Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 10 VU 22/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VU 5/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen nach dem Gesetz über den Abschluss von Unterstützungen der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen (Unterstützungsabschlussgesetz-UntAbschlG) vom 06. Mai 1994 (BGBl. I, S. 990) wegen Behandlung einer Blutgerinnungsstörung mit dem Gerinnungspräparat Kryopräzipitat und einer 1990/1991 festgestellten Hepatitis B und C zustehen.
Der im Mai 19 ... geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Hämophilie A (Bluterkrankheit). Der Kläger hat angegeben, seit Mitte der 60er Jahre bis Anfang 1990 sei eine Behandlung mit Kryopräzipitat durchgeführt worden. Eine Hepatitis B und C-Infektion sei 1990/1991 festgestellt worden. Der Zeitpunkt und der Ort der Infektion seien ihm nicht bekannt. Er sei nie an einer akuten Hepatitis erkrankt. Der Kläger ist schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (GdB 100 ab 18. September 1991, Merkzeichen "B", "G" und "aG", vgl. Abhilfe-Bescheid des Beklagten vom 24. August 1992).
Mit Schreiben vom 21. November 1993, bei dem Beklagten eingegangen am 24. November 1993, bat er um Anerkennung seiner Hepatitis-B- und C-Erkrankung als erhebliche Gesundheitsschädigung nach der Anordnung über eine erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen am 28. Januar 1987. Zur Therapie der Hämophilie-A-Erkrankung sei er bis 1990 mit Kryopräzipitat behandelt worden. Da dieses Medikament, welches aus menschlichem Plasma hergestellt worden sei, nicht virusinaktiviert gewesen sei, sei es bei ihm zu einer Übertragung von Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren mit anschließender Erkrankung gekommen.
Der Beklagte erließ am 17. August 1994 einen ablehnenden Bescheid hinsichtlich eines Anspruchs auf Versorgung nach dem UntAbschlG. Bei der Gabe von Blut und Blutprodukten habe immer die Möglichkeit und damit auch das Risiko bestanden, sich eine Hepatitis oder sonstige Erkrankungen zuzuziehen. Das Infektionsrisiko sei allgemein bekannt gewesen. Schon aus diesem Grunde scheide eine Anwendung des UntAbschlG aus. Außerdem beständen eventuell zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die Leistungen nach vorgenanntem Gesetz ausschlössen. Der Antrag des Klägers sei nach dem UntAbschlG vom 06. Mai 1994 zu beurteilen. Er sei in einen Antrag nach dem UntAbschlG umgedeutet worden. Ein dagegen vom Kläger am 19. September 1994 eingelegter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 1995).
Der Kläger hat am 11. Mai 1995 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage (Az.: S 2 Va 2/95) erhoben.
Am 29. April 1996 hat der Kläger dem SG telefonisch mitgeteilt, dass er zwischenzeitlich von einer Prozessvertretung durch seinen Rechtsanwalt (Rechtsanwalt Sch ...) abgesehen habe.
Am 03. Juli 1996 hat Rechtsanwalt Sch ... gegenüber dem Gericht erklärt, dass die Klage zurückgenommen werde.
Unter Vorlage eines Schreibens an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten vom 23. April 1996 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05. Juni 1996 mitgeteilt, er habe seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. April 1996 gebeten, ihn nicht mehr vor dem SG zu vertreten. Ohne sein Einverständnis und ohne Rücksprache habe sein Prozessbevollmächtigter die Klage zurückgenommen. Er bitte daher, die Klagerücknahme als unwirksam zu betrachten. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat unter dem 04. November 1996 ausgeführt, es treffe zu, dass das Schreiben des Klägers vom 23. April 1996 von ihm missverstanden worden sei. Die Rücknahme der Klage sei vom Kläger offensichtlich nicht gewollt gewesen. Unter dem 13. September 1996 hat der damalige Vorsitzende Richter der 10. Kammer des SG verfügt, das Verfahren sei in der Hauptsache erledigt, weil der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28. Mai 1996 die Klage am 13. September 1996 zurückgenommen habe. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21. September 1996 die Anfechtung der Klagerücknahme durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten erklärt. Das Verfahren wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen S 10 VU 22/96 weitergeführt. Mit Schreiben vom 09. Dezember 1996 hat der Kläger um Wiederaufnahme des Verfahrens ersucht.
Während des Klageverfahrens hat der Kläger verschiedene medizinische Aufsätze sowie ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. G ..., A ..., vom 08. Juli 1998 zur haftungsrechtlichen Situation der in der ehemaligen DDR mit HCV infizierten Hämophilen nach der Deutschen Vereinigung vorgelegt.
Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren unter anderem vorgetragen, von ungefähr 1958 bis 1990 sei er mit nicht virusinaktivierten Blutprodukten behandelt worden. Irgendwann sei er dabei auch mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert worden. Da er nie an einer akuten Hepatitis erkrankt gewesen sei, sei der Infektionszeitpunkt nicht feststellbar. Die Infektion sei mit einem Antikörpernachweistest 1990/1991 festgestellt worden. Mit diesem Test könne nur ausgesagt werden, dass eine Infektion stattgefunden habe, eine Aussage darüber, wann dies geschehen sei, sei nicht möglich.
