Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 220/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 53/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Beiladung nach § 75 Abs. 2 , 2.Alternative SGG.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.03.2001 wird zurückgewiesen. II. Die Klage auf Gewährung einer höheren Verletztenrente wird abgewiesen. III. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem Kläger bereits gezahlte Verletztenrente wegen Wirbelsäulenbeschwerden zu erhöhen ist.
Der Kläger verletzte sich am 18.9.1973 an der rechten Ferse (Absprengung des Processus anterior des Calcaneus). Ihm wurde nach DDR-Recht eine nach einem Grad des Körperschadens (GdK) von 20 % berechnete Verletztenrente gewährt, zwischenzeitlich entzogen und ab März 1980 wieder dauerhaft nach einem GdK von 20 % bewilligt.
Im September 1980 wurde der Kläger erstmals wegen Rückenbeschwerden und am 24.2.1982 wegen Lumbago behandelt. Am 17.6.1982 verspürte der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Standortgutachter für Melioration einen Stich im Rücken, als er in einem Boot stehend, zusammen mit einem Arbeitskollegen eine 2,5 m lange Metallsonde im Uferbereich eines Gewässers aus dem Boden zog. Der Kläger war danach drei Tage wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig krank. Ab 1983 wechselte der Kläger als Lager- bzw. Abteilungsleiter mehrfach den Arbeitsplatz. Im Oktober 1984 gab der Kläger an, seit etwa einem halben Jahr ständig unter Schmerzen im Kreuz und zwischen den Schulterblättern zu leiden. Seit 1992 befindet sich der Kläger wegen Rückenbeschwerden dauerhaft in Behandlung.
Der Kläger stellte im Frühjahr 1997 einen Verschlimmerungsantrag. Nach Begutachtung durch Prof. Dr. D1 ... und Dr. S1 ..., die die Auffassung vertraten, es sei zu einer Besserung gekommen, die noch bestehende Beeinträchtigung des Sprunggelenks sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v.H. zu bewerten (wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 25.2.1998 wird auf Blatt 50 bis 60 der Beklagtenakte verwiesen), entzog die Beklagte die Verletztenrente mit Bescheid vom 31.3.1998 ab 1.5.1998. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8.7.1998).
Das vom Kläger am 16. Juni 1998 angerufene Sozialgericht Dresden (SG) hat nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen über den Kläger Dr. P1 ..., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 11.10.2000 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit des unteren und des oberen Sprunggelenks um jeweils ¾ die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen sei. Im Übrigen hat er einen Zusammenhang zwischen der Sprunggelenksverletzung und den Rückenbeschwerden abgelehnt. Diese seien auf anlagebedingte, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen (wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 11.10.2000 wird auf Blatt 131 bis 148 der SG-Akte verwiesen).
Das SG hat Dr. P1 ... in der mündlichen Verhandlung befragt. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.3.2001 verwiesen (Blatt 181 bis 184 der SG-Akte). Die Beklagte hat sodann ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die Verletztenrente über den 30.4.1998 hinaus gewährt werde. Das Teilanerkenntnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angenommen. Sodann hat das SG die weitergehende Klage, mit der der Kläger ausdrücklich beantragt hat, seine Rückenbeschwerden als Unfallfolge festzustellen, abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, es spreche mehr gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung im Fersenbereich und den Rückenbeschwerden des Klägers als dafür. Der Ursachenzusammenhang sei daher nicht wahrscheinlich. Die Argumente des Sachverständigen Dr. P1 ... seien überzeugend: Spätschäden im Wirbelsäulenbereich nach Beinverletzungen könnten bei Amputationen und bei in Fehlstellung verheilten Knochenbrüchen mit starker Beinverkürzung auftreten. Die Fußverletzung sei damit überhaupt nicht vergleichbar. Die Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers seien für eine degenerative, unfallunabhängige Verschleißerkrankung typisch. An der vom Kläger angezweifelten fachlichen Eignung und gutachterlichen Unvoreingenommenheit von Dr. P1 ... bestehe kein Zweifel. Auch das Unfallereignis vom 17.6.1982 könne keinen weitergehenden Anspruch begründen. Zwar sei das SG befugt und auch verpflichtet, darüber zu entscheiden, ob das Unfallereignis vom 17.6.1982, bzgl. dessen die Beklagte noch kein Verwaltungsverfahren durchgeführt habe, die Rückenbeschwerden des Klägers verursacht habe. Die Prüfungskompetenz des SG ergebe sich aus der sinngemäßen Übertragung der Entscheidungsgründe des BSG im Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - (SozR 5670 Anl. 1 Nr. 2 2102 BKVO) auf den vorliegenden Fall. Gleichwohl führe dies nicht zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung, weil sich aus den beigezogenen Unterlagen kein Anhaltspunkt für eine schwerwiegende Verletzung ergebe. Daher folge das SG auch hier dem Sachverständigen Dr. P1 ..., der in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, dass