkte in einer Verfügung vom 06. Dezember 1993, versuchter Mord oder versuchter Totschlag seien dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, da nicht auszuschließen sei, dass er von einem allenfalls begonnenen Tötungsversuch mit strafbefreiender Wirkung gem. § 24 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zurückgetreten sei, weil er (bei einem etwa unbeendeten Tötungsversuch) die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben oder (bei einem etwa bereits beendeten Tötungsversuch) deren Vollendung jedenfalls dadurch verhindert habe, dass er das Opfer seiner Tat alsbald nach Erhalt der lebensgefährlichen Kopfverletzung selbst ins Kreiskrankenhaus B ... in ärztliche Behandlung verbracht habe, wo das Leben der schwer verletzten Frau sodann habe gerettet werden können. Im Übrigen sei wegen Fehlens geeigneter Beweismittel eine vorsätzliche Misshandlung der Verletzten durch den Beschuldigten nicht beweisbar, da die Verletzte selbst verletzungsbedingt keine Erinnerung an den Tathergang habe, sonstige Tatzeugen nicht zur Verfügung ständen, die Schädelverletzung nach der gutachterlichen Stellungnahme des Institutes für gerichtliche Medizin vom 15. September 1993 sturzbedingt sein könne und der Beschuldigte eine vorsätzliche Verletzungshandlung am Tattage entschieden in Abrede gestellt habe. Soweit das Verhalten des Beschuldigten auch den Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) erfülle, werde die Strafverfolgung unter Ausscheidung dieses Vergehens auf die von nachfolgendem Strafbefehlsantrag erfasste fahrlässige Körperverletzung beschränkt (§ 154a Abs. 1 Nr. 1 Strafprozessordnung [StPO]).

Das Amtsgericht B ... erließ gegen M. unter dem 31. Januar 1994 einen Strafbefehl (AZ: 10 Cs 104 Js 4861/92). Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten folgenden Sachverhalt ergeben: "Am 18.09.1992 frühnachmittags vor 14.00 Uhr traten Sie Ihrer damaligen Ehefrau C ... Sch ..., geb. am ..., im Flur der Ehewohnung im Anwesen ..., mit einem Gastrommelrevolver vom Typ Röhm RG 69, Kaliber 9 mm, Knall, PTB 458, metallic-silberfarben mit braunem Plastikgriff gegenüber. Hierbei war ihnen bewusst, dass Sie die Schusswaffe zuvor bereits mit 4 Gas- und 2 Knallpatronen geladen hatten. Dennoch hielten Sie die Waffe ohne rechtfertigenden Grund im Zuge eines Streitgespräches mit dem Finger am Abzug so nah an Ihre Ehefrau, dass diese sich hierdurch bedroht sah und nach der Waffe griff. Dabei löste sich ein Schuss, der Ihre Ehefrau aus einer Entfernung von etwa einem halben Meter im Halsbereich traf. Infolge dessen sowie durch die Freisetzung von Reizgas im gesamten Flur wurde das körperliche Wohlbefinden Ihrer Ehefrau so erheblich beeinträchtigt, dass sie benommen zu Boden stürzte, dabei so mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufschlug, dass sie kurzzeitig bewusstlos war und dann benommen und vom Reizgas geblendet bei dem Versuch, sich über die Kellertreppe in Sicherheit zu bringen, diese hinabstürzte und mit dem Kopf auf einen am Fuß der Treppe stehenden Motorblock aufschlug. Dadurch erlitt sie eine Schädelimpressionsfraktur, die sie nur deshalb überlebte, weil sie am 18.09.1992 im Kreiskrankenhaus B ... und am 21.09.1992 im Krankenhaus D ... erfolgreich operiert werden konnte. Gleichwohl leidet sie noch heute unter den Folgen ihrer schweren Schädelverletzung in Form eines pseudoneurasthenischen Syndroms mit Beeinträchtigung der Merk- und Konzentrationsleistung, der allgemeinen psychischen Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit, ferner des Geruchs- und Geschmacksinns sowie des rechtsseitigen Gehörs. Bei der gebotenen, Ihnen auch möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätten Sie voraussehen können, dass Sie durch ihr Verhalten die große Gefahr einer Schussauslösung heraufbeschwörten und dass hierdurch ihre Ehefrau zu Schaden kommen konnte. Dabei lag die Möglichkeit einer Fehl- oder Schreckreaktion Ihrer Ehefrau besonders nahe, wie Sie unschwer erkennen hätten können. Sie haben jedoch aus unverständlicher Acht- und Gedankenlosigkeit die sich aufdrängenden möglichen schweren Folgen Ihres gefährlichen Fehlverhaltens nicht bedacht. Sie handelten daher leichtfertig ... Sie werden daher beschuldigt, einen anderen fahrlässig körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben, strafbar als fahrlässige Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 230, 232 Abs. 1 StGB ... Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen Sie eine Geldstrafe in Höhe von 300 Tagessätzen zu je 10,00 DM (= 3.000,00 DM) festgesetzt ...".

Mit Datum vom 27. Dezember 1992 stellte S. bei dem Beklagten einen Antrag auf Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Zur Begründung gab sie unter anderem an, am 18. September 1992, zwischen 8.00 und 10.45 Uhr habe sie nach ihrem Frühstück im Flur Gas gerochen und habe deshalb die Haustür öffnen wollen, ihr Schlüsselbund habe aber gefehlt. Sie sei innerhalb ganz kurzer Zeit bewusstlos geworden. Es sei Nervengas aus einer Pistole gewesen, die sie nicht gesehen habe, von der sie nichts gewusst habe. Ihr Mann habe sich vorgenommen gehabt, sie zu töten, da er eine 20 Jahre jüngere Frau in Kuba gehabt habe. Wegen der Gewalttat leide sie an Leistungsminderung des Nervensystems, Schädigung des Haarwuchses, eine Zahnprothese oben sei hinzugekommen. Es lägen Geruchsverlust, Geschmacksverlust und eine Hörverminderung rechts vor.

Unter dem 19. April 1993 stellte S. einen zweiten Antrag auf Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Dabei gab sie als heute noch vorliegende gesundheitliche Schäden an: Konzentrationsminderung, Konditionsminderung, Leistungsminderung, rechte Kopfseite taub und rechtes Ohr etw., Verlust des richtigen Geschmacks und Geruchs, extrem falsche Richtung. Als aus der Gewalttat herrührende gesundheitliche Schädigungen lägen ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, eine Schädelberstungsfraktur, eine Schädelimpressionsfraktur, ein herausgeschlagener Stiftzahn - Wurzel gespalten -, weshalb eine obere Prothese notwendig sei, vor.

Der Beklagte hat Krankenunterlagen vom Städtischen Krankenhaus D ..., vom Kreiskrankenhaus Z ... - Psychosomatische Abteilung A ..., von Dr. R ..., Facharzt für Allgemeinmedizin in S ..., sowie von Dr. W ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in B ..., beigezogen, von der Staatsanwaltschaft B ... Ermittlungsakten. Sodann lehnte er den Antrag mit Bescheid vom 13. September 1994 ab, weil der Nachweis eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs nicht erbracht worden sei. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts B ... sei rechtskräftig festgestellt worden, dass M. eine fahrlässige Körperverletzung begangen habe. Der Strafbefehl habe auf den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beruht, die mangels ausreichender Nachweise keine Vorsatztat angenommen habe. Von einer vorsätzlichen Körperverletzung könne nur die Rede sein, wenn der Schädiger einem anderen bewusst gesundheitliche Schäden zufüge und diese Schäden auch in Kauf nehme. Dieser strafrechtliche Vorsatzbegriff sei identisch mit dem Vorsatzbegriff im Sozialen Entschädigungsrecht und gelte auch im Rahmen des § 1 OEG. Für ihn bestehe keine Möglichkeit eine Vorsatztat anzuerkennen, da der rechtskräftige Strafbefehl, der auf den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beruhe, für ihn Bindungswirkung entfalte. Eine Entschädigung für fahrlässige Angriffe, auch für grob fahrlässige Taten, sei nach § 1 Abs. 1 OEG ausgeschlossen. Nach § 1 OEG sei die Entschädigung ausdrücklich auf vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe beschränkt.

