Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 RJ 214/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 273/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die am ... 1950 geborene Klägerin war nach Tätigkeiten als Hilfs- und Druckereiarbeiterin von November 1973 bis Dezember 1991 als Doublerin in einer Baumwollspinnerei beschäftigt; am 25. Juni 1995 erwarb sie im Wege der Erwachsenenqualifizierung den Abschluss als Facharbeiterin für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit nahm sie von September 1992 bis März 1993 an einer Umschulung zur Verkäuferin teil. Seither ist sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.
Den (zweiten) Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 15. Juli 1998 begründete die Klägerin mit Migräne, Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden, Fersensporn sowie tauben Fingern.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor: - ein Befundbericht des Internisten Sanitätsrat H1 ... vom 22. September 1998, - ein Gutachten des Orthopäden Dr. L1 ... vom 01. Dezember 1998, in dem eine reaktive Depression, bedingt durch Langzeitarbeitslosigkeit, ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei geringgradiger Lumbalskoliose, Assimilationsstörungen und erhebliche Adipositas sowie eine Zervikocephalgie diagnostiziert und eingeschätzt wurde, die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Haltungswechsel vollschichtig zu verrichten. Der ärztliche Prüfdienst der Beklagten (Dr. H2 ...) schätzte die Klägerin in einer Stellungnahme vom 03. Dezember 1998 als vollschichtig leistungsfähig für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Gefährdung durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe, ohne Überkopfarbeit und ohne Tätigkeiten im Knien oder Hocken ein; als Textilarbeiterin bestehe ein zweistündig bis unter halbschichtiges Leistungsvermögen.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 1998 lehnte die Beklagte, die zuvor mit Bescheid vom 2. Dezember 1998 wegen mangelnder Mitwirkung die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit versagt hatte, die Gewährung einer solchen Rente unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit als Mitarbeiterin einer Poststelle ab.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 19. Januar 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1999 zurück. Zwar könne die Klägerin mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nur noch zweistündig bis unter halbschichtig als Doublerin tätig sein. Sie sei jedoch in der Lage, vollschichtig leichte sowie untervollschichtig mittelschwere Arbeit ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Überkopfarbeiten und ohne Gefährdung durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Nach ihrem beruflichen Werdegang sei sie der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Als Facharbeiterin sei sie aber auf eine Tätigkeit als Verkäuferin für Textilwaren zumutbar verweisbar.
Auf die am 12. Mai 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig (SG) Befundberichte des Orthopäden Prof. Dr. K1 ... vom 20. Juli 1999 und 23. Dezember 1999, des Internisten Sanitätsrat H1 ... vom 24. November 1999, der Nervenärztin Dipl.-med. R1. vom 13. April 2000 sowie des Allgemeinmediziners Dr. D1 ... vom 25. April 2000 eingeholt. Ferner hat das SG den Allgemeinmediziner Dr. P1 ... und den Neurologen und Psychiater Dr. S1 ... mit der Erstattung von Gutachten beauftragt. Dr. P1 ... hat in seinem nach ambulanter Untersuchung am 16. Oktober 2000 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen gestellt: - Depressive Episode mit Suizidversuch 8/00, - medikamentös behandelter Bluthochdruck, - Struma, - Übergewichtigkeit. Insgesamt seien der Klägerin noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zumutbar. Diese Tätigkeiten könnten sowohl im Wechsel zwischen Gehen, Stehen oder Sitzen ausgeübt werden. Auch die jeweiligen einzelnen Körperpositionen seien problemlos zumutbar. Die Stresstoleranz sei zwar gemindert, es sei aber davon auszugehen, dass es sich dabei um einen vorübergehenden Zustand handele. Die Klägerin sei auch in der Lage, ihrer früher ausgeübten Beschäftigung als Doublerin vollschichtig nachzugehen. Dr. S1 ... hat in seinem Gutachten vom 1. Juni 2001 folgende Diagnosen gestellt: - Anpassungsstörung im Sinne von Angst und depressiver Reaktion gemischt (ICD 10: F 43.22) auf dem Boden des Arbeitsplatzverlustes und der inzwischen eingetretenen Langzeitarbeitslosigkeit mit zunehmender begleitender, eher undifferenzierter Somatisierungsstörung und ab etwa Frühjahr/Frühsommer 2000 Übergang der ursprünglichen Anpassungsstörung in eine rezidivierende depressive Störung (ICD 10:F 33) im Sinne eines reaktiv-depressiven Syndroms wechselnder Intensität ohne af - fektpsychotische Symptomatik bzw. Schweregrad, leichtgradige Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen unterdurchschnittlicher intellektueller Leistungsfähigkeit und leichter Intelligenzminderung, jedoch noch nicht die Kategorie der ICD 10:F 70 erfüllend, - medikamentös ausreichend eingestellter Bluthochdruck, allenfalls geringfügige qualitative Leistungsbeeinträchtigung, - geringfügige Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, isoliert betrachtet geringgradige Leistungsbeeinträchtigung, - ausgeprägte Übergewichtigkeit. Die Klägerin sei in der Lage, leichte, teilweise auch mittelschwere (ca. 25 %) Arbeiten zu verrichten. Bezüglich des Arbeitsmodus wäre eine Ausgewogenheit der Arbeitspositionen sicher sinnvoll, ohne dass einer Arbeitsposition eine Präferenz eingeräumt werden könnte. Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sollte nur gelegentlich erfolgen. Desgleichen kämen Tätigkeiten im Hocken, Knien oder Bücken nur gelegentlich in Frage. Arbeiten über Kopf oder in sonstigen Zwangshaltungen sollten vermieden werden. Das gelegentliche Steigen von Treppen sei möglich, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten dagegen nicht. Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen seien nicht zu empfehlen, sofern es sich dabei um Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder unter Zeitdruck handele. Wechsel- bzw. Nachtschicht seien nicht möglich. Die Klägerin besitze keine ausreichende Flexibilität, um sich im Rahmen einer Weiterbildung oder Umschulung auch außerhalb des bisherigen Berufsbereiches auf eine Erwerbstätigkeit umzustellen. Für Anlerntätigkeiten leichter bis mittelgradiger körperlicher Beanspruchung und klar strukturierten Aufgaben bei angemessener Einarbeitungszeit und ggf. Wiedereingliederungshilfen sei eine Vollschichtigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben. Während Übereinstimmung mit dem Vorgutachten hinsichtlich der Einschätzung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, ergäben sich doch Zweifel hinsichtlich einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Textilarbeiterin; hier werde aktuell für ein unter halbschichtiges Leistungsvermögen votiert.