in den Akten kein Hinweis auf einen akuten Bandscheibenvorfall mit entsprechenden neurologischen Ausfallerscheinungen enthalten sei. Unfallhergang, Beschwerdeverlauf (wesentliche Befundverschlechterung nach Angaben des Klägers erst 1993) und Erstbefund sprächen dagegen, dass das Unfallereignis von 1982 ein nennenswerter Ursachenfaktor für die heutigen Rückenbeschwerden des Klägers gewesen sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, es habe keine objektive Begutachtung seiner Rückenbeschwerden stattgefunden. Dies gelte auch für Dr. P1 ..., der nicht einmal das Berufsbild des Klägers gekannt habe, nicht sorgfältig gearbeitet habe - was schon daraus zu ersehen sei, dass er wegen zahlreicher, von ihm am selben Tag zusammen mit dem Kläger zu begutachtender Personen unter Zeitdruck gestanden habe - und der nur "dem Geld für das Gutachten hinterher gewesen sei". Er stelle den Antrag, seinen jetzigen Gesundheitszustand "komplex" zu begutachten, und das von einem "freien Gutachter, der unabhängig ohne finanziellen Druck schreiben könne" (Schriftsatz vom 21.11.2001).
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 12. März 2001 und unter Abänderung des Bescheides vom 31. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1998 seine Rückenbeschwerden als Unfallfolge anzuerkennen und die Beklagte über das in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 12. März 2001 abgegebene Teilanerkenntnis hinaus zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H. zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das SG-Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung beschränke sich auf die Wiederholung der schon im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Vorwürfe gegen Dr. P1 ...
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten, die beim Landratsamt Riesa-Großenhain archivierten medizinischen Unterlagen und eine kopierte Krankenakte des den Kläger behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W1 ... vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der auf Arbeitsunfälle zurückzuführende, beim Kläger noch vorhandene, von der Beklagten zu entschädigende Schaden ist entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten zutreffend bewertet. Die Rückenbeschwerden sind nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 18.9.1973 (I. und II.). Soweit der Kläger auch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.6.1982 festgestellt und entschädigt wissen will, ist die Beklagte bereits nicht der fachlich und örtlich zuständige Unfallversicherungsträger, es sich aber auch die sachlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (III.)
I.
Die vom Kläger auf Anregung des Senats gestellte Leistungsklage stellt schon deswegen keine Klageänderung dar, weil es dem Kläger ausweislich seines mit Rückenbeschwerden begründeten Verschlimmerungsantrages von Beginn des Verwaltungsverfahrens an gerade darum ging, eine höhere Verletztenrente zu erhalten.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung der Verletztenrente nach § 215 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit § 1154 Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 56 SGB VII. Die Rückenbeschwerden des Klägers sind nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 18.9.1973. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Anwürfe des Klägers gegen Dr. P1 ... jeglicher Grundlage entbehren. Der Kläger scheint insbesondere vergessen zu haben, dass die Beklagte erst auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P1 ... ein Teilanerkenntnis mit der Folge abgegeben hat, dass die Entziehung der Verletztenrente rückgängig gemacht wurde.
Mangels eines bestehenden Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 18.9.1973 und den Rückenbeschwerden des Klägers muss auch der Feststellungsantrag nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfolglos bleiben.
III.
Der Kläger hat sein Ziel, wegen seiner Rückenbeschwerden eine höhere Rente zu erhalten, auch durch den Hinweis auf das Ereignis vom 17.6.1982, das seiner Ansicht nach (auch) für diese Beschwerden ursächlich ist, zu erreichen versucht. Sein Antrag ist deshalb sinngemäß so auszulegen, dass er insoweit eine Feststellungs- und Leistungsklage erhebt. Doch ist diese schon deswegen nicht begründet, weil die Beklagte für einen Unfall vom 17.6.1982 nicht der zuständige Unfallversicherungsträger ist, also ihr gegenüber weder die gewünschte Feststellung getroffen noch diese deswegen zu einer höheren Rentenzahlung verurteilt werden kann (a) und auch die Voraussetzungen für die Beiladung eines - zu verurteilenden - anderen Versicherungsträgers nicht erfüllt sind (b).
a) Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe c Absatz 8 Ziffer 2 Doppelbuchstabe ff des Einigungsvertrages i.V.m. dem Einigungsvertragsgesetz bestimmt:
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, bei denen der Zeitpunkt des Versicherungsfalls vor dem 1. Januar 1991 liegt, die aber erst nach diesem Stichtag jedoch spätestens bis zum 31. Dezember 1994 angezeigt werden, gelten als Fälle, die entsprechend aa) zu verteilen sind.
