L 2 AL 93/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 926/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 93/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. März 2003 mit dem Bescheid vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2001 geändert. Die Bewilligung des Lohnkostenzuschusses wird ab 01.01.1999 aufgehoben. Der Erstattungsbetrag wird auf 3.947,17 EUR (7.720,00 DM) festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Beteiligten je zur Hälfte. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung eines Lohnkostenzuschusses sowie über die Erstattung der ausgezahlten Beträge. Die Klägerin beantragte am 10.07.1998 die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen im Rahmen einer Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen (SAMOfW). Der Antrag wurde für einen Arbeitnehmer für den Zeitraum von 12 Monaten ab dem 13.07.1998 gestellt. Die Klägerin gab an, es seien gegenwärtig drei Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Sie stellte am 13.07.1998 einen Arbeitnehmer ein.

Mit Bescheid vom 27.07.1998 bewilligte die Beklagte einen Lohnkostenzuschuss für einen Arbeitnehmer für ein Jahr ab dem 13.07.1998. Ein Arbeitnehmer kündigte (wegen eines besseren Angebots) sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten zum 12.09.1998. Mit Schreiben vom 07.03.2000 forderte die Beklagte die Klägerin auf, für die Gesamtabrechnung den beigefügten Vordruck vollständig ausgefüllt einzureichen. Mit Schreiben vom 10.03.2000 erklärte die Beklagte, dass ein Arbeitnehmer gekündigt habe.

Mit Bescheid vom 26.04.2000 stellte die Beklagte fest, dass sie in dem Zeitraum vom 13.07.1998 bis zum 11.09.1998 eine Förderung in Höhe von 3.860,00 DM gewähre; die Rückforderung betrage 14.732,33 DM. Die Bewilligung des Lohnkostenzuschusses werde gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 415 Abs. 3, 272 ff. SGB III teilweise aufgehoben. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 SGB X i.V.m. der unterzeichneten Erklärung zu erstatten.

Mit Schreiben vom 11.05.2000 erklärte die Klägerin, die Einstellung des Arbeitnehmers sei in der wirtschaftlichen Situation nur durch eine solche Förderung möglich gewesen. Der unerwartete Weggang des anderen Arbeitnehmers habe sie in mehrfacher Hinsicht getroffen. Offensichtliche Unzulänglichkeiten in der Meldung der veränderten Mitarbeiterzahl seien insbesondere auf den längeren Krankenhausaufenthalt und die Genesungsphase des Geschäftsführers zurückzuführen. Die Klägerin erklärte am 18.01.2000 gegenüber der Beklagten, sie habe sich um eine sofortige Neubesetzung bemüht, um eine Personalreduzierung zu vermeiden.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 13.06.2001 zurückgewiesen. Mit der Personalreduzierung ab 12.09.1998 sei in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 27.07.1998 vorgelegen hätten, eine wesentliche Än- derung eingetreten. Die Änderung sei insoweit wesentlich, als die Voraussetzungen für die Gewährung des Lohnkostenzuschusses ab 12.09.1998 gemäß § 415 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht mehr vorgelegen hätten. Es sei ein Hinweis darauf erfolgt, dass der Bewilligungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III aufgehoben werde, wenn es während der Förderungsdauer zu einer nicht nur vorübergehenden Verringerung der Beschäftigtenzahl komme, und dass die Förderung ab dem Zeitpunkt der Verringerung der Beschäftigtenzahl einzustellen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.07.2001 das Sozialgericht Dresden (SG) angerufen. Am 18.09.1998 sei ordnungsgemäß durch