Mit Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 1999 hat das SG festgestellt, dass die Klagerücknahme durch Rechtsanwalt S ... im Schreiben vom 28. Mai 1996 das Verfahren nicht erledigt hat, sondern fortzuführen ist, und die Klage abgewiesen. Zwar habe Rechtsanwalt Sch ... mit der Übersendung seiner Vollmacht durch den Kläger im Schriftsatz vom 28. Mai 1996, dem Sozialgericht am 03. Juni 1996 zugegangen, die Klage zurückgenommen. Diese Erklärung sei jedoch rechtsunwirksam, da der Kläger telefonisch am 29. April 1996 die Vollmacht gegenüber Rechtsanwalt Sch ... widerrufen habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe somit eine vollmachtlose Erklärung gegenüber dem SG abgegeben. Das Verfahren habe somit nicht durch Klagerücknahme beendet werden können. Es sei fortzusetzen. Dem Kläger stehe kein Leistungsanspruch nach dem UntAbschlG zu. Mit seinem Begehren auf Unterstützung habe der Kläger keinen Erfolg haben können, weil ein etwaiger Anspruch bereits nach der Anordnung über die Erweiterung der materiellen Unterstützung der Bürger bei Schäden infolge medizinischer Eingriffe vom 16. Dezember 1974 (Ao-Emu 1974, GBl. I 1975 Nr. 3 S. 59) und nach der Anordnung über die erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen vom 28. Januar 1987 (Ao-Emu 1987, GBl. I 1987 Nr. 4 S. 34) ausgeschlossen gewesen sei, das UntAbschlG diesen Ausschluss anerkenne und Neuantragsteller vor allem auch aus Gleichbehandlungsgründen jetzt nicht anders behandelt werden könnten, als andere im Beitrittsgebiet vor 1968 durch medizinische Betreuungsmaßnahmen Geschädigte. Die Infektion beim Kläger könne innerhalb des gesamten Behandlungszeitraumes von 1958 bis 1990 erfolgt sein, der Infektionszeitpunkt und die Übertragungsart seien heute nicht mehr feststellbar. Schon deshalb wäre der Klage der Erfolg zu versagen gewesen. Im Hinblick auf § 12 Ao-Emu 1987 hätte der Antrag auf erweiterte materielle Unterstützung nur innerhalb von vier Jahren nach Durchführung der medizinischen Maßnahme gestellt werden können, spätestens jedoch bis zum Ablauf von zehn Jahren. Wenn der Kläger sich aber bereits in den 50er Jahren infiziert hätte, wären seine Ansprüche auf Leistungen nach der Ao-Emu 1987 verjährt. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers von einer Infektion erst 1968 durch die Kryopräzipitat-Injektion ausgehe, sei kein Leistungsanspruch aus dem UntAbschlG herleitbar. Für Schädigungsfälle, die sich bis zum 01. September 1968 ereignet hätten, sei keine Unterstützung zu gewähren gewesen. Neue Ansprüche hätten aufgrund medizinischer Maßnahmen ab 03. Oktober 1990 nicht mehr entstehen können. Bereits bestehende Ansprüche richteten sich nach der Ao-Emu 1987. Hierzu habe in der DDR eine so genannte "Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung" (Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981) bestanden - die Hepatitis im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung betreffend -. Aus dieser Richtlinie werde deutlich, dass man sich bereits damals in der ehemaligen DDR durchaus des Risikos bewusst gewesen sei, dass mit einer Injektion von Blutbestandteilen verbunden gewesen sei. Wenn sich dieses vorhersehbare Risiko beim Kläger als erheblicher Gesundheitsschaden bedauerlicherweise realisiert habe, stehe es dennoch nicht im krassen Missverhältnis zum Risiko, von dem nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und den Erfahrungen der ärztlichen Praxis zum Zeitpunkt des Eingriffs, der in der damaligen DDR ausgegangen werden konnte. Denn auch im Hinblick auf das erst seit 1989 existierende serologische Testsystem zum Nachweis von Antikörpern gegen strukturelle und regulatorische Proteine der Hepatitis-C-Viren lasse keine andere Auslegung der Richtlinie von 1981 hinsichtlich der möglichen und üblichen Untersuchungsmethoden zur medizinischen Betreuung speziell von Hämophilen in der ehemaligen DDR zu. Sollten dennoch in Kenntnis dieser Gefahr nicht genügend geprüfte Präparate verwendet worden sein, hätte sich nicht ein unvorhersehbares Risiko, wie es § 1 Abs. 2 Nr. 1 UntAbschlG erfordere, verwirklicht, vielmehr wäre ein Behandlungsfehler anzunehmen, der nach § 1 Abs. 1 UntAbschlG einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch begründe. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehe dem Kläger ein Anspruch auf materielle Unterstützung zu.
Gegen das dem Kläger am 29. September 1999 zugestellte Urteil legte er beim Sächsischen Landessozialgericht am 21. Oktober 1999 Berufung ein.
Der Kläger trägt vor, in den 70er Jahren sei das Hepatitis-B- Virus entdeckt worden. Erst nach dieser Zeit sei auch eine Testung von Blut auf diesen Erreger möglich gewesen. Da sich viele Hepatitisfälle weder der Hepatitis A noch B zuordnen ließen, habe man diese Form von Gelbsucht "non A non B-Hepatitis" genannt. Da kein spezieller Nachweistest vorhanden gewesen sei, habe man auch sehr wenig über den Verlauf einer solchen Erkrankung gewusst. Insbesondere habe nicht eingeschätzt werden können, wie viele Erkrankungen ausheilten und wie viele chronisch würden. Erst 1990 sei das Hepatitis-C-Virus entdeckt worden. Seit dieser Zeit existiere auch ein inzwischen mehrfach verbesserter Test zum Nachweis von Antikörpern gegen Hepatitis-C-Viren. Das Wissen über diese Eigenschaften dieses Virus sei seit dieser Zeit sprunghaft gestiegen. Insbesondere habe sich nun erst gezeigt, dass über 80 % aller Infektionen chronisch verliefen, mit der Gefahr der Ausbildung einer Leberzirrhose sowie eines Karzinoms. Aus diesem Grund sei es nicht sachgerecht, wenn der Beklagte bei der abschlägigen Bescheiderteilung auf die Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 41 vom 20. Juli 1981 abstelle. Denn zum damaligen Zeitpunkt habe man diese Form der Hepatitis noch nicht gekannt und einen Zusammenhang mit dem Präparat Kryopräzipitat nicht sehen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 1999 und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 1991 Leistungen nach dem Unterstützungsabschlussgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Krankenunterlagen vom Universitätsklinikum Leipzig, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten des Beklagten (B-Akte und Schwerbehindertenakte), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Zahlungen nach dem UntAbschlG ab 01. Januar 1991. Der Bescheid des Beklagten vom 17. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1995 ist rechtmäßig.