Dies bedeutet, dass Versicherungsfälle, die vor dem 1.1.1991 liegen, aber erst nach dem 31.12.1994 einem Unfallversicherungsträger angezeigt werden, die Zuständigkeit des fachlich und örtlich zuständigen Trägers der Unfallversicherung begründen und nicht mehr die Zuständigkeit der so genannten Geburtstags-Berufsgenossenschaft nach Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe c Absatz 8 Ziffer 2 Doppelbuchstabe aa des Einigungsvertrages i.V.m. dem Einigungsvertragsgesetz. So verhält es sich hier.
Der Kläger hat erst im Laufe des Verfahrens über die Anerkennung seiner Rückenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) der Beklagten mit Schr. v. 27.12.1995 - und damit nach dem 31.12.1994 - die Kopie einer Anfrage der Kreistelle für Ärztl. Begutachtung übersandt, in dem von einem "angegebenen Arbeitsunfall vom 17.6.82" die Rede ist (Bl. 39 der BK-Beklagtenakte), und diesen dann während des hier anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens erstmals zur Stützung seines Anspruchs erwähnt. Der Unfall des Klägers vom 18.9.1973 ist ein völlig anderes Ereignis als dasjenige vom 17.6.1982 (sollte es sich dort überhaupt um einen Unfall handeln).
Die Beklagte wäre aber, wenn schon 1982 bundesdeutsches Recht im Beitrittsgebiet anzuwenden gewesen wäre, fachlich nicht für das Meliorationsunternehmen (Meliorationsgenossenschaft M ...) zuständig gewesen, in dem der Kläger den Unfall vom 17.6.1982 erlitten hat. Die Beklagte ist fachlich nicht für Unternehmen zuständig, die dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sind. Eine Entscheidung über den geltend gemachten Sachverhalt fällt deshalb nicht in ihre Kompetenz.
b) Eine Beiladung des für die Meliorationsgenossenschaft M ... (hypothetisch) zuständigen Unfallversicherungsträgers nach § 75 Abs. 2 2. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist aus prozessrechtlichen (1) und aus materiellen Gründen (2) ausgeschlossen.
1. § 75 Abs. 2 2. Alternative SGG erlaubt nur dann eine Durchbrechung der Notwendigkeit eines vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens, wenn sich der Anspruch gegen einen dritten, bislang am Verfahren nicht beteiligten Rechtsträger aus demselben Lebenssachverhalt herleitet, aus dem heraus zunächst die Beklagte von dem Kläger in Anspruch genommen worden ist.
Erforderlich ist ferner, dass die Ansprüche gegen die Beklagte und die Beizuladende in Wechselwirkung stehen. Es muss sich um ein Ausschließlichkeitsverhältnis handeln: Entweder besteht der Anspruch gegen die Beklagte oder gegen die Beizuladende (s. Meyer-Ladewig, SGG, Rn. 18 zu § 75, 7. Aufl. S. 2002 S. 451). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat von der Beklagten wegen der Folgen seines Unfalls vom 18.9.1973 einen Verschlimmerungsantrag mit dem Ziel der Anerkennung seiner Rückenbeschwerden als Folge dieses Arbeitsunfalls gestellt (vgl. dazu Blatt 36 bis 38 der Beklagtenakte). Damit handelt es sich nicht um den identischen Lebenssachverhalt und ein Ausschließlichkeitverhältnis kann von vornherein nicht bestehen.
2. Darüber hinaus kommt eine Beiladung auch deswegen nicht in Betracht, weil auch ein anderer Leistungsträger nach den Tatsachenfeststellungen nicht leistungspflichtig sein kann (Meyer-Ladewig, a.a.O. Rn. 12, S. 444 mit Hinw. auf die Rechtsprechung des BSG). Wie bereits das SG unter Berufung auf Dr. P1 ... zutreffend festgestellt hat, gibt es keinen Hinweis auf eine schwerwiegende Verletzung, die geeignet gewesen wäre, die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers auszulösen. Insoweit wird auf die Gründe des SG-Urteils verwiesen (§ 153 Abs.2 SGG).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem Kläger bereits gezahlte Verletztenrente wegen Wirbelsäulenbeschwerden zu erhöhen ist.
