Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 85/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 62/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verletztengeld. Die Beteiligten streiten um von der Klägerin gefordertes Verletztengeld anlässlich eines anerkannten Arbeitsunfalls, den sie während eines Existenzgründerlehrgangs erlitt. Den Lebensunterhalt für die Zeit des Lehrganges, die Lehrgangsgebühren und die Fahrtkosten hatte die Bundesanstalt für Arbeit (Bundesagentur für Arbeit) aufgrund einer Ermessensentscheidung gemäß § 10 SGB III bestritten.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 30. April 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Verletztengeld hat.
Der am ...1948 geborenen Klägerin wurde nach eingetretener Arbeitslosigkeit mit Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes B ... vom 25.06.1999 Arbeitslosengeld mit einem Leistungsbeginn am 01.05.1999 und einem wöchentlichen Leistungsentgelt in Höhe von DM 490,65, das zu einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 328,72 führte, bewilligt. Dieses bezog die Klägerin bis zum 03.10.1999.
Ab dem 04.10.1999 nahm die Klägerin an einem Aufbauseminar zum Existenzgründerlehrgang bei der L ... Technologiezentrum GmbH teil. Dazu bewilligte ihr das Arbeitsamt B ... mit Bescheiden vom 05.11.1999 und 10.12.1999 für die Dauer des Lehrgangs (04.10.1999 bis 30.06.2000) monatliche Zuschüsse zum Lebensunterhalt in Höhe von DM 2.162,00, zu den Lehrgangsgebühren in Höhe von DM 1.600,00 und zu den Fahrtkosten in Höhe von DM 228,00 als so genannte freie Förderung nach § 10 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Zuschuss zum Lebensunterhalt für den Monat Oktober 1999 wurde mit 27/30 pro rata temporis auf DM 1.945,80 festgesetzt. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld hob das Arbeitsamt mit Bescheid vom 03.11.1999 gestützt auf §§ 117, 118 SGB III in Verbindung mit § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom 04.10.1999 auf.
Am 21.06.2000 zog sich die Klägerin während eines innerhalb des Lehrgangs absolvierten Out-Door-Trainings auf einem Kinderspielplatz eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts zu. Infolge dieses von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses war die Klägerin bis zum 01.10.2000 arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Bescheid vom 08.08.2000 lehnte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld ab. Nach § 45 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) werde Verletztengeld dann gewährt, wenn ein Versicherter infolge eines Unfalles arbeitsunfähig sei und unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder konkret genannte Leistungen gehabt habe. Bei den für die Zeit der Teilnahme am Existenzgründerlehrgang vom Arbeitsamt bezogenen Leistungen zum Lebensunterhalt handele es sich nicht um Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine der sonstigen in § 45 SGB VII genannten Leistungen.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2000. Den Widerspruch begründete sie mit Schreiben vom 18.09.2000 damit, dass die von ihr während des Lehrgangs bezogene Leistung zum Lebensunterhalt dem in § 45 SGB VII genannten Unterhaltsgeld entspreche.
Auf Anfrage der Beklagten hin teilte das Arbeitsamt B ... während des Widerspruchsverfahrens mit Schreiben vom 07.12.2000 mit, die Leistungen zum Lebensunterhalt, welche die Klägerin für die Dauer der Teilahme am Existenzgründerlehrgang erhalten habe, seien im vorliegenden Fall ungeachtet der individuellen Namensgebung als Leistung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 SGB III, d.h. als Leistung im Sinne von Unterhaltsgeld, das während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung erbracht werden könne, anzusehen. Da die Beklagte Zweifel an dieser Auslegung des § 3 SGB III anmeldete (niedergelegt in einem Telefonvermerk vom 15.01.2001), teilte das Arbeitsamt B ... im Anhang zu einem Widerspruchsbescheid vom 24.01.2001 der Beklagten mit, dass die Klägerin eine freie Leistung der aktiven Arbeitsförderung erhalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Es sei zwar zuzugeben, dass die von der Klägerin bezogene Leistung zum Lebensunterhalt der Zielsetzung und Art nach dem Unterhaltsgeld ähnele, wenn nicht sogar zweckidentisch sei. Gleichwohl sei die vom Arbeitsamt im Rahmen freier Förderung der aktiven Arbeitsförderung bewilligte Leistung zum Lebensunterhalt eine Leistung eigener Art, welche nicht in § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII aufgeführt sei.
Mit der am 20.03.2001 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie habe Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld. Es erstaune angesichts der deutlichen Positionierung des Arbeitsamtes zur Art der gewährten Leistung, dass die Beklagte weiterhin davon ausgehe, dass die gewährte Leistung zum Lebensunterhalt mit Unterhaltsgeld nicht vergleichbar wäre. Eine vom Arbeitsamt gewährte finanzielle Leistung stelle sich als Unterhaltsgeld bereits dann dar, wenn daneben keine weiteren Leistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe gewährt würden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die der Klägerin vom Arbeitsamt bewilligte Leistung gemäß § 10 SGB III keinen Entgeltcharakter habe. Die Aufzählung der Lohnersatzleistungen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei als abschließend anzusehen. Eine Öffnungsklausel auf "vergleichbare Leistungen" wie in § 18a Abs. 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) fehle.
Auf Anfrage des SG hat das Arbeitsamt B ... mitgeteilt, dass es sich bei der der Klägerin bewilligten Leistung zum Lebensunterhalt um eine Lohnersatzleistung handele, welche vergleichbar mit dem Unterhaltsgeld während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2002 hat das SG der Klage stattgegeben und in der Hauptsache wie folgt tenoriert:
"Unter Aufhebung des Bescheides vom 8.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2001 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften der Unfallversicherung zu gewähren."
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII zu.
Während der Teilnahme an dem Existenzgründerlehrgang habe die Klägerin ausweislich der Bewilligungsbescheide des Arbeitsamtes B ... vom 05.11. und 10.12.1999 unter anderem Leistungen zum Lebensunterhalt als Zuschuss im Wege der freien Förderung nach § 10 SGB III (Ermessensleistungen nach Einzelfallentscheidung) erhalten. Hierbei handele es sich auch nach Auskunft des Arbeitsamtes B ... um eine Lohnersatzleistung.