Dagegen legte die Klägerin am 06. Oktober 1994 Widerspruch ein. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entfalte keine Bindungswirkung, vielmehr habe die Behörde weiterhin einen eigenen Ermessensspielraum. Dieses Ermessen zu gebrauchen, habe der Beklagte unterlassen. Zum Zeitpunkt der Durchführung des Strafverfahrens sei es ihr, die erhebliche Furcht vor dem Schädiger gehabt habe, nicht zuzumuten gewesen, aktiv an dessen Strafverfolgung teilzunehmen. Insofern habe sie keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, als Nebenklägerin im Verfahren aufzutreten. Hätte sie dies getan, so hätte die Staatsanwaltschaft, die lediglich aufgrund der Angaben des Schädigers wegen fahrlässiger Körperverletzung Strafbefehl erlassen habe, den Tatvorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung, möglicherweise auch des versuchten Totschlages erhoben. Die Behörde sei jedoch gehalten, sich ein eigenes Bild zu machen.

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1995). Auch nach nochmaliger Überprüfung aller Unterlagen komme er nicht zu dem Ergebnis, dass es sich um einen vorsätzlich rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gehandelt habe. Insbesondere fehle es an der Tatbestandsvoraussetzung des Vorsatzes. Im Fall der S. sei der bewusst auf ihre Person gerichtete Angriff selbst nicht nachgewiesen. Weder die Aussagen der S. noch die Ausführungen im gerichtsmedizinischen Gutachten könnten zu dem Schluss führen, dass es sich um einen Angriff im Sinne des OEG gehandelt haben müsse. Die vorhandenen Verletzungen könnten von einem vorsätzlichen tätlichen Angriff herrühren. Ebenso könne eine fahrlässige Körperverletzung vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung könne die nicht mehr mögliche Aufklärung des Sachverhaltes nur dann nicht zur Ablehnung eines Versorgungsanspruches führen, wenn alle denkbaren Schädigungsverläufe und Schädigungszusammenhänge zu dem Ergebnis führten, dass ein schädigendes Ereignis im Sinne von § 1 OEG stattgefunden habe. Bleibe jedoch die Möglichkeit offen, dass auch nur ein nicht versorgungsrechtlich geschütztes Ereignis stattgefunden haben können, könnten Schlüsse zu Gunsten des Antragstellers nicht gezogen werden. Versorgung nach dem OEG stehe daher nicht zu.

Gegen den als Einschreiben am 28. Februar 1995 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid, der jedoch nicht abgefordert wurde und daraufhin erneut als Einschreiben am 15. März 1995 zur Post gegeben wurde, hat die Klägerin am 10. April 1995 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte ein versorgungsärztliches Gutachten von Dr. G ..., Neuropsychiatrie, vorgelegt. In ihrem Gutachten vom 30. April 1996 stellte sie fest, die Hirnleistung habe sich von 1993 auf 1994 gebessert. Als wahrscheinliche Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung lägen ab Schädigung bis April 1993 (Gesamt-MdE 70 v. H.) eine Hirnbeschädigung mit Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, des Geruchs- und Geschmackssinnes, ein pseudoneurasthenisches Syndrom sowie Narben an der Schädeldecke rechts und im Gesicht links sowie eine Angststörung vor, ab Mai 1993 (Gesamt-MdE 50 v. H.) eine Hirnbeschädigung mit Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, des Geruchs- und Geschmackssinnes, ein pseudoneurasthenisches Syndrom, Narben an der Schädeldecke rechts und Gesicht links sowie eine Angststörung.

Das SG hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des M. Am 14. Oktober 1997 sagte dieser unter anderem aus: " ... Am 18. hat meine Frau mich gefragt, weshalb ich so spät aufstehe und nicht arbeiten ginge. Ich hatte auf meine Konzentrationsschwierigkeiten hingewiesen und darauf, dass mein Chef im Reisebüro mir für ein paar Tage freigegeben habe. Daraufhin hat meine Frau gesagt: Du hast zu viele Weiber, du denkst nur an deine Freundin in Kuba. Deshalb hast du die Pistole gekauft, um mich zu beseitigen. Ich habe dann daraufhin nebenan aus dem Arbeitszimmer die Pistole geholt und habe sie gefragt, ob sie glaube, dass ich sie mit einer Gaspistole töten könne. Es hat sich dann aber unglücklicherweise ein Schuss gelöst. Sie hat dann das Fenster aufgemacht, um das Gas herauszulassen. Das hat die Situation verschlechtert. Meine Frau meckerte dann in etwa wie folgt: Du kaufst nur Sch ..., was du machst ist Sch ..., ich weiß nicht, warum ich dich geheiratet habe. Dann folgten Beleidigungen, eine schlimmer als die andere. Ich habe ihr daraufhin gesagt, dass ich nicht lange bleiben würde, ich hätte die Scheidung bereits beantragt. Meine letzten Worte waren, "Du kannst dir dein Haus an den Hut stecken". Ich habe andere Worte gebraucht. Dann bin ich ins Arbeitszimmer gegangen, sie ist mir hinterher und hat die Schüssel mit dem Treppenwischwasser mir ins Gesicht geschmissen. Sie wollte dann die Treppe runter gehen. Sie ist aber wegen des Wassers mit dem Waschmittel ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen und unten mit dem Kopf auf den Motorblock geschlagen. Es war der Motorblock eines Trabant. Nachdem ich das Geräusch des Treppenfallens gehört hatte, bin ich hingegangen, um nachzusehen. Ich habe meine Frau dann unten liegen gesehen. Sie war voller Blut. Ich habe sie dann hochgenommen. Am Anfang dachte ich, es sei Theater. Aber sie war bewusstlos. Ich habe sie auf meine Schulter gelegt und nach oben getragen. Dann habe ich sie dort im Flur abgelegt. Sie hat stark geblutet. Ich habe dann versucht, ihr zu helfen. Ich habe die Wunde beleckt, um sie zu desinfizieren, ich habe sie dann verbunden. Ich habe sie in den Trabant gepackt und bin sofort ins Krankenhaus gefahren. Der Arzt dort meinte, wenn wir nur 20 Minuten später gekommen wären, wäre sie tot gewesen ...". M. hat weiter bekundet, er habe bei der Aufnahme im Krankenhaus gesagt, seine Frau habe sich nach einer Auseinandersetzung deshalb verletzt, weil sie unachtsam gewesen sei und die Treppe hinuntergefallen sei. "Ich habe von der Pistolengeschichte nichts gesagt ... Die Pistole war für meine Frau bestimmt, sie wusste seit deren Kauf davon, dass es diese Pistole gibt. An dem Tag, dem 18.09.1992, kam sie wieder auf die Sache zu sprechen, dass ich eine Pistole hätte. Daraufhin habe ich diese geholt und ihr die bereits im Protokoll befindliche Frage gestellt. Der Schuss wurde von meiner Frau ausgelöst. Ich habe ihr etwa mit den Worten, ich habe diese Scheiße nicht für mich, sondern für dich gekauft, in die Hand gedrückt. Dabei ist sie wohl auf den Auslöser gekommen. Der Lauf des Revolvers, es war keine Pistole, wies weder auf mich, noch auf meine Frau." Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Übrigen wird auf das Protokoll der Niederschrift vom 14. Oktober 1997 (Bl. 85 bis 91 der SG-Akte) Bezug genommen. Ferner hat das SG Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Klägers zu 2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 17. März 1998 (Bl. 113 bis 119 der SG-Akte) Bezug genommen.

