Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 193/94
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 58/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. März 1999 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit. Der 1949 geborene Kläger arbeitete von 1969 bis 25.1.1974 als Anstreicher, vom 20.1.1975 bis 1.7.1975 als Korrosionsschutzmaler (VEB G ...t) und ab 31.7.1975 in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks G ..., K ... (im Folgenden: PGH). Dort war er von Juli 1975 bis 1977 im Bereich der Schädlingsbekämpfung, von April 1977 bis November 1978 zumindest auch im Bereich der Holzschutzarbeiten und von Dezember 1978 bis Anfang 1986 wieder im Bereich der Schädlingsbekämpfung tätig. Die Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten streitig. Seit April 1986 wurden von ihm keine Arbeiten mehr mit Stoffen ausgeführt, die als Gas oder Aerosol eingeatmet werden konnten. Der Kläger war nicht mehr maskentauglich. 1979 wurde ein erstes Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren aufgrund einer Meldung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G1 ... vom 24.07.1979, wonach die Lungenfunktionsprüfung einen pathologischen Befund ergeben habe, eingeleitet. - 4.8.1975: gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung, - 1976: deutliche obstruktive Ventilationsstörung, - 1977: normale Werte, - 1978 geringgradig restriktive und hochgradig obstruktive Ventilationsstörung. Nach weiteren Ermittlungen (Angaben der PGH; Stellungnahme der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 14.1.1980 - Expositionsanalyse des Diplom- Chemiker K1 ...) verneinte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der DDR mit Schreiben vom 9.6.1980 einen Zusammenhang. Wegen des Nikotinabusus (20 Zigaretten/Tag) sei eine außerberufliche Genese der Erkrankung viel wahrscheinlicher, der Nachweis einer erhöhten beruflichen Exposition gegenüber Atemwegsirritantien sei nicht erbracht, das Schädigungsvermögen von Lösungsmitteln und Phosphorsäureestern sei nicht gesichert. Zu Fesia form (formaldehydhaltiges Schädlingsbekämpfungsmittel) wurde keine Stellungnahme abgegeben. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass der Kläger einen ablehnenden Bescheid erhalten hat und dieses Feststellungsverfahren förmlich abgeschlossen wurde. Aufgrund einer ärztlichen Meldung über eine Berufskrankheit von Dr. B1 ... vom 14.09.1989 führte die Verwaltung der Sozialversicherung, K ..., ein Verwaltungsverfahren durch und zog im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens auch eine Expositionsanalyse der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 05.07.1990 bei. Nach dieser war der Kläger im Zeitraum von 1979 bis 1985 maximal bis zu 5 % der Arbeitszeit mit Desinfektionsarbeiten unter Anwendung von Fesia form beschäftigt. Insgesamt könne der Kläger maximal 30 Stunden pro Jahr einer Formaldehydkonzentration oberhalb des Grenzwertes ausgesetzt gewesen sein. Ergebnisse von Messungen lägen hierzu jedoch nicht vor. Mit Bescheid vom 08.11.1990 wurde die Anerkennung der Lungenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach der Nr. 81 der Liste der Berufskrankheiten nach der l. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten (im Folgenden: BK-Nr. 81 BKVO-DDR) vom 21.04.1981 (GBl. Teil I Nr. 12, S. 139) abgelehnt, nachdem auf der Grundlage einer Stellungnahme der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 17.09.1990 eine berufliche Verursachung der Bronchitis des Klägers nicht hatte festgestellt werden können. Gegen diese Verwaltungsentscheidung erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 05.12.1990 Widerspruch, den er u.a. damit begründete, dass entgegen der von seinem Betrieb gemachten Angaben eine wesentlich längere Expositionszeit mit formaldehydhaltigen Stoffen bestanden habe und eine berufliche Verursachung der chronisch-entzündlichen Erkrankung der oberen Atemwege hierdurch wahrscheinlich sei. Die Beigeladene zog die Akten der Arbeitshygieneinspektion K ... bei und holte Angaben des Klägers selbst und der PGH zur beruflichen Exposition des Klägers mit Schädlingsbekämpfungs- und Desinfektionsmitteln ein. Der staatliche Gewerbearzt Dr. L1 ... wies in seiner Stellungnahme vom 29.11.1991 darauf hin, dass beim Kläger bereits am 04.08.1975, also fünf Tage nach Beginn der Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer, eine gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung vorgelegen habe. Eine obstruktive Ventilationsstörung sei in der Regel Ausdruck einer vorbestehenden chronischen Atemwegserkrankung, so dass sich allenfalls die Frage einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch die berufliche Tätigkeit stelle. Im Auftrag der Beigeladenen erstattete Dr. M1 ..., Klinik für Berufskrankheiten Bad R ..., am 28.12.1992 ein arbeitsmedizinisches Gutachten und am 18.02.1993 eine ergänzende Stellungnahme. Er meinte, dass beim Kläger eine mit einer MdE um 30 v.H. zu bewertende Berufskrankheit aufgrund seiner Tätigkeit bei der PGH vorliege. Die Beigeladene gab die Bearbeitung des Verfahrens an die fachlich für die PGH zuständige Beklagte ab. Die Beklagte holte eine Stellungnahme nach Aktenlage bei Prof. Dr. H1 ... ein, der am 25.08.1993 eine erneute lungenärztliche Begutachtung mit neurologischer Zusatzbegutachtung empfahl, weil das Gutachten von Dr. M1 ... nicht schlüssig sei. Die Beklagte gab daraufhin ein neurologisches Gutachten bei Dr. R1 ... in Auftrag, die nach Untersuchung des Klägers in ihrem Gutachten vom 14.02.1994 neurotoxische und neurologischen Schäden verneinte. Nach Beiziehung des Sozialversicherungsausweise des Klägers und von einigen Unterlagen aus dem Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... (Blatt 278 bis 288 der Beklagtenakte) legte Dr. F1 ... am 24.05.1994 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein weiteres pulmologisches Gutachten vor. Er führte darin aus, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer eine Vorschädigung der Bronchien im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung gehabt habe. Somit könne sicher ausgeschlossen werden, dass die Atemwegserkrankung des Klägers beruflich entstanden sei. Eine berufsbedingte richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens sei ebenfalls auszuschließen, weil der Kläger nicht ausreichend exponiert gewesen sei, wie aus der Expositionsanalyse der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 05.07.1990 hervorgehe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.08.1994 meinte Dr. F1 ..., selbst bei einer unterstellten höheren Exposition des Klägers könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die beim Kläger berufsunabhängig vorbestehende Bronchitis durch die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer dauerhaft verschlimmert worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.1994 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08.11.1990 als unbegründet zurück. Mit der beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, dass seine chronische Bronchitis durch die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer entstanden und zu entschädigen sei. Das SG hat Krankenblattunterlagen des Klinikums C ... und Befundberichte von Dr. H2 ..., Dr. B2 ..., Dr. B1 ... und von Dr. K2 ... beigezogen. Ferner hat