sie eine Mitteilung an die Beklagte erfolgt, dass sich die Personalstärke um einen Arbeitnehmer im Unternehmen verringert habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich schon intensiv um Ersatz des ausgeschiedenen Mitarbeiters bemüht. Die Bemühungen würden in Form von Bewerbungsanschreiben dokumentiert, die durch die Beklagte der Klägerin vermittelt worden seien. Dadurch, dass die monatliche Förderung - nach Anzeige der veränderten Personalstärke der Klägerin - durch die Beklagte bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraumes weitergezahlt worden sei, sei die Klägerin zwangsläufig davon ausgegangen, dass dieses seine Richtigkeit gehabt habe. Des Weiteren stoße es bei ihr auf Unverständnis, dass die Fördergelder bis zum Ablauf des Förderzeitraumes weitergezahlt worden seien. Die Beklagte hat ausgeführt, die Klägerin habe am Stichtag zu Beginn der Förderung drei Arbeitnehmer beschäftigt. Innerhalb von sechs Monaten vor der Antragstellung (zweiter Stichtag) habe sich die Zahl der Arbeitnehmer nicht verringert. Zum dritten Stichtag, nämlich zum Ende der Förderung, seien wiederum drei Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Damit sei kein zusätzlicher Arbeitnehmer beschäftigt worden, denn zum Ende der Förderung hätten zumindest vier Arbeitnehmer beschäftigt sein müssen. Bezüglich der Verringerung des Personalstandes komme es nicht auf ein aktives Tätigwerden der Klägerin an, sondern auf das objektive Vorliegen eines Personalabbaues. Die Klägerin habe auch nicht unverzüglich die konkret ab 12.09.1998 eingetretene Personalreduzierung mitgeteilt. Sie habe wissen müssen, dass ihr die Förderleistung nur bei Beschäftigung eines zusätzlichen Arbeitnehmers zugestanden habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2003 hat das Sozialgericht Dresden den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2001 aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

"Gemäß § 48 SGB X gilt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene eine durch Rechtsvorschriften vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile eines Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X nicht vor, da die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hat, dass ein Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Die Klägerin hat versucht, diesen Arbeitsplatz neu zu besetzen, indem sie sich an die Beklagte zwecks Stellen- ausschreibung gewendet hat. Die entsprechenden Bewerbungsschreiben hat die Klägerin vorgelegt. Aufgrund der vorgelegten Bewerbungsschreiben, welche auf einem Stellenangebot der Beklagten beruhen, ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin ihre Mitteilungspflichten nicht verletzt hat.

Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Ziffer 4 SGB X liegen nicht vor. Die Klägerin hat weder bewusst noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Dieses ergibt sich aus den Angaben der Klägerin, dass sie angesichts der Weiterzahlung der Fördergelder durch die Beklagte von einer Bewilligung der betreffenden Gelder ausgegangen sei, nicht aber von einem versäumten Handeln der Beklagten. Sie habe keinen Anlass gehabt, an der gewissenhaften Bearbeitung durch die Beklagte und deren rechtmäßigen Entscheidungen zu zweifeln. Es liegt insofern keine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung vor. Dieses ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, nur solche Personalreduzierungen seien förderschädlich, welche der Arbeitgeber vorgenommen hat. Im vorliegenden Fall hatte jedoch der Arbeitnehmer gekündigt. Somit lag keine Verpflichtung der Klägerin vor, ihre Auffassung im vorliegenden Fall zu überprüfen. Da die Klägerin weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hatte, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig."

Gegen das ihr am 26.03.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.04.2003 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

"Festzustellen ist zunächst, dass ab 12.09.98 die Fördervoraussetzungen nicht mehr vorlagen. Ab diesem Zeitpunkt fand eine nicht nur vorübergehende Personalreduzierung der Klägerin statt, wodurch das Bewilligungskriterium der zusätzlichen Beschäftigung des geförderten Arbeitnehmers entfiel. Daran ändert weder die Tatsache etwas, dass der Arbeitnehmer zum 11.09.98 selbst und für die Klägerin unerwünscht und nicht absehbar kündigte, noch der Umstand, dass sich die Klägerin um eine Neueinstellung bemühte. Das heißt, ab 12.09.98 trat eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides (Verwaltungsakt mit Dauerwirkung) vorgelegen haben, ein. Streitig ist letztlich die Frage, ob die Bewilligungsentscheidung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist, weil u. a. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) bzw. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Das Sozialgericht Dresden geht unzutreffend davon aus, dass der Klägerin keine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen sei.