Mit Urteil vom 20. September 2001 hat das SG der auf die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente beschränkten Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Mit den Ausführungen im Widerspruchsbescheid und in dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. S1 ... sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, in ihrem letzten Beruf als Doublerin zu arbeiten. Die Klägerin könne auch nicht mehr zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden. Sie sei, wovon die Beklagte auch noch in ihrem Widerspruchsbescheid ausgegangen sei, der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Entscheidend hierfür sei, dass sie eine überbetriebliche Ausbildung von einem Jahr absolviert habe, die mit der Zuerkennung des Facharbeiterzeugnisses für Textiltechnik geendet habe. Als Facharbeiterin könne sie auf die Tätigkeit eines Pförtners nicht verwiesen werden. Des weiteren sei die Verweisung auf eine Tätigkeit als Verkäuferin für Textilwaren nicht möglich. Gehe man von einer rein angelernten Tätigkeit aus, die in wenigen Tagen gelernt werde, so handele es sich nicht um eine zumutbare Verweisungstätigkeit für eine Facharbeiterin. Gehe man von einer Tätigkeit als Textilverkäuferin aus, die qualifiziert sei, so handele es sich um den Lehrberuf einer Verkäuferin, der, auch wenn die Vorkenntnisse der Klägerin berücksichtigt würden, nicht innerhalb von drei Monaten bewerkstelligt werden könne, da dieser Ausbildungsberuf eine Lehrzeit von zwei Jahren erfordere.
Mit ihrer am 15. November 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, zur Tätigkeit "Facharbeiter für Textiltechnik, Spezialisierungsrichtung Baumwollspinnerei" sei zu DDR-Zeiten Voraussetzung eine Ausbildung von 1 1/2 Jahren Dauer gewesen. Dieser DDR-Ausbildungsberuf sei mit der Tätigkeit des "Textilmaschinenführers - Spinnerei" nach bundesdeutschem Recht vergleichbar. DieAusbildungsdauer hierfür betrage nach bundesdeutschem Recht zwei Jahre. Angesichts der lediglich zwei Jahre umfassenden Ausbildungsdauer könne die Tätigkeit des "Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierungsrichtung Baumwollspinnerei" bzw. "Textilmaschinenführers - Spinnerei" keine Einstufung als Facharbeiter in das Mehrstufenschema rechtfertigen. An der gegenteiligen Auffassung im Widerspruchsbescheid werde nicht weiter festgehalten. Die zutreffenderweise dem oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnende Klägerin könne zumutbar auf die Tätigkeit als Pförtnerin verwiesen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2001 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit, da sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden und aufgrund der Antragstellung im Juli 1998 gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI weiterhin anzuwendenden Fassung (alte Fassung - a.F.) ist.
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die (Rest-) Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG, SozR 2200 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55, 61).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG zutreffend als bisherigen Beruf der Klägerin den einer Doublerin zugrunde gelegt. Diesen hat sie vollwertig, bewusst und gewollt von November 1973 bis Dezember 1991 zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.
Die Tätigkeit einer Doublerin kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen Anforderungen, insbesondere der Zeitdruck, sind mit ihrem Gesundheitszustand nicht vereinbar. Hiervon geht auch die Beklagte in Übereinstimmung mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. S1 ... aus.
Dass die Klägerin nicht mehr vollwertig als Doublerin arbeiten kann, bedeutet noch nicht, dass sie berufsunfähig ist. Berufsunfähig ist ein Versicherter vielmehr erst dann, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das BSG in seiner Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61,55). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehr-Stufen-Schema erfolgt allerdings nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5, 61).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist die Klägerin entgegen der Auffassung des SG nicht der zweiten Gruppe im Mehrstufenschema des BSG mit dem Leitberuf des Facharbeiters, sondern der dritten Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Zwar hat die Klägerin am 25. Juni 1975 im Wege der Erwachsenenqualifizierung nach einer einjährigen überbetrieblichen Ausbildung einen Abschluss als Facharbeiterin für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, erworben und, wie auch aus der im Verwaltungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft hervorgeht, als Doublerin in dem Berufsbild des Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, bis Dezember 1991 gearbeitet. Doch ist die bloße Bezeichnung eines Berufes als "Facharbeiter"-Beruf für dessen Einstufung in das Mehrstufenschema nicht entscheidend. Vielmehr ist für eine Zuordnung zu der Gruppe der Facharbeiter im Sinne dieses Mehrstufenschemas grundsätzlich eine Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig von drei Jahren, erforderlich. Bei in der ehemaligen DDR erlernten Berufen kommt die Zuordnung zur Gruppe der Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas darüber hinaus auch dann in Betracht, wenn die vergleichbare Tätigkeit im (alten) Bundesgebiet als Facharbeiterberuf im Sinne dieses Mehrstufenschemas anerkannt ist oder war, selbst wenn zu DDR-Zeiten für diese Tätigkeit nur eine zweijährige Ausbildung vorgeschrieben war (vgl. Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI a.F. Rd.-Nr. 41). Für den Beruf eines Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, war, wie aus den im Berufungsverfahren beigezogenen berufskundlichen Unterlagen (Auszug aus der von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Broschüre DDR-Ausbildungsberufe Band 4, S. 75) hervorgeht, zu DDR-Zeiten eine Ausbildungsdauer von 1 1/2 Jahren vorgeschrieben. Für den vergleichbaren Beruf im (alten) Bundesgebiet, dem des Textilmaschinenführers - Spinnerei - ist, wie aus diesen berufskundlichen Unterlagen ebenfalls hervorgeht, eine Ausbildung von zwei Jahren erforderlich. Von ihrer Ausbildungsdauer her sind daher Facharbeiter für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, nur der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen. Die Klägerin kann auch nicht deshalb der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden, weil die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid von einer derartigen Zuordnung ausgegangen war. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind an derartige Feststellungen tatsächlicher Art in Verwaltungsentscheidungen nicht gebunden. Sie haben vielmehr in beruflicher wie auch in gesundheitlicher Hinsicht den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst festzustellen.