Die Klage ist zulässig. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass die Klagerücknahme durch den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schreiben vom 28. Mai 1996 das Verfahren nicht erledigt hat. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung der Klagerücknahme im Schriftsatz vom 28. Mai 1996 (bei Gericht eingegangen am 03. Juni 1996) war bereits die Vollmacht des damaligen Prozessbevollmächtigten erloschen. Denn in seinem Schreiben vom 23. April 1996 hat der Kläger seinen damaligen Prozessbevollmächtigten gebeten, seine Klage vor dem Sozialgericht Leipzig nicht weiter zu vertreten, mithin die Vollmacht mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Dem SG teilte der Kläger telefonisch am 29. April 1996 mit, dass er zwischenzeitlich von einer Prozessvertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten abgesehen habe. Die vom Kläger seinem damaligen Prozessbevollmächtigten unter dem 04. August 1995 erteilte Prozessvollmacht ist daher vor Erklärung der Klagerücknahme am 03. Juni 1996 als erloschen anzusehen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage, § 73 Rn. 17).
Die Klage ist indessen unbegründet. Dem Kläger steht der behauptete Anspruch nicht zu. In Betracht kommt allein ein Anspruch auf Leistungen nach dem UntAbschlG.
Ansprüche nach der Ao-Emu 1974 und nach der Ao-Emu 1987 sind ausgeschlossen. Mit der Ao-Emu 1974 sollte eine erweiterte materielle Unterstützung wegen aller erheblichen Gesundheitsschädigungen im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen gewährt werden, die nach dem 01. September 1968 durchgeführt worden waren (§ 10 Ao-Emu 1974). Diese Anordnung wurde mit Wirkung vom 01. Juni 1987 durch die Ao-Emu 1987 abgelöst (§ 13 Ao- Emu 1987). Die starre zeitliche Rückwirkungsgrenze der Ao-Emu 1974 wurde durch § 12 Ao-Emu 1987 ersetzt. Danach konnten Anträge auf Gewährung einer erweiterten materiellen Unterstützung innerhalb von vier Jahren nach Durchführung der medizinischen Maßnahmen gestellt werden, spätestens jedoch bis zum Ablauf von zehn Jahren, wenn die erhebliche Gesundheitsschädigung erst nach Ablauf von vier Jahren bekannt wird. Mit In-Kraft-Treten dieser Vorschrift waren alle noch nicht beantragten Unterstützungsansprüche wegen vor dem 01. Juni 1977 durchgeführter medizinischer Maßnahmen ausgeschlossen; die Ao- Emu 1987 galt nach Anlage II Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 6 des Einigungsvertrages (EinigVtr) zunächst als Bundesrecht (vgl. Artikel 9 Abs. 4 EinigVtr) weiter "für Schäden, die auf medizinische Maßnahmen zurückzuführen sind, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts durchgeführt wurden", wobei neue Ansprüche ab 03. Oktober 1990 nicht mehr entstehen konnten, bereits bestehende Ansprüche sich nach der Ao-Emu 1987 richteten (BSG, Urteil vom 27. August 1998, Az.: B 9 V 22/97 R = SozR 3-8765 § 7 Nr. 1 = BSGE 82, 271 bis 276).
Mit dem UntAbschlG vom 06. Mai 1994 ist jedoch denjenigen geschädigten Bürgern der ehemaligen DDR, die seinerzeit keinen Antrag auf eine erweiterte materielle Unterstützung gestellt und die Frist des § 12 Ao-Emu 1987 versäumt haben, nicht die Möglichkeit eröffnet worden, nunmehr Leistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 27. August 1998, a.a.O.).
Der Kläger hat vorgetragen, eine Hepatitis-B- und-C-Infektion sei bei ihm erst 1990/1991 festgestellt worden. Es kann jedoch nach Auffassung des Senats im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob ihm aufgrund des Vorliegens einer materiellen Ausschlussfrist kein Anspruch auf eine Leistung nach dem UntAbschlG zusteht. Ein Anspruch ist schon deshalb nicht gegeben, weil die vom Kläger geschilderte Behandlung mit Kryopräzipitat mit einer möglichen Hepatitis-B-und-C-Infektion nicht vom Regelungsbereich des UntAbschlG erfasst ist.
Nach § 1 Abs. 1 UntAbschlG erhalten deutsche Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben und vor dem 03. Oktober 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen durch medizinische Betreuungsmaßnahmen einen erheblichen Gesundheitsschaden erlitten haben, auf Antrag Unterstützung zum Ausgleich der durch die Schädigung bedingten wirtschaftlichen Folgen.