Der Kläger verletzte sich am 18.9.1973 an der rechten Ferse (Absprengung des Processus anterior des Calcaneus). Ihm wurde nach DDR-Recht eine nach einem Grad des Körperschadens (GdK) von 20 % berechnete Verletztenrente gewährt, zwischenzeitlich entzogen und ab März 1980 wieder dauerhaft nach einem GdK von 20 % bewilligt.
Im September 1980 wurde der Kläger erstmals wegen Rückenbeschwerden und am 24.2.1982 wegen Lumbago behandelt. Am 17.6.1982 verspürte der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Standortgutachter für Melioration einen Stich im Rücken, als er in einem Boot stehend, zusammen mit einem Arbeitskollegen eine 2,5 m lange Metallsonde im Uferbereich eines Gewässers aus dem Boden zog. Der Kläger war danach drei Tage wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig krank. Ab 1983 wechselte der Kläger als Lager- bzw. Abteilungsleiter mehrfach den Arbeitsplatz. Im Oktober 1984 gab der Kläger an, seit etwa einem halben Jahr ständig unter Schmerzen im Kreuz und zwischen den Schulterblättern zu leiden. Seit 1992 befindet sich der Kläger wegen Rückenbeschwerden dauerhaft in Behandlung.
Der Kläger stellte im Frühjahr 1997 einen Verschlimmerungsantrag. Nach Begutachtung durch Prof. Dr. D1 ... und Dr. S1 ..., die die Auffassung vertraten, es sei zu einer Besserung gekommen, die noch bestehende Beeinträchtigung des Sprunggelenks sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v.H. zu bewerten (wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 25.2.1998 wird auf Blatt 50 bis 60 der Beklagtenakte verwiesen), entzog die Beklagte die Verletztenrente mit Bescheid vom 31.3.1998 ab 1.5.1998. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8.7.1998).
Das vom Kläger am 16. Juni 1998 angerufene Sozialgericht Dresden (SG) hat nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen über den Kläger Dr. P1 ..., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 11.10.2000 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit des unteren und des oberen Sprunggelenks um jeweils ¾ die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen sei. Im Übrigen hat er einen Zusammenhang zwischen der Sprunggelenksverletzung und den Rückenbeschwerden abgelehnt. Diese seien auf anlagebedingte, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen (wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 11.10.2000 wird auf Blatt 131 bis 148 der SG-Akte verwiesen).
Das SG hat Dr. P1 ... in der mündlichen Verhandlung befragt. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.3.2001 verwiesen (Blatt 181 bis 184 der SG-Akte). Die Beklagte hat sodann ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die Verletztenrente über den 30.4.1998 hinaus gewährt werde. Das Teilanerkenntnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angenommen. Sodann hat das SG die weitergehende Klage, mit der der Kläger ausdrücklich beantragt hat, seine Rückenbeschwerden als Unfallfolge festzustellen, abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, es spreche mehr gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung im Fersenbereich und den Rückenbeschwerden des Klägers als dafür. Der Ursachenzusammenhang sei daher nicht wahrscheinlich. Die Argumente des Sachverständigen Dr. P1 ... seien überzeugend: Spätschäden im Wirbelsäulenbereich nach Beinverletzungen könnten bei Amputationen und bei in Fehlstellung verheilten Knochenbrüchen mit starker Beinverkürzung auftreten. Die Fußverletzung sei damit überhaupt nicht vergleichbar. Die Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers seien für eine degenerative, unfallunabhängige Verschleißerkrankung typisch. An der vom Kläger angezweifelten fachlichen Eignung und gutachterlichen Unvoreingenommenheit von Dr. P1 ... bestehe kein Zweifel. Auch das Unfallereignis vom 17.6.1982 könne keinen weitergehenden Anspruch begründen. Zwar sei das SG befugt und auch verpflichtet, darüber zu entscheiden, ob das Unfallereignis vom 17.6.1982, bzgl. dessen die Beklagte noch kein Verwaltungsverfahren durchgeführt habe, die Rückenbeschwerden des Klägers verursacht habe. Die Prüfungskompetenz des SG ergebe sich aus der sinngemäßen Übertragung der Entscheidungsgründe des BSG im Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - (SozR 5670 Anl. 1 Nr. 2 2102 BKVO) auf den vorliegenden Fall. Gleichwohl führe dies nicht zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung, weil sich aus den beigezogenen Unterlagen kein Anhaltspunkt für eine schwerwiegende Verletzung ergebe. Daher folge das SG auch hier dem Sachverständigen Dr. P1 ..., der in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, dass in den Akten kein Hinweis auf einen akuten Bandscheibenvorfall mit entsprechenden neurologischen Ausfallerscheinungen enthalten sei. Unfallhergang, Beschwerdeverlauf (wesentliche Befundverschlechterung nach Angaben des Klägers erst 1993) und