Angehörige der Gruppe der angelernten Arbeiter können grundsätzlich pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, wenn sie nach den medizinischen Feststellungen noch in der Lage sind, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist bei ihnen angesichts der Vielzahl der auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten körperlich leichter Art entbehrlich. Anders verhält es sich jedoch bei dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter. Dabei handelt es sich um Versicherte, deren bisheriger Beruf berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die ohne einschlägige Vorkenntnisse erst durch eine betriebliche Anlernzeit von mehr als 12 Monaten erworben werden können. Diese Versicherten können nicht schlechthin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Vielmehr ist in diesen Fällen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Soweit dabei ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, dürfen diese nicht von nur ganz geringem qualitativem Wert sein, sondern müssen sich durch Qualitätsmerkmale, wie z. B. das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).
In Anbetracht der für den Beruf eines Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, vorgeschriebenen mehr als einjährigen Ausbildung ist die Zuordnung der Klägerin zum oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter gerechtfertigt. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin diesen Facharbeiterabschluss im Wege der Erwachsenenqualifizierung und dabei nach ihren eigenen Angaben nach einer lediglich einjährigen Ausbildung erworben hat. Ausgehend von einer Einstufung in der oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter kann die Klägerin jedoch sozial zumutbar auf die Tätigkeit einer Pförtner verwiesen werden, da es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die sich aus dem Kreis völlig unqualifizierter Arbeiten durch Qualitätsmerkmale, wie die Übernahme von Verantwortung, heraushebt.
Diese Verweisungstätigkeit ist der Klägerin auch gesundheitlich zumutbar. Nach dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Dipl.-Verwaltungswirtin H3 ... vom 22. August 1998 gehört zum Aufgabengebiet von Pförtnern das Empfangen von Besuchern, Betriebsangehörigen, Lieferanten u. ä., ggf. das Prüfen der Legitimationen, das Anmelden der Besucher, Ausstellen der Besucherscheine, Erteilen von Auskünften sowie ggf. auch das Bedienen der Telefonanlage. Es handelt sich dabei um körperlich leichte Arbeiten, die überwiegend in geschlossenen Räumen (Pförtnerloge), überwiegend sitzend mit der Möglichkeit des Haltungswechsels verrichtet werden. Einseitige Körperhaltungen/Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten fallen in der Regel nicht an. Diese Tätigkeit ist nicht verbunden mit besonderem Zeitdruck, Gefährdung durch Kälte, Nässe oder Zugluft. Je nach Arbeitsplatz ist intensiver Publikumsverkehr möglich. Zum Teil werden die Tätigkeiten auch in Wechselschicht durchgeführt. Die Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit o. ä. sind als durchschnittlich zu bezeichnen. Für Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil besitzt die Klägerin seit der Rentenantragstellung ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Sie ist seither noch in der Lage, körperlich leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Hocken, Knien oder Bücken, ohne Überkopfarbeit und ohne sonstige Zwangshaltungen, ohne häufiges Steigen von Treppen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen, ohne Wechsel- bzw. Nachtschicht sowie unter Berücksichtigung ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit vollschichtig zu verrichten. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem arbeitsmedizinischen Gutachten von Dr. P1 ... vom 23. Januar 2001 und dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. S1 ... vom 1. Juni 2001. Danach sind die Beschwerden von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates, die Atembeschwerden sowie die als Migräne bezeichnete Kopfschmerzsymptomatik im Wesentlichen im Rahmen einer Somatisierungsstörung einzuordnen. Die neurologischen Untersuchungen haben keinen sicher krankhaften Befund des Stütz- und Bewegungsapparates ergeben, insbesondere keine Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallerscheinungen im Zusammenhang mit den Beschwerden von Seiten des Rückens bzw. der Wirbelsäule. Die geringfügigen Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule beeinträchtigen für sich betrachtet das Leistungsvermögen nur geringfügig. Demgegenüber stellt das ausgeprägte Übergewicht einen erheblichen Belastungsfaktor für den Stütz- und Bewegungsapparat und damit auch für die allgemeine Leistungsfähigkeit dar. Der bestehende Bluthochdruck ist medikamentös ausreichend eingestellt, das Gleiche trifft für die Schilddrüsenerkrankung zu. Im Vordergrund stehen aber mehr die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet, insbesondere eine Anpassungsstörung im Sinne von Angst und depressiver Reaktion gemischt, die sich auf dem Boden des Arbeitsplatzverlustes und der inzwischen eingetretenen Langzeitarbeitslosigkeit mit zunehmender begleitender, eher undifferenzierter Somatisierungsstörung entwickelt hat und ab etwa Frühjahr/Frühsommer 2000 in eine rezidivierende depressive Störung im Sinne eines reaktiv-depressiven Syndroms wechselnder Intensität ohne affektpsychotische Symptomatik bzw. Schweregrad übergegangen ist. Die von der Klägerin im August 2000 in suizidaler Absicht durchgeführte Tabletteneinnahme im Rahmen einer stärker ausgeprägten reaktiven depressiven Episode ist als Problemlösungsversuch mit appellativer Komponente anzusehen. Für die einfach strukturierte Klägerin, deren intellektuelle Leistungsfähigkeit im Grenzbereich zwischen unterem Durchschnitt und leichter Intelligenzminderung liegt, hat die Langzeitarbeitslosigkeit zu einer erheblichen psychischen Verunsicherung mit entsprechenden Zukunftsängsten und im Rahmen einer stärker ausgeprägten reaktiv depressiven Episode zu der suizidalen