Auf mündliche Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 17. März 1998 abgewiesen. Die S. habe keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem OEG. Nach § 1 Abs. 1 OEG sei Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch, dass eine gesundheitliche Schädigung in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eingetreten sei. S. selbst habe keine klaren Erinnerungen an den genauen Hergang der Ereignisse, die zu ihren Verletzungen geführt hätten. Aus den Aussagen der S. und der Zeugen ergebe sich nur, dass die Eheleute am 18. September 1992 in zerrütteter Ehe lebten und in Streit geraten seien. Auch werde sich - wie auch immer - ein Schuss aus der Gaspistole gelöst haben. Nach Auffassung der Kammer sei es aber nicht nachzuweisen, dass der damalige Ehemann der S. zumindest billig in Kauf genommen habe, dass die S. entweder bei "Vorhalten" der Gaspistole so stark erschrecken werde, dass sie auf der Flucht vor einem vermeintlichen Tötungs- oder Verletzungsversuch unbedacht die Treppe hinunterstürme, dabei stürze und sich verletze. Nach den Aussagen des Zeugen im Termin vom 14. Oktober 1997 erscheine dies eher unwahrscheinlich. Auch halte es die Kammer nicht für wahrscheinlich, dass wie die Aussage des Klägers zu 2. nahelegen könnte, dass nie ein Motorblock gegenüber dem Treppenende im Keller gelegen habe, außer am 18. September 1992 M. jenen Motorblock dort plaziert gehabt habe, um der S. zumindest Verletzungen zuzufügen, sei es durch einen von ihm herbeigeführten Treppensturz, sei es durch einen beim Stolpern erfolgten Sturz. Dagegen spreche, dass M. ein Samurai-Schwert in Besitz gehabt habe, welches er zum Erschrecken der S. mit Fluchtfolge mindestens ebenso wirksam hätte einsetzen können, wie eine Gaspistole. Nicht auszuschließen sei, dass M. - ohne die erforderliche feindselige Willensrichtung gegenüber der S. zu hegen, mithin ohne den ausreichend bedingten Vorsatz im Hinblick auf Verletzungen der S. - mit der S. in Streit geraten sei, sich diese bedroht wähnte und um vermeintlicher Leibesgefahr zu entrinnen, davongerannt und die Treppe heruntergefallen sei. Das gerichtsmedizinische Gutachten vom 15. September 1993 stehe dem nicht entgegen. Ein Sturz mit hoher Beschleunigung sei nicht nur möglich, wenn ein Schubs oder Stoß zu diesem Sturz geführt habe, sondern auch dann, wenn ein Mensch, der vor einer von ihm angenommenen Gefahr "Reißaus" nehme, mit hoher Beschleunigung die Treppe herunterstürmen wolle, dabei aber stürze und mit der durch seine Geschwindigkeit hervorgerufenen Wucht die Treppe hinunterstürze. Aus den Umständen des Falles ergebe sich nach Auffassung der Kammer nichts, was den vorsätzlichen tätlichen Angriff des M. auf die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergebe. Dies sei jedoch der Maßstab für die Beweisanforderung, die hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des § 1 Abs. 1 OEG erfüllt werden müssten. Angesichts dessen bleibe nur festzustellen, dass nach den auch im sozialen Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweis- oder Feststellungslast die Nichterweislichkeit eines mindestens bedingt vorsätzlichen Angriffs die Folgen dieser Beweislosigkeit von der S. zu tragen seien.

Gegen das am 15. Juni 1998 zugestellte Urteil richtet sich die eingelegte Berufung.

Die Kläger - als gesetzliche Erben der S. den Rechtsstreit weiterführend - haben unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen und unter Beifügung eines Briefes des Sohnes des M. an diesen und an S. vorgetragen, die Vorgänge um den Erwerb und den Gebrauch der Gaspistole seien seltsam unklar und undeutlich. Bei späteren Reparaturarbeiten hinter einer Rohrverkleidung habe der Kläger zu 2. eine Schachtel mit CS-Gaspatronen gefunden, aus der zwei Patronen fehlten. Aus der Pistole, die M. extra geholt hatte, obwohl er gewusst habe, dass S. davor Angst gehabt habe und um ihr Leben fürchtete, hätten sich zwei Schüsse gelöst. Der S. sei durch den Gasgeruch schlecht geworden, nicht jedoch dem Ehemann. Dies könne nur bedeuten, dass die Gaspistole auf die S. gerichtet gewesen sei und diese die volle Ladung abbekommen habe. Wenn S. angesichts dieser massiven Gefährdung, bzw. Bedrohung geflüchtet sei, weil sie um ihr Leben gefürchtet habe, so könne dahinstehen, ob sie - weil sie "Reißaus" genommen habe - mit hoher Beschleunigung die Treppe heruntergestürmt sei oder ob der Täter nachgeholfen habe. Vorausgegangen seien eine Bedrohung und ein tätlicher Angriff mit der Pistole, dem sich die S. durch die Flucht habe entziehen wollen. Es sei darauf hinzuweisen, dass S. aus Angst bzw. aus Vorsichtsgründen ihr Hausgrundstück auf ihre Söhne übertragen habe. Darüber habe es hartnäckige und erbitterte Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten gegeben. Ihr Ehemann habe sogar verlangt, dass S. mit ihm zum Notar gehe und den Vertrag rückgängig machen solle. Dass diese Enttäuschung immer noch nachwirke, werde durch die Bekundung des M. bestätigt, dass die Klägerin - "ohne ihn zu fragen" - ihr Haus auf ihre Kinder übertragen habe. Auch am Tage der Gewalttat habe der Ehemann wütend erklärt: "Du kannst dir dein Haus an den Hut stecken." Gewalttaten seien schon begangen worden, wenn der materielle Wert wesentlich geringer gewesen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinen Urteilen vom 18. Oktober 1995 (AZ: 9 RVg 4/93 und 9 RVg 7/93) ausdrücklich ausgesprochen, dass das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht verlangt habe, dass der Täter dem Opfer gegenüber feindlich gesinnt sei. Entscheidend sei die Rechtsfeindlichkeit. Der Kläger zu 2. habe eindeutig bekundet, dass am Fuß der Kellertreppe niemals ein Motorblock gestanden habe. Dies entspreche auch den eigenen Angaben der S. Den Motorblock müsse M. dort plaziert haben. Eine derartige Häufung von "Zufällen" sei nicht nur unwahrscheinlich, sie müsse auch im sozialen Entschädigungsrecht zu einem anderen Ergebnis führen. In einer Entscheidung vom 04. Februar 1998 (AZ. B 9 VG 5/96 R) habe das BSG ausgesprochen, dass - über die bisher anerkannte Beweiserleichterung hinaus - auch der Beweis des ersten Anscheins als weitere Beweiserleichterung zu Gunsten der Opfer zu berücksichtigen sei. Damit entfielen die übersteigerten Beweisanforderungen, die das SG zu Lasten der S. gestellt habe. Es sei nicht nur nachvollziehbar, sondern absolut einleuchtend, dass M. den Motorblock erst nach der Gewalttat an diesen ungewöhnlichen Platz - unten an der Kellertreppe - gestellt habe, um einen schweren Sturz oder Unfall vorzutäuschen. Das M. die Gaspistole zum Schutze der S. gekauft habe, sei absolut unglaubwürdig, schlicht falsch. Bei dem Gasgeruch, den die S. zunächst wahrgenommen habe, könne es sich durchaus um Hausgas gehandelt haben, gleichfalls von dem Täter eingesetzt, um den geplanten Gebrauch der Gaspistole zu verdecken. Die multiplen Verletzungen der Klägerin wiesen eindeutig auf körperliche Misshandlungen hin. Schlageinwirkungen auf Körper oder Kopf hätten von der medizinischen Sachverständigen Dr. B ... nicht ausgeschlossen werden können. Entscheidend dürfte die Schlussfolgerung des Sachverständigen sein, dass alle Verletzungen durch das Treppensturzgeschehen mit Aufschlagen auf ein Motorgehäuse zu erklären seien, wenn der Sturz mit hoher Beschleunigung (z. B: Schubs oder Stoß) erfolgt sei. Habe aber zur Tatzeit (noch) kein Motorgehäuse unten an der Kellertreppe gestanden, dann ergebe sich die Folgerung geradezu zwangsläufig: Es habe sich um einen gewalttätigen Angriff gehandelt, der durch den Gasgeruch und den Gebrauch der Gaspistole eingeleitet worden sei. Bei S. habe offenbar eine retrograde Amnesie bestanden. Es erschienen zwei Sachfallsvarianten möglich. M. habe zunächst zur Verunsicherung oder Betäubung der S. entweder in ihrem Beisein oder ohne ihr Beisein einen Schuss ausgelöst, so dass es zu der Nebelreaktion im Flur gekommen sei. Sodann habe M. diese mit einem Gegenstand geschlagen, der entweder die Pistole sein könne oder ein anderer Gegenstand. Sodann habe M. die S. die Kellertreppe heruntergestoßen. Hierbei könne dahinstehen, ob er bereits zu diesem Zeitpunkt den Motorblock dort plaziert habe, um etwaige Verletzungen der S. bei dem Treppensturz zu potenzieren, oder ob er nach deren Sturz etwaige weitere Schlaghandlungen vorgenommen habe und diese habe vertuschen wollen durch nachträgliches Hinstellen und Präparieren des Motorblockes mit Blut und Haaren der S. Beide Varianten lösten in jedem Fall einen Anspruch nach dem OEG aus, so dass insoweit der tatsächliche Kausalverlauf dahinstehen könne. M. habe zum Scheidungstermin im Januar 1991 keine Pistole dabei gehabt, er habe diese Pistole jedoch zuvor gekauft und habe sie zuvor in der Wohnung damit bedroht. S. könne sich nach dem Gesetz und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 22. Juni 1988 in BSGE 63, 270) auf die Beweiserleichterung des § 15 VwVfG-KOV stützen. Das Gesetz verlange nicht, dass ein Videofilm von dem jeweiligen Tatgeschehen gedreht werde und später vorgelegt werden könne. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine der wenigen Beweiserleichterungen im OEG-Recht die Vorschrift des § 15 VwVfG-KOV (vgl. Urteil des BSG vom 22. Juni 1988 in BSGE 63, 270). Danach seien die Angaben des Antragstellers der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erschienen. In Fortführung dieser Rechtsprechung habe das BSG am 12. Dezember 1995 (AZ: 9 RVg 6/95) entschieden, dass die Angaben des Verletzten allein zur Gewährung von Leistungen ausreichten und dass auch eine "bruchstückhafte Erinnerung" dafür maßgeblich bleibe. S. habe präzise Angaben machen können: Auseinandersetzungen, Ehescheidungsverfahren, Drohungen, am Tattag: penetranter Gasgeruch, verschlossene Haustür, kein Schlüssel von innen, "Filmriss" (entweder durch die abgefeuerte Gasmunition oder eine Gewalteinwirkung). Dagegen der Täter: Er wollte seiner Ehefrau die Gaspistole "schenken", obwohl er ein oder zwei Wochen vorher bei einem Rechtsanwalt war, um die Scheidung einzuleiten. Die Enttäuschung und Verärgerung des Täters komme deutlich in seiner Aussage zum Ausdruck: "Das Grundstück kannst du dir an den Hut stecken." Die Verletzungen der S. seien sämtlich durch Gewalteinwirkung zu erklären oder durch einen Treppensturz, wenn kräftig nachgeholfen worden sei. Der Täter wolle die S. sogar beim Hochtragen auf der Treppe "verloren" haben. Der (nachträglich) abgestellte Motorblock: zur Tarnung und Verwischung der Gewalteinwirkung.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. März 1998 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 13. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern als Rechtsnachfolger der verstorbenen C ... Sch ... wegen der Folgen des schädigenden Ereignisses vom 18. September 1992 gemäß dem mit Datum vom 27. Dezember 1992 von der Verstorbenen gestellten Antrag Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach der verstorbenen C ... Sch ... zu gewähren, hilfsweise, die Verhandlung zu vertagen und die Rechtsanwältinnen Sch ... und Qu ... als Zeuginnen einzuvernehmen wegen der Vorgänge im Zusammenhang des Strafantrages bzw. im Zusammenhang mit dem damaligen Scheidungsverfahren (Mitbringen der Pistole).