Nach § 10 Abs. 1 SGB III könnten die Arbeitsämter bis zu 10 % der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern. Die freien Leistungen müssten den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürften nicht gesetzliche Leistungen aufstocken. Nach § 71b SGB IV seien die für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung veranschlagten Mittel mit Ausnahme der Mittel für das Überbrückungsgeld und für Leistungen der Trägerförderung im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit in einen Eingliederungs- titel einzustellen. Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung seien alle Leistungen, die nicht in der Zahlung von Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Insolvenzgeld bestünden (§ 3 Abs. 4 SGB III). Nach § 71b Abs. 3 SGB IV stellten die Arbeitsämter für jede Art dieser Ermessensleistungen der Arbeitsförderung Mittel unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Lage und Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes bereit. Dabei sei sicherzustellen, dass die Ausgaben für die freie Förderung 10 % der den Arbeitsämtern aus dem Eingliederungstitel zugewiesenen Mittel nicht überschritten. Ausgehend von diesen Vorschriften liege die Annahme nahe, dass die Klägerin vom Arbeitsamt im Wege einer Einzelfallentscheidung Unterhaltsgeld erhalten habe, wobei lediglich mangels Vorliegens der Förderungsvoraussetzungen für Unterhaltsgeldzahlungen nach den §§ 153 f. SGB III die freie Förderung nach § 10 SGB III gewählt worden sei. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Aufzählung von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und anderen kurzfristigen Erwerbsersatzeinkommen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht ab- schließend. Es genüge auch ein Anspruch auf andere vergleichbare kurzfristige Erwerbsersatzeinkommen.
Dass § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII eine Erweiterungsklausel auf "vergleichbare Leistungen" wie in § 18a Abs. 3 Nr. 1 SGB VII nicht enthalte, ändere hieran nichts.
Sinn und Zweck der Gewährung von Verletztengeld sei es, die im Fall der Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles der Unfallversicherung bestehende konkrete Lohn- und Einkom- menseinbuße auszugleichen. Diesem Anspruch könne § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nur dann gerecht werden, wenn man die Aufzäh- lung nicht als abschließend erachte, sondern auf vergleichbares Erwerbsersatzeinkommen ausdehne. Im Übrigen sei eine Gesetzessystematik dahingehend, dass bei Hinterbliebenenrenten im Sinne des § 18a SGB IV den aufgeführten Erwerbsersatzarten vergleichbare Leistungen angerechnet würden, dieselben vergleichbaren Leistungen aber dann als nicht ausreichend angesehen würden, Ansprüche auf Verletztengeld zu begründen, den Normunterworfenen nicht verständlich. Die Auslegung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ergebe somit, dass die in dieser Vorschrift aufgeführten Arten von Erwerbseinkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen als nicht abschließend anzusehen seien. Ermittlungen bezüglich der Verletztengeldhöhe und der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit blieben der Beklagten vorbehalten.
Gegen den ihr am 15.05.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 30.05.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, den Versicherungsfall habe die Klägerin als Lernende in einem im Rahmen freier Förderung (§ 10 SGB III) durch die Bundesan- stalt für Arbeit geförderten "Aufbauseminar zum Existenzgründerlehrgang" erlitten. Sie habe mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgestellt, dass der Klägerin Verletztengeld während der ununterbrochenen Dauer der am 21.06.2000 begonnenen Arbeitsunfähigkeit nicht zustehe, weil sie unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein den Anspruch auf Verletztengeld auslösendes Einkommen nicht bezogen habe. Der Gerichtsbescheid verletze materielles Recht.
Im Einzelnen rügt die Beklagte:
Die ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, Verletztengeld zu gewähren, werde inhaltlich dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Weder Beginn noch Ende der Verpflichtung der Beklagten zur Verletztengeldzahlung seien hinreichend konkret bestimmt noch sei klargestellt, ob auch für die Zeit des stationären Aufenthaltes zur Metallentfernung und der anschließenden Rekonvaleszenz Verletztengeld zu zahlen sei.
Das SG habe nicht die vom Arbeitsamt bewilligte Leistung zum Lebensunterhalt begrifflich unter das Unterhaltsgeld im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII subsumiert, sondern zu Unrecht die gesetzliche Enumeration der einen Anspruch auf Verletztengeld auslösenden Lohnersatzleistungen für erweiterbar und mithin für nicht erschöpfend gehalten.
Weder eine grammatikalische noch eine systematische Auslegung führten zum vom SG gefundenen Ergebnis.
Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei im Sinne eines Numerus clausus grammatikalisch eindeutig und nicht erweiterbar. Die Lohnersatzleistungen, die einem Verletztengeld vorangehen könnten, seien ausdrücklich genannt. Es fehle an einem Wortzusatz, der die namentliche Bezeichnung der Lohnersatzleistungen lediglich als exemplarische Enumeration verstehbar machen würde, so etwa die Wörter "insbesondere", "unter anderem", "auch" pp. Des Weiteren finde sich in der Regelung keine öffnende Leistungsbezeichnung wie etwa "oder vergleichbare Sozialleistungen". Sei der Wortlaut einer Vorschrift wie im vorliegenden Falle eindeutig, verbiete sich regelmäßig eine normerweiternde Auslegung des Gesetzes, weil es eben an der nötigen Auslegungsbedürftigkeit fehle.
Auch systematische Gründe sprächen für ihre Auffassung. So habe der Gesetzgeber hinsichtlich des Übergangsgeldes in § 20 Nr. 3 Buchst. b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und hinsichtlich des Krankengeldes in § 47b Abs. 1 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in gleicher Weise abgeschlossene Kataloge festgesetzt.
Wenn demgegenüber das Gesetz die Aufzählung von Leistungen, die für einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung von Bedeutung sein sollten, als nicht erschöpfend verstanden wissen wolle, habe der Normgeber dies im Sozialgesetzbuch sprachlich hinreichend deutlich gemacht. So liege es zum Beispiel im Falle des § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV.
Auch aus der Entwicklung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII werde deutlich, dass der Gesetzgeber von einer erschöpfenden Aufzählung ausgegangen sei. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt worden sei, sei die Rechtsänderung beim Winterausfallgeld ausdrücklich durch Änderungsgesetz berücksichtigt worden.