Unter anderem ist Voraussetzung für die Unterstützung die bestimmungsgemäße Anwendung eines ärztlich verordnenden Arzneimittels mit der Folge einer erheblichen Gesundheitsschädigung, die nach dem damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft auf eine damals nicht bekannte oder nicht vorhersehbare schädliche Wirkung des Arzneimittels zurückzuführen ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 UntAbschlG). Nach Überzeugung des Senats ist es unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Nachhinein nicht mehr feststellbar, ob und wann der Kläger durch die Anwendung des Mittels Kryopräzipitat eine Hepatitis-B-und-C-Infektion erworben hat, da diese erst 1990/1991 festgestellt wurde. Eine Infektion kann innerhalb des gesamten Behandlungszeitraumes mit Kryopräzipitat stattgefunden haben. Zum Beginn des Behandlungszeitraumes macht der Kläger unterschiedliche Angaben, einerseits trägt er vor, von 1958 bis 1990 mit dem Mittel behandelt worden zu sein, in seiner Berufungsbegründung nennt er als Beginn Mitte der 60er Jahre.
Selbst wenn man eine Infektion des Klägers durch die Kryopräzipitat-Injektion unterstellte, ergäbe sich daraus indes dennoch kein Leistungsanspruch nach dem UntAbschlG. Der Kläger kann keinen weitergehenden Anspruch nach dem UntAbschlG haben, als ihm ein solcher nach der Emu-Ao 1987 zustehen würde (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteile vom 20. Mai 1998, Az.: L 2 VM 19/97 und L 2 VM 2/97). Nach der in der ehemaligen DDR existierenden Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981, die Hepatitis im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung betreffend, war grundsätzlich eine Pflichtverletzung beim Auftreten einer Hepatitis im Anschluss an eine injizierte Anwendung von Blut oder Blutbestandteilen oder nach parenteralen Eingriffen bzw. durch nichtparenterale Übertragungsarten im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung zu verneinen, wenn nachweislich die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen des Blutspenders erfolgten und nur Blut bzw. Blutbestandteile von solchen Blutspendern zur Abgabe freigegeben wurden, von denen aufgrund der derzeitig möglichen und üblichen Untersuchungsmethoden und -ergebnisse unterstellt werden konnte, dass es sich um einen Hepatitis-antigenfreien Spender handelt; die Anwendung von Blut und Blutbestandteilen und parenterale Eingriffe entsprechend den gültigen Weisungen und Regeln durchgeführt wurden und seitens der zuständigen Gesundheitseinrichtung die entsprechenden Vorschriften und spezifischen Schutzmaßnahmen, insbesondere Sterilisation und Desinfektion eingehalten wurden. Weiter wird in der Richtlinie angegeben, die Voraussetzungen für die Anwendung der Ao-Emu 1974 seien in der Regel nicht gegeben, da die Kriterien des § 1 Abs. 1 nicht erfüllt seien, weil - die Möglichkeit für einen Kontakt mit Hepatitis-antigenpositiven Trägern in Gesundheitseinrichtungen größer sei als die durchschnittliche allgemeine Umgebungsgefährdung, - auch bei Ausschöpfung aller nach dem Erkenntnisstand injizierten und derzeit möglichen und üblichen Untersuchungsmethhoden nicht alle Hepatitis-antigenpositiven Träger erfasst und eliminiert werden könnten und ihr sicherer Ausschluss bei der Anwendung von Blut und Blutbestandteilen sowie parenteralen Eingriffen derzeit nicht zu garantieren sei, - aus vorgenannten Gründen jeder Bürger, der sich ambulant oder stationär in einer Gesundheitseinrichtung befinde, mit der Möglichkeit rechnen müsse, durch Kontakt mit unerkannten Hepatitis-antigenpositiven Trägern eine Hepatitis zu erwerben, unabhängig davon, ob bei ihm eine Bluttransfusion oder ein parenteraler Eingriff durchgeführt worden sei. Daraus ergibt sich, dass im Juli 1981 ein aus medizinischer Sicht vorhersehbares Risiko existierte, sich im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung mit Hepatitis zu infizieren und schon damals eine materielle Unterstützung nach der Ao-Emu 1974 nicht in Betracht kam. Da § 1 Abs. 2 Nr. 2 UntAbschlG ausdrücklich auf den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Verordnung des Mittels abstellt, ergibt sich aus § 1 UntAbschlG nichts anderes (Sächsisches LSG, Urteil vom 20. Mai 1998, Az.: L 2 VM 2/97).
Wären jedoch in Kenntnis der Infektionsgefahr nicht genügend geprüfte Präparate verwendet worden, hätte sich nicht ein unvorhersehbares Risiko verwirklicht, sondern es läge ein Behandlungsfehler vor, der den Kläger nach § 1 Abs. 3 UntAbschlG auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch verwiese. Ein Anspruch auf Unterstützung wäre dann insoweit nicht gegeben.
Sofern der Kläger vorträgt, zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie vom 20. Juli 1981 sei die Form der Hepatitis-C noch nicht bekannt gewesen und man habe einen Zusammenhang mit dem Präparat "Kryopräzipitat" nicht sehen können, ist dem entgegenzuhalten, dass in der Richtlinie auch nicht zwischen einer Hepatitis A und einer Hepatitis B unterschieden wird. Sowohl der Hepatitis-B-Virus als auch der Hepatitis-C-Virus werden vorzugsweise parenteral aufgenommen (Blut, Geschlechtsverkehr) (Hexal Taschenlexikon Medizin, 1993, S. 291 bis 292, 804). Selbst wenn zum damaligen Zeitpunkt der Hepatitis-C-Virus bekannt gewesen wäre, wäre die Richtlinie vom 20. Juli 1981 unter Berücksichtigung der damals bekannten Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Viren inhaltlich nicht anders ausgefallen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen nach dem Gesetz über den Abschluss von Unterstützungen der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen (Unterstützungsabschlussgesetz-UntAbschlG) vom 06. Mai 1994 (BGBl. I, S. 990) wegen Behandlung einer Blutgerinnungsstörung mit dem Gerinnungspräparat Kryopräzipitat und einer 1990/1991 festgestellten Hepatitis B und C zustehen.
