L 6 B 111/03 RJ

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 RJ 1169/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 111/03 RJ
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 20.03.2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers in einem vor dem Sozialgericht durch Vergleich beendeten Verfahren, das die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum Gegenstand hatte.

Der am ... geborene Kläger machte gegenüber der Beklagten mit Antrag vom 01.10.1996 einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetz (SGB VI) sowie Invalidenrente nach Artikel 2 § 7 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) geltend. Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens bei Dr. med. L ... vom 09.01.1997, welcher vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten votierte, lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27.02.1997 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1997 zurück. Der Kläger erhob hiergegen am 06.11.1997 über seinen Prozessbevollmächtigten Klage am Sozialgericht Chemnitz und ließ vortragen, dass sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert habe.

Im Rahmen der Beweiserhebung zog das Sozialgericht das medizinische Gutachten des Arbeitsamtes Plauen vom 05.03.1998 bei. Der medizinische Sachverständige Dr. med. K ... führte hier aus, dass dem Kläger eine Arbeit in seinem erlernten Beruf als Facharbeiter für Holztechnik nicht mehr zumutbar sei, er jedoch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne.

Ferner wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes bei der den Kläger behandelnden Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Frau Dr. med. Z ..., nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.07.1999 gegenüber dem Sozialgericht erstmals angezeigt hatte, dass der Kläger auch unter erheblichen psychischen Beschwerden leide. In dem unter dem 23.10.1999 gegenüber dem Sozialgericht erstatteten Befundbericht von Frau Dr. med. Z ... teilte diese mit, dass der Kläger seit dem 13.04.1999 und zuletzt am 18.10.1999 bei ihr in Behandlung gewesen sei. Es bestehe laut Befund vom 18.10.1999 eine chronifizierte reaktive Depression bei einer Persönlichkeitsstörung.

In dem vom Sozialgericht weiterhin eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten auf orthopädischem Gebiet des Facharztes für Orthopädie Dr. med. G ... legte dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers dar, dass aus rein orthopädischer Sicht ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten vorhanden sei. Wegen eines seiner Meinung nach erheblichen psychiatrischen Krankheitsbildes erachte er jedoch in der Gesamtschau den Kläger lediglich noch für zwei Stunden bis unterhalbschichtig einsatzfähig und empfehle eine psychiatrische Begutachtung.

Im daraufhin vom Sozialgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten von Herrn Chefarzt Dr. med. W ... vom 05.12.2000 führte dieser aus, dass der Kläger zwar psychisch auffällig sei, dieses Krankheitsbild jedoch nicht einen solchen Schweregrad aufweise, dass man aus psychiatrischer Sicht quantitative Leistungseinschränkungen begründen könne. Letztlich sei es dem Kläger unter Beachtung aller qualitativen Einschränkungen möglich, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, wobei Stressbelastungen zu vermeiden seien.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens bei Herrn MU Dr. med. B ... Dieser führte in seinem unter dem 14.01.2002 erstatteten Gutachten aus, dass der Kläger, im Gegensatz zum Ergebnis des Vorgutachters, wegen seiner vielfältigen Erkrankungen, insbesondere aber wegen der psychischen Erkrankungen, nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine gewinnbringende Tätigkeit auszuüben. Er sei demnach auch nicht in der Lage, körperlich und psychisch wenig belastende Tätigkeiten wie die eines Pförtners, eines Telefonisten oder Postangestellten durchzuführen.