Handlung geführt. Eine sonstige psychiatrische Komorbidität besteht bei ihr allerdings nicht. Auch unter Berücksichtigung des geringfügig auffälligen Computertomographiebefundes des Schädels liegt kein ausreichender Hinweis für eine sonstige hirnorganische Erkrankung vor. Die psychische Symptomatik weist keinesfalls affekt-psychotische Qualität und Ausprägung auf. Ein gravierender sozialer Rückzug ist nicht erkennbar. Ebenso ergibt sich kein sekundärer Verlust persönlicher Interessen. Insofern kann bei ihr durchaus von einer zumutbaren Willensanspannung bei der Bewältigung der aktuellen gesundheitlichen Probleme ausgegangen werden. Aus den Gesundheitsstörungen, unter denen die Klägerin leidet, folgen Leistungseinschränkungen qualitativer Art, nicht jedoch quantitativer Art, d. h. kein untervollschichtiges Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Arbeiten. Aus ihrer allgemeinen Verfassung, insbesondere aus dem erheblichen Übergewicht mit Belastung des Stütz- und Bewegungsapparates, folgt, dass nur noch leichte, teilweise auch mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, Heben und Tragen von Lasten nur gelegentlich erfolgen sollte, Tätigkeiten im Hocken, Knien oder Bücken nur gelegentlich in Frage kommen und Überkopfarbeiten oder Arbeiten in sonstigen Zwangshaltungen vermieden werden sollten. Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen sind nicht zu empfehlen, soweit es sich dabei um Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder sonstigen sehr einseitigen Arbeitspositionen sowie unter Zeitdruck handelt. Unter Berücksichtigung der reaktiv auftretenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung mit zumindest früher massiven Schlafstörungen ist eine Arbeit in Wechsel- bzw. Nachtschicht nicht möglich. Die im Grenzbereich des unteren Durchschnitts zur leichten Intelligenzminderung liegende intellektuelle Leistungsfähigkeit und die reaktiv bestehende subdepressive bis depressive Symptomatik schränkt die Reaktions- und Steuerungsfähigkeit, die Auffassungsgabe, die Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Stresstoleranz und Kommunikationsfähigkeit ein, ohne sie auszuschließen. Gleiches gilt für die Umstellungsfähigkeit. Für Anlerntätigkeiten leichter bis mittelgradiger körperlicher Beanspruchung und mit klar strukturierten Aufgaben bei angemessener Einarbeitungszeit ist die Klägerin jedoch geeignet. Mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit den vorbenannten Einschränkungen ist ein vollschichtiger Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin möglich. Insbesondere handelt es sich dabei um keine Tätigkeit, die mit einem besonderen, bei der Klägerin zu vermeidenden Zeitdruck verbunden ist, jedenfalls soweit es sich um eine Tätigkeit an einer Nebenpforte handelt, an der es aufgrund geringeren Publikumsverkehrs zu keiner stoßweisen Arbeitsbelastung kommt. Einem vollschichtigen Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin steht nicht entgegen, dass diese Tätigkeiten, wie aus dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten hervorgeht, zum Teil auch in Wechselschicht durchgeführt werden. Denn dies ist nicht tätigkeitsprägend, es gibt vielmehr ausreichend Stellen für Tagespförtner. Schließlich steht die im Grenzbereich zwischen unterem Durchschnitt und intellektueller Leistungsminderung liegende intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin einem vollschichtigen Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin nicht entgegen. Die Anforderungen an die bei einer solchen Tätigkeit erforderliche Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit usw. sind, wie aus dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten hervorgeht, als durchschnittlich zu bezeichnen. Besondere Anforderungen an die intellektuelle Leistungsfähigkeit werden nicht gestellt. Für eine Pförtnertätigkeit, jedenfalls an einer Nebenpforte, besitzt die Klägerin ein ausreichendes intellektuelles Leistungsvermögen. Einer Verweisung auf eine Tätigkeit als Pförtnerin, jedenfalls an einer Nebenpforte, steht auch nicht die eingeschränkte Umstellungsfähigkeit der Klägerin entgegen. Denn diese ist, wie aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten von Dr. S1 ... hervorgeht, für Anlerntätigkeiten noch vorhanden.
Da bei der Klägerin keine Leistungseinschränkungen vorliegen, die es ihr trotz vollschichtiger Einsatzfähigkeit für eine Tätigkeit als Pförtnerin unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. zu diesen Fällen: BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), sie insbesondere, wie aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen hervorgeht, nicht in ihrer Wegefähigkeit eingeschränkt ist und keine betriebsunüblichen Pausen bedarf, ist sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F.
Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob die Klägerin auf eine Tätigkeit als Verkäuferin - etwa als Verkäuferin für Textilwaren, wie im Widerspruchsbescheid angenommen wurde - verweisbar ist. Angesichts der Tatsache, dass sie nach ihren eigenen Angaben in der Zeit von September 1992 bis März 1993 eine Umschulung zur Verkäuferin absolviert hat, kann entgegen der vom SG vertretenen Auffassung eine Verweisung auf eine derartige Tätigkeit nicht mit der fehlenden sozialen Zumutbarkeit abgelehnt werden. Denn nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. ist eine Verweisung auf einen Umschulungsberuf immer sozial zumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. -
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die am ... 1950 geborene Klägerin war nach Tätigkeiten als Hilfs- und Druckereiarbeiterin von November 1973 bis Dezember 1991 als Doublerin in einer Baumwollspinnerei beschäftigt; am 25. Juni 1995 erwarb sie im Wege der Erwachsenenqualifizierung den Abschluss als Facharbeiterin für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit nahm sie von September 1992 bis März 1993 an einer Umschulung zur Verkäuferin teil. Seither ist sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.