Der im Mai 19 ... geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Hämophilie A (Bluterkrankheit). Der Kläger hat angegeben, seit Mitte der 60er Jahre bis Anfang 1990 sei eine Behandlung mit Kryopräzipitat durchgeführt worden. Eine Hepatitis B und C-Infektion sei 1990/1991 festgestellt worden. Der Zeitpunkt und der Ort der Infektion seien ihm nicht bekannt. Er sei nie an einer akuten Hepatitis erkrankt. Der Kläger ist schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (GdB 100 ab 18. September 1991, Merkzeichen "B", "G" und "aG", vgl. Abhilfe-Bescheid des Beklagten vom 24. August 1992).
Mit Schreiben vom 21. November 1993, bei dem Beklagten eingegangen am 24. November 1993, bat er um Anerkennung seiner Hepatitis-B- und C-Erkrankung als erhebliche Gesundheitsschädigung nach der Anordnung über eine erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen am 28. Januar 1987. Zur Therapie der Hämophilie-A-Erkrankung sei er bis 1990 mit Kryopräzipitat behandelt worden. Da dieses Medikament, welches aus menschlichem Plasma hergestellt worden sei, nicht virusinaktiviert gewesen sei, sei es bei ihm zu einer Übertragung von Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren mit anschließender Erkrankung gekommen.
Der Beklagte erließ am 17. August 1994 einen ablehnenden Bescheid hinsichtlich eines Anspruchs auf Versorgung nach dem UntAbschlG. Bei der Gabe von Blut und Blutprodukten habe immer die Möglichkeit und damit auch das Risiko bestanden, sich eine Hepatitis oder sonstige Erkrankungen zuzuziehen. Das Infektionsrisiko sei allgemein bekannt gewesen. Schon aus diesem Grunde scheide eine Anwendung des UntAbschlG aus. Außerdem beständen eventuell zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die Leistungen nach vorgenanntem Gesetz ausschlössen. Der Antrag des Klägers sei nach dem UntAbschlG vom 06. Mai 1994 zu beurteilen. Er sei in einen Antrag nach dem UntAbschlG umgedeutet worden. Ein dagegen vom Kläger am 19. September 1994 eingelegter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 1995).
Der Kläger hat am 11. Mai 1995 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage (Az.: S 2 Va 2/95) erhoben.
Am 29. April 1996 hat der Kläger dem SG telefonisch mitgeteilt, dass er zwischenzeitlich von einer Prozessvertretung durch seinen Rechtsanwalt (Rechtsanwalt Sch ...) abgesehen habe.
Am 03. Juli 1996 hat Rechtsanwalt Sch ... gegenüber dem Gericht erklärt, dass die Klage zurückgenommen werde.
Unter Vorlage eines Schreibens an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten vom 23. April 1996 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05. Juni 1996 mitgeteilt, er habe seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. April 1996 gebeten, ihn nicht mehr vor dem SG zu vertreten. Ohne sein Einverständnis und ohne Rücksprache habe sein Prozessbevollmächtigter die Klage zurückgenommen. Er bitte daher, die Klagerücknahme als unwirksam zu betrachten. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat unter dem 04. November 1996 ausgeführt, es treffe zu, dass das Schreiben des Klägers vom 23. April 1996 von ihm missverstanden worden sei. Die Rücknahme der Klage sei vom Kläger offensichtlich nicht gewollt gewesen. Unter dem 13. September 1996 hat der damalige Vorsitzende Richter der 10. Kammer des SG verfügt, das Verfahren sei in der Hauptsache erledigt, weil der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28. Mai 1996 die Klage am 13. September 1996 zurückgenommen habe. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21. September 1996 die Anfechtung der Klagerücknahme durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten erklärt. Das Verfahren wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen S 10 VU 22/96 weitergeführt. Mit Schreiben vom 09. Dezember 1996 hat der Kläger um Wiederaufnahme des Verfahrens ersucht.
Während des Klageverfahrens hat der Kläger verschiedene medizinische Aufsätze sowie ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. G ..., A ..., vom 08. Juli 1998 zur haftungsrechtlichen Situation der in der ehemaligen DDR mit HCV infizierten Hämophilen nach der Deutschen Vereinigung vorgelegt.
Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren unter anderem vorgetragen, von ungefähr 1958 bis 1990 sei er mit nicht virusinaktivierten Blutprodukten behandelt worden. Irgendwann sei er dabei auch mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert worden. Da er nie an einer akuten Hepatitis erkrankt gewesen sei, sei der Infektionszeitpunkt nicht feststellbar. Die Infektion sei mit einem Antikörpernachweistest 1990/1991 festgestellt worden. Mit diesem Test könne nur ausgesagt werden, dass eine Infektion stattgefunden habe, eine Aussage darüber, wann dies geschehen sei, sei nicht möglich.