In Kenntnis und Auswertung des Sachverständigengutachtens, insbesondere in Auswertung des Gutachtens von MU Dr. med. B ... unterbreitete die Beklagte mit Schreiben vom 28.03.2002 ein Vergleichsangebot, ab dem 18.10.1999 den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit anzuerkennen und Leistungen ab 01.11.1999 zu gewähren. Die Beklagte führte aus, dass als Leistungsfall der Tag der Untersuchung bei der den Kläger behandelnden Psychiaterin Frau Dr. med. Z ... zu Grunde gelegt worden sei. Vorher habe Vollschichtigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden. Dieses Vergleichsangebot nahm der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.04.2002 an und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2002 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG über die Kosten durch Beschluss zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 20.03.2003 entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Nach § 193 SGG entscheide das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen. Anders als andere Verfahrensordnungen gebe das SGG somit keine grundsätzliche Regelung für die Kostenentscheidung vor und lasse dem Gericht breite Entscheidungsmöglichkeiten. Das anderen Verfahrensordnungen immanente Prinzip, dass der unterlegene Beteiligte die Kosten zu tragen hat, gebe es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Vielmehr seien im Rahmen des richterlichen Ermessens alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Das Gericht könne sich dabei im Rahmen der sachgerechten Ermessensentscheidung an den in der Zivilprozessordnung (ZPO) kodifizierten Grundsätzen orientieren. Das Gericht habe folglich das Ergebnis des Rechtsstreites unter Einbeziehung des sich aus den Akten ergebenden Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu würdigen. Maßgeblich sei in erster Linie der Ausgang des Rechtsstreites. Da jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides der Beklagten die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sei, denn es handele sich vorliegend um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, dürfe nicht außer Betracht gelassen werden, ob die Beklagte aus objektiver Sicht Anlass zur Klage gegeben hat. Dies sei dann zu verneinen, wenn zur Zeit ihrer Entscheidung die Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht vorgelegen haben, denn in diesem Falle habe die Beklagte keine andere Entscheidung treffen können und dürfen. Habe die Beklagte jedoch zum Beispiel durch unzureichende Sachverhaltsaufklärung, fehlende oder unrichtige Begründung eines Verwaltungsaktes oder durch falsche Rechtsmittelbelehrung Anlass zur Klage gegeben, sei dies im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. In einem solchen Fall könne das Gericht die Behörde ganz oder teilweise zur Kostenerstattung verpflichten, auch wenn die Klage erfolglos war. In Fällen jedoch, in denen aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse die Klage erfolgreich war und die Beklagte dem sofort Rechnung trägt, indem sie nach Bekanntwerden der veränderten Verhältnisse durch einen entsprechenden Bescheid oder ein Vergleichsangebot ihre Leistungspflicht unverzüglich anerkennt, gebe es keinen Grund, der Behörde trotz ihres fehlerfreien Verhaltens Kosten aufzuerlegen und den Kläger, der den von Gesetzes wegen als vorrangig aufgezeigten Weg des Neuantrages nicht gegangen ist, von seinen selbst veranlassten Kosten zu entlasten.