Damit habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass ihm an einer der Gesetzessprache des SGB III entsprechenden Aufzählung der Leistungen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII gelegen sei. In diesem Zusammenhang sei nicht verständlich, warum der Gesetzgeber die freien Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nicht ebenso namentlich in die Vorschrift über das Verletztengeld aufgenommen habe.
Auch habe die Auffassung des Sozialgerichts zur Konsequenz, dass mangels gesetzlicher Rechenvorschrift das Verletztengeld der Klägerin nicht berechnet werden könne, was bedeute, dass hier eine weitere Regelungslücke bestehe.
Für eine Gesetzesauslegung im Sinne einer Rechtsergänzung von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im vom Sozialgericht angenommenen Sinne sei kein Raum, da Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke nicht ersichtlich seien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Prärogative die im Falle der Klägerin streitige Leistung willentlich von einer Aufzählung in § 45 Abs. 1 SGB VII ausgespart habe wissen wollen.
Auch hätten, anders als etwa das originäre Unterhaltsgeld nach dem SGB III, die der Klägerin bewilligten "Leistungen zum Lebensunterhalt" weder die Beitragspflicht zur Sozialversicherung noch etwa die bereits nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorgesehene Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder etwa nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet.
Schließlich weist die Beklagte darauf hin, dass die im Rahmen freier Förderung bewilligten "Leistungen zum Lebensunterhalt" auch ansonsten im Falle der Arbeitsunfähigkeit eine "Sonderstellung" hätten. Dies zeige sich für die Beklagte schon darin, dass die Klägerin - anders als etwa beim originären Unterhaltsgeld gesetzlich vorgesehen (§ 157 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 SGB III) - nicht für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Weiterzahlung der gewährten Leistungen gehabt habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 30.04.2002 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für rechtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Aus § 45 Abs. 1 SGB VII hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld aufgrund des Unfalls vom 21.06.1999. Sie erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift nicht. Sie hat nicht, wie Abs. 1 Nr. 2 verlangt, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Mutterschaftsgeld gehabt. Zwischen den Beteiligten ist lediglich streitbefangen, ob § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im Wege der Analogie um die das Arbeitslosengeld funktionell ersetzende aufgrund von § 10 SGB III gewährte und zum Unterhalt der Klägerin bestimmte Leistung zu ergänzen ist.
Lediglich dann, wenn man den Zuschuss zum Lebensunterhalt im Wege der lückenfüllenden Analogie den aufgeführten Lohnersatzleistungen gleichstellte, stünde der Klägerin ein Anspruch auf Verletztengeld zu. Indessen ist eine Analogie nicht möglich. Das Gesetz enthält keine Lücke.
Ob das Schweigen des Gesetzes zu einer bestimmten Fallgestaltung zur Lücke führt, oder ob das Fehlen der erwarteten Regelung vom Gesetzgeber gewollt ist, was eine Analogie ausschließt, beurteilt sich nach "der Regelungsabsicht, der mit ihr verfolgten Zwecke, des gesetzgeberischen Plans. Eine Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen" (Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6. Auflage Berlin Heidelberg 1991 Seite 373 m.w.N.).
Ein starkes Indiz für das Nichtvorhandensein einer Gesetzeslü- cke wäre ein Numerus clausus im Gesetzeswortlaut. Einen solchen Numerus clausus im technischen Sinne kann der Senat in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII allerdings nicht feststellen. Denn aus dem Vorhandensein einer Rechenvorschrift für Versicherte, die Unterhaltsleistungen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz bezogen haben (§ 47 Abs. 3 SGB VII), und für Versicherte, bei denen sich der Versicherungsfall während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung ereignet hat (§ 47 Abs. 6 SGB VII), ist zu schließen, dass der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII niedergelegte Katalog um die beiden genannten Leistungen als alternative Anspruchsvoraussetzungen zu ergänzen ist.
Ob der so modifizierte Katalog in dieser Form abschließend ist, ist umstritten. Nehls ist der Auffassung, die Aufzählung sei nicht abschließend. Ein Anspruch auf ein anderes vergleichbares kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen genüge (Nehls in Hauck/ Noftz, SGB VII, § 45 Rz. 11). Da das Insolvenzgeld eine solche vergleichbare Leistung sei, begründe die vorangegangene Zahlung von Insolvenzgeld die Verpflichtung zur Zahlung von Verletztengeld (Nehls a.a.O.). Demgegenüber ist Schmitt der Auffassung, die Aufzählung sei abschließend (Schmitt, SGB VII, § 45 Rz. 11 a.E.). Nicht entschieden ist Kater (Kater/Leube, SGB VII, § 45 Rz. 19 a.E.). Nicht problematisiert wird die Frage bei Fröhlke in Lauterbach, SGB VII, § 45 Rz. 24-36, und bei Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, der offenbar der Auffassung von Schmitt zuneigt (§ 45 Rz. 20).
Zur Vorgängervorschrift des § 560 Reichsversicherungsordnung (RVO) hat das Bundessozialgericht (BSG) im Falle einer Altersrentnerin am 19.12.1974 entschieden, dass dieser Verletztengeld deshalb nicht zustand, weil die bezogenen Renten kein Arbeitsentgelt im Sinne der Vorschrift darstellten. Dem Anspruch stehe entgegen, dass die Klägerin durch den Unfall keinen Einkommensverlust erlitten habe (BSGE 39, 63 (67)).
Den bisherigen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber, soweit ersichtlich, bei der Kodifikation des SGB VII nicht verändern. Die Begründung des Gesetzentwurfes bezieht sich ausdrücklich auf den damals geltenden § 560 RVO (Bundestagsdrucksache 13/2204 Seite 87). Im Gesetzgebungsverfahren ist die Vorschrift keiner Veränderung unterworfen worden.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Katalog der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII in der oben dargestellten Modifikation, die er unter Berücksichtigung des § 47 SGB VII erfährt, abschließend und nicht im Wege der Analogie erweiterbar ist.