Mit Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 1999 hat das SG festgestellt, dass die Klagerücknahme durch Rechtsanwalt S ... im Schreiben vom 28. Mai 1996 das Verfahren nicht erledigt hat, sondern fortzuführen ist, und die Klage abgewiesen. Zwar habe Rechtsanwalt Sch ... mit der Übersendung seiner Vollmacht durch den Kläger im Schriftsatz vom 28. Mai 1996, dem Sozialgericht am 03. Juni 1996 zugegangen, die Klage zurückgenommen. Diese Erklärung sei jedoch rechtsunwirksam, da der Kläger telefonisch am 29. April 1996 die Vollmacht gegenüber Rechtsanwalt Sch ... widerrufen habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe somit eine vollmachtlose Erklärung gegenüber dem SG abgegeben. Das Verfahren habe somit nicht durch Klagerücknahme beendet werden können. Es sei fortzusetzen. Dem Kläger stehe kein Leistungsanspruch nach dem UntAbschlG zu. Mit seinem Begehren auf Unterstützung habe der Kläger keinen Erfolg haben können, weil ein etwaiger Anspruch bereits nach der Anordnung über die Erweiterung der materiellen Unterstützung der Bürger bei Schäden infolge medizinischer Eingriffe vom 16. Dezember 1974 (Ao-Emu 1974, GBl. I 1975 Nr. 3 S. 59) und nach der Anordnung über die erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen vom 28. Januar 1987 (Ao-Emu 1987, GBl. I 1987 Nr. 4 S. 34) ausgeschlossen gewesen sei, das UntAbschlG diesen Ausschluss anerkenne und Neuantragsteller vor allem auch aus Gleichbehandlungsgründen jetzt nicht anders behandelt werden könnten, als andere im Beitrittsgebiet vor 1968 durch medizinische Betreuungsmaßnahmen Geschädigte. Die Infektion beim Kläger könne innerhalb des gesamten Behandlungszeitraumes von 1958 bis 1990 erfolgt sein, der Infektionszeitpunkt und die Übertragungsart seien heute nicht mehr feststellbar. Schon deshalb wäre der Klage der Erfolg zu versagen gewesen. Im Hinblick auf § 12 Ao-Emu 1987 hätte der Antrag auf erweiterte materielle Unterstützung nur innerhalb von vier Jahren nach Durchführung der medizinischen Maßnahme gestellt werden können, spätestens jedoch bis zum Ablauf von zehn Jahren. Wenn der Kläger sich aber bereits in den 50er Jahren infiziert hätte, wären seine Ansprüche auf Leistungen nach der Ao-Emu 1987 verjährt. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers von einer Infektion erst 1968 durch die Kryopräzipitat-Injektion ausgehe, sei kein Leistungsanspruch aus dem UntAbschlG herleitbar. Für Schädigungsfälle, die sich bis zum 01. September 1968 ereignet hätten, sei keine Unterstützung zu gewähren gewesen. Neue Ansprüche hätten aufgrund medizinischer Maßnahmen ab 03. Oktober 1990 nicht mehr entstehen können. Bereits bestehende Ansprüche richteten sich nach der Ao-Emu 1987. Hierzu habe in der DDR eine so genannte "Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung" (Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981) bestanden - die Hepatitis im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung betreffend -. Aus dieser Richtlinie werde deutlich, dass man sich bereits damals in der ehemaligen DDR durchaus des Risikos bewusst gewesen sei, dass mit einer Injektion von Blutbestandteilen verbunden gewesen sei. Wenn sich dieses vorhersehbare Risiko beim Kläger als erheblicher Gesundheitsschaden bedauerlicherweise realisiert habe, stehe es dennoch nicht im krassen Missverhältnis zum Risiko, von dem nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und den Erfahrungen der ärztlichen Praxis zum Zeitpunkt des Eingriffs, der in der damaligen DDR ausgegangen werden konnte. Denn auch im Hinblick auf das erst seit 1989 existierende serologische Testsystem zum Nachweis von Antikörpern gegen strukturelle und regulatorische Proteine der Hepatitis-C-Viren lasse keine andere Auslegung der Richtlinie von 1981 hinsichtlich der möglichen und üblichen Untersuchungsmethoden zur medizinischen Betreuung speziell von Hämophilen in der ehemaligen DDR zu. Sollten dennoch in Kenntnis dieser Gefahr nicht genügend geprüfte Präparate verwendet worden sein, hätte sich nicht ein unvorhersehbares Risiko, wie es § 1 Abs. 2 Nr. 1 UntAbschlG erfordere, verwirklicht, vielmehr wäre ein Behandlungsfehler anzunehmen, der nach § 1 Abs. 1 UntAbschlG einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch begründe. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehe dem Kläger ein Anspruch auf materielle Unterstützung zu.
Gegen das dem Kläger am 29. September 1999 zugestellte Urteil legte er beim Sächsischen Landessozialgericht am 21. Oktober 1999 Berufung ein.
Der Kläger trägt vor, in den 70er Jahren sei das Hepatitis-B- Virus entdeckt worden. Erst nach dieser Zeit sei auch eine Testung von Blut auf diesen Erreger möglich gewesen. Da sich viele Hepatitisfälle weder der Hepatitis A noch B zuordnen ließen, habe man diese Form von Gelbsucht "non A non B-Hepatitis" genannt. Da kein spezieller Nachweistest vorhanden gewesen sei, habe man auch sehr wenig über den Verlauf einer solchen Erkrankung gewusst. Insbesondere habe nicht eingeschätzt werden können, wie viele Erkrankungen ausheilten und wie viele chronisch würden. Erst 1990 sei das Hepatitis-C-Virus entdeckt worden. Seit dieser Zeit existiere auch ein inzwischen mehrfach verbesserter Test zum Nachweis von Antikörpern gegen Hepatitis-C-Viren. Das Wissen über diese Eigenschaften dieses Virus sei seit dieser Zeit sprunghaft gestiegen. Insbesondere habe sich nun erst gezeigt, dass über 80 % aller Infektionen chronisch verliefen, mit der Gefahr der Ausbildung einer Leberzirrhose sowie eines Karzinoms. Aus diesem Grund sei es nicht sachgerecht, wenn der Beklagte bei der abschlägigen Bescheiderteilung auf die Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 41 vom 20. Juli 1981 abstelle. Denn zum damaligen Zeitpunkt habe man diese Form der Hepatitis noch nicht gekannt und einen Zusammenhang mit dem Präparat Kryopräzipitat nicht sehen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 1999 und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 1991 Leistungen nach dem Unterstützungsabschlussgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Krankenunterlagen vom Universitätsklinikum Leipzig, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten des Beklagten (B-Akte und Schwerbehindertenakte), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Zahlungen nach dem UntAbschlG ab 01. Januar 1991. Der Bescheid des Beklagten vom 17. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1995 ist rechtmäßig.