das SG ein arbeitsmedizinisch-internistisches Gutachten bei Prof. Dr. L2 ..., Universität E ..., eingeholt (Gutachten vom 20.01.1997), das sich ergänzend auch auf ein allergologisches und ein röntgenologisches Zusatzgutachten gestützt hat. Prof. Dr. L2 ... hat in seinem Gutachten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK-Nr. 81 BKVO- DDR mit einer MdE um 30 v.H. empfohlen. In der mündlichen Verhandlung am 28.05.1997 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. L2 ... seinem Gutachten eine Exposition mit Formaldehyd lediglich unterstellt habe, die so nicht nachgewiesen sei. Im Übrigen sei die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zuständiqer Unfallversicherungsträger, falls der Versicherungsfall vor dem 01.01.1991 liege. Mit Beschluss vom 09.07.1997 hat das SG die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zum Verfahren beigeladen, weil sie für die Entschädigung eines vor 1991 im Beitrittsgebiet beim Kläger eingetretenen Versicherungsfalles gemäß dem Verteilerschlüssel nach den Geburtsdaten der zuständige Unfallversicherungsträger sei (§ 1159 RVO i.V.m. der Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet I, Abschnitt III, Nr. 1 Buchstabe c, Abs. 8 Nr. 2 Einigungsvertrag vom 31.08.1990). Der Kläger hat im Rahmen der weiteren Ermittlungen zur Exposition mit Schädlingsbekämpfungsmitteln Arbeitsnachweise für die Zeit von 1981 bis 1985 und eine Bestätigung von ... B ..., ehemaliger Vorsitzender PGH G ... K ... vom 18.07.1997 vorgelegt. Prof. Dr. L2 ... hat in seiner ersten ergänzenden Stellungnahme vom 27.10.1997 darauf hingewiesen, dass eine richtungsgebende Verschlimmerung einer vorbestehenden Atemwegserkrankung nur dann anzunehmen sei, wenn der Kläger einer hinreichenden Formaldehydexposition ausgesetzt gewesen sei. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 31.08.1998 ausgeführt, dass der Kläger in der Zeit von 1980 bis 1985 mit Formaldehydkonzentrationen in Kontakt gekommen sei, die teilweise erheblich über dem Grenzwert gelegen hätten. Die Beigeladene hat eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. F1 ... vom 30.12.1998 vorgelegt, in der er erneut ausgeführt hat, dass beim Kläger keine richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Bronchialleidens durch die berufliche Tätigkeit eingetreten sei. Selbst wenn man den Einschätzungen von Prof. Dr. L2 ... in seinem Gutachten vom 20.01.1997 hinsichtlich einer tätigkeitsbedingten Verschlimmerung folge, sei diese nur als vorübergehend anzusehen. Prof. Dr. L2 ... hat sich in seiner zweiten ergänzenden Stellungnahme vom 09.02.1999 der Auffassung von Dr. F1 ... angeschlossen, wonach eine richtungsgebende Verschlimmerung der berufsunabhängig vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung durch die Exposition gegenüber Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Mit Schriftsatz vom 20.03.1999 hat der Kläger erneut darauf hingewiesen, dass er nach seiner Auffassung bei der Einstellung in die PGH keine gesundheitlichen Probleme hinsichtlich seiner Atemorgane gehabt habe. In seinem Sozialversicherungsausweis sei dokumentiert, dass er regelmäßig an den arbeitsmedizinischen Tauglichkeits- und Überwachungsuntersuchungen teilgenommen habe. Im Übrigen sei er auch am 04.04.1968 bei der Einstellungsuntersuchung für die Nationale Volksarmee als diensttauglich gemustert worden. Ehemalige Mitarbeiter der PGH, ... B ... und ... P ..., haben dem Kläger mit Schreiben vom 15.03.1999 und 08.03.1999 bestätigt, dass er seit 1975 Desinfektionsarbeiten durchgeführt habe. Die Beklagte und die Beigeladene haben ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass sowohl Dr. F1 ... als auch letztendlich Prof. Dr. L2 ... übereinstimmend festgestellt hätten, dass es durch die berufliche Exposition des Klägers mit Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 nicht zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Bronchialleidens gekommen sei. Hinsichtlich der Formaldehydexposition in den Jahren 1975 bis 1979 ließe sich nicht mehr ermitteln, ob der Kläger in ausreichendem Umfang einer Formaldehydexposition oberhalb der Grenzwerte ausgesetzt gewesen sei. Das SG hat die Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08.11.1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1994 aufzuheben und die Beigeladene, hilfsweise die Beklagte, zu verurteilen, die Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen, mit Urteil vom 24.03.1999 abgewiesen. Hierbei ist es im Kern der Argumentation der Beklagten und der Beigeladenen gefolgt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien. Die beim Kläger bestehenden Atembeschwerden stellten keine Berufskrankheit dar, die nach § 221 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16.06.1977 i.V.m. BK-Nr. 81 BKVO-DDR bzw. nach dem Sonderentscheidverfahren nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26.02.1981 der DDR anerkannt werden könnten. Das Berufskrankheitenrecht der DDR sei weiterhin anzuwenden. Denn Berufskrankheiten, die vor dem 01.01.1992 eingetreten und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Berufskrankheiten der Sozialversicherung gewesen sei, gälten gemäß § 215 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 1150 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Berufskrankheiten im Sinne des 3. Buches der RVO. Nachdem bei irritativ-chronischen Krankheiten der oberen und tieferen Luftwege und Lungen durch chemische Stoffe die krankheitsbedingte Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nach BK-Nr. 81 BKVO-DDR zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gehöre, sei darauf abzustellen, wann der Kläger die atemwegsgefährdende Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer aufgegeben habe. Dies sei hier bereits im April 1986 der Fall gewesen.
Es könne dahinstehen, ob eine Prüfung nach BK-Nr. 81 BKVO-DDR DDR oder nach dem Sonderentscheidverfahren zu erfolgen habe. Nach den Empfehlungen zur Meldung und arbeitsmedizinischen Begutachtung irritativer chronischer Erkrankungen der Atemwege und Lungen durch chemische Stoffe als Berufskrankheit" der Obergutachtenkommission vom 17.12.1987 (zitiert in: Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer [1945 - 1990] S. 299 ff.) sei die Prüfung einer richtungsgebenden Verschlimmerung einer nichtberuflichen Erkrankung im Ausnahmefall für die chronische Laryngitis sowie für Krankheiten der tieferen Atemwege und Lungen möglich. Auch bei Anwendung des Berufskrankheitenrechts der DDR sei für die kausal wirksamen Tatsachen der Vollbeweis erforderlich. Zu den kausal wirksamen Tatsachen gehöre das Vorliegen der versicherten Tätigkeit selbst, die tätigkeitsbezogene Einwirkung und die Erkrankung. Im Falle des Klägers sei nur für den Zeitraum von 1980 bis 1985 gesichert, dass er in grenzwertüberschreitendem Ausmaß mit Formaldehyd in Berührung gekommen sei (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 31.08.1998). Hinsichtlich der Formaldehydexposition für den Zeitraum vom 31.07.1975 bis 1979 habe trotz Ausschöpfung sämtlicher Beweismittel nicht mit Gewissheit ein derartiger Nachweis geführt werden können. Der sich hieraus ergebende prozessuale Nachteil treffe den Kläger, der für den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen die objektive Beweislast habe (Hinweis auf BSGE 6, 70, 72).