Dies stützt sich auf folgende Erwägungen:
Der Einwand von Nehls (a.a.O.), § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei deshalb nicht als abschließend zu verstehen, weil jedenfalls auch der Anspruch auf Insolvenzgeld den genannten Sozialleistungen gleichgestellt werden müsse, steht nach Auffassung des Senats dem abschließenden Charakter des aus § 45 und § 47 SGB VII bestehenden Regelwerkes nicht entgegen. Vielmehr kann das von Nehls genannte Insolvenzgeld ohne weiteres als besondere Form von Arbeitsentgelt verstanden werden. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Insolvenzgeldanspruch eng an den Anspruch auf Arbeitsentgelt gebunden ist. Zum einen ist er im Verhältnis zum Arbeitgeber akzessorisch mit dem Anspruch auf Arbeitsentgelt verknüpft, was aus der durch § 187 SGB III angeordneten cessio legis und dem in § 184 SGB III angeordneten Einwendungsdurchgriff aus dem Arbeitsverhältnis gegen den Insolvenzgeldanspruch folgt. Zudem ersetzt das Insolvenzgeld nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern tritt neben ihn. Auch der Arbeitnehmer eines insolvent gewordenen Arbeitgebers hat einen Anspruch auf Arbeitsentgelt erworben, der lediglich nach Beantragung des Insolvenzgeldes auf die Bundesagentur für Arbeit kraft Gesetzes übergeht.
Der Senat teilt ferner die Auffassung der Beklagten, dass das Fehlen einer "Öffnungsklausel" und ein Vergleich mit § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV zeigt, dass der Gesetzgeber im Falle des § 45 SGB VII eine Beschränkung auf die ausdrücklich genannten Leistungen vornehmen wollte.
Systematisch gesehen sprechen auch die Kataloge der § 20 SGB VI und § 47b SGB V für den abschließenden Charakter der streitbefangenen Vorschrift.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass, nachdem mit Gesetz vom 24.03.1997 die Vorschrift des § 10 SGB III geschaffen worden war, es für den Gesetzgeber problemlos möglich gewesen wäre, mit dem Gesetz vom 29.04.1997, mit dem in § 45 SGB VII der Begriff "Schlechtwettergeld" durch den Begriff "Winterausfallgeld" ersetzt wurde, entweder eine Öffnungsklausel einzufügen oder die neu geschaffenen Leistungen der freien Förderung gemäß § 10 SGB III in den Katalog des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufzunehmen. Diese Umstände legen nahe, dass der Gesetzgeber die Begünstigten des § 10 SGB III aus dem Kreis der Verletztengeldberechtigten mit Vorbedacht ausgenommen hat.
Auch ist zu beachten, dass § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII den Verletztengeldanspruch nur demjenigen zubilligt, der unmittelbar zuvor bestimmte, einzeln aufgeführte Ansprüche innehat. Abgesehen vom "Anspruch auf Arbeitseinkommen", den es, wenn man die Legaldefinition des § 15 Abs. 1 SGB IV anwendet, nicht gibt, handelt es sich um Ansprüche, die entweder im Falle des Arbeitsentgelts kraft eines Beschäftigungsverhältnisses, regelmäßig auf der Grundlage eines Vertrages (§ 14 Abs. 1 SGB IV) oder im Falle der anderen aufgeführten Leistungen kraft Gesetzes bestehen. Unter der Annahme, dass der Gesetzgeber Rechtstexte knapp fasst, kann die Verwendung des Wortes "Anspruch" in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nur die Funktion haben, die vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche, die die Vorschrift nennt, von Leistungen, auf die kein Anspruch im technischen Sinne des § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besteht, abzugrenzen. Hier sind zum einen freie, nicht gesetzgebundene Leistungen wie z.B. nach § 10 SGB III und zum anderen Leistungen ohne Verwaltungsakt zu nennen. Da Leistungen ohne Verwaltungsakt eher selten sind, ist der Senat der Auffassung, dass der Gesetzgeber hier die Leistungen, auf die kein vertraglicher oder unmittelbar auf Gesetz beruhender Anspruch im technischen Sinne besteht, ausklammern wollte. Dass der Klägerin durch die begünstigenden Verwaltungsakte vom 05.11.1999 und vom 10.12.1999 ein Zahlungsanspruch zugesprochen wurde, macht diesen nicht zum unmittelbar auf Gesetz beruhenden Anspruch. Die Zubilligung des Zahlungsanspruchs ist nicht Folge einer gebundenen Gesetzesanwendung, sondern bleibt Folge einer Ermessensentscheidung.
Auch wäre Konsequenz der Rechtsauffassung des SG, die eine "Regelungslücke" im Sinne von Larenz, also das Fehlen einer gesetzlichen Regelung (Larenz a.a.O. Seite 372), annimmt, dass eine weitere Lücke wegen des Fehlens einer Rechenvorschrift für die Berechnung des Verletztengeldes bestünde. Auch aus der infolgedessen bestehenden Notwendigkeit eine doppelte "Gesetzeslücke", nämlich eine Regelungslücke und eine von Larenz so bezeichnete "Normlücke" (Larenz a.a.O.) zu schließen, folgert der Senat, dass eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht vorliegt.
Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Senat hinsichtlich des Fehlens der Regelung nicht; insbesondere sieht er hierin keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG). Der allgemeine Gleichheitssatz, wie er in Art. 3 GG niedergelegt ist, verpflichtet den Gesetzgeber lediglich dazu, nach sachlichen Kriterien nicht unterscheidbare, also gleiche, Fälle gleich zu behandeln. Die Tatsache, dass auf die in § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII genannten Leistungen und Entgelte mit Ausnahme des Arbeitseinkommens ein Anspruch besteht und dies hinsichtlich der aufgrund § 10 SGB III erbrachten Leistungen nicht der Fall ist, stellt ein sachliches Kriterium dar, das den Gesetzgeber auch weiterhin berechtigt, die so voneinander geschiedenen Fälle ungleich zu behandeln. Die Tatsache, dass auch auf Arbeitseinkommen kein Anspruch besteht, bewertet der Senat als bedeutungsloses Redaktionsversehen.