Nach wie vor wird bestritten, dass die Klägerin die Tatsache der Personalreduzierung der Bewilligungsbehörde mitgeteilt hat ... Selbst wenn jedoch unterstellt würde, dass die Klägerin das Schreiben vom 18.09.98 seinerzeit tatsächlich an das Arbeitsamt R ... geschickt hat, muss sie sich jedenfalls eine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorwerfen lassen. Völlig untauglich erscheint zunächst das Argument des Sozialgerichts Dresden zur Begründung des Gerichtsbescheides, wonach keine Verpflichtung der Klägerin vorgelegen habe, ihre Auffassung im vorliegenden Fall zu überprüfen, da in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten werde, nur arbeitgeberseitig vorgenommene Personalreduzierungen seien förderschädlich. Es gibt weder einen Hinweis darauf, dass die Klägerin die entsprechende Rechtsprechung kannte, noch sie davon ausgegangen sein könnte, dass es sich durch die Arbeitnehmerkündigung um eine nicht relevante Personalreduzierung gehandelt habe. Alle Einlassungen der Klägerin belegen das Gegenteil. Die Klägerin war sich der Tatsache der eingetretenen Personalreduzierung sehr wohl bewusst. Da sie nach ihrer eigenen Argumentation die Veränderung mit dem Schreiben vom 18.09.98 mitgeteilt haben will, ist für die vom Sozialgericht dargestellte Annahme kein Raum. Darüber hinaus ist den im Widerspruchsverfahren bzw. im erstinstanzlichen Verfahren von der Klägerin abgegebenen schriftlichen (u.a. 15.02.01) und mündlichen (18.01.01) Äußerungen klar zu entnehmen, dass von der Klägerin wegen der Personalreduzierung eigentlich die Einstellung der Zahlung der Fördermittel durch das Arbeitsamt erwartet (und befürchtet) worden ist. Es stieß bei der Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden (19.09.01) auf Unverständnis, dass die Fördergelder bis Ablauf des Förderzeitraums weitergezahlt wurden, anstatt diese nach der Veränderungsmitteilung einzustellen. Die Klägerin lehnt die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung letztlich - neben finanziellen Gründen infolge einer schwierigen Wirtschaftslage - insbesondere deshalb ab, weil sie wegen ihrer behaupteten Veränderungsmitteilung keine Schuld am Entstehen der Rückforderung treffe. Die Hauptschuld trage die Beklagte aufgrund des versäumten Handelns (vgl. 19.09.01). Die Schuldfrage stellt sich jedoch nicht. Weshalb nach alledem das Sozialgericht Dresden keine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin im Sinne eines Kennens oder Kennenmüssens bzgl. des weggefallenen Anspruchs annimmt, erschließt sich nicht. Die Klägerin wäre auf jedem Fall zu Erkundigungen verpflichtet gewesen, ob die Weiterzahlung der Fördermittel trotz der eingetretenen Personalreduzierung rechtmäßig ist. Dies hat die Klägerin nicht getan. Vielmehr hat sie stillschweigend trotz ihrer erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit die Fördermittel weiterhin vereinnahmt."

Dem hält die Klägerin entgegen:

"Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X liegen nicht vor. Es ist schon fraglich, ob eine für die Klägerin nachteilige Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X vorliegt. Jedenfalls liegt eine fehlende Mitteilung der Reduzierung der Arbeitnehmeranzahl nicht vor. Mit Schreiben vom 18.09.1998 teilte die Klägerin diesen Sachverhalt der Beklagten mit. Das diesbezüglich Bestreiten der Beklagten, auch hinsichtlich der neu gesuchten Arbeitskraft ist insoweit unschlüssig. Denn die bereits durch die Klägerin vorgelegten Bewerbungsschreiben zeigen das Gegenteil. Zum einen rühren sie allesamt aus dem Zeitraum Oktober bis November 1998 her und beziehen sich alle auf eine Stellenanzeige des Arbeitsamtes bzw. konkret auf die Zusendung des Stellenangebotes durch das Arbeitsamt R ... (Bewerbung des Herrn A ... H ... vom 15.11.1998) und auch auf die Mitteilung durch das Arbeitsamt M ... (Bewerbung des Herrn P ... M ... vom 26.10.1998). Darüber hinaus geht selbst durch die Stellungnahme der Frau I ... vom Arbeitsamt M ... vom 05.12.2001 hervor, dass Herr G ... F ..., der sich dann unter dem 18.10.1998 bei der Klägerin bewarb, durch Vermittlung des Arbeitsamtes M ... erfolgte. Demnach war die wieder zu besetzende Stelle sehr wohl der Beklagten bekannt. Eine grobe Fahrlässigkeit bzw. gar Vorsätzlichkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X liegt daher nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt auch keine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X vor. Denn es liegt schon die weitere Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X, das Ruhen des Anspruchs oder dessen gänzlicher oder teilweiser Wegfall nicht vor. Denn ausweislich des Antrages auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen vom 06.07.1998 wird in Ziffer 8 nur darauf hingewiesen, dass eine nicht nur vorübergehende Verringerung der Beschäftigtenzahl die Aufhebung des Bewilligungsbescheides und die Einstellung der Forderung ab dem Zeitpunkt der Personalreduzierung zur Folge haben kann. Damit lag schon das zwingende Moment, welches § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X voraussetzt, nicht vor. Schon deshalb war die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verpflichtet, Ihre Auffassung im vorliegenden Fall zu überprüfen. Die Einlassungen der Klägerin belegen auch nicht das Gegenteil. Vielmehr handelt es sich bei diesen Einlassungen um eine Retroperspektive. Denn logischerweise war die Klägerin darüber überrascht, dass nach Ablauf der Förderzeit trotz entsprechender Meldungen die Beklagte plötzlich einen Rückforderungsanspruch erhob, obwohl sie doch die Förderung den gesamten Zeitraum hinüber gewährte. Darüber hinaus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Aufhebung- und Erstattungsbescheides aus dem Bescheid vom 26.04.2000 selbst. Darin wird zu Recht § 415 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. dahingehend wiedergegeben, dass zusätzliche Einstellungen arbeitsloser Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich förderfähig sind, wenn der Arbeitgeber während der Dauer der Zuweisung die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert. Unstrittig hat die Klägerin die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst verringert. Denn ausweislich des Kündigungsschreibens des Herrn M ... S ... vom 12.08.1998 und seines Auskunftsschreibens an das Sozialgericht Dresden vom 04.02.2002 hat er selbst infolge eines besseren Angebotes einer anderen Firma von sich aus gekündigt. Eine Personalreduzierung durch die Klägerin liegt damit nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen neben den Prozessakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