Die Klage ist zulässig. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass die Klagerücknahme durch den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schreiben vom 28. Mai 1996 das Verfahren nicht erledigt hat. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung der Klagerücknahme im Schriftsatz vom 28. Mai 1996 (bei Gericht eingegangen am 03. Juni 1996) war bereits die Vollmacht des damaligen Prozessbevollmächtigten erloschen. Denn in seinem Schreiben vom 23. April 1996 hat der Kläger seinen damaligen Prozessbevollmächtigten gebeten, seine Klage vor dem Sozialgericht Leipzig nicht weiter zu vertreten, mithin die Vollmacht mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Dem SG teilte der Kläger telefonisch am 29. April 1996 mit, dass er zwischenzeitlich von einer Prozessvertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten abgesehen habe. Die vom Kläger seinem damaligen Prozessbevollmächtigten unter dem 04. August 1995 erteilte Prozessvollmacht ist daher vor Erklärung der Klagerücknahme am 03. Juni 1996 als erloschen anzusehen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage, § 73 Rn. 17).
Die Klage ist indessen unbegründet. Dem Kläger steht der behauptete Anspruch nicht zu. In Betracht kommt allein ein Anspruch auf Leistungen nach dem UntAbschlG.
Ansprüche nach der Ao-Emu 1974 und nach der Ao-Emu 1987 sind ausgeschlossen. Mit der Ao-Emu 1974 sollte eine erweiterte materielle Unterstützung wegen aller erheblichen Gesundheitsschädigungen im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen gewährt werden, die nach dem 01. September 1968 durchgeführt worden waren (§ 10 Ao-Emu 1974). Diese Anordnung wurde mit Wirkung vom 01. Juni 1987 durch die Ao-Emu 1987 abgelöst (§ 13 Ao- Emu 1987). Die starre zeitliche Rückwirkungsgrenze der Ao-Emu 1974 wurde durch § 12 Ao-Emu 1987 ersetzt. Danach konnten Anträge auf Gewährung einer erweiterten materiellen Unterstützung innerhalb von vier Jahren nach Durchführung der medizinischen Maßnahmen gestellt werden, spätestens jedoch bis zum Ablauf von zehn Jahren, wenn die erhebliche Gesundheitsschädigung erst nach Ablauf von vier Jahren bekannt wird. Mit In-Kraft-Treten dieser Vorschrift waren alle noch nicht beantragten Unterstützungsansprüche wegen vor dem 01. Juni 1977 durchgeführter medizinischer Maßnahmen ausgeschlossen; die Ao- Emu 1987 galt nach Anlage II Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 6 des Einigungsvertrages (EinigVtr) zunächst als Bundesrecht (vgl. Artikel 9 Abs. 4 EinigVtr) weiter "für Schäden, die auf medizinische Maßnahmen zurückzuführen sind, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts durchgeführt wurden", wobei neue Ansprüche ab 03. Oktober 1990 nicht mehr entstehen konnten, bereits bestehende Ansprüche sich nach der Ao-Emu 1987 richteten (BSG, Urteil vom 27. August 1998, Az.: B 9 V 22/97 R = SozR 3-8765 § 7 Nr. 1 = BSGE 82, 271 bis 276).
Mit dem UntAbschlG vom 06. Mai 1994 ist jedoch denjenigen geschädigten Bürgern der ehemaligen DDR, die seinerzeit keinen Antrag auf eine erweiterte materielle Unterstützung gestellt und die Frist des § 12 Ao-Emu 1987 versäumt haben, nicht die Möglichkeit eröffnet worden, nunmehr Leistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 27. August 1998, a.a.O.).
Der Kläger hat vorgetragen, eine Hepatitis-B- und-C-Infektion sei bei ihm erst 1990/1991 festgestellt worden. Es kann jedoch nach Auffassung des Senats im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob ihm aufgrund des Vorliegens einer materiellen Ausschlussfrist kein Anspruch auf eine Leistung nach dem UntAbschlG zusteht. Ein Anspruch ist schon deshalb nicht gegeben, weil die vom Kläger geschilderte Behandlung mit Kryopräzipitat mit einer möglichen Hepatitis-B-und-C-Infektion nicht vom Regelungsbereich des UntAbschlG erfasst ist.
Nach § 1 Abs. 1 UntAbschlG erhalten deutsche Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben und vor dem 03. Oktober 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen durch medizinische Betreuungsmaßnahmen einen erheblichen Gesundheitsschaden erlitten haben, auf Antrag Unterstützung zum Ausgleich der durch die Schädigung bedingten wirtschaftlichen Folgen.