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, den Äußerungen sowohl der S. als auch ihres früheren Ehemannes zur Folge werde wohl der genaue Geschehensablauf vom 18. September 1992 nicht zu rekonstruieren sein. Dies begründe aber nicht automatisch die Annahme der Tatbestandsvoraussetzungen nach dem OEG. Als Beispiel sei hier die Aussage der S. vom 17. März 1998 angeführt, sie hätte gefrühstückt, sei danach in den Flur gegangen und habe dort einen irgendwie neuen Gasgeruch wahrgenommen. Demnach habe sich, wenn es Reizgas aus der Pistole gewesen sei, der Schuss bereits vorher gelöst haben müssen. Welche Veranlassung sollte dann M. für seine Schilderung im Tathergang gehabt haben (ein Schuss habe sich gelöst), die ihn eher be- als entlastete. Es könne auch nicht sicher angenommen werden, dass M. kurz vor den Ereignissen den Motorblock in den Kellergang gestellt habe, um damit eine Verletzung der S. zu erreichen. Wie hätte er denn wissen sollen, dass die S. diesen Weg nehme. Der Tathergang, wie ihn der Prozessbevollmächtigte der Kläger schildere, sei eher unwahrscheinlich. Das die im Rahmen der ehelichen Streitigkeiten gemachten Äußerungen, die so ungewöhnlich wohl nicht seien, später auch verwirklicht worden seien, sei nach wie vor nicht bewiesen. Im vorliegenden Fall lägen derart viele unterschiedliche Angaben und demnach auch Möglichkeiten vor, dass man nicht zur Überzeugung kommen könne, dass das Ereignis die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 OEG begründe, insbesondere die geforderte Vorsätzlichkeit betreffend. Die angeführten BSG-Urteile mit den AZ. 9 RVg 4/93 und RVg 7/93 seien seines Erachtens nach hier mangels Vorsatzes nicht einschlägig. Selbst wenn M. das Zimmer mit Narkosegas gefüllt hätte, hätte für ihn auch eine erhebliche Gefahr der eigenen Bewusstlosigkeit bestanden. Auch bedürfe es erheblicher Mengen, wenn dieses Gas einen ganzen Raum ausfüllen solle. Es existiere keine Schreckschussmunition mit Narkosegas. Selbst wenn, dann wäre zumindest der sehr laute Knall der S. in Erinnerung gewesen. Dies treffe auch beim Abschuss von Reizgas zu. Dann allerdings setze ein so erheblicher Tränenfluss ein, der eine Orientierung in einem abgeschlossenen Raum unmöglich mache. Das Vorbringen der S. lasse auf eine sogenannte retrograde Amnesie schließen. Bei der retrograden Amnesie setze die Erinnerung unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis aus. Dann könnten jedoch keine Angaben mehr zum Unfallgeschehen im Krankenhaus gemacht werden, was hier geschehen sei. Hätte M. dem das Unfallprotokoll aufnehmenden Arzt gegenüber Angaben zum Unfallhergang gemacht, so wäre dies wohl auch mit dem Hinweis auf die Quelle vermerkt worden. Die Tatsache, dass die Angaben zum Unfallhergang von der S. gegenüber den Ärzten selbst vorgenommen worden seien, gehe auch aus der Strafanzeige vom 22. September 1992 hervor. Unklar sei auch der zeitliche Ablauf. Das Ereignis soll gegen 8.00 Uhr stattgefunden haben. Die Aufnahme im Krankenhaus habe jedoch gegen 14.00 Uhr stattgefunden. Der Zeuge A ... habe gegen 10.00 Uhr lediglich etwas Eingehülltes auf der Rückbank des Autos Marke Trabant gesehen. Dabei dränge sich die Frage auf, ob es bei den engen Verhältnissen überhaupt so ohne weiteres möglich sei, einen Bewusstlosen ohne fremde Hilfe auf die Hinterbank eines zweitürigen Trabantes zu verbringen. Zumindest könnten dabei zusätzliche Schädigungen auftreten. Diese Möglichkeit werde aber im gerichtsmedizinischen Gutachten Dr. B ...vom 15. September 1993 nicht erkannt und damit nicht erörtert. Dieses Gutachten helfe bei der Klärung des Geschehensablaufes auch sonst nicht weiter und es verweise auch auf die Widerspüchlichkeiten in den Aussagen. Denn es sei wohl unmöglich, wenn man auf der Kellertreppe sitze, vorn überzufallen. Später habe die S. erklärt, sich nur an den Versuch, das Fenster einzuschlagen, erinnern zu können. Bemerkenswert sei, dass der Gutachter den Hergang aus der Sicht des M. zitiere und sich dabei auf die Anzeige vom 22. September 1992 stütze. Dort stehe aber, dass es die Klägerin selbst gesagt habe. Man habe aus verschiedenen Gründen Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen des M. Nur dieses rechtfertige noch nicht den Umkehrschluss, dass eine Straftat vorgelegen habe. Die Glaubhaftmachung gehe nicht soweit, dass die Verwaltung einen unbekannten Verlauf durch eigene Phantasie ausfülle. Noch bestehe die Möglichkeit, dass auch ein Unfall im Zusammenhang mit den Ehestreitigkeiten stattgefunden habe und beide Seiten später unterschiedliche Interessen daraus verfolgten. In der Kriminalgeschichte habe es genügend Beispiele gegeben, dass der, der Morddrohungen ausgestoßen habe, nachher nicht der Täter gewesen oder dass trotz der Morddrohung der Schaden durch einen Unfall eingetreten sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen A ... C ... A ... und N ... P ... H ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 26. April 2001 (Bl. 207 bis 210 der LSG-Akte) Bezug genommen. M. ist unbekannten Aufenthalts.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B ... (AZ: ...), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 13. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1995 ist rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Versorgung nach dem OEG i. V. m. dem BVG nach der verstorbenen C ... Sch ... aufgrund des Ereignisses vom 18. September 1992.

Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält derjenige Versorgung für gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden, der Opfer eines rechtswidrigen, vorsätzlichen tätlichen Angriffes geworden ist oder bei der Abwehr eines auch gegen eine andere Person gerichteten Angriffs (Nothilfe) oder durch einen in Putativnotwehr (fahrlässig) handelnden Täter geschädigt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Als "tätlicher Angriff" gilt grundsätzlich jede in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1997, AZ: 9 RVg 1/96 = SozR 3-3800 § 1 Nr. 11; BSG, Urteil vom 04.02.1998, AZ: B 9 Vg 5/96 R = SozR 3-3800 § 1 Nr. 12). Der für diesen Angriff geforderte Vorsatz braucht sich grundsätzlich nur auf diese Angriffshandlung zu beziehen; in der Regel wird der Angriff aber zugleich eine vorsätzliche Straftat - zumeist in der Form eines versuchten oder vollendeten Erfolgsdeliktes im Sinne des Strafrechts (insbesondere eines Tötungsdeliktes oder einer Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit darstellen) - (BSG, Urteil vom 04. Februar 1998, a. a. O.). Ist ein solches Delikt vorsätzlich versucht oder vollendet worden, so liegt stets auch ein vorsätzlicher tätlicher Angriff im Sinne des OEG vor, während umgekehrt ein vorsätzlicher tätlicher Angriff nicht notwendig eine vorsätzlich begangene Straftat oder überhaupt eine strafbare Handlung (z. B. im Fall der versuchten einfachen Körperverletzung) voraussetzt, von den gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 2 OEG) scheiden fahrlässig begangene Handlungen in der Regel als Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch nach § 1 OEG aus (BSG, Urteil vom 04. Februar 1998, a. a. O.; Wilke/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht - Kommentar, 7. Aufl., § 1 OEG Rn. 7). Wie im Versorgungsrecht allgemein muss auch auf dem Gebiet der Entschädigung für Opfer von Gewalttaten der schädigende Vorgang nicht nur wahrscheinlich, sondern im Sinne des "Vollbeweises" nachgewiesen sein. Das schädigende Ereignis muss weiterhin zur Überzeugung des Gerichts von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder eines so hohen Grades an Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, AZ: 9 RVg 3/89 = SozR 1500 § 128 Nr. 39; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, AZ: B 9 Vg 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3). Falls es daran fehlt, geht dies zu Lasten des Klägers (objektive Beweis- oder Feststellungslast) (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, AZ: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 a. a. O.).

Ein derart hoher Grad der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen eines rechtswidrigen vorsätzlichen Angriffs auf die S. bzw. vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 OEG besteht aber hier nicht. Weder konnte sich der Senat mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugen, dass M. die S. mit einem Gegenstand geschlagen und sodann die Kellertreppe heruntergestoßen hat, noch dass M. nach dem Sturz der S. gegenüber dieser etwaige weitere Schlaghandlungen vorgenommen hat. Es steht vielmehr allein fest, dass S. am 18. September 1992 eine Schädelberstungsfraktur mit Impression eines Fragmentes rechtstemporal um ca. 6 mm nach zentral erlitten hat. Da keine Zeugen bekannt sind, die den Geschehensablauf am 18. September 1992 in dem von S. und M. bewohnten Haus beobachtet haben, ist auch nicht festzustellen, ob die von S. oder die von M. geschilderten Geschehensabläufe zutreffend sind. Unter Berücksichtigung der Einlassungen der S. und des M. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft B ..., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, sowie der Einlassungen und Aussagen der S. und des M. vor dem SG bzw. Landessozialgericht lassen sich die Schilderungen der S. und des M. über die Geschehnisse am Morgen bzw. Mittag des 18. September 1992 wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht mehr rekonstruieren.

S. hat am 21. Oktober 1992 allein ausgesagt, sie habe am Morgen des 18. September 1992 nach 7.30 Uhr in der Küche gefrühstückt, M. habe sie überhaupt nicht an diesem Tage gesehen. Es könne gegen 8.00 Uhr gewesen sein, als sie aus der Küche in den Flur gegangen sei. Dort habe sie einen beißenden Geruch wahrgenommen, nachdem sofort Übelkeit bei ihr einsetzte. Aus diesem Grunde habe sie die Haustür öffnen wollen, um Frischluft in das Haus hineinzulassen. An der Haustür angekommen, habe sie bemerkt, dass ihr Schlüsselbund, der sonst immer an der Haustür von innen gesteckt habe, nicht mehr dagewesen sei. Deshalb habe sie versucht, das Fenster neben der Hauseingangstür einzuschlagen. Sie habe es deshalb einschlagen wollen, da dies immer schwer zu öffnen gewesen sei. Ihr sei es nicht gelungen, das Fenster mit den Händen einzuschlagen. Von diesem Moment an habe sie keinerlei Erinnerung mehr an die folgenden Geschehnisse. Bei ihren späteren Antragstellungen im Verwaltungsverfahren hat sie als Uhrzeiten 8.00 bis 10.45 Uhr und 7.30 bis 11.00 Uhr angegeben. Dagegen hat S. am 25. September 1992 ausgesagt, als sie in den Flur gekommen sei, habe dort mit einmal eine große Gaswolke gestanden. An weitere Einzelheiten könne sie sich nicht erinnern.

M. hat bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 22. September 1992 angegeben, S. und er seien gegen 9.00 Uhr aufgestanden und noch nicht gezahlten Kostgeldes habe er ihr erklärt, dass er auch Kosten für einen Radiorekorder und eine Zeitschrift bezahlt habe. Er habe ihr dann gesagt, dass er auch etwas für sie gekauft habe. Aus seinem Arbeitszimmer sei er dann mit einem geladenen Gas- und Knallrevolver in den Flur gegangen. Er habe die Waffe in der rechten Hand gehabt. Der Lauf habe nach rechts von seinem Körper weggezeigt. In dieser Stellung habe er die Waffe seiner Frau gezeigt. Diese habe jetzt offensichtlich erschrocken sein müssen, denn sie habe mit beiden Händen nach seiner rechten Hand gegriffen. Hierbei sei es dazu gekommen, dass der Lauf aufgrund des Zugriffes gegen ihre Person gezeigt habe. Bedingt durch das Zugreifen sei der Abzug getätigt worden und es sei der Schuss gebrochen. Ob seine Frau mit einem ihrer Finger in den Abzugshahn gekommen sei oder seinen Finger in dem Abzugshahn nach hinten geschoben habe, wisse er nicht. Auf alle Fälle habe zu diesem Zeitpunkt der Revolverlauf oberhalb ihrer Brust, etwa Halshöhe gezeigt. Seine Frau selbst sei nach hinten gefallen und habe mit dem Kopf an der Tür gelegen. Es habe sich um die Tür zwischen Flur und Vorraum gehandelt. Er habe festgestellt, dass sie am Kopf geblutet habe, als sie aufgestanden sei. Bedingt durch den Schuss war im Zimmer eine Nebelwand, die sehr beißend gewesen sei. Atmen und Sehen seien erschwert gewesen. Seine Frau habe versucht, an das Fenster im Flur zu kommen, habe es aber nicht geschafft. Er habe sich dann in die Küche begeben, habe sich die Augen mit Wasser ausgewaschen und ging mit einem Behälter Wasser zu seiner Frau in den Flur. Hier habe er ihr das Wasser in das Gesicht geschüttet, damit sie wieder sehen und Luft holen könne. In der Wohnstube habe er das Fenster zum Zwecke der Belüftung geöffnet. Zwischenzeitlich habe sich seine Frau an die Tür zwischen Flur und Arbeitszimmer begeben. Es sei die Tür, die in den Keller führe. Die Tür sei wie immer offen gewesen. Als er nach dem Fensteröffnen aus der Stube gekommen sei, habe er im Keller ein Geräusch gehört, dass sich anhörte, als ob seine Frau gefallen wäre. Er habe sich in den Keller begeben, sei die Betontreppe hinunter gelaufen und habe seine Frau unterhalb der Treppe, auf dem Rücken, die Beine zum Teil noch auf der Treppe und der Kopf auf einem Trabantmotorgehäuseteil liegend, gesehen.