Den (zweiten) Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 15. Juli 1998 begründete die Klägerin mit Migräne, Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden, Fersensporn sowie tauben Fingern.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor: - ein Befundbericht des Internisten Sanitätsrat H1 ... vom 22. September 1998, - ein Gutachten des Orthopäden Dr. L1 ... vom 01. Dezember 1998, in dem eine reaktive Depression, bedingt durch Langzeitarbeitslosigkeit, ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei geringgradiger Lumbalskoliose, Assimilationsstörungen und erhebliche Adipositas sowie eine Zervikocephalgie diagnostiziert und eingeschätzt wurde, die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Haltungswechsel vollschichtig zu verrichten. Der ärztliche Prüfdienst der Beklagten (Dr. H2 ...) schätzte die Klägerin in einer Stellungnahme vom 03. Dezember 1998 als vollschichtig leistungsfähig für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Gefährdung durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe, ohne Überkopfarbeit und ohne Tätigkeiten im Knien oder Hocken ein; als Textilarbeiterin bestehe ein zweistündig bis unter halbschichtiges Leistungsvermögen.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 1998 lehnte die Beklagte, die zuvor mit Bescheid vom 2. Dezember 1998 wegen mangelnder Mitwirkung die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit versagt hatte, die Gewährung einer solchen Rente unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit als Mitarbeiterin einer Poststelle ab.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 19. Januar 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1999 zurück. Zwar könne die Klägerin mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nur noch zweistündig bis unter halbschichtig als Doublerin tätig sein. Sie sei jedoch in der Lage, vollschichtig leichte sowie untervollschichtig mittelschwere Arbeit ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Überkopfarbeiten und ohne Gefährdung durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Nach ihrem beruflichen Werdegang sei sie der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Als Facharbeiterin sei sie aber auf eine Tätigkeit als Verkäuferin für Textilwaren zumutbar verweisbar.
Auf die am 12. Mai 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig (SG) Befundberichte des Orthopäden Prof. Dr. K1 ... vom 20. Juli 1999 und 23. Dezember 1999, des Internisten Sanitätsrat H1 ... vom 24. November 1999, der Nervenärztin Dipl.-med. R1. vom 13. April 2000 sowie des Allgemeinmediziners Dr. D1 ... vom 25. April 2000 eingeholt. Ferner hat das SG den Allgemeinmediziner Dr. P1 ... und den Neurologen und Psychiater Dr. S1 ... mit der Erstattung von Gutachten beauftragt. Dr. P1 ... hat in seinem nach ambulanter Untersuchung am 16. Oktober 2000 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen gestellt: - Depressive Episode mit Suizidversuch 8/00, - medikamentös behandelter Bluthochdruck, - Struma, - Übergewichtigkeit. Insgesamt seien der Klägerin noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zumutbar. Diese Tätigkeiten könnten sowohl im Wechsel zwischen Gehen, Stehen oder Sitzen ausgeübt werden. Auch die jeweiligen einzelnen Körperpositionen seien problemlos zumutbar. Die Stresstoleranz sei zwar gemindert, es sei aber davon auszugehen, dass es sich dabei um einen vorübergehenden Zustand handele. Die Klägerin sei auch in der Lage, ihrer früher ausgeübten Beschäftigung als Doublerin vollschichtig nachzugehen. Dr. S1 ... hat in seinem Gutachten vom 1. Juni 2001 folgende Diagnosen gestellt: - Anpassungsstörung im Sinne von Angst und depressiver Reaktion gemischt (ICD 10: F 43.22) auf dem Boden des Arbeitsplatzverlustes und der inzwischen eingetretenen Langzeitarbeitslosigkeit mit zunehmender begleitender, eher undifferenzierter Somatisierungsstörung und ab etwa Frühjahr/Frühsommer 2000 Übergang der ursprünglichen Anpassungsstörung in eine rezidivierende depressive Störung (ICD 10:F 33) im Sinne eines reaktiv-depressiven Syndroms wechselnder Intensität ohne af - fektpsychotische Symptomatik bzw. Schweregrad, leichtgradige Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen unterdurchschnittlicher intellektueller Leistungsfähigkeit und leichter Intelligenzminderung, jedoch noch nicht die Kategorie der ICD 10:F 70 erfüllend, - medikamentös ausreichend eingestellter Bluthochdruck, allenfalls geringfügige qualitative Leistungsbeeinträchtigung, - geringfügige Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, isoliert betrachtet geringgradige Leistungsbeeinträchtigung, - ausgeprägte Übergewichtigkeit. Die Klägerin sei in der Lage, leichte, teilweise auch mittelschwere (ca. 25 %) Arbeiten zu verrichten. Bezüglich des Arbeitsmodus wäre eine Ausgewogenheit der Arbeitspositionen sicher sinnvoll, ohne dass einer Arbeitsposition eine Präferenz eingeräumt werden könnte. Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sollte nur gelegentlich erfolgen. Desgleichen kämen Tätigkeiten im Hocken, Knien oder Bücken nur gelegentlich in Frage. Arbeiten über Kopf oder in sonstigen Zwangshaltungen sollten vermieden werden. Das gelegentliche Steigen von Treppen sei möglich, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten dagegen nicht. Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen seien nicht zu empfehlen, sofern es sich dabei um Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder unter Zeitdruck handele. Wechsel- bzw. Nachtschicht seien nicht möglich. Die Klägerin besitze keine ausreichende Flexibilität, um sich im Rahmen einer Weiterbildung oder Umschulung auch außerhalb des bisherigen Berufsbereiches auf eine Erwerbstätigkeit umzustellen. Für Anlerntätigkeiten leichter bis mittelgradiger körperlicher Beanspruchung und klar strukturierten Aufgaben bei angemessener Einarbeitungszeit und ggf. Wiedereingliederungshilfen sei eine Vollschichtigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben. Während Übereinstimmung mit dem Vorgutachten hinsichtlich der Einschätzung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, ergäben sich doch Zweifel hinsichtlich einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Textilarbeiterin; hier werde aktuell für ein unter halbschichtiges Leistungsvermögen votiert.