Insoweit zutreffend hat das SG das Vorliegen der Voraussetzungen von § 48 SGB X geprüft. Der Senat teilt die Auffassung des SG allerdings nur für die Zeit bis 31.12.1998. Bis zu diesem Zeitpunkt ist keine wesentliche Änderung eingetreten, denn die Klägerin hat bis zu diesem Zeitpunkt die Zahl der bei ihr Beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert.

Gemäß § 415 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III kann ein Arbeitgeber den Förderungszuschuss nur erhalten, wenn er in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert hat und während der Dauer der Zuweisung nicht verringert. Für die Frage, ob es überhaupt zu einer Verringerung gekommen ist, ist der Vergleich der Beschäftigtenzahl an bestimmten Stichtagen (sechs Monate vor Beginn der Maßnahme, Maßnahmebeginn, Ende der Maßnahme) entscheidend (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.02.2002 - B 7 AL 14/01 R - SozR. 3-4300 § 415 Nr. 1). Steht wie hier fest, dass am Maßnahmeende eine Verringerung eingetreten ist, ist weiter zu prüfen, ab wann diese Verringerung während der Maßnahme beachtlich ist.

Im Anschluss an das BSG (Urteil vom 07.02.2002 a.a.O.) ist davon auszugehen, dass auch eine Abnahme der Zahl der Arbeitnehmer durch Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 415 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III durch einen Arbeitnehmer prinzipiell eine Verringerung der Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer darstellen kann. Denn "der Arbeitgeber ... verringert" die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer auch dadurch, dass er ohne sein Zutun freiwerdende Arbeitsplätze (z.B. durch Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags oder aber - wie hier - durch Arbeitnehmerkündigung) nicht erneut besetzt. Wie aus den Gesetzesmaterialien zur Vorgängervorschrift des § 415 Abs. 3 SGB III, § 249h Abs. 4b Arbeitsförderungsgesetz (eingeführt durch Art. 11 Nr. 44 Buchst. e des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I 594, mit Wirkung ab 1. April 1997), hervorgeht, sollten durch die damals in Satz 1 Nr. 2 jener Vorschrift enthaltene Forderung, dass der Arbeitgeber die Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert, "Betriebe, die Personal abbauen oder innerhalb des vergangenen halben Jahres abgebaut haben", von der Förderung ausgenommen werden (BT-Drucks 13/5936, S. 43, zu Art. 14 Nr. 11, Buchst. e). Durch diese Gesetzesbegründung wird deutlich, dass es nicht ausschließlich auf aktives Tätigwerden des Arbeitgebers zur Verringerung seines Personalbestandes ankommt, sondern auch auf das objektive Vorliegen eines Personalabbaus. Auch kann ein vom Arbeitgeber beabsichtigter Personalabbau dadurch vorgenommen werden, dass durch zufällige Fluktuation freiwerdende Arbeitsstellen gezielt nicht mehr besetzt werden.