Der Senat verkennt nicht, dass es wünschenswert wäre, wenn die Begünstigten einer Leistung gemäß § 10 SGB III im Falle eines Unfalls Anspruch auf Verletztengeld hätten, indessen sieht er sich an einer erweiternden Auslegung des Gesetzes aus den genannten systematischen Gründen gehindert. Etwaige Änderungen sind dem Gesetzgeber vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Verletztengeld hat.
Der am ...1948 geborenen Klägerin wurde nach eingetretener Arbeitslosigkeit mit Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes B ... vom 25.06.1999 Arbeitslosengeld mit einem Leistungsbeginn am 01.05.1999 und einem wöchentlichen Leistungsentgelt in Höhe von DM 490,65, das zu einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 328,72 führte, bewilligt. Dieses bezog die Klägerin bis zum 03.10.1999.
Ab dem 04.10.1999 nahm die Klägerin an einem Aufbauseminar zum Existenzgründerlehrgang bei der L ... Technologiezentrum GmbH teil. Dazu bewilligte ihr das Arbeitsamt B ... mit Bescheiden vom 05.11.1999 und 10.12.1999 für die Dauer des Lehrgangs (04.10.1999 bis 30.06.2000) monatliche Zuschüsse zum Lebensunterhalt in Höhe von DM 2.162,00, zu den Lehrgangsgebühren in Höhe von DM 1.600,00 und zu den Fahrtkosten in Höhe von DM 228,00 als so genannte freie Förderung nach § 10 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Zuschuss zum Lebensunterhalt für den Monat Oktober 1999 wurde mit 27/30 pro rata temporis auf DM 1.945,80 festgesetzt. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld hob das Arbeitsamt mit Bescheid vom 03.11.1999 gestützt auf §§ 117, 118 SGB III in Verbindung mit § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom 04.10.1999 auf.
Am 21.06.2000 zog sich die Klägerin während eines innerhalb des Lehrgangs absolvierten Out-Door-Trainings auf einem Kinderspielplatz eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts zu. Infolge dieses von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses war die Klägerin bis zum 01.10.2000 arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Bescheid vom 08.08.2000 lehnte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld ab. Nach § 45 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) werde Verletztengeld dann gewährt, wenn ein Versicherter infolge eines Unfalles arbeitsunfähig sei und unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder konkret genannte Leistungen gehabt habe. Bei den für die Zeit der Teilnahme am Existenzgründerlehrgang vom Arbeitsamt bezogenen Leistungen zum Lebensunterhalt handele es sich nicht um Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine der sonstigen in § 45 SGB VII genannten Leistungen.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2000. Den Widerspruch begründete sie mit Schreiben vom 18.09.2000 damit, dass die von ihr während des Lehrgangs bezogene Leistung zum Lebensunterhalt dem in § 45 SGB VII genannten Unterhaltsgeld entspreche.
Auf Anfrage der Beklagten hin teilte das Arbeitsamt B ... während des Widerspruchsverfahrens mit Schreiben vom 07.12.2000 mit, die Leistungen zum Lebensunterhalt, welche die Klägerin für die Dauer der Teilahme am Existenzgründerlehrgang erhalten habe, seien im vorliegenden Fall ungeachtet der individuellen Namensgebung als Leistung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 SGB III, d.h. als Leistung im Sinne von Unterhaltsgeld, das während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung erbracht werden könne, anzusehen. Da die Beklagte Zweifel an dieser Auslegung des § 3 SGB III anmeldete (niedergelegt in einem Telefonvermerk vom 15.01.2001), teilte das Arbeitsamt B ... im Anhang zu einem Widerspruchsbescheid vom 24.01.2001 der Beklagten mit, dass die Klägerin eine freie Leistung der aktiven Arbeitsförderung erhalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Es sei zwar zuzugeben, dass die von der Klägerin bezogene Leistung zum Lebensunterhalt der Zielsetzung und Art nach dem Unterhaltsgeld ähnele, wenn nicht sogar zweckidentisch sei. Gleichwohl sei die vom Arbeitsamt im Rahmen freier Förderung der aktiven Arbeitsförderung bewilligte Leistung zum Lebensunterhalt eine Leistung eigener Art, welche nicht in § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII aufgeführt sei.
Mit der am 20.03.2001 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie habe Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld. Es erstaune angesichts der deutlichen Positionierung des Arbeitsamtes zur Art der gewährten Leistung, dass die Beklagte weiterhin davon ausgehe, dass die gewährte Leistung zum Lebensunterhalt mit Unterhaltsgeld nicht vergleichbar wäre. Eine vom Arbeitsamt gewährte finanzielle Leistung stelle sich als Unterhaltsgeld bereits dann dar, wenn daneben keine weiteren Leistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe gewährt würden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die der Klägerin vom Arbeitsamt bewilligte Leistung gemäß § 10 SGB III keinen Entgeltcharakter habe. Die Aufzählung der Lohnersatzleistungen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei als abschließend anzusehen. Eine Öffnungsklausel auf "vergleichbare Leistungen" wie in § 18a Abs. 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) fehle.
Auf Anfrage des SG hat das Arbeitsamt B ... mitgeteilt, dass es sich bei der der Klägerin bewilligten Leistung zum Lebensunterhalt um eine Lohnersatzleistung handele, welche vergleichbar mit dem Unterhaltsgeld während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2002 hat das SG der Klage stattgegeben und in der Hauptsache wie folgt tenoriert:
"Unter Aufhebung des Bescheides vom 8.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2001 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften der Unfallversicherung zu gewähren."
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII zu.
Während der Teilnahme an dem Existenzgründerlehrgang habe die Klägerin ausweislich der Bewilligungsbescheide des Arbeitsamtes B ... vom 05.11. und 10.12.1999 unter anderem Leistungen zum Lebensunterhalt als Zuschuss im Wege der freien Förderung nach § 10 SGB III (Ermessensleistungen nach Einzelfallentscheidung) erhalten. Hierbei handele es sich auch nach Auskunft des Arbeitsamtes B ... um eine Lohnersatzleistung.