Mit Urteil vom 20. September 2001 hat das SG der auf die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente beschränkten Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Mit den Ausführungen im Widerspruchsbescheid und in dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. S1 ... sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, in ihrem letzten Beruf als Doublerin zu arbeiten. Die Klägerin könne auch nicht mehr zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden. Sie sei, wovon die Beklagte auch noch in ihrem Widerspruchsbescheid ausgegangen sei, der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Entscheidend hierfür sei, dass sie eine überbetriebliche Ausbildung von einem Jahr absolviert habe, die mit der Zuerkennung des Facharbeiterzeugnisses für Textiltechnik geendet habe. Als Facharbeiterin könne sie auf die Tätigkeit eines Pförtners nicht verwiesen werden. Des weiteren sei die Verweisung auf eine Tätigkeit als Verkäuferin für Textilwaren nicht möglich. Gehe man von einer rein angelernten Tätigkeit aus, die in wenigen Tagen gelernt werde, so handele es sich nicht um eine zumutbare Verweisungstätigkeit für eine Facharbeiterin. Gehe man von einer Tätigkeit als Textilverkäuferin aus, die qualifiziert sei, so handele es sich um den Lehrberuf einer Verkäuferin, der, auch wenn die Vorkenntnisse der Klägerin berücksichtigt würden, nicht innerhalb von drei Monaten bewerkstelligt werden könne, da dieser Ausbildungsberuf eine Lehrzeit von zwei Jahren erfordere.
Mit ihrer am 15. November 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, zur Tätigkeit "Facharbeiter für Textiltechnik, Spezialisierungsrichtung Baumwollspinnerei" sei zu DDR-Zeiten Voraussetzung eine Ausbildung von 1 1/2 Jahren Dauer gewesen. Dieser DDR-Ausbildungsberuf sei mit der Tätigkeit des "Textilmaschinenführers - Spinnerei" nach bundesdeutschem Recht vergleichbar. DieAusbildungsdauer hierfür betrage nach bundesdeutschem Recht zwei Jahre. Angesichts der lediglich zwei Jahre umfassenden Ausbildungsdauer könne die Tätigkeit des "Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierungsrichtung Baumwollspinnerei" bzw. "Textilmaschinenführers - Spinnerei" keine Einstufung als Facharbeiter in das Mehrstufenschema rechtfertigen. An der gegenteiligen Auffassung im Widerspruchsbescheid werde nicht weiter festgehalten. Die zutreffenderweise dem oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnende Klägerin könne zumutbar auf die Tätigkeit als Pförtnerin verwiesen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2001 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit, da sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden und aufgrund der Antragstellung im Juli 1998 gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI weiterhin anzuwendenden Fassung (alte Fassung - a.F.) ist.
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die (Rest-) Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG, SozR 2200 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55, 61).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG zutreffend als bisherigen Beruf der Klägerin den einer Doublerin zugrunde gelegt. Diesen hat sie vollwertig, bewusst und gewollt von November 1973 bis Dezember 1991 zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.
Die Tätigkeit einer Doublerin kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen Anforderungen, insbesondere der Zeitdruck, sind mit ihrem Gesundheitszustand nicht vereinbar. Hiervon geht auch die Beklagte in Übereinstimmung mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. S1 ... aus.
Dass die Klägerin nicht mehr vollwertig als Doublerin arbeiten kann, bedeutet noch nicht, dass sie berufsunfähig ist. Berufsunfähig ist ein Versicherter vielmehr erst dann, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das BSG in seiner Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61,55). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehr-Stufen-Schema erfolgt allerdings nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5, 61).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist die Klägerin entgegen der Auffassung des SG nicht der zweiten Gruppe im Mehrstufenschema des BSG mit dem Leitberuf des Facharbeiters, sondern der dritten Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Zwar hat die Klägerin am 25. Juni 1975 im Wege der Erwachsenenqualifizierung nach einer einjährigen überbetrieblichen Ausbildung einen Abschluss als Facharbeiterin für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, erworben und, wie auch aus der im Verwaltungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft hervorgeht, als Doublerin in dem Berufsbild des Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, bis Dezember 1991 gearbeitet. Doch ist die bloße Bezeichnung eines Berufes als "Facharbeiter"-Beruf für dessen Einstufung in das Mehrstufenschema nicht entscheidend. Vielmehr ist für eine Zuordnung zu der Gruppe der Facharbeiter im Sinne dieses Mehrstufenschemas grundsätzlich eine Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig von drei Jahren, erforderlich. Bei in der ehemaligen DDR erlernten Berufen kommt die Zuordnung zur Gruppe der Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas darüber hinaus auch dann in Betracht, wenn die vergleichbare Tätigkeit im (alten) Bundesgebiet als Facharbeiterberuf im Sinne dieses Mehrstufenschemas anerkannt ist oder war, selbst wenn zu DDR-Zeiten für diese Tätigkeit nur eine zweijährige Ausbildung vorgeschrieben war (vgl. Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI a.F. Rd.-Nr. 41). Für den Beruf eines Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, war, wie aus den im Berufungsverfahren beigezogenen berufskundlichen Unterlagen (Auszug aus der von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Broschüre DDR-Ausbildungsberufe Band 4, S. 75) hervorgeht, zu DDR-Zeiten eine Ausbildungsdauer von 1 1/2 Jahren vorgeschrieben. Für den vergleichbaren Beruf im (alten) Bundesgebiet, dem des Textilmaschinenführers - Spinnerei - ist, wie aus diesen berufskundlichen Unterlagen ebenfalls hervorgeht, eine Ausbildung von zwei Jahren erforderlich. Von ihrer Ausbildungsdauer her sind daher Facharbeiter für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, nur der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen. Die Klägerin kann auch nicht deshalb der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden, weil die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid von einer derartigen Zuordnung ausgegangen war. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind an derartige Feststellungen tatsächlicher Art in Verwaltungsentscheidungen nicht gebunden. Sie haben vielmehr in beruflicher wie auch in gesundheitlicher Hinsicht den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst festzustellen.