In seiner uneidlichen Vernehmung vor dem SG hat M. am 14. Oktober 1997 bekundet, am 18. September 1992 habe seine Frau ihn gefragt, weshalb er so spät aufstehe und nicht arbeiten ginge. Er habe auf seine Konzentrationsschwierigkeiten hingewiesen und darauf, dass sein Chef im Reisebüro ihm für ein paar Tage freigegeben habe. Daraufhin habe seine Frau gesagt: "Du hast zu viele Weiber. Du denkst nur an deine Freundin in Kuba. Deshalb hast du die Pistole gekauft, um mich zu beseitigen." Er habe dann daraufhin nebenan aus dem Arbeitszimmer die Pistole geholt und habe sie gefragt, ob sie glaube, dass er sie mit einer Gaspistole töten könne. Es habe sich dann aber unglücklicherweise ein Schuss gelöst. Sie habe dann das Fenster aufgemacht, um das Gas herauszulassen, das habe die Situation verschlechtert. Nach einem "Wortgefecht" sei er ins Arbeitszimmer gegangen, sie sei ihm hinterhergegangen und habe die Schüssel mit dem Treppenwischwasser ihm ins Gesicht geschmissen. Sie habe dann die Treppe runtergehen wollen. Sie sei aber wegen des Wassers mit dem Waschmittel ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen und unten mit dem Kopf auf den Motorblock geschlagen. Der Schuss sei von seiner Frau ausgelöst worden. Er habe ihr etwa mit den Worten, ich habe diese Scheiße nicht für mich, sondern für dich gekauft, in die Hand gedrückt. Dabei sei sie wohl auf den Auslöser gekommen. Der Lauf des Revolvers habe weder auf ihn noch auf seine Frau gewiesen.

Die beiden Aussagen des M. sind zwar in sich widersprüchlich und nicht glaubhaft. Während M. am 22. September 1992 ausgesagt hat, S. habe mit beiden Händen nach seiner rechten Hand, in der er die Pistole gehalten habe, gegriffen. Dabei sei der Abzug getätigt worden und es habe sich der Schuss gebrochen. M. hat unter dem 14. Oktober 1997 ausgesagt, er habe der S. die Pistole in die Hand gedrückt, dabei sei sie wohl auf den Auslöser gekommen. Am 22. September 1992 hat er ferner ausgesagt, seine Frau habe versucht an das Fenster im Flur zu kommen, habe es aber nicht geschafft. Er habe dann in der Wohnstube das Fenster zum Zwecke der Belüftung geöffnet. In seiner späteren Einlassung (14. Oktober 1997) hat M. angegeben, S. habe das Fenster aufgemacht, um das Gas herauszulassen, das habe die Situation verschlechtert. Sie sei wegen des Wassers mit dem Waschmittel, eine Schüssel mit dem Treppen-Wischwasser habe sie ihm zuvor ins Gesicht geschmissen, ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen und unten mit dem Kopf auf den Motorblock geschlagen. Zuvor (22. September 1992) hat er bekundet, er habe seiner Frau im Flur einen Behälter mit Wasser in das Gesicht geschüttet, damit sie wieder sehen und Luft holen könne. Zwischenzeitlich habe sich seine Frau an die zum Keller führende Tür zwischen Flur und Arbeitszimmer begeben. Diese sei wie immer offen gewesen, als er nach dem Fensteröffnen aus der Stube gekommen sei, habe er im Keller ein Geräusch gehört, das sich anhörte, als ob seine Frau gefallen wäre. Er habe sich in den Keller begeben, lief die Betontreppe hinunter und habe seine Frau unterhalb der Treppe liegen gesehen. Sie habe auf dem Rücken gelegen, die Beine zum Teil noch auf der Treppe und den Kopf an einem Trabantmotorgehäuse.

Obgleich die verschiedenen Aussagen des M. mithin divergieren, ist auf dieser Grundlage das Vorliegen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs nicht festzustellen. Soweit die S. ausgesagt hat, als sie morgens in den Flur gekommen sei, habe dort mit einem Mal eine große Gaswolke gestanden (25. September 1992) bzw. sie habe im Flur einen beißenden Geruch wahrgenommen (21. Oktober 1992), macht sie zum einen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung im Flur unterschiedliche Angaben. Zum anderen lässt sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln, welche Ursache die Qualmwolke bzw. der beißende Geruch hat. S. hat zu keinem Zeitpunkt bekundet, dass sie das Abfeuern oder den Knall des Abschusses einer Gas-Patrone aus einer Pistole bzw. einem Revolver gehört hat. Es konnte im Nachhinein auch nicht mehr ermittelt werden, ob M. im Wohnhaus aufgrund des Hantierens mit Chemikalien eine entsprechende Qualm- bzw. Gaswolke verursacht hat. Aus den vorliegenden Akten ergeben sich dafür auch keinerlei Anhaltspunkte, wie insbesondere das Ereignisort- Untersuchungsprotokoll der Kriminalpolizeiinspektion B ... vom 22. September 1992 belegt.

Unklar bleibt auch der Geschehensablauf am 18. September 1992 in zeitlicher Hinsicht. Der Kläger zu 2. hat am 23. September 1992 bekundet, er habe am 18. September 1992 um 5.15 Uhr das Haus verlassen und sei um 12.30 Uhr zurückgekehrt. Am 17. März 1998 hat er ausgesagt, er sei gegen 13.00 Uhr nach Hause gekommen. Er habe dann etwas später jemand aus dem Arbeitszimmer seines Stiefvaters kommen und die Kellertreppe heruntergehen sehen. Unmittelbar danach sei ein Pkw Trabant weggefahren. Vom Fenster aus habe er gesehen, dass es sein Stiefvater gewesen sei. Wie er gesehen habe, sei sein Stiefvater in seinem Pkw nur allein gewesen. S. hat am 21. Oktober 1992 ausgesagt, sie sei gegen 7.30 Uhr aufgestanden und habe nach 7.30 Uhr in der Küche gefrühstückt. M. habe sie überhaupt nicht an diesem Tag gesehen. Es könne gegen 8.00 Uhr gewesen sein, als sie aus der Küche in den Flur ging und dort den beißenden Geruch wahrgenommen habe. Im Verwaltungsverfahren hat sie in ihren Anträgen hinsichtlich der "Gewalttat" Uhrzeiten von 8.00 bis 10.45 Uhr sowie von 7.30 bis 11.00 Uhr angegeben.

Der Zeuge Alvarez hat in seiner uneidlichen Vernehmung am 26. April 2001 ausgesagt, M. sei um 10.00 oder 11.00 Uhr zu ihm gekommen und habe gesagt, es sei ein Unfall passiert, er habe Streit mit der Klägerin gehabt, aus Angst sei sie die Treppe heruntergefallen. Er habe sehen können, das auf dem Rücksitz sich ein "großer Haufen" befunden habe, der zugedeckt gewesen sei. Er habe sich gedacht, dass dies die S. sei. Er habe dann den M. daraufhin angesprochen, der dazu erklärt habe, dies sei Carola. A. habe ihm dann gesagt, er solle sofort ins Krankenhaus fahren, andernfalls sei er zur Anzeige gezwungen. Bevor er ihn aufgefordert habe, ins Krankenhaus zu fahren, habe er ihn auch gefragt, ob die Klägerin tot sei. Daraufhin habe M. geantwortet, S. sei bewusstlos.

Aus den Unterlagen des KKH B ... ergibt sich jedoch, dass S. zum Unfallereignis orientiert und ansprechbar war. Tatsächlich wurde S. im Kreiskrankenhaus B ... um 14.15 Uhr aus der Ambulanz ohne Arztbegleitung stationär aufgenommen. Dazu weist ein Aufkleber mit dem Geburtsdatum und der Anschrift der Klägerin, datierend vom 18. September 1992, als Uhrzeit "14.00 Uhr" aus. Beim Eintreffen in der Ambulanz sei S. orientiert, wach und kooperativ gewesen, später sei sie nur noch auf Schmerzreize erweckbar gewesen (Krankenblatt der Intensivstation des Kreiskrankenhauses B ... vom 18. September 1992 sowie Schreiben des Kreiskrankenhauses B ... vom 16. Oktober 1992). Im Unfallprotokoll des Kreiskrankenhauses B ... vom 18. September 1992 findet sich auf der Rückseite als Zeiteintragung 12.30 Uhr. Selbst wenn man unterstellt, dass die Gaseinwirkung auf S. gegen 8.00 Uhr morgens stattgefunden hat, bleibt der Ablauf der Geschehnisse bis 12.30 Uhr oder auch erst später (Zeitpunkt der Einlieferung im Krankenhaus) unklar.