Im vorliegenden Fall seien die streitigen Bescheide der Beklagten bei Erlass rechtmäßig gewesen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitsrente hätten tatsächlich erst frühestens zum 18.10.1999 vorgelegen. Die Erwerbsunfähigkeit des Klägers habe sich ganz eindeutig allein aus dem vorhandenen psychischen Krankheitsbild ergeben. Das orthopädische Krankheitsbild habe keinerlei quantitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu belegen vermocht. Hier hätten sämtliche medizinische Sachverständige übereinstimmend und nachvollziehbar ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten festgestellt. Das letztendlich durch MU Dr. med. B ... in seinem Gutachten vom 14.01.2002 herausgearbeitete aufgehobene Leistungsvermögen aufgrund der psychischen Erkrankung des Klägers lasse sich erstmals mit dem 18.10.1999 nachweisen. Dies sei der Tag der Untersuchung des Klägers durch Frau Dr. med. Z ..., auf deren Grundlage der gegenüber dem Sozialgericht am 23.10.1999 erstattete Befundbericht beruhe und in dem erstmals eine chronifizierte Depression bei Persönlichkeitsstörung beschrieben worden sei. MU Dr. med. B ... selbst setze sich mit dem Leistungszeitpunkt überhaupt nicht auseinander. Auch die Ausführungen von Chefarzt Dr. med. W ... würden in dieser Hinsicht nicht weiterhelfen, da dieser in seinem medizinischen Sachverständigengutachten sogar ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers bestätige, welches jedoch durch das Gutachten von MU Dr. med. B ... habe widerlegt werden können. Ferner müsse Berücksichtigung finden, dass auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmals mit Schriftsatz vom 19.07.1999 gegenüber dem Gericht einen psychischen Beschwerdekomplex des Klägers angezeigt habe. Es habe vorher keinerlei Hinweise auf eine solche Erkrankung in dieser Schwere gegeben. Damit könne der frühestmögliche Zeitpunkt tatsächlich nur der 18.10.1999 sein. Ausgehend von diesem Leistungsfall habe die Beklagte nach Auswertung des Gutachtens von MU Dr. med. B ... ein entsprechendes Vergleichsangebot unterbreitet und somit der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse während des Klageverfahrens unverzüglich Rechnung getragen. Da das Vergleichsangebot der Beklagten den Verfahrensausgang vollumfänglich abdecke, die streitigen Bescheide bei Erlass rechtmäßig gewesen seien und die Beklagte auch anderweitig keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben habe, bestehe kein Grund, der Beklagten - auch nur anteilig - die Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Gegen den am 04.04.2003 den Bevollmächtigten des Klägers zugestellten Beschluss richtet sich die am Montag, dem 05.05.2003, beim Sozialgericht Chemnitz eingegangene Beschwerde, welche im Wesentlichen wie folgt begründet wird:

- Dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten, sei nicht gerechtfertigt. Richtig sei, dass der Ausgang des Rechtsstreits in erster Linie maßgeblich ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch rückblickend maßgeblich.

- Der Rechtsstreit sei zu Gunsten des Klägers ausgegangen, nämlich mit der Zuerkennung von Leistungen. Im Zeitpunkt einer zu treffenden gerichtlichen Entscheidung hätte er unzweifelhaft einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt.

- Ohne die Klage hätte die Beklagte sich auf den Vergleich nicht einlassen müssen; hierdurch sei ein weiteres außergerichtliches, ggf. gerichtliches, Verfahren vermieden worden.

- Inwieweit die Ablehnungsbescheide der Beklagten bei ihrem Erlass tatsächlich rechtmäßig waren, sei letztlich nicht festgestellt worden. Das Gutachten schließe das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt vor der Begutachtung nicht aus.

Die Beklagte ist der Beschwerde unter Verweis auf die Rechtmäßigkeit ihrer Ablehnungsbescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Verfahrensakten des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht sowie des vorliegenden Beschwerdeverfahrens verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht eine Sachentscheidung über die Pflicht zur Erstattung außergerichtlicher Kosten getroffen, da der Rechtsstreit anders als durch Urteil entschieden worden ist und der durch den Austausch von Schriftsätzen über das Gericht geschlossene Vergleich keinen - zur richterlichen Niederschrift geschlossenen - Prozessvergleich im Sinne des § 101 Abs. 1 SGG darstellt, der mangels anderslautender Vereinbarung bereits kraft Gesetzes zur Aufhebung der Kosten führt (§ 195 SGG).

Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ist aufgrund der eingelegten Beschwerde in vollem Umfang nachprüfbar und nicht nur auf die Prüfung von Ermessensfehlern beschränkt. Die gerichtliche Kostenentscheidung soll zwar gemäß § 193 Abs. 1 SGG "nach billigem Ermessen" erfolgen, damit wird jedoch nur zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung keinen zwingenden gesetzlichen Vorschriften folgen muss, sondern alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat. Hierbei ist davon auszugehen, dass die Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung - mit Ausnahme von § 100 ZPO i.V.m. § 194 SGG - im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sind, weil die besondere, den Eigenarten des sozialgerichtlichen Verfahrens angepasste Regelung des Sozialgerichtsgesetzes eine entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung nach § 202 SGG ausschließt.

Zu Recht hat das Sozialgericht eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nach diesen Maßstäben ausgeschlossen. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, denen sich der Senat nach eigener Prüfung im Wesentlichen anschließt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die mit der Beschwerde hiergegen vorgetragenen Einwände greifen nicht durch.

Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, es komme auf den Ausgang des Verfahrens an, wobei die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids an Hand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch rückblickend zu beurteilen sei, bei Abschluss des Verfahrens habe der Kläger aber einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt, so trifft dies nicht die Maßstäbe, an denen sich die Kostenentscheidung zu orientieren hat. Auf den tatsächlichen Ausgangs des Verfahrens, wie er sich im Ergebnis des Vergleichs darstellt, kommt es gerade nicht an. § 91 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind, wie bereits ausgeführt, weder direkt noch analog anwendbar.

Soweit in der Rechtsprechung davon die Rede ist, bei der Ausübung des dem Gericht obliegenden Ermessens komme es auf den nach der bisherigen Sach- und Rechtslage zu beurteilenden Verfahrensausgang an, so wird dabei stillschweigend oder ausdrücklich auf einen der materiellen Rechtslage entsprechenden Verfahrensausgang im Falle einer hypothetischen gerichtlichen Entscheidung durch Urteil abgestellt; vergleiche dazu nur den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 04.07.1990, Az. 1 RA 15/89, wonach der "vermutliche" Verfahrensausgang den Ausschlag geben soll; das Sozialgericht spricht im angefochtenen Beschluss etwas ungenau von einer "vermeintlichen" Entscheidung des Gerichts - gemeint ist damit letztlich das Gleiche. Von diesem Horizont aus ist weiter zu berücksichtigen, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, ob die mit der Klage angefochtenen Bescheide rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Ist beispielsweise - wie hier - über eine verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage zu entscheiden, muss auch das Bestehen eines Leistungsanspruchs erwiesen sein. Der Erfolg einer Klage kann deshalb frühestens ab dem Zeitpunkt positiv festgestellt werden, in dem alle Anspruchsvoraussetzungen nachweislich vorgelegen haben. Mithin kann im Rahmen der Kostenentscheidung eine Klage nicht schon deshalb in ihrem gesamten Umfang als von Anfang an erfolgreich angesehen werden, wenn ein Anspruch, der letztlich als zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses bestehend anerkannt wird, erst nach Anhängigkeit der Klage entstanden ist (und insoweit mindestens zu einer Teilabweisung geführt hätte).

Allein der Umstand, dass der Kläger nach dem Inhalt des von den Beteiligten geschlossenen Vergleichs im Zeitpunkt der Annahme des Vergleichsvorschlags einen Anspruch auf die streitgegenständliche Rente hatte, kann deshalb schon keinen Anspruch auf volle Kostenerstattung begründen.

Erweist sich ausgehend vom Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses bzw. einer hypothetischen streitigen Entscheidung in der Rückschau, dass der streitgegenständliche Anspruch erst entstanden ist, nachdem die erstattungsfähigen Kosten des Rechtszuges bereits angefallen waren, wird vielmehr in der Regel eine Kostenerstattung ausscheiden. Dies ergibt sich aus der - sowohl im Verursacherprinzip des § 93 ZPO als auch im materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach Verzugsgesichtspunkten zum Ausdruck kommenden - Überlegung, dass in diesen Fällen die Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat, mithin ein dem Verzug vergleichbarer Tatbestand, der zur Verursachung der Kostenlast beim Kläger beigetragen hat, fehlt (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.05.2000, Az. L 6 B 90/99 KN). Nur insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob die angefochtenen Ablehnungsbescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig waren.

Inwieweit die Ablehnungsbescheide der Beklagten bei ihrem Erlass tatsächlich rechtmäßig waren, ist nicht im Wege des Sachverständigenbeweises ermittelt worden. Das rechtfertigt es jedoch weder, einen bereits vor Anhängigkeit der Klage eingetretenen Versicherungsfall zu unterstellen, noch den Streitstand als völlig ungeklärt hinzustellen und deshalb die Kosten zu teilen (vgl. zu dieser Konstellation: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.09.1998, Az. B 2 U 10/98 R). Wie das Sozialgericht bereits dargelegt hat, kann aufgrund des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses angenommen werden, dass der Versicherungsfall jedenfalls nicht vor dem 18.10.1999 eingetreten war; umso weniger lässt er sich auf die Zeit vor der Klageerhebung zurückdatieren. Einer definitiven Festlegung des Versicherungsfalles durch das Gericht bedarf es ebenso wenig wie einer materiell-rechtlichen Überprüfung des Vergleichs. Der Kläger hat die ärztliche Konsultation am 18.10.1999 als Anknüpfungspunkt für die vergleichsweise Regelung des Anspruchs akzeptiert. In dem Vergleichsangebot der Beklagten mag ein faktisches Anerkenntnis liegen, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Tag der psychiatrischen Zweitbegutachtung eingetreten war, nicht aber, dass dies schon vor dem 18.10.1999 oder gar vor der Erhebung der Klage der Fall gewesen sein soll. Dem Wesen des Vergleichs als beiderseitiges Nachgeben widerspricht das nicht, weil ein solches Nachgeben nicht im Abrücken der eigenen Position von der "wahren" Sach- und Rechtslage - die bis zum Vergleich gerade nicht für beide Seiten verbindlich festgestellt ist - liegt, sondern in der teilweisen Aufgabe des bislang verfolgten Begehrens, hier der Rentengewährung ab Antragstellung einerseits und der vollständigen Ablehnung von Leistungen andererseits.

Dass die Beklagte das Vergleichsangebot erst Jahre nach dem angenommenen Versicherungsfall unterbreitet hat, ist ohne Belang. Es kommt nicht einmal darauf an, ob - worauf das Sozialgericht abstellt - sie das Angebot unverzüglich unterbreitet hat, nachdem durch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des MU Dr. med. B ... der Eintritt des Versicherungsfalls befürwortet wurde. Wie schnell die Beklagte während eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens auf geänderte Umstände reagiert (z.B. durch Abhilfebescheide, Vergleichsangebote oder Anerkenntnisse), ist kein sachgerechtes Kriterium dafür, inwieweit außergerichtliche Kosten des gerichtlichen Verfahrens, die nicht erst konkret durch die Verzögerung verursacht sind, erstattet werden müssen. § 93 ZPO findet zudem im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung. Die Sanktionen für die späte Befriedigung des Klageanspruchs richten sich damit nach Verwaltungsverfahrensrecht. Der Senat hält in dieser Frage, entgegen einer ebenso verbreiteten wie weithin unreflektierten Auffassung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. den bereits oben zitierten Beschluss vom 23.05.2000, Az. L 6 B 90/99 KN; im Ergebnis ebenso Knickrehm, SGb 1996 S. 650 ff.).

Das Argument, ohne die Klage hätte die Beklagte sich auf den Vergleich nicht einlassen müssen und hierdurch sei ein weiteres außergerichtliches, ggf. gerichtliches, Verfahren vermieden worden, verdreht die Zusammenhänge. Richtig ist, dass nur durch die Erhebung der Klage dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens entstehen konnten, obwohl den nach Anhängigkeit der Klage neu festgestellten Leistungsbehinderungen auch in einem neuen Antragsverfahren hätte nachgegangen werden können. Hätte sich dann diesem Verwaltungsverfahren tatsächlich ein weiteres Gerichtsverfahren angeschlossen, wäre möglicherweise anders - zu Gunsten des Klägers - über die Kostenlast zu entscheiden gewesen. Diesen Weg hat sich der Kläger selbst verbaut.

Im Ergebnis ist somit die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens können nicht erstattet werden.

Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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