Nach § 10 Abs. 1 SGB III könnten die Arbeitsämter bis zu 10 % der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern. Die freien Leistungen müssten den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürften nicht gesetzliche Leistungen aufstocken. Nach § 71b SGB IV seien die für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung veranschlagten Mittel mit Ausnahme der Mittel für das Überbrückungsgeld und für Leistungen der Trägerförderung im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit in einen Eingliederungs- titel einzustellen. Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung seien alle Leistungen, die nicht in der Zahlung von Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Insolvenzgeld bestünden (§ 3 Abs. 4 SGB III). Nach § 71b Abs. 3 SGB IV stellten die Arbeitsämter für jede Art dieser Ermessensleistungen der Arbeitsförderung Mittel unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Lage und Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes bereit. Dabei sei sicherzustellen, dass die Ausgaben für die freie Förderung 10 % der den Arbeitsämtern aus dem Eingliederungstitel zugewiesenen Mittel nicht überschritten. Ausgehend von diesen Vorschriften liege die Annahme nahe, dass die Klägerin vom Arbeitsamt im Wege einer Einzelfallentscheidung Unterhaltsgeld erhalten habe, wobei lediglich mangels Vorliegens der Förderungsvoraussetzungen für Unterhaltsgeldzahlungen nach den §§ 153 f. SGB III die freie Förderung nach § 10 SGB III gewählt worden sei. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Aufzählung von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und anderen kurzfristigen Erwerbsersatzeinkommen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht ab- schließend. Es genüge auch ein Anspruch auf andere vergleichbare kurzfristige Erwerbsersatzeinkommen.
Dass § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII eine Erweiterungsklausel auf "vergleichbare Leistungen" wie in § 18a Abs. 3 Nr. 1 SGB VII nicht enthalte, ändere hieran nichts.
Sinn und Zweck der Gewährung von Verletztengeld sei es, die im Fall der Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles der Unfallversicherung bestehende konkrete Lohn- und Einkom- menseinbuße auszugleichen. Diesem Anspruch könne § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nur dann gerecht werden, wenn man die Aufzäh- lung nicht als abschließend erachte, sondern auf vergleichbares Erwerbsersatzeinkommen ausdehne. Im Übrigen sei eine Gesetzessystematik dahingehend, dass bei Hinterbliebenenrenten im Sinne des § 18a SGB IV den aufgeführten Erwerbsersatzarten vergleichbare Leistungen angerechnet würden, dieselben vergleichbaren Leistungen aber dann als nicht ausreichend angesehen würden, Ansprüche auf Verletztengeld zu begründen, den Normunterworfenen nicht verständlich. Die Auslegung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ergebe somit, dass die in dieser Vorschrift aufgeführten Arten von Erwerbseinkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen als nicht abschließend anzusehen seien. Ermittlungen bezüglich der Verletztengeldhöhe und der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit blieben der Beklagten vorbehalten.
Gegen den ihr am 15.05.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 30.05.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, den Versicherungsfall habe die Klägerin als Lernende in einem im Rahmen freier Förderung (§ 10 SGB III) durch die Bundesan- stalt für Arbeit geförderten "Aufbauseminar zum Existenzgründerlehrgang" erlitten. Sie habe mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgestellt, dass der Klägerin Verletztengeld während der ununterbrochenen Dauer der am 21.06.2000 begonnenen Arbeitsunfähigkeit nicht zustehe, weil sie unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein den Anspruch auf Verletztengeld auslösendes Einkommen nicht bezogen habe. Der Gerichtsbescheid verletze materielles Recht.
Im Einzelnen rügt die Beklagte:
Die ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, Verletztengeld zu gewähren, werde inhaltlich dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Weder Beginn noch Ende der Verpflichtung der Beklagten zur Verletztengeldzahlung seien hinreichend konkret bestimmt noch sei klargestellt, ob auch für die Zeit des stationären Aufenthaltes zur Metallentfernung und der anschließenden Rekonvaleszenz Verletztengeld zu zahlen sei.
Das SG habe nicht die vom Arbeitsamt bewilligte Leistung zum Lebensunterhalt begrifflich unter das Unterhaltsgeld im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII subsumiert, sondern zu Unrecht die gesetzliche Enumeration der einen Anspruch auf Verletztengeld auslösenden Lohnersatzleistungen für erweiterbar und mithin für nicht erschöpfend gehalten.
Weder eine grammatikalische noch eine systematische Auslegung führten zum vom SG gefundenen Ergebnis.
Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei im Sinne eines Numerus clausus grammatikalisch eindeutig und nicht erweiterbar. Die Lohnersatzleistungen, die einem Verletztengeld vorangehen könnten, seien ausdrücklich genannt. Es fehle an einem Wortzusatz, der die namentliche Bezeichnung der Lohnersatzleistungen lediglich als exemplarische Enumeration verstehbar machen würde, so etwa die Wörter "insbesondere", "unter anderem", "auch" pp. Des Weiteren finde sich in der Regelung keine öffnende Leistungsbezeichnung wie etwa "oder vergleichbare Sozialleistungen". Sei der Wortlaut einer Vorschrift wie im vorliegenden Falle eindeutig, verbiete sich regelmäßig eine normerweiternde Auslegung des Gesetzes, weil es eben an der nötigen Auslegungsbedürftigkeit fehle.
Auch systematische Gründe sprächen für ihre Auffassung. So habe der Gesetzgeber hinsichtlich des Übergangsgeldes in § 20 Nr. 3 Buchst. b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und hinsichtlich des Krankengeldes in § 47b Abs. 1 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in gleicher Weise abgeschlossene Kataloge festgesetzt.
Wenn demgegenüber das Gesetz die Aufzählung von Leistungen, die für einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung von Bedeutung sein sollten, als nicht erschöpfend verstanden wissen wolle, habe der Normgeber dies im Sozialgesetzbuch sprachlich hinreichend deutlich gemacht. So liege es zum Beispiel im Falle des § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV.
Auch aus der Entwicklung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII werde deutlich, dass der Gesetzgeber von einer erschöpfenden Aufzählung ausgegangen sei. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt worden sei, sei die Rechtsänderung beim Winterausfallgeld ausdrücklich durch Änderungsgesetz berücksichtigt worden.