Im Falle des Klägers wäre eine berufsbedingte Atemwegserkran-kung durch chemisch- irritativ wirkende Stoffe nur dann anzuerkennen gewesen, wenn die Formaldehydexposition des Klägers in den Jahren 1980 bis 1986 zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden, berufsunabhängigen Atemleidens geführt hätte. Dass beim Kläger bereits vor der Aufnahme als Schädlingsbekämpfer am 31.07.1975 eine gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung vorgelegen habe, ergebe sich aus dem ärztlichen Zeugnis von Dr ... G1 ... vom 04.08.1975, das vom Kläger selbst unterzeichnet worden sei. Er sei deshalb nur als bedingt maskentauglich eingestuft worden. Auch in der Berufskrankheiten-Verdachtsmeldung des Betriebes vom 12.11.1979 sei hierauf hingewiesen und vermerkt worden: "vermutlich anlagebedingt bzw. in seiner früheren Tätigkeit durch Nitrofarben hervorgerufen". Angesichts dieser Unterlagen könne dem Vortrag des Klägers, er sei bei Aufnahme seiner Arbeit in der PGH voll einsatzfähig gewesen, nicht gefolgt werden. Von einer vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung gingen im Übrigen auch sämtliche im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren eingeholten Gutachten aus. Den für den Kläger positiven Gutachten (vom 28.12.1992 - Dr. M1 ... - und vom 20.01.1997 - Prof. Dr. L2 ... -) könne nicht gefolgt werden. Dr. M1 ... gehe in seinem Gutachten davon aus, dass sich die Beschwerden des Klägers bei 1975 bestehender Vorschädigung nach der Aufgabe der Tätigkeit 1986 gebessert hätten. Bei seiner abschließenden Beurteilung bewerte er den im Untersuchungszeitpunkt beim Kläger vorliegenden Zustand einer mittelgradigen obstruktiven Ventilationsstörung mit einer MdE von 30 v.H., ohne zu differenzieren, welcher Anteil der MdE-Schätzung auf das vorbestehende berufsunabhängige Leiden entfalle. Auch Prof. Dr. L2 ... habe in seinem Gutachten vom 20.01.1997 angenommen, dass es zur einer erheblichen Verbesserung nach Aufgabe der gesundheitsschädigenden Tätigkeit im Jahre 1986 gekommen sei. Die Lungenfunktionsprüfung anlässlich der gutachtlichen Untersuchung habe eine leicht- bis mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung mit geringer Lungenüberblähung und leichter bis mittelschwerer Erhöhung der Atemwegswiderstände ergeben. Auch Prof. Dr. L2 ... habe darauf hingewiesen, dass der Kläger im Rahmen der Einstellungsuntersuchung im August 1975 bereits an einer obstruktiven Atemwegserkrankung gelitten habe. Der Sachverständige habe (unter der unterstellten Voraussetzung einer ausreichenden Formaldehydexposition) eine richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Atemwegsleidens angenommen. Die jetzt vorliegende leicht- bis mittelgradige obstruktive Atemwegswerkrankung mit geringer Lungenüberblähung habe er mit einer MdE von 30 v.H. bewertet, ohne dabei zwischen dem berufsunabhängigen und dem Verschlimmerungsanteil zu differenzieren.
Demgegenüber habe Dr. F1 ... in seiner Stellungnahme vom 30.12.1998 darauf hingewiesen, dass beim Kläger allenfalls eine vorübergehende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens vorgelegen habe. Die von den beiden Vorgutachtern vorgeschlagene MdE um 30 v.H. könne nicht aus einer Verschlimmerung hergeleitet werden. Der Kläger habe bemerkt, dass erste Luftnotbeschwerden bei körperlicher Belastung erstmalig Ende 1979, Anfang 1980 aufgetreten seien. 1983 sei der Kläger erstmalig mit der Diagnose 491 (chronische Bronchitis) arbeitsunfähig krank gewesen. Ende 1985/Anfang 1986 sei es zu Blutbeimengungen im Auswurf gekommen. Im Rahmen einer stationären Diagnostik im April 1986 sei eine chronisch-obstruktive Bronchitis bestätigt worden. Die Blutbeimengungen im Auswurf seien laut Epikrise vom 06.05.1986 nur im Rahmen dieses akuten bronchialen Infektes aufgetreten. Auf eine Verschlimmerung könne nur aufgrund der Angaben des Klägers und dieser Epikrise geschlossen werden. Es lägen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 keine Ergebnisse von Lungenfunktionsprüfungen vor, aus denen eine weitere Zunahme der bereits 1978 vorhandenen starken Bronchialeinengung zu objektivieren wäre. Dr. F1 ... habe weiterhin darauf hingewiesen, dass die Angaben in der ärztlichen Meldung vom 24.07.1979 beachtet werden müssten. Danach habe 1975 eine Obstruktion I. Grades, 1976 eine deutliche Obstuktion, 1977 normale Werte und 1978 eine hochgradige obstruktive Ventilationsstörung vorgelegen. Das heiße, die Bronchialeinengung sei nicht fixiert und konstant, sondern wechsele wie bei rezidivierenden Bronchialschleimhautentzündungen. Auch Dr. B1 ... habe in seiner ärztlichen Meldung vom 14.09.1989 nur angegeben, dass beim Kläger eine obstruktive Ventilationsstörung bestanden habe. Er habe auf eine chronische Bronchitis mit Husten, Auswurf und zunehmender Belastungsluftnot hingewiesen. Die Lungenfunktionsuntersuchungen im Rahmen der Begutachtung 1994 und 1996 hätten eine fortbestehende Bronchialeinengung (obstruktive Ventilationsstörung), die bereits vor 1980 vorgelegen habe, bestätigt.
Ausschlaggebend für die Entscheidung des SG ist die gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. L2 ... vom 09.02.1999 gewesen. In dieser ist er von seinen im Gutachten vom 20.01.1997 aufgestellten Schlussfolgerungen abrückt und hat sich voll inhaltlich der Argumentation von Dr. F1 ... angeschlossen. Prof. Dr. L2 ... hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.02.1999 aufgrund der nachträglich vorgelegten Feststellungen des TAD, wonach für die Zeit vor 1980 und für die Zeit nach 1985 keine entsprechende Formaldehydexposition dokumentiert bzw. mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit belegt worden sei, eine berufsbedingte Verschlimmerung verneint. Denn die Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung beim Kläger sei in den Jahren zwischen 1975 und 1979 eingetreten und nicht in den Jahren von 1980 bis 1985, in denen die Formaldehydexposition über bzw. teilweise erheblich über dem Grenzwert gelegen habe. Eine richtungsgebende Verschlimmerung der vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung durch die Exposition gegenüber Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 sei daher nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf seine zur Niederschrift erklärte Berufungsbegründung vom 22.04.1999 sowie auf seine Schriftsätze vom 18.08.2000, vom 15.02.2002 und vom 11.04.2002 verwiesen.
Nach entsprechendem Hinweis des Senats hat der Kläger nach § 109 SGG beantragt, Dr. B1 ... zum Sachverständigen zu bestimmen. In seinem arbeitsmedizinsch-toxikologischen Gutachten vom vom Juni 2000 nach ambulanter Untersuchung des Klägers und ergänzender Stellungnahme vom 20.10.2000 mit nachgereichten paraklinischen Befunden hat Dr. B1 ... einen Zusammenhang bejaht. Er meint, dass beim Kläger eine mittelschwere restriktive und leichte obstruktive Ventilationsstörung sowie eine schwere periphere Obstruktion mit deutlicher Erhöhung des Atemwegswiderstandes vorliege. Diese sei insgesamt mit einer MdE um 50 v.H. zu bewerten. Durch die Formaldehydexposition in den Jahren seit 1980 sei es zu einer Verschlimmerung gekommen. Hieraus ergebe sich ein berufsbedingter Verursachungsanteil der MdE um 30 v.H. Für die Zeit vor 1980 könnten gehäufte Erkrankungen durch bakterielle oder virale Infekte weitgehend ausgeschlossen werden. Dies folge aus den paraklinischen Werten. Allerdings liege beim Kläger eine allergische Disposition vor, die eine besondere Vulnerabilität gegenüber chemisch-toxischen und inhalativen Atemtraktbelastungen mit sich bringe. Wegen der hohen grenzüberschreitenden Formaldehydwerte komme dem Rauchen keine entscheidende Bedeutung zu. Es könne ausgeschlossen werden, dass sich allein durch eine allergische Disposition eine Gesundheitsschädigung im Alter von 36 Jahren entwickelt habe, wie sie beim Kläger 1986 anzutreffen gewesen sei. Die Schutzmaßnahmen (Schwammmaske) seien unzureichend gewesen. Hinsichtlich der Formaldehydexposition stützt sich der Sachverständige auf Modellberechnungen, die der Kläger bei der ... GmbH Privates Institut für Umweltanalysen eingeholt hat (Blatt 100 ff. LSG-Akte). Ferner hat sich der Sachverständige auf eine bis dahin dem Gericht unbekannte Rechtsherzkatheteruntersuchung vom 7.10.1999 im Kreiskrankenhaus K ... berufen.