Im Nachhinein ist auch nicht mehr festzustellen, ob und gegebenenfalls welche Angaben S. bzw. M. im Krankenhaus B ... zum Geschehensablauf gemacht haben. Im Unfallprotokoll vom 18. September 1992 ist angeführt, "beim Spielen (?) mit einer Schreckschusspistole löste sich ein Schuss, Pat. danach die Treppe heruntergestürzt". Von wem die Angaben stammen, ergibt sich aus dem Protokoll nicht. In einem Schreiben des Kreiskrankenhauses B ... (Dr. H ..., Oberarzt H ..., Dipl. Med. W ...) vom 16. Oktober 1992 an die Rechtsanwältin Sch ... wird angegeben, M. habe dem Aufnahmearzt mitgeteilt, S. habe beim Spielen mit einer Schreckschusspistole eine schwere Körperverletzung durch einen unerwartet brechenden Schuss erlitten, S. sei nach dem ungewollten Auslösen des Schusses eine Treppe heruntergestürzt. In seiner uneidlichen Vernehmung hat M. am 14. Oktober 1997 jedoch ausgesagt, er habe von der Pistole im Krankenhaus nichts erwähnt. Er habe nur gesagt, dass S. nach einer Diskussion wohl nervös gewesen und die Treppe heruntergefallen sei. Im Unfallprotokoll des Kreiskrankenhauses B ... wird jedoch ausgeführt, bei Aufnahme sei S. "zum Unfallereignis orientiert und ansprechbar" gewesen.

Es ist auch nicht festzustellen, ab welchem Zeitpunkt sich der Motorblock im Kellergang vor der Kellertreppe befunden hat. Der Kläger zu 2. hat am 23. September 1992 ausgesagt, er wisse genau, dass der Motorblock am Vorabend und am Morgen dort nicht gewesen sei. Es sei auch nicht üblich, dass an dieser Stelle eine Montage erfolge. Woher dieser Motorblock sei, wisse er nicht. M. hat ausgesagt (14. Oktober 1997) Ersatzteile, wie auch der Motorblock, hätten immer in der Ecke neben der Kellertreppe gelegen. "Immer" bedeute "immer dann, wenn er etwas ausgebaut" gehabt habe. Einige Wochen (vielleicht drei) vor dem Ereignis am 18. September 1992, habe er den Motorblock eines Trabantes ausgebaut. Er habe auch an der Stelle gelegen, wo sich sonst die Motorblöcke immer befunden hätten. Der Motorblock sei auch nicht zur Reparatur im Gang vorgesehen gewesen. Vielmehr hätte er ihn dann, wenn auf der Werkbank der zunächst anstehende Aufgabenteil abgearbeitet worden sei, dort hingebracht, um repariert zu werden. Der Kläger zu 2. hat am 17. März 1998 ausgesagt, seines Wissens nach habe vor dem 18. September 1992 nie ein Motorblock an der Stelle gestanden (gegenüber der letzten Stufe der Kellertreppe). Erstmals habe er den Motorblock bemerkt, als er am 18. September 1992 von der Arbeit nach Hause gekommen sei. S. hat dazu ausgeführt, es hätten noch nie irgendwelche Pkw-Teile im Keller gestanden und es sei auch nie im Keller an irgendwelchen Teilen herumgebastelt worden (Aussage vom 25. September 1992).

Der Nachweis eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen die S. lässt sich auch nicht aus dem gerichtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. B ... vom 15. September 1993 herleiten, der in seinem Gutachten festgestellt hat, alle Verletzungen seien durch ein Treppensturzgeschehen mit Aufschlagen auf ein Motorgehäuse zu erklären, falls der Sturz mit hoher Beschleunigung (z. B. Schubs oder Stoß) erfolgt sei. Schlageinwirkungen sowohl auf den Körper als auch auf den Kopf seien aus gerichtsmedizinischer Sicht jedoch nicht auszuschließen. Demnach kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Motorblock bereits vor dem Sturzgeschehen vor den Stufen der Kellertreppe abgelegt worden ist, und die S., wie das SG zutreffend ausgeführt hat, aufgrund einer von ihr angenommenen Gefahr mit hoher Beschleunigung die Treppe herunterstürmen wollte, dabei aber mit der durch ihre Geschwindigkeit hervorgerufenen Wucht die Treppe hinuntergestürzt und auf den Motorblock geprallt ist.

Folgte man den Vermutungen der S. und der Kläger wäre folgender Geschehensablauf denkbar: M. hat nach Fassung eines entsprechenden Planes, bevor die S. am Morgen des 18. September den Flur betrat, den Schlüssel der Haustür von innen abgezogen und diese versperrt, dort - in welcher Weise auch immer - ein Betäubungsgas freigesetzt. Entweder wäre S. zu diesem Zeitpunkt schon bewusstlos gewesen oder von M. bewusstlos geschlagen worden. Dann hätte M. sie die Kellertreppe hinabgestoßen, wobei er vorher am Kellerabgang den Motorblock abgelegt hätte.

Denkbar wäre aber auch ein Fallenlassen des Motorblocks auf die bewusstlose S ... Anschließend oder auch erst im Verlauf des Vormittags wäre M. daraufhin mit der bewusstlosen S. zu dem Zeugen Alvarez gefahren. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass M. selbst der Gaseinwirkung ausgesetzt gewesen wäre, der er nur durch Anlegen einer Schutzmaske entgangen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass M. über eine darartige Schutzmaske verfügte, sind aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Selbst der Kläger zu 2. hat bei seiner Rückkehr in das Haus am Mittag des 18. September noch einen stechenden Geruch in der Nase wahrgenommen (Aussage am 17. März 1998). Selbst wenn man berücksichtigt, dass M. - wie S. ausgesagt hat - auf Kuba als Chemiker tätig gewesen sein sollte, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich in der Wohnung bzw. im Arbeitszimmer des M. in der Wohnung entsprechende Chemikalien befanden. Dagegen spricht auch, dass M. durchgängig, sowohl gegenüber dem Kläger zu 2., dem Zeugen Alvarez, gegenüber der Kriminalpolizei und auch gegenüber dem SG von einem Unfall gesprochen hat. Auch in den Krankenunterlagen des Kreiskrankenhauses B ... wird immer von einem "Unfall" berichtet. Wie unten noch auszuführen sein wird, fehlt es ebenso an einem Motiv des M. für einen vorsätzlichen rechtswirdrigen tätlichen Angriff gegen S.

Möglich erscheint daher auch folgende Sachverhaltsvariante: M. zeigte am Morgen des 18. September der S. seinen Gas- bzw. Knallrevolver, bei einem "Handgemenge" - möglicherweise weil sich die S. bedroht fühlte - löste sich ein Schuss aus dem Revolver, es kam zu einer Gasentwicklung, im Zuge der Flucht vor der Gaswolke ist S. daraufhin die Kellertreppe hinabgestürzt und auf den dort liegenden Motorblock aufgeschlagen. Folgt man den Aussagen des Klägers zu 2. und der S., die insoweit übereinstimmen, bleibt allerdings bei dieser Variante offen, seit wann sich an der Treppe der Motorblock befand.

Für den Senat ist aber insgesamt auch kein Motiv des M. für den von S. vermuteten Geschehensablauf erkennbar.

S. hat ausgesagt, dem M. sei es um das Eigentum an ihrem gegangen, das sie Anfang 1991 an die Kläger zu 1. und zu 2. überschrieben habe. Ein entsprechendes Motiv ist insoweit nicht nachvollziehbar, denn M. hat es offensichtlich bis 18. September 1992 nicht vermocht, die Rückübertragung des Eigentums seitens der Kläger zu 1. und 2. an die S. - auf welche Weise auch immer - zu bewirken. Vielmehr hätte er dann entsprechenden Einfluss auf die Kläger nehmen müssen. Entsprechende Anhaltspunkte dafür ergeben sich jedoch nicht aus den vorliegenden Akten. Nach Aussage des Klägers zu 2. am 25. September 1992 hat ihm S. im Krankenhaus mindestens zweimal gesagt, sie könne sich nicht erklären, dass sie von ihrem Mann so geschlagen worden wäre, es hätte doch keinen Streit zwischen ihm und ihr gegeben. Diese Äußerung, nach der kein Streit stattgefunden hat, hat S. mehrmals wiederholt.

Tätlichkeiten zwischen den Eheleuten am 17. und am 18. September 1992 werden auch von M. in seinen Aussagen nicht eingeräumt. Selbst wenn es in der Vergangenheit zwischen den Eheleuten zu verbalen und auch tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sein sollte und selbst wenn der M. gegenüber S. auch einmal geäußert haben sollte "Ich bringe dich um.", und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass M. im Besitz von Hieb-, Stich- und Schlagwaffen sowie eines Gas- und Knallrevolvers gewesen ist, ergeben sich dadurch allein weder Anhaltspunkte für eine permanente Bedrohung der S. noch für einen konkreten vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff auf S. am 18. September 1992, zumal diese zu keinem Zeitpunkt vorgetragen hat, M. habe sie zuvor mit Gegenständen bzw. Waffen verletzt bzw. misshandelt. Insofern besteht ein quantitativer und qualitativer Unterschied zwischen der von S. vermuteten Gewalteinwirkung am 18. September 1992 und der von ihr geschilderten bis dahin erfolgten behaupteten tätlichen Auseinandersetzungen.