Damit habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass ihm an einer der Gesetzessprache des SGB III entsprechenden Aufzählung der Leistungen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII gelegen sei. In diesem Zusammenhang sei nicht verständlich, warum der Gesetzgeber die freien Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nicht ebenso namentlich in die Vorschrift über das Verletztengeld aufgenommen habe.
Auch habe die Auffassung des Sozialgerichts zur Konsequenz, dass mangels gesetzlicher Rechenvorschrift das Verletztengeld der Klägerin nicht berechnet werden könne, was bedeute, dass hier eine weitere Regelungslücke bestehe.
Für eine Gesetzesauslegung im Sinne einer Rechtsergänzung von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im vom Sozialgericht angenommenen Sinne sei kein Raum, da Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke nicht ersichtlich seien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Prärogative die im Falle der Klägerin streitige Leistung willentlich von einer Aufzählung in § 45 Abs. 1 SGB VII ausgespart habe wissen wollen.
Auch hätten, anders als etwa das originäre Unterhaltsgeld nach dem SGB III, die der Klägerin bewilligten "Leistungen zum Lebensunterhalt" weder die Beitragspflicht zur Sozialversicherung noch etwa die bereits nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorgesehene Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder etwa nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet.
Schließlich weist die Beklagte darauf hin, dass die im Rahmen freier Förderung bewilligten "Leistungen zum Lebensunterhalt" auch ansonsten im Falle der Arbeitsunfähigkeit eine "Sonderstellung" hätten. Dies zeige sich für die Beklagte schon darin, dass die Klägerin - anders als etwa beim originären Unterhaltsgeld gesetzlich vorgesehen (§ 157 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 SGB III) - nicht für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Weiterzahlung der gewährten Leistungen gehabt habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 30.04.2002 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für rechtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Aus § 45 Abs. 1 SGB VII hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld aufgrund des Unfalls vom 21.06.1999. Sie erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift nicht. Sie hat nicht, wie Abs. 1 Nr. 2 verlangt, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Mutterschaftsgeld gehabt. Zwischen den Beteiligten ist lediglich streitbefangen, ob § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im Wege der Analogie um die das Arbeitslosengeld funktionell ersetzende aufgrund von § 10 SGB III gewährte und zum Unterhalt der Klägerin bestimmte Leistung zu ergänzen ist.
Lediglich dann, wenn man den Zuschuss zum Lebensunterhalt im Wege der lückenfüllenden Analogie den aufgeführten Lohnersatzleistungen gleichstellte, stünde der Klägerin ein Anspruch auf Verletztengeld zu. Indessen ist eine Analogie nicht möglich. Das Gesetz enthält keine Lücke.
Ob das Schweigen des Gesetzes zu einer bestimmten Fallgestaltung zur Lücke führt, oder ob das Fehlen der erwarteten Regelung vom Gesetzgeber gewollt ist, was eine Analogie ausschließt, beurteilt sich nach "der Regelungsabsicht, der mit ihr verfolgten Zwecke, des gesetzgeberischen Plans. Eine Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen" (Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6. Auflage Berlin Heidelberg 1991 Seite 373 m.w.N.).
Ein starkes Indiz für das Nichtvorhandensein einer Gesetzeslü- cke wäre ein Numerus clausus im Gesetzeswortlaut. Einen solchen Numerus clausus im technischen Sinne kann der Senat in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII allerdings nicht feststellen. Denn aus dem Vorhandensein einer Rechenvorschrift für Versicherte, die Unterhaltsleistungen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz bezogen haben (§ 47 Abs. 3 SGB VII), und für Versicherte, bei denen sich der Versicherungsfall während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung ereignet hat (§ 47 Abs. 6 SGB VII), ist zu schließen, dass der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII niedergelegte Katalog um die beiden genannten Leistungen als alternative Anspruchsvoraussetzungen zu ergänzen ist.
Ob der so modifizierte Katalog in dieser Form abschließend ist, ist umstritten. Nehls ist der Auffassung, die Aufzählung sei nicht abschließend. Ein Anspruch auf ein anderes vergleichbares kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen genüge (Nehls in Hauck/ Noftz, SGB VII, § 45 Rz. 11). Da das Insolvenzgeld eine solche vergleichbare Leistung sei, begründe die vorangegangene Zahlung von Insolvenzgeld die Verpflichtung zur Zahlung von Verletztengeld (Nehls a.a.O.). Demgegenüber ist Schmitt der Auffassung, die Aufzählung sei abschließend (Schmitt, SGB VII, § 45 Rz. 11 a.E.). Nicht entschieden ist Kater (Kater/Leube, SGB VII, § 45 Rz. 19 a.E.). Nicht problematisiert wird die Frage bei Fröhlke in Lauterbach, SGB VII, § 45 Rz. 24-36, und bei Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, der offenbar der Auffassung von Schmitt zuneigt (§ 45 Rz. 20).
Zur Vorgängervorschrift des § 560 Reichsversicherungsordnung (RVO) hat das Bundessozialgericht (BSG) im Falle einer Altersrentnerin am 19.12.1974 entschieden, dass dieser Verletztengeld deshalb nicht zustand, weil die bezogenen Renten kein Arbeitsentgelt im Sinne der Vorschrift darstellten. Dem Anspruch stehe entgegen, dass die Klägerin durch den Unfall keinen Einkommensverlust erlitten habe (BSGE 39, 63 (67)).
Den bisherigen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber, soweit ersichtlich, bei der Kodifikation des SGB VII nicht verändern. Die Begründung des Gesetzentwurfes bezieht sich ausdrücklich auf den damals geltenden § 560 RVO (Bundestagsdrucksache 13/2204 Seite 87). Im Gesetzgebungsverfahren ist die Vorschrift keiner Veränderung unterworfen worden.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Katalog der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII in der oben dargestellten Modifikation, die er unter Berücksichtigung des § 47 SGB VII erfährt, abschließend und nicht im Wege der Analogie erweiterbar ist.