Erstbefund sprächen dagegen, dass das Unfallereignis von 1982 ein nennenswerter Ursachenfaktor für die heutigen Rückenbeschwerden des Klägers gewesen sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, es habe keine objektive Begutachtung seiner Rückenbeschwerden stattgefunden. Dies gelte auch für Dr. P1 ..., der nicht einmal das Berufsbild des Klägers gekannt habe, nicht sorgfältig gearbeitet habe - was schon daraus zu ersehen sei, dass er wegen zahlreicher, von ihm am selben Tag zusammen mit dem Kläger zu begutachtender Personen unter Zeitdruck gestanden habe - und der nur "dem Geld für das Gutachten hinterher gewesen sei". Er stelle den Antrag, seinen jetzigen Gesundheitszustand "komplex" zu begutachten, und das von einem "freien Gutachter, der unabhängig ohne finanziellen Druck schreiben könne" (Schriftsatz vom 21.11.2001).
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 12. März 2001 und unter Abänderung des Bescheides vom 31. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1998 seine Rückenbeschwerden als Unfallfolge anzuerkennen und die Beklagte über das in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 12. März 2001 abgegebene Teilanerkenntnis hinaus zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H. zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das SG-Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung beschränke sich auf die Wiederholung der schon im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Vorwürfe gegen Dr. P1 ...
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten, die beim Landratsamt Riesa-Großenhain archivierten medizinischen Unterlagen und eine kopierte Krankenakte des den Kläger behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W1 ... vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der auf Arbeitsunfälle zurückzuführende, beim Kläger noch vorhandene, von der Beklagten zu entschädigende Schaden ist entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten zutreffend bewertet. Die Rückenbeschwerden sind nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 18.9.1973 (I. und II.). Soweit der Kläger auch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.6.1982 festgestellt und entschädigt wissen will, ist die Beklagte bereits nicht der fachlich und örtlich zuständige Unfallversicherungsträger, es sich aber auch die sachlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (III.)
I.
Die vom Kläger auf Anregung des Senats gestellte Leistungsklage stellt schon deswegen keine Klageänderung dar, weil es dem Kläger ausweislich seines mit Rückenbeschwerden begründeten Verschlimmerungsantrages von Beginn des Verwaltungsverfahrens an gerade darum ging, eine höhere Verletztenrente zu erhalten.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung der Verletztenrente nach § 215 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit § 1154 Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 56 SGB VII. Die Rückenbeschwerden des Klägers sind nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 18.9.1973. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Anwürfe des Klägers gegen Dr. P1 ... jeglicher Grundlage entbehren. Der Kläger scheint insbesondere vergessen zu haben, dass die Beklagte erst auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P1 ... ein Teilanerkenntnis mit der Folge abgegeben hat, dass die Entziehung der Verletztenrente rückgängig gemacht wurde.
Mangels eines bestehenden Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 18.9.1973 und den Rückenbeschwerden des Klägers muss auch der Feststellungsantrag nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfolglos bleiben.
III.
Der Kläger hat sein Ziel, wegen seiner Rückenbeschwerden eine höhere Rente zu erhalten, auch durch den Hinweis auf das Ereignis vom 17.6.1982, das seiner Ansicht nach (auch) für diese Beschwerden ursächlich ist, zu erreichen versucht. Sein Antrag ist deshalb sinngemäß so auszulegen, dass er insoweit eine Feststellungs- und Leistungsklage erhebt. Doch ist diese schon deswegen nicht begründet, weil die Beklagte für einen Unfall vom 17.6.1982 nicht der zuständige Unfallversicherungsträger ist, also ihr gegenüber weder die gewünschte Feststellung getroffen noch diese deswegen zu einer höheren Rentenzahlung verurteilt werden kann (a) und auch die Voraussetzungen für die Beiladung eines - zu verurteilenden - anderen Versicherungsträgers nicht erfüllt sind (b).
a) Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe c Absatz 8 Ziffer 2 Doppelbuchstabe ff des Einigungsvertrages i.V.m. dem Einigungsvertragsgesetz bestimmt:
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, bei denen der Zeitpunkt des Versicherungsfalls vor dem 1. Januar 1991 liegt, die aber erst nach diesem Stichtag jedoch spätestens bis zum 31. Dezember 1994 angezeigt werden, gelten als Fälle, die entsprechend aa) zu verteilen sind.