Wie dargelegt hat M. während seiner Vernehmungen immer wieder den Geschehensablauf als Unfall dargestellt. Eine Darstellung als Unfall ergibt sich auch aus den Unterlagen des KKH B ... Es ist auch nicht ersichtlich, dass S. den Antrag auf Ehescheidung auf Druck des M. zurückgenommen hat. Die Kläger selbst haben vorgetragen, dass dies auf Anraten des Gerichts geschehen sei (Schriftsatz vom 02. September 1999). Wenn die Beziehung zwischen den Eheleuten so unerträglich gewesen sein sollte, wie von S. geschildert, ist es nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Ehegatten vom 04. März 1991 (Rücknahme des Scheidungsantrags) bis zumindest 18. September 1992 noch zusammengewohnt haben.

Berücksichtigt man allein die Aussagen des M., der sich durch diese mehr be- als entlastet hat, ergibt sich nach dessen Einlassungen allein die Verwirklichung einer fahrlässigen Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 230, 232 Abs. 1 StGB entsprechend dem Strafbefehl des Amtsgerichts B ... vom 31. Januar 1994. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff des M. gegen S. ist daher nach Überzeugung des Senates insgesamt nicht nachgewiesen.

Den Klägern kommt auch nicht die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) zu Gute. Nach dieser Vorschrift sind im Kriegsopferrecht und deshalb auch für die Entschädigung nach dem OEG (§ 6 Abs. 3 OEG) die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, soweit nach den Umständen des Falles die Angaben glaubhaft erscheinen. Diese Bestimmung ist grundsätzlich auch im Verfahren über Ansprüche nach dem OEG anwendbar (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, AZ 9 RVg 3/89 = SozR 1500 § 128 Nr. 39; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, AZ: B 9 Vg 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3). Die Vorschrift erfordert jedoch, wie das BSG wiederholt entschieden hat, dass der Antragsteller Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, a. a. O.). § 15 KOVVfG lässt erkennen, dass die Verwaltungsbehörde bzw. die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Tatsachen, die lediglich glaubhaft oder überwiegend wahrscheinlich sind, seiner Entscheidung grundsätzlich nur dann zugrunde legen darf, wenn zugleich der Antragsteller die strafrechtliche Verantwortung dafür übernimmt, dass seine Angaben - zumindest subjektiv - den Tatsachen entsprechen (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, a. a. O.). Das macht insbesondere die Bestimmung des § 15 Satz 2 KOVVfG deutlich, wonach die Verwaltungsbehörde in besonderen Fällen von dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung verlangen kann, dass er bei seinen Angaben nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe; aber auch wenn eine eidesstattliche Versicherung nicht abgegeben wurde, so würde sich der Antragsteller, der bewusst falsche Angaben macht, möglicherweise des Betruges schuldig machen, daher würde diese zusätzliche, über die Glaubhaftigkeit aus sonstigen Gründen hinausgehenden Gewähr für die Richtigkeit des von der Verwaltungsbehörde oder vom Gericht zugrunde gelegten Sachverhaltes fehlen, wenn die Behörde oder das Gericht auch schon solche glaubhaften Sachverhalte der Entscheidung zugrunde legten, zu denen der Antragsteller keine Angaben aus eigenem Wissen oder überhaupt keine Angaben machen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, a. a. O.).

Da den Bekundungen der S. aber bis zum Eintritt der von ihr angegebenen Bewusstlosigkeit aufgrund der von ihr wahrgenommenen Einwirkung (Qualmwolke bzw. beißender Geruch) allein ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff nicht zu entnehmen ist und S. sich an den Geschehensablauf danach nicht erinnern konnte, scheidet insoweit eine Glaubhaftmachung nach § 15 KOVVfG aus.

Die Kläger können sich auch nicht auf die Entscheidung des BSG vom 12. Dezember 1995 (AZ: 9 RVg 6/95) berufen. Das BSG hatte dabei einen Fall zu entscheiden, in dem ein Verletzter nach seinen eigenen Angaben von mehreren Gewalttätern aus einem fahrenden S-Bahn-Zug geworfen wurde, ohne dass Zeugen für die angebliche Gewalttat ermittelt werden konnten. Nach Auffassung des BSG können die Angaben des Verletzten, da unmittelbare Tatzeugen nicht vorhanden sind, allein zur Gewährung von Leistungen ausreichen, wenn sie den Umständen nach glaubhaft sind. Dieser vom BSG entschiedene Fall unterscheidet sich jedoch von dem hier zu entscheidenden insoweit, als S. selbst zu dem Geschehensablauf bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit nur teilweise Angaben machen kann.

Den Klägern kommt schließlich auch keine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen des Beweis des ersten Anscheins zu Gute, die im sozialgerichtlichen Verfahren ebenfalls anwendbar sind (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, AZ: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; Urteil vom 04. Februar 1998, AZ: B 9 Vg 5/96 R = SozR 3-3800 § 1 Nr. 12). Der Anscheinsbeweis ermöglicht bei sogenannten typischen Geschehensabläufen, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen, er beruht auf Erfahrungswissen. Es muss also ein Hergang zugrunde liegen, der erfahrungsgemäß in bestimmtem Sinne abläuft, sind aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist diese Beweisregel ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für die Kläger günstig wäre, wahrscheinlicher sein, als eine andere (BSG, Urteil vom 22. Juli 1988, a. a. O.). So wäre es z. B. bei entsprechenden Tatsachenfeststellungen denkbar, einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff mit folgendem Erfahrungssatz zu bejahen: Ist eine Menschengruppe aus einer anderen Gruppe heraus wiederholt mit Gegenständen beschossen oder beworfen worden, die geeignet sind, Körperverletzungen hervorzurufen (z. B. mit Steinen oder gezündeten Feuerwerkskörpern) so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der oder die Schützen bzw. Werfer Verletzungen von Menschen für möglich gehalten und billig in Kauf genommen haben. Der Anspruch auf Opferentschädigung wäre in einem solche Fall nicht durch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass derjenige, der das Opfer getroffen hat, atypischerweise nur über die Personengruppe hinwegschießen oder werfen wollte, und mithin die Schädigung einer Person nicht, auch nicht bedingt in seinem Vorsatz aufgenommen hatte (BSG, Urteil vom 04. Februar 1998, a. a. O.).

Der hier gegebene Sachverhalt stellt sich jedoch anders dar. Zum einen ist nach Überzeugung des Senates der konkrete Geschehensablauf am 18. September 1992 im Nachhinein nicht mehr zu rekonstruieren. Zumindest waren aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich. Dann ist diese Beweisregel aber ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für die Kläger günstig wäre, wahrscheinlicher sein, als eine andere (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1988, AZ: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34).

Auch der Hilfsantrag hatte keinen Erfolg. Von einer Vernehmung der Rechtsanwältinnen Sch ... und Qu ... sieht der Senat ab.

Der Inhalt der von der Rechtsanwältin Sch ... am 22. September 1992 erstatteten Strafanzeige ist Gegenstand der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B ... (Bl. 2-4 der Ermittlungsakte), die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat. Den Inhalt der Aussage hat der Senat als wahr unterstellt; Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsanwältin Sch ... Angaben zum Geschehensablauf am 18. September 1992 machen könnte, sind weder aus den Akten ersichtlich noch von den Klägern vorgetragen worden. Auf die Aussage der Rechtsanwältin Sch ... kommt es daher nach Auffassung des Senats nicht an. Nichts anderes gilt für die Entscheidung des Rechtsstreits im Hinblick auf eine Aussage der Rechtsanwältin Qu ... S. selbst hat vor dem SG am 09. Mai 2000 ausgesagt, M. habe zum Scheidungstermin im Januar 2001 keine Pistole dabei gehabt. Er habe sie jedoch mit einer Pistole zuvor in ihrer Wohnung bedroht. Auch diese Aussage unterstellt der Senat als wahr. Angaben zum Geschehensablauf am 18. September 1992 kann die Rechtsanwältin Qu ... nicht machen. Anhaltspunkte dafür sind aus den Akten nicht ersichtlich, noch ist dies von den Klägern vorgetragen worden.

Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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