Hiergegen haben die Beklagte und die Beigeladene eingewandt, im SV-Ausweis seien regelmäßig Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Atemwegserkrankungen nachgewiesen. Auch sei die Verschlimmerung schon vor 1980 aufgetreten.
Nach einem Erörterungstermin am 28.02.2002 hat der Senat, nachdem zunächst den Akten zu entnehmen gewesen ist, dass im Archiv des Gesundheitsamtes der C ... keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, insbesondere nochmals diese Einrichtung um Übersendung medizinischer Unterlagen gebeten. Mit Schreiben vom 18. und 19.03.2002 sind umfangreiche Unterlagen übersandt worden. Mit Beweisanordnung vom 6.11.2002 hat der Senat den Pulmologen Prof. Dr. N1 ... zum Sachverständigen bestimmt. Prof. Dr. N1 ... hat in seinem Gutachten vom 4.12.2002 eine nachweisbare Verschlimmerung für die Jahre von 1975 bis 1992 verneint. Schon 1975 seien die vorbestehenden Lungenfunktionseinschränkungen mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 294 bis 308 der LSG-Akte verwiesen.
Schriftsätzlich hat sich der mittlerweile anwaltlich vertretene Kläger zum Gutachten von Prof. Dr. N1 ... nicht geäußert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. März 1999 mit dem Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08. November 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1994 aufzuheben, festzustellen, dass die Atemwegserkrankung des Klägers eine Berufskrankheit im Sinne der BK-Nr. 81 BKVO-DDR ist und die Beigeladene, hilfsweise die Beklagte, zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das SG-Urteil für zutreffend. Schriftsätzlich haben sie sich zum Gutachten von Prof. Dr. N1 ... nicht geäußert.
Ergänzend wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung in der Beweisanordnung vom 6.11.2002 verwiesen (Blatt 250 bis 259 der LSG-Akte).
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Unterlagen des Archivs des Gesundheitsamtes der Stadt C ... vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Wegen der anzuwendenden Rechtsgrundlagen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, soweit es um die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers geht.
Auch nach dem Berufskrankheitenrecht der DDR besteht Anspruch auf Entschädigungsleistungen nur dann, wenn vollbeweislich gesichert ist, dass es nach Beginn der Exposition zur Entstehung oder zur Verschlimmerung einer irritativen chronischen Krankheit der oberen oder tieferen Luftwege oder der Lungen gekommen ist und zudem pathophysiologische Veränderungen in diesem Bereich mit Wahrscheinlichkeit durch chemische Stoffe verursacht worden sind.
Mit Ausnahme des Gutachtens von Prof. Dr. N1 ... leiden die anderen Gutachten darunter, dass sie nicht Schritt für Schritt die gesundheitliche Entwicklung des Klägers ab 1975 dargestellt und anhand der Unterlagen diskutiert haben. Den früheren Sachverständigen lag allerdings auch nur ein geringer Teil der jetzt ermittelten atemwegsfunktionsspezifischen Unterlagen vor, so dass sie überhaupt nicht imstande waren, mit Sicherheit festzustellen, ob sich die hier allein entscheidenden Atemfunktionswerte während und im unmittelbaren Anschluss an die (mögliche) Exposition in den Jahren von 1975 bis 1986 verschlechtert haben. Erst durch die Beiziehung der archivierten Unterlagen des Gesundheitsamtes der Stadt C ... konnte ein Sachverständiger anhand konkreter Fakten nachprüfen, ob und gegebenenfalls wie sich die Atemfunktionswerte beim Kläger entwickelt haben. Das pulmologische Gutachten der Dres. M1 ... und M2 ... vom 28.12.1992 bejahte ohne eingehende Begründung eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung, verursacht durch chemisch- irritativ bzw. chemisch-toxisch wirkende Arbeitsstoffe (Pestizide). Die Sachverständigen schlugen vor, die MdE mit 30 v.H. zu bewerten. Die Beklagte wies sodann mit Recht die Sachverständigen darauf hin, dass beim Kläger schon vor Aufnahme seiner Tätigkeit in der PGH eine beginnende mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt worden ist. Die nachfolgenden Ausführungen der Sachverständigen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.2.1992 sind nicht schlüssig. Dort wird zwar die Auffassung vertreten, der 1975 vorliegende Befund im Bereich der Atemwege könne nicht auf den Beruf zurückgeführt werden, sondern sei durch die Rauchgewohnheiten und den in der Jugend erlittenen Nasenbeinbruch des Klägers erklärbar. Begründet wird die vorgeschlagene MdE dann jedoch nicht mit atemwegsfunktionsbezogenen Argumenten, sondern mit mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit anzunehmenden neurotoxischen Folgeschäden nach 10-jähriger Exposition gegenüber Pestiziden". Kurz zuvor wird in derselben Stellungnahme aber ausgeführt: "In dem vorliegenden Fall kann das Ausmaß möglicherweise vorliegender neurotoxischer Folgeschäden durch Halogenkohlenwasserstoffe bzw. durch organische Phosphorverbindungen nicht abgeschätzt werden, da hierzu relevante Daten fehlen." Ferner wird die Auffassung vertreten, über die berufsbedingte Verschlimmerung der auf dem Boden einer durch die Rauchgewohnheiten des Klägers entstandenen bronchialen Hyperreagibilität könne keine Aussage getroffen werden. Das Gutachten der Dres. M1 ... und M2 ... ist daher sowohl hinsichtlich der Erhebung pulmologischer Gesundheitsstörungen als auch hinsichtlich der darauf bezogenen Zusammenhangsbeurteilung argumentativ völlig inkonsistent. Das dann eingeholte neurologische Gutachten von Dr. R1 ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 14.2.1994 ist insoweit bedeutsam, als neurotoxische Schäden des zentralen und des peripheren Nervensystems ausgeschlossen wurden und damit die weitere gutachtliche Diskussion auf eventuelle berufsbedingte pulmologische Gesundheitsstörungen zu beschränken war. Aus den gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. F1 ... und der maßgeblichen letzten Stellungnahme von Prof. Dr. L2 ... und Dr. W1 ... vom 9.2.1999, in der die bisherige Auffassung von Prof. Dr. L2 .../Dr. B3 .../Dr. W1 ... präzisiert und nicht länger nur hypothetisch für den Fall ausreichender Exposition formuliert wurde, kann der Kläger auch keine Argumente für einen Entschädigungsanspruch herleiten. Im Übrigen irrt Prof. Dr. L2 ... darin, dass beim Kläger überhaupt eine Verschlimmerung seiner obstruktiven Atemwegserkrankung eingetreten sei. In seinem arbeitsmedizinsch-toxikologischen Gutachten vom Juni 2000 meint zwar Dr. B1 ..., dass beim Kläger eine mittelschwere restriktive und leichte obstruktive Ventilationsstörung sowie eine schwere periphere Obstruktion mit deutlicher Erhöhung des Atemwegswiderstandes vorliege. Diese sei insgesamt mit einer MdE um 50 v.H. und der berufsbedingte Verschlimmerungsanteil mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten. Das Gutachten von Dr. B1 ... hat aber den entscheidenden Mangel, dass es die im Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... vorhandenen Unterlagen über den Kläger nur verwerten konnte, soweit sie schon in den Verfahrensakten vorhanden waren. Dies war nur zum kleineren Teil der Fall. Dr. B1 ... hat gerade nicht nachvollziehbar dargestellt, aus welchen Atemwegsfunktionswerten der Verschlimmerungsanteil abzuleiten und vom Vorschaden abzugrenzen ist. Der Kläger legte immer wieder einzelne, bislang in den Akten noch nicht vorhandene, zum Teil sehr spezifische alte medizinische Unterlagen vor. Im Erörterungstermin am 28.02.2002 hat er darauf angesprochen erklärt, dass er versucht habe, Unterlagen vom Gesundheitsamt zu erhalten, dieses sich jedoch geweigert habe, (alle) Unterlagen an ihn herauszugeben. Unklar blieb im Erörterungstermin aber, woher genau der Kläger diese Unterlagen hatte. Es bestand aber nach seinen Ausführungen die Möglichkeit, dass er sie vom Gesundheitsamt der Stadt C ... erhalten hatte, obwohl sie nicht bei den Unterlagen wiederzufinden waren, die das Gesundheitsamt der Stadt C ... im April 1994 der Beklagten übersandt und zudem zuvor sogar mitgeteilt hatte, dass sich über den Kläger keine Unterlagen aus der ehemaligen Poliklinik R ... im Archiv befänden. Zur Klärung dieser Unstimmigkeiten hat der Senat vom Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... nochmals mit Schreiben vom 07.03.2002 Unterlagen angefordert und solche in erheblichem Umfang erhalten. Zugleich hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.4.2002 wichtige Unterlagen (Blatt 215, 223, 226, 228, 233, 238 der LSG-Akte) übersandt, die mit archivierten, bislang unbekannten Unterlagen des Gesundheitsamtes C ... identisch sind. In Auswertung dieser Unterlagen ist Prof. Dr. N1 ... in seinem ausführlich begründeten und den Senat überzeugenden Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger jedenfalls seit 1975 unter einer Obstruktion der tieferen Atemwege litt, die schon damals mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten war, und diese Obstruktion über die Jahre hinweg bis 2000 mit Ausnahme des Jahres 1978 bemerkenswert konstant geblieben war (ausgedrückt in dem Quotient FEV1 [Atemstoßwert, 1- Sekundenkapazität]: VK [Vitalkapazität]). Prof. Dr. N1 ... hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass der im Jahr 1978 gemessene Wert ein "Ausreißer" war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob berufliche Ursachen hier eine Rolle gespielt haben. Entscheidend ist, dass die Verschlimmerung der Obstruktion fast sicher ausgeschlossen, keinesfalls aber im Sinne des Vollbeweises belegt werden kann. Wodurch die Obstruktion entstanden ist, die schon 1975 nachweisbar war, ist nicht aufklärbar. Ferner hat Prof. Dr. N1 ... für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass beim Kläger 1992 erste Anzeichen eines sich entwickelnden Emphysem (Lungenüberblähung) festzustellen waren, das Emphysem sich aber noch 1996 nicht voll entwickelt hatte, sondern bei isolierter Betrachtung die Befunde nur ausreichten, um einen dahingehenden Verdacht zu äußern. Die Möglichkeit einer Schädigung der Luftröhrenäste durch Formaldehyd mit einer Weiterentwicklung zum Emphysem ist nach Auffassung von Prof. Dr. N1 ... zwar vorstellbar. Er weist jedoch darauf hin, dass dagegen das sehr späte Auftreten des Emphysems mehr als 10 Jahre nach Beendigung der möglichen Exposition spricht. Denn das Formaldehyd ist auch in der Lunge flüchtig und kann etwa im Gegensatz zu silikotischen Einlagerungen nicht fortdauernd schädigend auf das Gewebe einwirken. Aus den medizinischen Unterlagen lässt sich kein Nachweis eines von der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängigen frühen Beginns eines emphysematösen Prozesses führen. Hingegen entspricht das zeitliche Intervall von 20 Jahren zwischen dem Erstnachweis einer Obstruktion und dem späteren Emphysem dem üblichen langsamen Fortschreiten. Für eine solche Entwicklung bedarf es keines Zusatzfaktors in Gestalt einer Formaldehydexposition. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein erst viele Jahre nach 1991 entstandenes Emphysem überhaupt Gegenstand dieses Rechtsstreits, der allein eine Verwaltungsentscheidung nach dem Recht der DDR zum Gegenstand hat, sein könnte, wenn ein Zusammenhang zwischen der unterstellten Formaldehydexposition von 1975 bis Anfang 1986 und dem Emphysem hergestellt werden könnte. Denn der Versicherungsfall wäre dann wohl erst unter der Geltung der bundesdeutschen Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) eingetreten. Abgesehen davon verlangt Nr. 4302 der Anlage zur BKV eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung als Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit bei Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen. Eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung liegt beim Kläger aber nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit. Der 1949 geborene Kläger arbeitete von 1969 bis 25.1.1974 als Anstreicher, vom 20.1.1975 bis 1.7.1975 als Korrosionsschutzmaler (VEB G ...t) und ab 31.7.1975 in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks G ..., K ... (im Folgenden: PGH). Dort war er von Juli 1975 bis 1977 im Bereich der Schädlingsbekämpfung, von April 1977 bis November 1978 zumindest auch im Bereich der Holzschutzarbeiten und von Dezember 1978 bis Anfang 1986 wieder im Bereich der Schädlingsbekämpfung tätig. Die Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten streitig. Seit April 1986 wurden von ihm keine Arbeiten mehr mit Stoffen ausgeführt, die als Gas oder Aerosol eingeatmet werden konnten. Der Kläger war nicht mehr maskentauglich. 1979 wurde ein erstes Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren aufgrund einer Meldung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G1 ... vom 24.07.1979, wonach die Lungenfunktionsprüfung einen pathologischen Befund ergeben habe, eingeleitet. - 4.8.1975: gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung, - 1976: deutliche obstruktive Ventilationsstörung, - 1977: normale Werte, - 1978 geringgradig restriktive und hochgradig obstruktive Ventilationsstörung. Nach weiteren Ermittlungen (Angaben der PGH; Stellungnahme der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 14.1.1980 - Expositionsanalyse des Diplom- Chemiker K1 ...) verneinte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der DDR mit Schreiben vom 9.6.1980 einen Zusammenhang. Wegen des Nikotinabusus (20 Zigaretten/Tag) sei eine außerberufliche Genese der Erkrankung viel wahrscheinlicher, der Nachweis einer erhöhten beruflichen Exposition gegenüber Atemwegsirritantien sei nicht erbracht, das Schädigungsvermögen von Lösungsmitteln und Phosphorsäureestern sei nicht gesichert. Zu Fesia form (formaldehydhaltiges Schädlingsbekämpfungsmittel) wurde keine Stellungnahme abgegeben. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass der Kläger einen ablehnenden Bescheid erhalten hat und dieses Feststellungsverfahren förmlich abgeschlossen wurde. Aufgrund einer ärztlichen Meldung über eine Berufskrankheit von Dr. B1 ... vom 14.09.1989 führte die Verwaltung der Sozialversicherung, K ..., ein Verwaltungsverfahren durch und zog im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens auch eine Expositionsanalyse der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 05.07.1990 bei. Nach dieser war der Kläger im Zeitraum von 1979 bis 1985 maximal bis zu 5 % der Arbeitszeit mit Desinfektionsarbeiten unter Anwendung von Fesia form beschäftigt. Insgesamt könne der Kläger maximal 30 Stunden pro Jahr einer Formaldehydkonzentration oberhalb des Grenzwertes ausgesetzt gewesen sein. Ergebnisse von Messungen lägen hierzu jedoch nicht vor. Mit Bescheid vom 08.11.1990 wurde die Anerkennung der Lungenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach der Nr. 81 der Liste der Berufskrankheiten nach der l. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten (im Folgenden: BK-Nr. 81 BKVO-DDR) vom 21.04.1981 (GBl. Teil I Nr. 12, S. 139) abgelehnt, nachdem auf der Grundlage einer Stellungnahme der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 17.09.1990 eine berufliche Verursachung der Bronchitis des Klägers nicht hatte festgestellt werden können. Gegen diese Verwaltungsentscheidung erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 05.12.1990 Widerspruch, den er u.a. damit begründete, dass entgegen der von seinem Betrieb gemachten Angaben eine wesentlich längere Expositionszeit mit formaldehydhaltigen Stoffen bestanden habe und eine berufliche Verursachung der chronisch-entzündlichen Erkrankung der oberen Atemwege hierdurch wahrscheinlich sei. Die Beigeladene zog die Akten der Arbeitshygieneinspektion K ... bei und holte Angaben des Klägers selbst und der PGH zur beruflichen Exposition des Klägers mit Schädlingsbekämpfungs- und Desinfektionsmitteln ein. Der staatliche Gewerbearzt Dr. L1 ... wies in seiner Stellungnahme vom 29.11.1991 darauf hin, dass beim Kläger bereits am 04.08.1975, also fünf Tage nach Beginn der Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer, eine gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung vorgelegen habe. Eine obstruktive Ventilationsstörung sei in der Regel Ausdruck einer vorbestehenden chronischen Atemwegserkrankung, so dass sich allenfalls die Frage einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch die berufliche Tätigkeit stelle. Im Auftrag der Beigeladenen erstattete Dr. M1 ..., Klinik für Berufskrankheiten Bad R ..., am 28.12.1992 ein arbeitsmedizinisches Gutachten und am 18.02.1993 eine ergänzende Stellungnahme. Er meinte, dass beim Kläger eine mit einer MdE um 30 v.H. zu bewertende Berufskrankheit aufgrund seiner Tätigkeit bei der PGH vorliege. Die Beigeladene gab die Bearbeitung des Verfahrens an die fachlich für die PGH zuständige Beklagte ab. Die Beklagte holte eine Stellungnahme nach Aktenlage bei Prof. Dr. H1 ... ein, der am 25.08.1993 eine erneute lungenärztliche Begutachtung mit neurologischer Zusatzbegutachtung empfahl, weil das Gutachten von Dr. M1 ... nicht schlüssig sei. Die Beklagte gab daraufhin ein neurologisches Gutachten bei Dr. R1 ... in Auftrag, die nach Untersuchung des Klägers in ihrem Gutachten vom 14.02.1994 neurotoxische und neurologischen Schäden verneinte. Nach Beiziehung des Sozialversicherungsausweise des Klägers und von einigen Unterlagen aus dem Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... (Blatt 278 bis 288 der Beklagtenakte) legte Dr. F1 ... am 24.05.1994 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein weiteres pulmologisches Gutachten vor. Er führte darin aus, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer eine Vorschädigung der Bronchien im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung gehabt habe. Somit könne sicher ausgeschlossen werden, dass die Atemwegserkrankung des Klägers beruflich entstanden sei. Eine berufsbedingte richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens sei ebenfalls auszuschließen, weil der Kläger nicht ausreichend exponiert gewesen sei, wie aus der Expositionsanalyse der Arbeitshygieneinspektion K ... vom 05.07.1990 hervorgehe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.08.1994 meinte Dr. F1 ..., selbst bei einer unterstellten höheren Exposition des Klägers könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die beim Kläger berufsunabhängig vorbestehende Bronchitis durch die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer dauerhaft verschlimmert worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.1994 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08.11.1990 als unbegründet zurück. Mit der beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, dass seine chronische Bronchitis durch die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer entstanden und zu entschädigen sei. Das SG hat Krankenblattunterlagen des Klinikums C ... und Befundberichte von Dr. H2 ..., Dr. B2 ..., Dr. B1 ... und von Dr. K2 ... beigezogen. Ferner hat das SG ein arbeitsmedizinisch-internistisches Gutachten bei Prof. Dr. L2 ..., Universität E ..., eingeholt (Gutachten vom 20.01.1997), das sich ergänzend auch auf ein allergologisches und ein röntgenologisches Zusatzgutachten gestützt hat. Prof. Dr. L2 ... hat in seinem Gutachten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK-Nr. 81 BKVO- DDR mit einer MdE um 30 v.H. empfohlen. In der mündlichen Verhandlung am 28.05.1997 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. L2 ... seinem Gutachten eine Exposition mit Formaldehyd lediglich unterstellt habe, die so nicht nachgewiesen sei. Im Übrigen sei die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zuständiqer Unfallversicherungsträger, falls der Versicherungsfall vor dem 01.01.1991 liege. Mit Beschluss vom 09.07.1997 hat das SG die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zum Verfahren beigeladen, weil sie für die Entschädigung eines vor 1991 im Beitrittsgebiet beim Kläger eingetretenen Versicherungsfalles gemäß dem Verteilerschlüssel nach den Geburtsdaten der zuständige Unfallversicherungsträger sei (§ 1159 RVO i.V.m. der Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet I, Abschnitt III, Nr. 1 Buchstabe c, Abs. 8 Nr. 2 Einigungsvertrag vom 31.08.1990). Der Kläger hat im Rahmen der weiteren Ermittlungen zur Exposition mit Schädlingsbekämpfungsmitteln Arbeitsnachweise für die Zeit von 1981 bis 1985 und eine Bestätigung von ... B ..., ehemaliger Vorsitzender PGH G ... K ... vom 18.07.1997 vorgelegt. Prof. Dr. L2 ... hat in seiner ersten ergänzenden Stellungnahme vom 27.10.1997 darauf hingewiesen, dass eine richtungsgebende Verschlimmerung einer vorbestehenden Atemwegserkrankung nur dann anzunehmen sei, wenn der Kläger einer hinreichenden Formaldehydexposition ausgesetzt gewesen sei. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 31.08.1998 ausgeführt, dass der Kläger in der Zeit von 1980 bis 1985 mit Formaldehydkonzentrationen in Kontakt gekommen sei, die teilweise erheblich über dem Grenzwert gelegen hätten. Die Beigeladene hat eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. F1 ... vom 30.12.1998 vorgelegt, in der er erneut ausgeführt hat, dass beim Kläger keine richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Bronchialleidens durch die berufliche Tätigkeit eingetreten sei. Selbst wenn man den Einschätzungen von Prof. Dr. L2 ... in seinem Gutachten vom 20.01.1997 hinsichtlich einer tätigkeitsbedingten Verschlimmerung folge, sei diese nur als vorübergehend anzusehen. Prof. Dr. L2 ... hat sich in seiner zweiten ergänzenden Stellungnahme vom 09.02.1999 der Auffassung von Dr. F1 ... angeschlossen, wonach eine richtungsgebende Verschlimmerung der berufsunabhängig vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung durch die Exposition gegenüber Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Mit Schriftsatz vom 20.03.1999 hat der Kläger erneut darauf hingewiesen, dass er nach seiner Auffassung bei der Einstellung in die PGH keine gesundheitlichen Probleme hinsichtlich seiner Atemorgane gehabt habe. In seinem Sozialversicherungsausweis sei dokumentiert, dass er regelmäßig an den arbeitsmedizinischen Tauglichkeits- und Überwachungsuntersuchungen teilgenommen habe. Im Übrigen sei er auch am 04.04.1968 bei der Einstellungsuntersuchung für die Nationale Volksarmee als diensttauglich gemustert worden. Ehemalige Mitarbeiter der PGH, ... B ... und ... P ..., haben dem Kläger mit Schreiben vom 15.03.1999 und 08.03.1999 bestätigt, dass er seit 1975 Desinfektionsarbeiten durchgeführt habe. Die Beklagte und die Beigeladene haben ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass sowohl Dr. F1 ... als auch letztendlich Prof. Dr. L2 ... übereinstimmend festgestellt hätten, dass es durch die berufliche Exposition des Klägers mit Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 nicht zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Bronchialleidens gekommen sei. Hinsichtlich der Formaldehydexposition in den Jahren 1975 bis 1979 ließe sich nicht mehr ermitteln, ob der Kläger in ausreichendem Umfang einer Formaldehydexposition oberhalb der Grenzwerte ausgesetzt gewesen sei. Das SG hat die Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08.11.1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1994 aufzuheben und die Beigeladene, hilfsweise die Beklagte, zu verurteilen, die Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen, mit Urteil vom 24.03.1999 abgewiesen. Hierbei ist es im Kern der Argumentation der Beklagten und der Beigeladenen gefolgt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien. Die beim Kläger bestehenden Atembeschwerden stellten keine Berufskrankheit dar, die nach § 221 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16.06.1977 i.V.m. BK-Nr. 81 BKVO-DDR bzw. nach dem Sonderentscheidverfahren nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26.02.1981 der DDR anerkannt werden könnten. Das Berufskrankheitenrecht der DDR sei weiterhin anzuwenden. Denn Berufskrankheiten, die vor dem 01.01.1992 eingetreten und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Berufskrankheiten der Sozialversicherung gewesen sei, gälten gemäß § 215 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 1150 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Berufskrankheiten im Sinne des 3. Buches der RVO. Nachdem bei irritativ-chronischen Krankheiten der oberen und tieferen Luftwege und Lungen durch chemische Stoffe die krankheitsbedingte Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nach BK-Nr. 81 BKVO-DDR zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gehöre, sei darauf abzustellen, wann der Kläger die atemwegsgefährdende Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer aufgegeben habe. Dies sei hier bereits im April 1986 der Fall gewesen.
Es könne dahinstehen, ob eine Prüfung nach BK-Nr. 81 BKVO-DDR DDR oder nach dem Sonderentscheidverfahren zu erfolgen habe. Nach den Empfehlungen zur Meldung und arbeitsmedizinischen Begutachtung irritativer chronischer Erkrankungen der Atemwege und Lungen durch chemische Stoffe als Berufskrankheit" der Obergutachtenkommission vom 17.12.1987 (zitiert in: Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer [1945 - 1990] S. 299 ff.) sei die Prüfung einer richtungsgebenden Verschlimmerung einer nichtberuflichen Erkrankung im Ausnahmefall für die chronische Laryngitis sowie für Krankheiten der tieferen Atemwege und Lungen möglich. Auch bei Anwendung des Berufskrankheitenrechts der DDR sei für die kausal wirksamen Tatsachen der Vollbeweis erforderlich. Zu den kausal wirksamen Tatsachen gehöre das Vorliegen der versicherten Tätigkeit selbst, die tätigkeitsbezogene Einwirkung und die Erkrankung. Im Falle des Klägers sei nur für den Zeitraum von 1980 bis 1985 gesichert, dass er in grenzwertüberschreitendem Ausmaß mit Formaldehyd in Berührung gekommen sei (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 31.08.1998). Hinsichtlich der Formaldehydexposition für den Zeitraum vom 31.07.1975 bis 1979 habe trotz Ausschöpfung sämtlicher Beweismittel nicht mit Gewissheit ein derartiger Nachweis geführt werden können. Der sich hieraus ergebende prozessuale Nachteil treffe den Kläger, der für den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen die objektive Beweislast habe (Hinweis auf BSGE 6, 70, 72).
Im Falle des Klägers wäre eine berufsbedingte Atemwegserkran-kung durch chemisch- irritativ wirkende Stoffe nur dann anzuerkennen gewesen, wenn die Formaldehydexposition des Klägers in den Jahren 1980 bis 1986 zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden, berufsunabhängigen Atemleidens geführt hätte. Dass beim Kläger bereits vor der Aufnahme als Schädlingsbekämpfer am 31.07.1975 eine gering- bis mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung vorgelegen habe, ergebe sich aus dem ärztlichen Zeugnis von Dr ... G1 ... vom 04.08.1975, das vom Kläger selbst unterzeichnet worden sei. Er sei deshalb nur als bedingt maskentauglich eingestuft worden. Auch in der Berufskrankheiten-Verdachtsmeldung des Betriebes vom 12.11.1979 sei hierauf hingewiesen und vermerkt worden: "vermutlich anlagebedingt bzw. in seiner früheren Tätigkeit durch Nitrofarben hervorgerufen". Angesichts dieser Unterlagen könne dem Vortrag des Klägers, er sei bei Aufnahme seiner Arbeit in der PGH voll einsatzfähig gewesen, nicht gefolgt werden. Von einer vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung gingen im Übrigen auch sämtliche im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren eingeholten Gutachten aus. Den für den Kläger positiven Gutachten (vom 28.12.1992 - Dr. M1 ... - und vom 20.01.1997 - Prof. Dr. L2 ... -) könne nicht gefolgt werden. Dr. M1 ... gehe in seinem Gutachten davon aus, dass sich die Beschwerden des Klägers bei 1975 bestehender Vorschädigung nach der Aufgabe der Tätigkeit 1986 gebessert hätten. Bei seiner abschließenden Beurteilung bewerte er den im Untersuchungszeitpunkt beim Kläger vorliegenden Zustand einer mittelgradigen obstruktiven Ventilationsstörung mit einer MdE von 30 v.H., ohne zu differenzieren, welcher Anteil der MdE-Schätzung auf das vorbestehende berufsunabhängige Leiden entfalle. Auch Prof. Dr. L2 ... habe in seinem Gutachten vom 20.01.1997 angenommen, dass es zur einer erheblichen Verbesserung nach Aufgabe der gesundheitsschädigenden Tätigkeit im Jahre 1986 gekommen sei. Die Lungenfunktionsprüfung anlässlich der gutachtlichen Untersuchung habe eine leicht- bis mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung mit geringer Lungenüberblähung und leichter bis mittelschwerer Erhöhung der Atemwegswiderstände ergeben. Auch Prof. Dr. L2 ... habe darauf hingewiesen, dass der Kläger im Rahmen der Einstellungsuntersuchung im August 1975 bereits an einer obstruktiven Atemwegserkrankung gelitten habe. Der Sachverständige habe (unter der unterstellten Voraussetzung einer ausreichenden Formaldehydexposition) eine richtungsgebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Atemwegsleidens angenommen. Die jetzt vorliegende leicht- bis mittelgradige obstruktive Atemwegswerkrankung mit geringer Lungenüberblähung habe er mit einer MdE von 30 v.H. bewertet, ohne dabei zwischen dem berufsunabhängigen und dem Verschlimmerungsanteil zu differenzieren.