Dies bedeutet, dass Versicherungsfälle, die vor dem 1.1.1991 liegen, aber erst nach dem 31.12.1994 einem Unfallversicherungsträger angezeigt werden, die Zuständigkeit des fachlich und örtlich zuständigen Trägers der Unfallversicherung begründen und nicht mehr die Zuständigkeit der so genannten Geburtstags-Berufsgenossenschaft nach Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe c Absatz 8 Ziffer 2 Doppelbuchstabe aa des Einigungsvertrages i.V.m. dem Einigungsvertragsgesetz. So verhält es sich hier.
Der Kläger hat erst im Laufe des Verfahrens über die Anerkennung seiner Rückenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) der Beklagten mit Schr. v. 27.12.1995 - und damit nach dem 31.12.1994 - die Kopie einer Anfrage der Kreistelle für Ärztl. Begutachtung übersandt, in dem von einem "angegebenen Arbeitsunfall vom 17.6.82" die Rede ist (Bl. 39 der BK-Beklagtenakte), und diesen dann während des hier anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens erstmals zur Stützung seines Anspruchs erwähnt. Der Unfall des Klägers vom 18.9.1973 ist ein völlig anderes Ereignis als dasjenige vom 17.6.1982 (sollte es sich dort überhaupt um einen Unfall handeln).
Die Beklagte wäre aber, wenn schon 1982 bundesdeutsches Recht im Beitrittsgebiet anzuwenden gewesen wäre, fachlich nicht für das Meliorationsunternehmen (Meliorationsgenossenschaft M ...) zuständig gewesen, in dem der Kläger den Unfall vom 17.6.1982 erlitten hat. Die Beklagte ist fachlich nicht für Unternehmen zuständig, die dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sind. Eine Entscheidung über den geltend gemachten Sachverhalt fällt deshalb nicht in ihre Kompetenz.
b) Eine Beiladung des für die Meliorationsgenossenschaft M ... (hypothetisch) zuständigen Unfallversicherungsträgers nach § 75 Abs. 2 2. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist aus prozessrechtlichen (1) und aus materiellen Gründen (2) ausgeschlossen.
1. § 75 Abs. 2 2. Alternative SGG erlaubt nur dann eine Durchbrechung der Notwendigkeit eines vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens, wenn sich der Anspruch gegen einen dritten, bislang am Verfahren nicht beteiligten Rechtsträger aus demselben Lebenssachverhalt herleitet, aus dem heraus zunächst die Beklagte von dem Kläger in Anspruch genommen worden ist.
Erforderlich ist ferner, dass die Ansprüche gegen die Beklagte und die Beizuladende in Wechselwirkung stehen. Es muss sich um ein Ausschließlichkeitsverhältnis handeln: Entweder besteht der Anspruch gegen die Beklagte oder gegen die Beizuladende (s. Meyer-Ladewig, SGG, Rn. 18 zu § 75, 7. Aufl. S. 2002 S. 451). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat von der Beklagten wegen der Folgen seines Unfalls vom 18.9.1973 einen Verschlimmerungsantrag mit dem Ziel der Anerkennung seiner Rückenbeschwerden als Folge dieses Arbeitsunfalls gestellt (vgl. dazu Blatt 36 bis 38 der Beklagtenakte). Damit handelt es sich nicht um den identischen Lebenssachverhalt und ein Ausschließlichkeitverhältnis kann von vornherein nicht bestehen.
2. Darüber hinaus kommt eine Beiladung auch deswegen nicht in Betracht, weil auch ein anderer Leistungsträger nach den Tatsachenfeststellungen nicht leistungspflichtig sein kann (Meyer-Ladewig, a.a.O. Rn. 12, S. 444 mit Hinw. auf die Rechtsprechung des BSG). Wie bereits das SG unter Berufung auf Dr. P1 ... zutreffend festgestellt hat, gibt es keinen Hinweis auf eine schwerwiegende Verletzung, die geeignet gewesen wäre, die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers auszulösen. Insoweit wird auf die Gründe des SG-Urteils verwiesen (§ 153 Abs.2 SGG).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
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