Angehörige der Gruppe der angelernten Arbeiter können grundsätzlich pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, wenn sie nach den medizinischen Feststellungen noch in der Lage sind, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist bei ihnen angesichts der Vielzahl der auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten körperlich leichter Art entbehrlich. Anders verhält es sich jedoch bei dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter. Dabei handelt es sich um Versicherte, deren bisheriger Beruf berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die ohne einschlägige Vorkenntnisse erst durch eine betriebliche Anlernzeit von mehr als 12 Monaten erworben werden können. Diese Versicherten können nicht schlechthin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Vielmehr ist in diesen Fällen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Soweit dabei ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, dürfen diese nicht von nur ganz geringem qualitativem Wert sein, sondern müssen sich durch Qualitätsmerkmale, wie z. B. das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).
In Anbetracht der für den Beruf eines Facharbeiters für Textiltechnik, Spezialisierung Baumwollspinnerei, vorgeschriebenen mehr als einjährigen Ausbildung ist die Zuordnung der Klägerin zum oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter gerechtfertigt. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin diesen Facharbeiterabschluss im Wege der Erwachsenenqualifizierung und dabei nach ihren eigenen Angaben nach einer lediglich einjährigen Ausbildung erworben hat. Ausgehend von einer Einstufung in der oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter kann die Klägerin jedoch sozial zumutbar auf die Tätigkeit einer Pförtner verwiesen werden, da es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die sich aus dem Kreis völlig unqualifizierter Arbeiten durch Qualitätsmerkmale, wie die Übernahme von Verantwortung, heraushebt.
Diese Verweisungstätigkeit ist der Klägerin auch gesundheitlich zumutbar. Nach dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Dipl.-Verwaltungswirtin H3 ... vom 22. August 1998 gehört zum Aufgabengebiet von Pförtnern das Empfangen von Besuchern, Betriebsangehörigen, Lieferanten u. ä., ggf. das Prüfen der Legitimationen, das Anmelden der Besucher, Ausstellen der Besucherscheine, Erteilen von Auskünften sowie ggf. auch das Bedienen der Telefonanlage. Es handelt sich dabei um körperlich leichte Arbeiten, die überwiegend in geschlossenen Räumen (Pförtnerloge), überwiegend sitzend mit der Möglichkeit des Haltungswechsels verrichtet werden. Einseitige Körperhaltungen/Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten fallen in der Regel nicht an. Diese Tätigkeit ist nicht verbunden mit besonderem Zeitdruck, Gefährdung durch Kälte, Nässe oder Zugluft. Je nach Arbeitsplatz ist intensiver Publikumsverkehr möglich. Zum Teil werden die Tätigkeiten auch in Wechselschicht durchgeführt. Die Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit o. ä. sind als durchschnittlich zu bezeichnen. Für Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil besitzt die Klägerin seit der Rentenantragstellung ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Sie ist seither noch in der Lage, körperlich leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Hocken, Knien oder Bücken, ohne Überkopfarbeit und ohne sonstige Zwangshaltungen, ohne häufiges Steigen von Treppen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen, ohne Wechsel- bzw. Nachtschicht sowie unter Berücksichtigung ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit vollschichtig zu verrichten. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem arbeitsmedizinischen Gutachten von Dr. P1 ... vom 23. Januar 2001 und dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. S1 ... vom 1. Juni 2001. Danach sind die Beschwerden von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates, die Atembeschwerden sowie die als Migräne bezeichnete Kopfschmerzsymptomatik im Wesentlichen im Rahmen einer Somatisierungsstörung einzuordnen. Die neurologischen Untersuchungen haben keinen sicher krankhaften Befund des Stütz- und Bewegungsapparates ergeben, insbesondere keine Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallerscheinungen im Zusammenhang mit den Beschwerden von Seiten des Rückens bzw. der Wirbelsäule. Die geringfügigen Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule beeinträchtigen für sich betrachtet das Leistungsvermögen nur geringfügig. Demgegenüber stellt das ausgeprägte Übergewicht einen erheblichen Belastungsfaktor für den Stütz- und Bewegungsapparat und damit auch für die allgemeine Leistungsfähigkeit dar. Der bestehende Bluthochdruck ist medikamentös ausreichend eingestellt, das Gleiche trifft für die Schilddrüsenerkrankung zu. Im Vordergrund stehen aber mehr die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet, insbesondere eine Anpassungsstörung im Sinne von Angst und depressiver Reaktion gemischt, die sich auf dem Boden des Arbeitsplatzverlustes und der inzwischen eingetretenen Langzeitarbeitslosigkeit mit zunehmender begleitender, eher undifferenzierter Somatisierungsstörung entwickelt hat und ab etwa Frühjahr/Frühsommer 2000 in eine rezidivierende depressive Störung im Sinne eines reaktiv-depressiven Syndroms wechselnder Intensität ohne affektpsychotische Symptomatik bzw. Schweregrad übergegangen ist. Die von der Klägerin im August 2000 in suizidaler Absicht durchgeführte Tabletteneinnahme im Rahmen einer stärker ausgeprägten reaktiven depressiven Episode ist als Problemlösungsversuch mit appellativer Komponente anzusehen. Für die einfach strukturierte Klägerin, deren intellektuelle Leistungsfähigkeit im Grenzbereich zwischen unterem