Unter anderem ist Voraussetzung für die Unterstützung die bestimmungsgemäße Anwendung eines ärztlich verordnenden Arzneimittels mit der Folge einer erheblichen Gesundheitsschädigung, die nach dem damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft auf eine damals nicht bekannte oder nicht vorhersehbare schädliche Wirkung des Arzneimittels zurückzuführen ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 UntAbschlG). Nach Überzeugung des Senats ist es unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Nachhinein nicht mehr feststellbar, ob und wann der Kläger durch die Anwendung des Mittels Kryopräzipitat eine Hepatitis-B-und-C-Infektion erworben hat, da diese erst 1990/1991 festgestellt wurde. Eine Infektion kann innerhalb des gesamten Behandlungszeitraumes mit Kryopräzipitat stattgefunden haben. Zum Beginn des Behandlungszeitraumes macht der Kläger unterschiedliche Angaben, einerseits trägt er vor, von 1958 bis 1990 mit dem Mittel behandelt worden zu sein, in seiner Berufungsbegründung nennt er als Beginn Mitte der 60er Jahre.
Selbst wenn man eine Infektion des Klägers durch die Kryopräzipitat-Injektion unterstellte, ergäbe sich daraus indes dennoch kein Leistungsanspruch nach dem UntAbschlG. Der Kläger kann keinen weitergehenden Anspruch nach dem UntAbschlG haben, als ihm ein solcher nach der Emu-Ao 1987 zustehen würde (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteile vom 20. Mai 1998, Az.: L 2 VM 19/97 und L 2 VM 2/97). Nach der in der ehemaligen DDR existierenden Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981, die Hepatitis im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung betreffend, war grundsätzlich eine Pflichtverletzung beim Auftreten einer Hepatitis im Anschluss an eine injizierte Anwendung von Blut oder Blutbestandteilen oder nach parenteralen Eingriffen bzw. durch nichtparenterale Übertragungsarten im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung zu verneinen, wenn nachweislich die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen des Blutspenders erfolgten und nur Blut bzw. Blutbestandteile von solchen Blutspendern zur Abgabe freigegeben wurden, von denen aufgrund der derzeitig möglichen und üblichen Untersuchungsmethoden und -ergebnisse unterstellt werden konnte, dass es sich um einen Hepatitis-antigenfreien Spender handelt; die Anwendung von Blut und Blutbestandteilen und parenterale Eingriffe entsprechend den gültigen Weisungen und Regeln durchgeführt wurden und seitens der zuständigen Gesundheitseinrichtung die entsprechenden Vorschriften und spezifischen Schutzmaßnahmen, insbesondere Sterilisation und Desinfektion eingehalten wurden. Weiter wird in der Richtlinie angegeben, die Voraussetzungen für die Anwendung der Ao-Emu 1974 seien in der Regel nicht gegeben, da die Kriterien des § 1 Abs. 1 nicht erfüllt seien, weil - die Möglichkeit für einen Kontakt mit Hepatitis-antigenpositiven Trägern in Gesundheitseinrichtungen größer sei als die durchschnittliche allgemeine Umgebungsgefährdung, - auch bei Ausschöpfung aller nach dem Erkenntnisstand injizierten und derzeit möglichen und üblichen Untersuchungsmethhoden nicht alle Hepatitis-antigenpositiven Träger erfasst und eliminiert werden könnten und ihr sicherer Ausschluss bei der Anwendung von Blut und Blutbestandteilen sowie parenteralen Eingriffen derzeit nicht zu garantieren sei, - aus vorgenannten Gründen jeder Bürger, der sich ambulant oder stationär in einer Gesundheitseinrichtung befinde, mit der Möglichkeit rechnen müsse, durch Kontakt mit unerkannten Hepatitis-antigenpositiven Trägern eine Hepatitis zu erwerben, unabhängig davon, ob bei ihm eine Bluttransfusion oder ein parenteraler Eingriff durchgeführt worden sei. Daraus ergibt sich, dass im Juli 1981 ein aus medizinischer Sicht vorhersehbares Risiko existierte, sich im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung mit Hepatitis zu infizieren und schon damals eine materielle Unterstützung nach der Ao-Emu 1974 nicht in Betracht kam. Da § 1 Abs. 2 Nr. 2 UntAbschlG ausdrücklich auf den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Verordnung des Mittels abstellt, ergibt sich aus § 1 UntAbschlG nichts anderes (Sächsisches LSG, Urteil vom 20. Mai 1998, Az.: L 2 VM 2/97).
Wären jedoch in Kenntnis der Infektionsgefahr nicht genügend geprüfte Präparate verwendet worden, hätte sich nicht ein unvorhersehbares Risiko verwirklicht, sondern es läge ein Behandlungsfehler vor, der den Kläger nach § 1 Abs. 3 UntAbschlG auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch verwiese. Ein Anspruch auf Unterstützung wäre dann insoweit nicht gegeben.
Sofern der Kläger vorträgt, zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie vom 20. Juli 1981 sei die Form der Hepatitis-C noch nicht bekannt gewesen und man habe einen Zusammenhang mit dem Präparat "Kryopräzipitat" nicht sehen können, ist dem entgegenzuhalten, dass in der Richtlinie auch nicht zwischen einer Hepatitis A und einer Hepatitis B unterschieden wird. Sowohl der Hepatitis-B-Virus als auch der Hepatitis-C-Virus werden vorzugsweise parenteral aufgenommen (Blut, Geschlechtsverkehr) (Hexal Taschenlexikon Medizin, 1993, S. 291 bis 292, 804). Selbst wenn zum damaligen Zeitpunkt der Hepatitis-C-Virus bekannt gewesen wäre, wäre die Richtlinie vom 20. Juli 1981 unter Berücksichtigung der damals bekannten Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Viren inhaltlich nicht anders ausgefallen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved