L 3 AL 48/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AL 123/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 48/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Streitig ist die Gewährung von Konkursausfallgeld an die Gesamtvollstreckungsverwalterin.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Januar 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Gesamtvollstreckungsverwalterin über das Vermögen der Firma B ... GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Sie verlangt von der Beklagten die Zahlung von Konkursausfallgeld für 14 frühere Arbeitnehmer der Schuldnerin.

Nach Angaben der Klägerin wurden im Hinblick auf die sich bereits im Jahre 1995 abzeichnende Krise der Schuldnerin die bis dahin bestehenden 16 Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist übereinstimmend zum 31. Januar 1996 gekündigt. Nachdem die V ...-GmbH eine offene Forderung der Schuldnerin über 51.069,73 DM beglichen hatte und daneben weitere kleinere Forderungen bezahlt worden waren, veranlasste der frühere alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Schuldnerin, Herr W ... J ..., am 28. Februar 1996 die Überweisung der rückständigen Löhne und Gehälter für Januar 1996 sowie der noch ausstehenden Überstundenvergütungen aus dem Jahre 1995 in Höhe von insgesamt 53.957,90 DM. Am 29. Februar 1996 beantragte er die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens.

Mit Beschluss vom 01. Mai 1996 eröffnete das Amtsgericht Chemnitz die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Schuldnerin.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1996 bat die Klägerin die Beklagte "im Hinblick auf die Fristgebundenheit der zu stellenden Anträge" um Übersendung von Formularen zur Beantragung von Konkursausfallgeld. In dem Schreiben ist von 16 zum 31. Januar 1996 gekündigten Arbeitsverhältnissen mit der Firma B ... GmbH die Rede. Eine konkrete Bezeichnung der einzelnen Arbeitnehmer erfolgte nicht.

Ausweislich eines Besprechungsvermerks vom 30. Mai 1996 und ausweislich der 14 Antragsformulare auf Konkursausfallgeld händigte eine Mitarbeiterin der Beklagten an diesem Tag 20 Blankoanträge, 10 Merkblätter und 20 Verdienstbescheinigungen an eine Mitarbeiterin der Klägerin, Frau G ..., aus.

Der frühere Geschäftsführer J ... gab seinen Antrag auf Konkursausfallgeld am 31. Mai 1996 bei der Beklagten persönlich ab.

Mit den 14 Arbeitnehmern A ... B ..., G ... F ..., B ... F ..., E ... J ..., M ... K ..., B ... K ..., A ...-K ... K ..., D ... M ..., K ... P ..., A ... R ..., P ... S ..., R ... S ..., S ... V ... und B ... W ... traf die Klägerin jeweils folgende Abtretungsvereinbarung vom 6. Juni 1996:

"Das aus dem anliegenden Konkursantrag ersichtliche Januar- Gehalt in diesem Jahr in dem aus der Lohn-/Gehaltsabrechnung 01/96 ersichtlichen Umfange wurde seitens der ehemaligen Arbeitgeberin, der jetzt in Gesamtvollstreckung befindlichen Firma B ... GmbH, noch Ende Februar 1996 angewiesen. Die Zahlung wurde am 29. Februar 1996 auf meinem Konto gutgeschrieben. Die Verwalterin, Frau Rechtsanwältin W ..., hat mit Schreiben vom 20. Mai 1996 unter Hinweis darauf, dass die Ausbezahlung einen Tag vor Gesamtvollstreckungsantragstellung durch den Geschäftsführer, namentlich am 28. Februar 1996 angewiesen worden sei, diese Zahlung mir gegenüber angefochten

und darauf hingewiesen, dass die Auszahlung um den Zeitpunkt der Gesamtvollstreckungsantragstellung die übrigen Gläubiger benachteilige, so dass die Gelder zur Masse zurückzuerstatten seien. Da mit Rückerstattung meines Gehaltes/Lohnes vom Januar 1996 in dem ausgewiesenen Umfange wiederum meinerseits ein Anspruch auf Konkursausfallgeld für den dann noch auszugleichenden Monat Januar 1996 auf Grund des Anfechtungstatbestandes besteht, trete ich hiermit zur Erfüllung des Rückzahlungsanspruches zur Gesamtvollstreckungsmasse meinen Anspruch auf Konkursausfallgeld gemäß anliegendem Antrag vom 30. Mai 1996 an die Verwalterin, Frau Rechtsanwältin W ..., ab. Frau Rechtsanwältin W ... nimmt diese Abtretung an Erfüllungs Statt an.

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass mit dieser Vereinbarung und Auszahlung des Konkursausfallgeldes an die Verwalterin wegen der erfolgten Anfechtung der Anspruch auf Rük-kerstattung des Januar-Gehaltes/Lohnes im Umfange der Lohn/Gehaltsabrechnung 01/96 damit erfüllt ist. Weiter gehende Ansprüche bestehen nicht mehr."

Die genannten 14 Arbeitnehmer füllten im Hinblick darauf jeweils ein Formular für die Beantragung von Konkursausfallgeld aus, jeweils nach dem Datum der Abtretungsvereinbarung unterzeichnet, bis auf dasjenige von B ... F ... Diese Anträge, mit Ausnahme derjenigen der Arbeitnehmerinnen V ... und K ..., welche am 10. bzw. 24. Juni 1996 persönlich bei der Beklagten abgaben, leiteten die Arbeitnehmer an die Klägerin weiter, welche sie und die genannten Abtretungsvereinbarungen mit einem Schreiben vom 20. Juni 1996 bei der Beklagten einreichte. In diesem Schreiben heißt es u. a.:

" ... in vorgenannter Angelegenheit darf ich fristwahrend die Anträge der nachfolgend aufgeführten Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin auf Konkursausfallgeld für den Monat Januar 1996 ... sämtlich im Original zu den dortigen Akten reichen.

... Weiter wollen Sie der anliegenden Abtretungsvereinbarung entnehmen, dass die Tatsache der Rückgewähr von den einzelnen Arbeitnehmern auch so anerkannt und an Erfüllungs Statt der Anspruch auf Auszahlung des Konkursausfallgeldes insoweit abgetreten wurde."

Durch gegenüber den genannten Arbeitnehmern ergangene Bescheide vom 31. Juli 1996 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Konkursausfallgeld jeweils ab. Dies teilte die Beklagte der Klägerin durch Schreiben vom 20. August 1997 mit.

Mit am 15. September 1997 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 10. September 1997 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die 14 bezeichneten Bescheide vom 31. Juli 1996 Widerspruch ein. Dieser sei zulässig, weil der Klägerin als Antragstellerin und damit Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die ablehnenden Bescheide nicht gemäß § 37 SGB X bekannt gegeben worden seien, so dass der Lauf der Widerspruchsfrist in § 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht begonnen habe. Außerdem legten sie gegen das Mitteilungsschreiben vom 20. August 1997 vorsorglich Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, der Klägerin stünden die Ansprüche auf Konkursausfallgeld aus abgetretenem Recht zu. Die ursprüngliche Ausbezahlung des Gehaltes/Lohnes für Januar 1996 sei von der Klägerin gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern gemäß § 10 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) angefochten worden. Als Rechtsfolge dieser wirksamen Anfechtung sei ein Erstattungsanspruch für die ausbezahlten Beträge zu Gunsten der verwalteten Masse entstanden. Gleichzeitig sei durch die Anfechtung für die Arbeitnehmer ein Anspruch auf Konkursausfallgeld für den Monat Januar 1996 gemäß § 141 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entstanden. Diese Ansprüche auf Konkursausfallgeld der Arbeitnehmer seien der Klägerin zur Erfüllung der entsprechenden Rückzahlungsansprüche zu Gunsten der verwalteten Masse nach Stellung der Anträge auf Konkursausfallgeld am 30. Mai 1996 abgetreten worden. § 141 c AFG sei vorliegend nicht anwendbar: Es sei nicht der Anspruch auf Arbeitsentgelt angefochten worden, sondern die Auszahlung des Lohnes für Januar 1996.

Durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1998 (Geschäftszeichen: 98.5-Kaug 1050-W 5031/97) verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Die Klägerin sei keine Antragstellerin im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Die auf Grund der Abtretungserklärung vom 6. Juni 1996 mit den ehemaligen Arbeitnehmern jeweils vereinbarte Abtretung des Konkursausfallgeld-Anspruches sei unwirksam. Zwar könne gemäß § 141 l AFG über einen Anspruch auf Konkursausfallgeld verfügt werden. Somit sei grundsätzlich auch eine Abtretung nach § 398 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) möglich. Voraussetzung sei jedoch, dass eine Forderung existiere. Gemäß § 141 b Abs. 1 AFG habe Anspruch auf Konkursausfallgeld ein Arbeitnehmer, der bei der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt habe. Die Arbeitsentgelt-Ansprüche der Arbeitnehmer seien aber am 28. Februar 1996 erfüllt worden, weshalb kein Anspruch auf Konkursausfallgeld bestehe. Soweit sich die Klägerin auf die Anfechtung der Auszahlung gemäß § 10 GesO berufe, sei darauf hinzuweisen, dass insoweit eine formlose Anfechtungserklärung nicht ausreiche, vielmehr eine Geltendmachung im Klagewege erforderlich sei (Hinweis auf BGHZ 95, 225; 62, 199; 58, 47; 52, 343; gemeint ist jeweils: RGZ). Im Übrigen hätte eine Anfechtung zur Folge, dass gemäß § 141 c AFG ein Anspruch auf Konkursausfallgeld nicht entstehen könnte. Nach alledem liege keine abtretungsfähige Forderung vor.

Den Widerspruch gegen das Mitteilungsschreiben vom 20. August 1997 verwarf die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1998 (Geschäftszeichen: 98.5-Kaug 1050-W 353/98) als unzulässig, weil diesem Schreiben jeglicher Regelungscharakter fehle.

Gegen die 14 Bescheide vom 31. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1998 (Geschäftszeichen: 98.5-Kaug 1050-W 5031/97) hat die Klägerin am 16. Februar 1998 Klage beim Sozialgericht Chemnitz erhoben.

Die Klägerseite hat vorgetragen, der Anspruch auf Zahlung von Konkursausfallgeld an die 14 Arbeitnehmer werde aus abgetretenem Recht entsprechend den Vereinbarungen vom (6.) Juni 1996 gemäß §§ 141 a, 141 b i. V. m. §§ 141 l AFG, 398 BGB geltend gemacht. Durch Schreiben vom 20. Mai 1996 habe die Klägerin als Gesamtvollstreckungsverwalterin die am 28. Februar 1996 ausgezahlten Lohn- und Gehaltszahlungen gegenüber den 14 Arbeitnehmern angefochten. Sämtliche Arbeitsverhältnisses seien zum 31. Januar 1996 einvernehmlich im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung wegen Betriebseinstellung beendet worden. Dabei sei gleichzeitig auf die angespannte Liquiditätssituation der Schuldnerin hingewiesen worden. Die Auszahlung der Löhne und Gehälter stelle somit eine anfechtbare Rechtshandlung dar, sodass die empfangenen Löhne und Gehälter an die verwaltete Masse zurückzuerstatten seien. Da hierdurch Ansprüche auf Konkursausfallgeld der 14 Arbeitnehmer entstünden und diese Ansprüche an die Klägerin an Erfüllungs Statt abgetreten worden seien, sei sie Beteiligte des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X gewesen. Die Bescheide vom 31. Juli 1996 hätten folglich ihr gegenüber bekannt gegeben werden müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten setze eine wirksame Anfechtung nach § 10 GesO nicht voraus, dass sie im Klagewege geltend gemacht werden. Dies sei nur dann erforderlich, wenn zwischen Gesamtvollstreckungsverwalter und Anfechtungsgegner Streit über die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung bestehe. Andernfalls fehle es - wie vorliegend - am Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Geltendmachung des Rückgewähranspruches, weil die Arbeitnehmer als Anfechtungsgegner die seitens der Klägerin erklärte Anfechtung der Lohn- und Gehaltsauszahlung anerkannt hätten. Darüber hinaus hätten sie jeweils den Rückgewähranspruch im Rahmen der Abtretungsvereinbarung anerkannt. Die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO lägen vor. Die Lohn- und Gehaltsauszahlungen am 28. Februar 1996 seien zum Zeitpunkt bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit erfolgt. Davon hätten die Arbeitnehmer Kenntnis gehabt, weil ihnen durch den Geschäftsführer wegen der Liquiditätsschwierigkeiten der Schuldnerin am 14. November 1995 die Kündigung zum 31. Januar 1996 ausgesprochen worden sei. Die Arbeitnehmer hätten von der Insolvenz der Schuldnerin gewusst. Ihnen sei außerdem positiv bekannt gewesen, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen an sie die übrigen Gläubiger benachteiligen würden. Sie hätten gewusst, dass die Quote in der Gruppe des § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO minimal gewesen wäre. Demnach hätten den Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt für Januar 1996 zugestanden, folglich auch solche auf Konkursausfallgeld nach § 141 b AFG. Deren Abtretung nach Antragstellung sei gemäß § 141 l AFG i. V. m. § 398 BGB zulässig und wirksam vorgenommen worden. Der vorliegende Sachverhalt unterfalle nicht dem Anwendungsbereich von § 141 c AFG. Rein vorsorglich werde gegenüber der Beklagten die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO bezüglich der von der Schuldnerin am 28. Februar 1996 vorgenommenen Lohnauszahlung an die benannten Arbeitnehmer in Gesamthöhe von 53.957,90 DM erklärt. Der Antrag auf Konkursausfallgeld sei nicht an eine bestimmte Form gebunden. Er sei in dem Zeitpunkt gestellt, in welchem der Wille des Berechtigten, Konkursausfallgeld beanspruchen zu wollen, dem Arbeitsamt bekannt geworden sei, ohne Rücksicht darauf, ob der ausgefüllte Antragsvordruck bereits eingereicht gewesen sei. Maßgeblich sei folglich der Tag, an welchem dem Arbeitsamt bekannt geworden sei, dass die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin Konkursausfallgeld beanspruchen wollten, spätestens also die Aushändigung der mit dem "30. Mai 1996" gestempelten Antragsformulare. Der Antrag der Klägerin selbst "als Dritter" am 21. Juni 1996 sei zusätzlich erfolgt. Die Arbeitnehmer hätten spätestens am 30. Mai 1996 ihren Willen bekundet, Konkursausfallgeld beantragen zu wollen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei schon unzulässig. Hilfsweise hat sie zur Frage der Begründetheit ergänzt, die Klägerin habe schon deshalb keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld, weil das Konkursausfallgeld nicht innerhalb der in § 141 e Abs. 1 Satz 2 AFG genannten Ausschlussfrist von zwei Monaten wirksam beantragt worden sei. Der von der Klägerin selbst - und nicht im Namen der Arbeitnehmer - gestellte Antrag auf Konkursausfallgeld sei erst am 21. Juni 1996 bei der Beklagten eingegangen und deshalb unwirksam. Antragsberechtigt sei immer nur der Inhaber des Anspruchs auf Konkursausfallgeld im Zeitpunkt der Antragstellung. Antragsberechtigt seien aber nur die einzelnen Arbeitnehmer, nicht die Klägerin gewesen. Der Anspruch auf Konkursausfallgeld könne gemäß § 141 l Abs. 1 Satz 1 AFG selbstständig nicht übertragen werden, bevor das Konkursausfallgeld beantragt worden sei. Die Abtretungsvereinbarungen zwischen der Klägerin und den Arbeitnehmern vom 6. Juni 1996 seien daher gemäß § 134 BGB unwirksam gewesen. Ebenso wenig stelle das Schreiben der Klägerin vom 22. Mai 1996 einen wirksamen Antrag dar. Denn in diesem Schreiben habe sie nicht deutlich gemacht, ob sie den Antrag im eigenen Namen oder als Vertreterin im Namen der Arbeitnehmer stelle. Gehe aber aus den Erklärungen eines Antragstellers nicht eindeutig hervor, ob er im eigenen Namen oder als Vertreter im Namen eines Dritten handele, so liege entsprechend dem Rechtsgedanken von § 164 Abs. 2 BGB im Zweifel ein Handeln im eigenen Namen vor. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht Inhaberin des Anspruchs auf Konkursausfallgeld gewesen sei, sei sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht antragsberechtigt gewesen. Zu prüfen sei, ob es ausreiche, dass am 30. Mai 1996 eine Beauftragte der Klägerin einen Antrag auf Konkursausfallgeld gestellt habe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes in § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO nicht vor.

Mit Urteil vom 15. Januar 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne aus abgetretenem Recht keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld geltend machen, weil die betroffenen Arbeitnehmer ihrerseits keinen solchen Anspruch gegenüber der Beklagten gehabt hätten. Vielmehr sei ihnen ihr zuletzt noch ausstehendes jeweiliges Arbeitsentgelt für den Monat Januar 1996 durch den Arbeitgeber am 28. Februar 1996 ausgezahlt worden. Zur Anfechtung der Auszahlung der Januar- Arbeitsentgelte sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen. Die Zahlung des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsentgelts durch den Gemeinschuldner unterfalle nicht § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO, dem einzig und allein in Betracht kommenden Anfechtungstatbestand, weil insoweit eine Benachteiligungsabsicht von vorneherein ausgeschlossen werden könne. Dies folge bereits aus der Überlegung, dass Lohn- oder Gehaltsforderungen von Arbeitnehmern, die im Unternehmen des Schuldners beschäftigt gewesen seien, für einen nicht länger als sechs Monate vor der Eröffnung der Gesamtvollstreckung zurückliegenden Zeitraum nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO im Rahmen der Gesamtvollstreckung vorab zu begleichende Ansprüche seien. Insofern komme ein Anfechtungsrecht des Gesamtvollstreckungsverwalters nur in Betracht, soweit Zahlungen durch den Gemeinschuldner als Arbeitgeber erfolgten, ohne dass der Arbeitnehmer - in dieser Höhe - auf die Zahlung Anspruch gehabt hätte. Im Übrigen hätte eine wirksame, weil berechtigte Anfechtung seitens der Klägerin auch zur Folge gehabt, dass kein Anspruch gegen die Beklagte auf Konkursausfallgeld bestehe. Denn Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die der Arbeitnehmer durch eine Rechtshandlung erworben habe, die nach den Vorschriften der Konkursordnung angefochten worden sei, begründeten keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld (§ 141 c Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AFG).

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. Februar 2001 zugestellte Urteil vom 15. Januar 2001 haben diese am 02. März 2001 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerseite trägt vor, dem Anfechtungsrecht in § 10 Abs. Nr. 1 GesO sei eine Differenzierung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung - wie sie das Sozialgericht vornehme - fremd. Es lägen sowohl die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO als auch diejenigen von § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO vor. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei § 141 c Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AFG nicht anwendbar. Es treffe schließlich nicht zu, dass einer Anfechtung der Lohn- und Gehaltszahlungen der besondere Schutz der Arbeitsentgeltansprüche im Rahmen der GesO entgegenstehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1998 zum Geschäftszeichen 98.5-Kaug 1050-W 5031/97 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin das Konkursausfallgeld entsprechend der Anträge vom 30. Mai 1996 für die Arbeitnehmer A ... B ..., G ... F ..., B ... F ..., E ... J ..., M ... K ..., B ... K ..., A ...-K ... K ..., D ... M ..., K ... P ..., A ... R ..., P ... S ..., R ... S ..., S ... V ... und B ... W ... zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung - jedenfalls im Ergebnis - für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, da sie Leistungen betrifft, die einen Betrag von 1.000 DM übersteigen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

II.

Sie ist aber unbegründet. Im Ergebnis sind die streitbefangenen Bescheide und die Entscheidung des Sozialgerichts Chemnitz rechtmäßig.

Die Klägerin ist gegenüber der Beklagten nicht als von den 14 Arbeitnehmern bevollmächtigte Rechtsanwältin aufgetreten. Vielmehr hat sie im eigenen Namen als Gesamtvollstreckungsverwalterin gehandelt. Ihre Aktivlegitimation ergibt sich dabei aus der - grundsätzlich möglichen - Geltendmachung eines an Erfüllungs Statt abgetretenen Rechts.

Für den streitigen Anspruch auf Konkursausfallgeld ist nach Art. 82 Abs. 2 Nr. 1 AFRG weiterhin § 141 e Abs. 1 AFG maßgeblich, § 324 Abs. 3 SGB III ist gemäß Art. 83 Abs. 5 Nr. 1 AFRG erst am 01. Januar 1999 in Kraft getreten.

1. Allerdings ist § 141 c Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AFG i. d. F. vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1824) vorliegend - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht anwendbar. Diese Vorschrift trifft lediglich eine Regelung für "Ansprüche auf Arbeitsentgelt", die der Arbeitnehmer durch eine Rechtshandlung erworben hat, die nach den Vorschriften der Konkursordnung angefochten worden ist. Den Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten die 14 Arbeitnehmer jedoch auf Grund ihres jeweiligen Arbeitsvertrages und nicht durch die Lohnzahlung seitens des Geschäftsführers der früheren Firma B ... GmbH erworben. Insoweit ist zu differenzieren zwischen der Zuwendung des Anspruchs (dem Grundgeschäft) und der Zuwendung eines Gegenstandes - hier der Lohnzahlung - (dem Erfüllungsgeschäft). Auf das Erfüllungsgeschäft kann § 141 c Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AFG keine Anwendung finden.

2. Dahinstehen kann, ob die Klägerin auf die gerichtliche Geltendmachung des von ihr in Anspruch genommenen Anfechtungsrechts verzichten durfte. a) Dagegen spricht immerhin, dass die "Anerkenntnisse" der 14 Arbeitnehmer erfolgten, ohne dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen etwaiger Anfechtungsrechte gerichtlich überprüft worden wäre. Der durch die Vereinbarungen bezweckten bzw. sich jedenfalls notwendigerweise ergebenden Verlagerung des Lohnzahlungsrisikos auf die Beklagte könnte jedoch die rechtlich unzulässige Figur des Vertrages zu Lasten Dritter entgegenstehen (dazu noch weiter unten zu 3.b.cc). b) Dafür spricht möglicherweise die Möglichkeit einer inzidenten Prüfung der Anfechtungstatbestände im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. hierzu Peters-Lange, in: Gagel, AFG, Kommentar, Stand: Januar 1998, § 141 c, Rdnr. 3).

3. Etwaige Ansprüche der 14 Arbeitnehmer auf Konkursausfallgeld sind der Klägerin jedoch nicht wirksam gemäß § 398 BGB an Erfüllungs Statt im Sinne von § 364 Abs. 1 BGB übertragen worden, weshalb sie niemals Anspruchsinhaberin geworden ist und die Beklagte ihr gegenüber keinen für sie günstigen Bescheid zu erlassen vermochte. Denn der Anspruch auf Konkursausfallgeld kann wirksam erst übertragen werden, nachdem das Konkursausfallgeld beantragt worden ist (§ 141 l Abs. 2 AFG).

a) Gemäß § 141 e Abs. 1 AFG wird das Konkursausfallgeld vom zuständigen Arbeitsamt auf Antrag gewährt. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eröffnung des Konkursverfahrens zu stellen (§ 141 e Abs. 1 Satz 2 AFG). Statt

der Vorschriften über die Konkursordnung gelten im Beitrittsgebiet die entsprechenden Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung (§ 249 c Abs. 21 AFG i. V. m. Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II zum Einigungsvertrag).

Entgegen der vor dem Sozialgericht geäußerten Auffassung der Beklagten ist die Zweimonatsfrist gewahrt.

aa) Das Schreiben der Klägerin vom 22. Mai 1996 stellt keinen Antrag im o. g. Sinne dar. Zwar ist der Antragsbegriff im Sinne von § 16 SGB I grundsätzlich weit auszulegen (s. nur Seewald, in: Kasseler Kommentar, Stand: 01. April 2002, SGB I, § 16, Rdnr. 3). Insbesondere können Leistungen auch durch bevollmächtigte Dritte oder mit Sammelanträgen beantragt werden (Hünecke, in: Gagel, SGB III, Kommentar, Stand: 01. November 2003, § 324, Rdnr. 23 - 25). Stets erforderlich ist jedoch die Konkretisierung des Anspruchsinhabers. Nichts Anderes kann bezüglich eines Anspruchs aus abgetretenem Recht gelten: Auch hier ist eine Individualisierung des bzw. der Zedenten unerlässlich. Im Schreiben vom 22. Mai 1996 hat die Klägerin aber nur zum Ausdruck gebracht, im Hinblick auf 16 gekündigte Arbeitsverhältnisse müssten Anträge auf Konkursausfallgeld gestellt werden. Da dieses Schreiben keine Bezeichnung dieser 16 Arbeitnehmer enthielt, war für die Beklagte nicht ersichtlich, für welche konkreten Arbeitnehmer ein Antrag auf Konkursausfallgeld gestellt werden sollte. Dies gilt umso mehr, als letztlich nur 14 Anträge auf Konkursausfallgeld gestellt wurden. Das Schreiben vom 22. Mai 1996 stellt schon mangels Konkretisierung etwaiger Zedenten, denen gegenüber ein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X zur "Regelung eines Einzelfalles" hätte ergehen können, der dann zu einem an die Klägerin abtretbaren Anspruch geführt hätte, keinen Antrag dar. Vielmehr handelte es sich insoweit um eine aus Sicht der Klägerin notwendige bloße Vorbereitungshandlung.

bb) Auch in der Aushändigung der Blankoanträge am 30. Mai 1996 kann mangels Konkretisierung etwaiger Zedenten noch keine wirksame Antragstellung gesehen werden. Der Datumsstempel der Be

klagten dokumentiert zwar regelmäßig den Zeitpunkt der Antragstellung. Vorliegend ist dies allerdings nicht der Fall, weil die Aushändigung von 20 Blankoanträgen an eine Bevollmächtigte der Klägerin erfolgte, ohne dass bereits festgestanden hätte, für welche konkreten Anspruchsteller die Antragsformulare bestimmt waren.

cc) Eine Antragstellung durch die Klägerin als Beteiligter im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X - insoweit sind die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1998 unzutreffend - ist vielmehr erst mit Schreiben vom 20. Juni 1996 erfolgt, mit dem der Beklagten erstmals die einzelnen ausgefüllten Anträge der 14 Arbeitnehmer auf Konkursausfallgeld - mit Ausnahme derjenigen von Frau V ... und von Frau K ... - übersandt wurden. Die Abtretung etwaiger Ansprüche auf Konkursausfallgeld war wegen dieses zeitlichen Ablaufs gemäß § 141 l Abs. 1 Satz 1 AFG i. V. m. § 134 BGB unwirksam.

b) Gemäß § 141 l Abs. 1 Satz 1 AFG kann der Anspruch auf Konkursausfallgeld selbstständig nicht übertragen werden, bevor das Konkursausfallgeld beantragt worden ist. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergibt.

aa) Sämtliche Abtretungsvereinbarungen zwischen der Klägerin und den 14 Arbeitnehmern erfolgten vor der konkreten Beantragung von Konkursausfallgeld durch die einzelnen Arbeitnehmer. Somit verstießen sie gegen das in § 141 l Abs. 1 Satz 1 AFG normierte gesetzliche Verbot, was die Unwirksamkeit dieser Übertragungen nach sich zieht. Aus dem Gesetz ergibt sich auch nichts Anderes, weil § 141 l Abs. 1 AFG den Zweck verfolgt, dass über den Konkursausfallgeld-Anspruch nur zusammen mit dem Anspruch auf Arbeitsentgelt verfügt werden kann, um zu sichern, dass der Arbeitsentgelt-Anspruch bei Beantragung des Konkursausfallgeldes auf die Beklagte gemäß § 141 m AFG übergeht (s. hierzu Roeder, in: Niesel, AFG, Kommentar, 2. Auflage, 1997, § 141 l, Rdrn. 2, und Schlegel, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Kommentar, Stand: Juli 1998, § 141 l, Rdnr. 3). Lediglich

für die Pfändung sieht § 141 l Abs. 1 Satz 2 AFG eine Ausnahme vor (Einzelheiten hierzu bei Peters-Lange, in: Gagel, AFG, Kommentar, Stand: Januar 1998, § 141 l, Rdnr. 1).

bb) Anders wäre es gewesen, wenn die Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Antrages auf Konkursausfallgeld auf die Klägerin übertragen hätten. Dann hätte ihr gemäß § 141 k Abs. 1 Satz 1 AFG der Anspruch auf Konkursausfallgeld zugestanden. Dies ist jedoch nicht geschehen, weil der Klägerin bewusst war, dass diese Ansprüche auf Arbeitsentgelt ins Leere gegangen wären. Deshalb hat sie sich auch die Ansprüche auf Konkursausfallgeld an Erfüllungs Statt - anstelle der Rückzahlung der Arbeitsentgelte durch die arbeitslosen Arbeitnehmer - abtreten lassen.

cc) Im Übrigen ist Folgendes zu bedenken: Ist - wie hier - bereits eine Lohnzahlung erfolgt und wird diese vom Gesamtvollstreckungsverwalter - noch dazu mehrere Monate nach Auszahlung des Lohnes - angefochten, so würde dies regelmäßig dazu führen, dass der auf die Beklagte übergegangene Arbeitsentgelt-Anspruch wegen Verbrauchs des Arbeitsentgelts wertlos wäre, sie aber gleichwohl Konkursausfallgeld zahlen müsste. Könnte dieser Anspruch von den Arbeitnehmern an Erfüllungs Statt an den Gesamtvollstreckungsverwalter abgetreten werden, so verlöre dieser einerseits das Risiko, die regelmäßig verbrauchten Lohnzahlungen bei den Arbeitnehmern geltend machen zu müssen, erhielte andererseits aber eine werthaltige Forderung auf Konkursausfallgeld in voller Höhe gegenüber der solventen Beklagten. Dadurch würden privatwirtschaftliche Risiken in nicht vertretbarer Art und Weise auf die Beklagte verlagert.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Absatz 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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