Die Förderung setzt demnach voraus, dass der Arbeitgeber tatsächlich "die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer ... während der Dauer der Zuweisung nicht verringert". Hiermit wiederum kann aber auch nach Auffassung des BSG nicht gemeint sein, dass während der Förderung oder nach ihrem Ende jede Schwankung im Personalstand während jener Zeit nachzuvollziehen ist und bereits eine einzige feststellbare Verringerung förderungsschädlich wäre, selbst wenn sie durch vorherige oder spätere Stellenmehrungen ausgeglichen wäre. Denn sonst stünde z.B. bereits der plötzliche Todesfall eines Mitarbeiters, dessen Stelle nicht sogleich wiederbesetzt werden konnte, einer Förderung entgegen. Es kommt also darauf an, ob und wie lange der Arbeitgeber beabsichtigt, die freigewordene Stelle alsbald wieder zu besetzten. Nach der Überzeugung des Senats bestand bei der Klägerin diese Besetzungsabsicht bis - aber nur bis - zum Ende des Jahres 1998.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind deshalb die Bewilligungsvorausetzungen nicht bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des ausgeschiedenen Arbeitnehmers weggefallen und damit ist auch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Denn auch nach der wiedergegebenen Auslegung von § 415 Abs. 3 SGB III durch das BSG (a.a.O.) verlangt ein "sich Verringern", das durch eine vom Arbeitnehmer selbst ausgehende Kündigung eingetreten ist, dass der Arbeitgeber - die Gelegenheit der Kündigung als erwünscht ausnützend - die Stelle nicht wieder besetzt in der Absicht, Personal abzubauen. Darauf stellt auch die vom BSG herangezogene Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/5936, S. 43) ab ("Betriebe, die Personal abbauen ..."). Um einen derartigen Betrieb aber handelt es sich dann nicht, wenn - wie im Falle der Klägerin - der Betrieb zeitnah Versuche unternimmt, die Stelle wieder zu besetzen, wie es hier auch nachgewiesen ist. Es lässt sich unter keinem Gesichtspunkt mit dem Wortlaut der Vorschrift ("wenn der Arbeitgeber die Zahl der Beschäftigten nicht verringert hat") vereinbaren, auch eine solche Verringerung als durch den Arbeitgeber verursacht anzusehen, die gegen seinen Willen eingetreten und die er zunächst - wenn auch erfolglos - zu verhindern oder auszugleichen bestrebt ist. Auch der Zweck der Regelung stützt eine anders lautende Auslegung nicht nur nicht, er steht ihr entgegen. Diese zielt darauf ab, durch "Strukturanpassungsmaßnahmen" die Arbeitslosenquote im Beitrittsgebiet zu verringern. Dies setzt einstellungsfähige Unternehmen mit einer gewissen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit voraus. Da § 415 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III ausdrücklich eine berufliche Qualifizierung des zugewiesenen Arbeitnehmers vorsieht und verlangt, ist der Vortrag der Klägerin durchaus plausibel, der von ihr Eingestellte sei erst im dritten Jahr in der Lage gewesen, für das Unternehmen gewinnbringend zu arbeiten. Unter diesen Umständen ist es erst recht einleuchtend, dass die Klägerin die - gegen ihren Willen freigewordene - Stelle nicht beliebig, sondern nur mit einer sofort einsatzfähigen Fachkraft besetzen wollte und - unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch nur - konnte. Durch die unvorhergesehene Kündigung war das ohnehin nur kleine Unternehmen der Klägerin bereits geschwächt, eine Rückzahlungspflicht würde ihm - entgegen den Intentionen des Gesetzes - die Qualifizierung des Arbeitnehmers allein aufbürden, ohne ihm die dafür erforderlichen Mittel zu belassen.

Nun stammt die Mehrzahl der von der Klägerin vorgelegten Bewerbungsschreiben von November 1998. Tatsächlich war die Stelle aber noch im Juli 1999 nicht wieder besetzt worden. Offenbar hat die Klägerin zu irgend einem dazwischen liegenden Zeitpunkt sich entschlossen, die Stelle - jedenfalls vorläufig - nicht wieder zu besetzen, sondern sich mit dem reduzierten Personal abzufinden. Dass es schlechthin niemanden gegeben haben sollte, der den - gehobenen - Ansprüchen der Klägerin hätte genügen können, kann nicht angenommen werden. Die Klägerin hat sich - trotz Aufforderung durch den Senat - nicht dazu geäußert, wann sie die Bemühungen um eine Nachfolge einstellte. Es erscheint plausibel, diesen Zeitpunkt mit dem Jahresende zusammenfallen zu lassen. Von da an hat sie die Zahl der Beschäftigten tatsächlich - durch Unterlassen einer Neueinstellung - verringert.