Durchschnitt und leichter Intelligenzminderung liegt, hat die Langzeitarbeitslosigkeit zu einer erheblichen psychischen Verunsicherung mit entsprechenden Zukunftsängsten und im Rahmen einer stärker ausgeprägten reaktiv depressiven Episode zu der suizidalen Handlung geführt. Eine sonstige psychiatrische Komorbidität besteht bei ihr allerdings nicht. Auch unter Berücksichtigung des geringfügig auffälligen Computertomographiebefundes des Schädels liegt kein ausreichender Hinweis für eine sonstige hirnorganische Erkrankung vor. Die psychische Symptomatik weist keinesfalls affekt-psychotische Qualität und Ausprägung auf. Ein gravierender sozialer Rückzug ist nicht erkennbar. Ebenso ergibt sich kein sekundärer Verlust persönlicher Interessen. Insofern kann bei ihr durchaus von einer zumutbaren Willensanspannung bei der Bewältigung der aktuellen gesundheitlichen Probleme ausgegangen werden. Aus den Gesundheitsstörungen, unter denen die Klägerin leidet, folgen Leistungseinschränkungen qualitativer Art, nicht jedoch quantitativer Art, d. h. kein untervollschichtiges Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Arbeiten. Aus ihrer allgemeinen Verfassung, insbesondere aus dem erheblichen Übergewicht mit Belastung des Stütz- und Bewegungsapparates, folgt, dass nur noch leichte, teilweise auch mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, Heben und Tragen von Lasten nur gelegentlich erfolgen sollte, Tätigkeiten im Hocken, Knien oder Bücken nur gelegentlich in Frage kommen und Überkopfarbeiten oder Arbeiten in sonstigen Zwangshaltungen vermieden werden sollten. Arbeiten am Fließband oder an laufenden Maschinen sind nicht zu empfehlen, soweit es sich dabei um Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder sonstigen sehr einseitigen Arbeitspositionen sowie unter Zeitdruck handelt. Unter Berücksichtigung der reaktiv auftretenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung mit zumindest früher massiven Schlafstörungen ist eine Arbeit in Wechsel- bzw. Nachtschicht nicht möglich. Die im Grenzbereich des unteren Durchschnitts zur leichten Intelligenzminderung liegende intellektuelle Leistungsfähigkeit und die reaktiv bestehende subdepressive bis depressive Symptomatik schränkt die Reaktions- und Steuerungsfähigkeit, die Auffassungsgabe, die Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Stresstoleranz und Kommunikationsfähigkeit ein, ohne sie auszuschließen. Gleiches gilt für die Umstellungsfähigkeit. Für Anlerntätigkeiten leichter bis mittelgradiger körperlicher Beanspruchung und mit klar strukturierten Aufgaben bei angemessener Einarbeitungszeit ist die Klägerin jedoch geeignet. Mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit den vorbenannten Einschränkungen ist ein vollschichtiger Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin möglich. Insbesondere handelt es sich dabei um keine Tätigkeit, die mit einem besonderen, bei der Klägerin zu vermeidenden Zeitdruck verbunden ist, jedenfalls soweit es sich um eine Tätigkeit an einer Nebenpforte handelt, an der es aufgrund geringeren Publikumsverkehrs zu keiner stoßweisen Arbeitsbelastung kommt. Einem vollschichtigen Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin steht nicht entgegen, dass diese Tätigkeiten, wie aus dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten hervorgeht, zum Teil auch in Wechselschicht durchgeführt werden. Denn dies ist nicht tätigkeitsprägend, es gibt vielmehr ausreichend Stellen für Tagespförtner. Schließlich steht die im Grenzbereich zwischen unterem Durchschnitt und intellektueller Leistungsminderung liegende intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin einem vollschichtigen Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin nicht entgegen. Die Anforderungen an die bei einer solchen Tätigkeit erforderliche Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit usw. sind, wie aus dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten hervorgeht, als durchschnittlich zu bezeichnen. Besondere Anforderungen an die intellektuelle Leistungsfähigkeit werden nicht gestellt. Für eine Pförtnertätigkeit, jedenfalls an einer Nebenpforte, besitzt die Klägerin ein ausreichendes intellektuelles Leistungsvermögen. Einer Verweisung auf eine Tätigkeit als Pförtnerin, jedenfalls an einer Nebenpforte, steht auch nicht die eingeschränkte Umstellungsfähigkeit der Klägerin entgegen. Denn diese ist, wie aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten von Dr. S1 ... hervorgeht, für Anlerntätigkeiten noch vorhanden.
Da bei der Klägerin keine Leistungseinschränkungen vorliegen, die es ihr trotz vollschichtiger Einsatzfähigkeit für eine Tätigkeit als Pförtnerin unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. zu diesen Fällen: BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), sie insbesondere, wie aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen hervorgeht, nicht in ihrer Wegefähigkeit eingeschränkt ist und keine betriebsunüblichen Pausen bedarf, ist sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F.
Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob die Klägerin auf eine Tätigkeit als Verkäuferin - etwa als Verkäuferin für Textilwaren, wie im Widerspruchsbescheid angenommen wurde - verweisbar ist. Angesichts der Tatsache, dass sie nach ihren eigenen Angaben in der Zeit von September 1992 bis März 1993 eine Umschulung zur Verkäuferin absolviert hat, kann entgegen der vom SG vertretenen Auffassung eine Verweisung auf eine derartige Tätigkeit nicht mit der fehlenden sozialen Zumutbarkeit abgelehnt werden. Denn nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. ist eine Verweisung auf einen Umschulungsberuf immer sozial zumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. -
Rechtskraft
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