Dies stützt sich auf folgende Erwägungen:
Der Einwand von Nehls (a.a.O.), § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei deshalb nicht als abschließend zu verstehen, weil jedenfalls auch der Anspruch auf Insolvenzgeld den genannten Sozialleistungen gleichgestellt werden müsse, steht nach Auffassung des Senats dem abschließenden Charakter des aus § 45 und § 47 SGB VII bestehenden Regelwerkes nicht entgegen. Vielmehr kann das von Nehls genannte Insolvenzgeld ohne weiteres als besondere Form von Arbeitsentgelt verstanden werden. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Insolvenzgeldanspruch eng an den Anspruch auf Arbeitsentgelt gebunden ist. Zum einen ist er im Verhältnis zum Arbeitgeber akzessorisch mit dem Anspruch auf Arbeitsentgelt verknüpft, was aus der durch § 187 SGB III angeordneten cessio legis und dem in § 184 SGB III angeordneten Einwendungsdurchgriff aus dem Arbeitsverhältnis gegen den Insolvenzgeldanspruch folgt. Zudem ersetzt das Insolvenzgeld nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern tritt neben ihn. Auch der Arbeitnehmer eines insolvent gewordenen Arbeitgebers hat einen Anspruch auf Arbeitsentgelt erworben, der lediglich nach Beantragung des Insolvenzgeldes auf die Bundesagentur für Arbeit kraft Gesetzes übergeht.
Der Senat teilt ferner die Auffassung der Beklagten, dass das Fehlen einer "Öffnungsklausel" und ein Vergleich mit § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV zeigt, dass der Gesetzgeber im Falle des § 45 SGB VII eine Beschränkung auf die ausdrücklich genannten Leistungen vornehmen wollte.
Systematisch gesehen sprechen auch die Kataloge der § 20 SGB VI und § 47b SGB V für den abschließenden Charakter der streitbefangenen Vorschrift.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass, nachdem mit Gesetz vom 24.03.1997 die Vorschrift des § 10 SGB III geschaffen worden war, es für den Gesetzgeber problemlos möglich gewesen wäre, mit dem Gesetz vom 29.04.1997, mit dem in § 45 SGB VII der Begriff "Schlechtwettergeld" durch den Begriff "Winterausfallgeld" ersetzt wurde, entweder eine Öffnungsklausel einzufügen oder die neu geschaffenen Leistungen der freien Förderung gemäß § 10 SGB III in den Katalog des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufzunehmen. Diese Umstände legen nahe, dass der Gesetzgeber die Begünstigten des § 10 SGB III aus dem Kreis der Verletztengeldberechtigten mit Vorbedacht ausgenommen hat.
Auch ist zu beachten, dass § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII den Verletztengeldanspruch nur demjenigen zubilligt, der unmittelbar zuvor bestimmte, einzeln aufgeführte Ansprüche innehat. Abgesehen vom "Anspruch auf Arbeitseinkommen", den es, wenn man die Legaldefinition des § 15 Abs. 1 SGB IV anwendet, nicht gibt, handelt es sich um Ansprüche, die entweder im Falle des Arbeitsentgelts kraft eines Beschäftigungsverhältnisses, regelmäßig auf der Grundlage eines Vertrages (§ 14 Abs. 1 SGB IV) oder im Falle der anderen aufgeführten Leistungen kraft Gesetzes bestehen. Unter der Annahme, dass der Gesetzgeber Rechtstexte knapp fasst, kann die Verwendung des Wortes "Anspruch" in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nur die Funktion haben, die vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche, die die Vorschrift nennt, von Leistungen, auf die kein Anspruch im technischen Sinne des § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besteht, abzugrenzen. Hier sind zum einen freie, nicht gesetzgebundene Leistungen wie z.B. nach § 10 SGB III und zum anderen Leistungen ohne Verwaltungsakt zu nennen. Da Leistungen ohne Verwaltungsakt eher selten sind, ist der Senat der Auffassung, dass der Gesetzgeber hier die Leistungen, auf die kein vertraglicher oder unmittelbar auf Gesetz beruhender Anspruch im technischen Sinne besteht, ausklammern wollte. Dass der Klägerin durch die begünstigenden Verwaltungsakte vom 05.11.1999 und vom 10.12.1999 ein Zahlungsanspruch zugesprochen wurde, macht diesen nicht zum unmittelbar auf Gesetz beruhenden Anspruch. Die Zubilligung des Zahlungsanspruchs ist nicht Folge einer gebundenen Gesetzesanwendung, sondern bleibt Folge einer Ermessensentscheidung.
Auch wäre Konsequenz der Rechtsauffassung des SG, die eine "Regelungslücke" im Sinne von Larenz, also das Fehlen einer gesetzlichen Regelung (Larenz a.a.O. Seite 372), annimmt, dass eine weitere Lücke wegen des Fehlens einer Rechenvorschrift für die Berechnung des Verletztengeldes bestünde. Auch aus der infolgedessen bestehenden Notwendigkeit eine doppelte "Gesetzeslücke", nämlich eine Regelungslücke und eine von Larenz so bezeichnete "Normlücke" (Larenz a.a.O.) zu schließen, folgert der Senat, dass eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht vorliegt.
Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Senat hinsichtlich des Fehlens der Regelung nicht; insbesondere sieht er hierin keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG). Der allgemeine Gleichheitssatz, wie er in Art. 3 GG niedergelegt ist, verpflichtet den Gesetzgeber lediglich dazu, nach sachlichen Kriterien nicht unterscheidbare, also gleiche, Fälle gleich zu behandeln. Die Tatsache, dass auf die in § 45 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VII genannten Leistungen und Entgelte mit Ausnahme des Arbeitseinkommens ein Anspruch besteht und dies hinsichtlich der aufgrund § 10 SGB III erbrachten Leistungen nicht der Fall ist, stellt ein sachliches Kriterium dar, das den Gesetzgeber auch weiterhin berechtigt, die so voneinander geschiedenen Fälle ungleich zu behandeln. Die Tatsache, dass auch auf Arbeitseinkommen kein Anspruch besteht, bewertet der Senat als bedeutungsloses Redaktionsversehen.
Der Senat verkennt nicht, dass es wünschenswert wäre, wenn die Begünstigten einer Leistung gemäß § 10 SGB III im Falle eines Unfalls Anspruch auf Verletztengeld hätten, indessen sieht er sich an einer erweiternden Auslegung des Gesetzes aus den genannten systematischen Gründen gehindert. Etwaige Änderungen sind dem Gesetzgeber vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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