Ergänzend - weil es insoweit zunächst nicht darauf ankommt - ist darauf hinzuweisen, dass auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 4 SGB X beim Ausscheiden des Mitarbeiters noch nicht vorlagen, denn weder hat die Klägerin diesbezüglich ihre Mitteilungspflicht verletzt, noch wusste sie oder wusste lediglich infolge grober Fahrlässigkeit nicht, dass die Förderungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien.

Wie sich den Unterlagen entnehmen lässt, war in der fraglichen Zeit Herr St.H. der Geschäftsführer der Klägerin (Bekl.-Akte Bl. 24, 41). Dieser war es auch, der den Brief vom 11.05.2000 an die Beklagte unterzeichnete. Da die Klägerin damals nur einen Geschäftsführer hatte, ist es der Unterzeichner selbst, der in dem Brief als der erkrankte und deshalb abwesende Geschäftsführer bezeichnet wurde. Offenbar hat er die dort enthaltenen Angaben - eingeräumte Unzulänglichkeiten bei der Meldung der geänderten Mitarbeiterzahl - ohne eigene Kenntnis der damaligen Vorgaben, aber wohl auch ohne Rücksprache mit den anderen Gesellschaftern gemacht. Der Brief vom 18.09.1998 an das Arbeitsamt R ... ist von dem anderen Gesellschafter - Herrn H. B. - unterschrieben, im Brieffuß ist St.H. als Geschäftsführer genannt. In den von der Klägerin vorgelegten Bewerbungsschreiben beziehen sich vier Verfasser ausdrücklich auf eine Anzeige des Arbeitsamts, einer davon auf eine des Arbeitsamts R ..., ein anderer auf eine des Arbeitsamts D ... Dies beweist, dass die Klägerin den Arbeitsämtern jedenfalls eine freie Stelle angezeigt hat, lässt es aber zugleich als sehr plausibel erscheinen, dass die Klägerin das Original des in Kopie vorgelegten Briefes vom 18.09.1998 tatsächlich an das Arbeitsamt R ... gesandt hat.

Hat also die Klägerin nach Überzeugung des Senats der Brief vom 18.09.1998 tatsächlich abgesandt - wobei es nicht darauf ankommt, ob ihn das Arbeitsamt R ... oder die sachbearbeitende Stelle tatsächlich erhalten hat -, dann genügte sie dadurch zum einen ihrer gesetzlich Mitteilungspflicht. Zum anderen durfte sie, ohne sich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen zu müssen, in der Tat davon ausgehen, dass die Fördermaßnahme tatsächlich jedenfalls so lange bestehen bleibt, wie sie sich um eine Neueinstellung bemüht; dies um so mehr, als dem Arbeitsamt ihre Versuche, den Arbeitsplatz erneut zu besetzen, bekannt war. Auch wäre es sachfremd, im Falle einer von einem Arbeitnehmer ausgehenden Kündigung sofort die Förderung einzustellen, ohne den Erfolg der Bemühungen um eine Neubesetzung abzuwarten. Dies verlangt auch das BSG in der von der Beklagten zitierten Entscheidung nicht.

Aus der dargestellten Vorgeschichte ergibt sich aber auch, dass die Klägerin prinzipiell um den Besetzungszwang Bescheid wusste und dass sie die frühere "Gutgläubigkeit" zu dem Zeitpunkt nicht mehr gehabt haben konnte, zu dem sie es - zunächst vorläufig und dann endgültig - aufgab, die Stelle wieder zu besetzen. Ein solcher Entschluss musste auch aus der Sicht der Klägerin ein von ihr ausgehendes Reduzieren der Zahl der Beschäftigten bedeuten. Den Zusammenhang mit der Weiterzahlung der Fördergelder und ihrer Absicht, "schnellst möglich Ersatz zu finden", hatte sie im Brief vom 18.09.1998 selbst hergestellt. Unter diesen Umständen war es ihre Pflicht, sich nunmehr - erneut - mit dem Arbeitsamt in Verbindung zu setzen, um die geänderte Sachlage zu erörtern. Dieses Unterlassen rechtfertigt eine Aufhebung der Bewilligung ab 01.01.1999, der auch eine zeitliche Zäsur darstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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