Demgegenüber habe Dr. F1 ... in seiner Stellungnahme vom 30.12.1998 darauf hingewiesen, dass beim Kläger allenfalls eine vorübergehende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens vorgelegen habe. Die von den beiden Vorgutachtern vorgeschlagene MdE um 30 v.H. könne nicht aus einer Verschlimmerung hergeleitet werden. Der Kläger habe bemerkt, dass erste Luftnotbeschwerden bei körperlicher Belastung erstmalig Ende 1979, Anfang 1980 aufgetreten seien. 1983 sei der Kläger erstmalig mit der Diagnose 491 (chronische Bronchitis) arbeitsunfähig krank gewesen. Ende 1985/Anfang 1986 sei es zu Blutbeimengungen im Auswurf gekommen. Im Rahmen einer stationären Diagnostik im April 1986 sei eine chronisch-obstruktive Bronchitis bestätigt worden. Die Blutbeimengungen im Auswurf seien laut Epikrise vom 06.05.1986 nur im Rahmen dieses akuten bronchialen Infektes aufgetreten. Auf eine Verschlimmerung könne nur aufgrund der Angaben des Klägers und dieser Epikrise geschlossen werden. Es lägen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 keine Ergebnisse von Lungenfunktionsprüfungen vor, aus denen eine weitere Zunahme der bereits 1978 vorhandenen starken Bronchialeinengung zu objektivieren wäre. Dr. F1 ... habe weiterhin darauf hingewiesen, dass die Angaben in der ärztlichen Meldung vom 24.07.1979 beachtet werden müssten. Danach habe 1975 eine Obstruktion I. Grades, 1976 eine deutliche Obstuktion, 1977 normale Werte und 1978 eine hochgradige obstruktive Ventilationsstörung vorgelegen. Das heiße, die Bronchialeinengung sei nicht fixiert und konstant, sondern wechsele wie bei rezidivierenden Bronchialschleimhautentzündungen. Auch Dr. B1 ... habe in seiner ärztlichen Meldung vom 14.09.1989 nur angegeben, dass beim Kläger eine obstruktive Ventilationsstörung bestanden habe. Er habe auf eine chronische Bronchitis mit Husten, Auswurf und zunehmender Belastungsluftnot hingewiesen. Die Lungenfunktionsuntersuchungen im Rahmen der Begutachtung 1994 und 1996 hätten eine fortbestehende Bronchialeinengung (obstruktive Ventilationsstörung), die bereits vor 1980 vorgelegen habe, bestätigt.
Ausschlaggebend für die Entscheidung des SG ist die gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. L2 ... vom 09.02.1999 gewesen. In dieser ist er von seinen im Gutachten vom 20.01.1997 aufgestellten Schlussfolgerungen abrückt und hat sich voll inhaltlich der Argumentation von Dr. F1 ... angeschlossen. Prof. Dr. L2 ... hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.02.1999 aufgrund der nachträglich vorgelegten Feststellungen des TAD, wonach für die Zeit vor 1980 und für die Zeit nach 1985 keine entsprechende Formaldehydexposition dokumentiert bzw. mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit belegt worden sei, eine berufsbedingte Verschlimmerung verneint. Denn die Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung beim Kläger sei in den Jahren zwischen 1975 und 1979 eingetreten und nicht in den Jahren von 1980 bis 1985, in denen die Formaldehydexposition über bzw. teilweise erheblich über dem Grenzwert gelegen habe. Eine richtungsgebende Verschlimmerung der vorbestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung durch die Exposition gegenüber Formaldehyd in den Jahren 1980 bis 1985 sei daher nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf seine zur Niederschrift erklärte Berufungsbegründung vom 22.04.1999 sowie auf seine Schriftsätze vom 18.08.2000, vom 15.02.2002 und vom 11.04.2002 verwiesen.
Nach entsprechendem Hinweis des Senats hat der Kläger nach § 109 SGG beantragt, Dr. B1 ... zum Sachverständigen zu bestimmen. In seinem arbeitsmedizinsch-toxikologischen Gutachten vom vom Juni 2000 nach ambulanter Untersuchung des Klägers und ergänzender Stellungnahme vom 20.10.2000 mit nachgereichten paraklinischen Befunden hat Dr. B1 ... einen Zusammenhang bejaht. Er meint, dass beim Kläger eine mittelschwere restriktive und leichte obstruktive Ventilationsstörung sowie eine schwere periphere Obstruktion mit deutlicher Erhöhung des Atemwegswiderstandes vorliege. Diese sei insgesamt mit einer MdE um 50 v.H. zu bewerten. Durch die Formaldehydexposition in den Jahren seit 1980 sei es zu einer Verschlimmerung gekommen. Hieraus ergebe sich ein berufsbedingter Verursachungsanteil der MdE um 30 v.H. Für die Zeit vor 1980 könnten gehäufte Erkrankungen durch bakterielle oder virale Infekte weitgehend ausgeschlossen werden. Dies folge aus den paraklinischen Werten. Allerdings liege beim Kläger eine allergische Disposition vor, die eine besondere Vulnerabilität gegenüber chemisch-toxischen und inhalativen Atemtraktbelastungen mit sich bringe. Wegen der hohen grenzüberschreitenden Formaldehydwerte komme dem Rauchen keine entscheidende Bedeutung zu. Es könne ausgeschlossen werden, dass sich allein durch eine allergische Disposition eine Gesundheitsschädigung im Alter von 36 Jahren entwickelt habe, wie sie beim Kläger 1986 anzutreffen gewesen sei. Die Schutzmaßnahmen (Schwammmaske) seien unzureichend gewesen. Hinsichtlich der Formaldehydexposition stützt sich der Sachverständige auf Modellberechnungen, die der Kläger bei der ... GmbH Privates Institut für Umweltanalysen eingeholt hat (Blatt 100 ff. LSG-Akte). Ferner hat sich der Sachverständige auf eine bis dahin dem Gericht unbekannte Rechtsherzkatheteruntersuchung vom 7.10.1999 im Kreiskrankenhaus K ... berufen.
Hiergegen haben die Beklagte und die Beigeladene eingewandt, im SV-Ausweis seien regelmäßig Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Atemwegserkrankungen nachgewiesen. Auch sei die Verschlimmerung schon vor 1980 aufgetreten.
Nach einem Erörterungstermin am 28.02.2002 hat der Senat, nachdem zunächst den Akten zu entnehmen gewesen ist, dass im Archiv des Gesundheitsamtes der C ... keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, insbesondere nochmals diese Einrichtung um Übersendung medizinischer Unterlagen gebeten. Mit Schreiben vom 18. und 19.03.2002 sind umfangreiche Unterlagen übersandt worden. Mit Beweisanordnung vom 6.11.2002 hat der Senat den Pulmologen Prof. Dr. N1 ... zum Sachverständigen bestimmt. Prof. Dr. N1 ... hat in seinem Gutachten vom 4.12.2002 eine nachweisbare Verschlimmerung für die Jahre von 1975 bis 1992 verneint. Schon 1975 seien die vorbestehenden Lungenfunktionseinschränkungen mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 294 bis 308 der LSG-Akte verwiesen.
Schriftsätzlich hat sich der mittlerweile anwaltlich vertretene Kläger zum Gutachten von Prof. Dr. N1 ... nicht geäußert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. März 1999 mit dem Bescheid der Sozialversicherung der DDR vom 08. November 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1994 aufzuheben, festzustellen, dass die Atemwegserkrankung des Klägers eine Berufskrankheit im Sinne der BK-Nr. 81 BKVO-DDR ist und die Beigeladene, hilfsweise die Beklagte, zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das SG-Urteil für zutreffend. Schriftsätzlich haben sie sich zum Gutachten von Prof. Dr. N1 ... nicht geäußert.
Ergänzend wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung in der Beweisanordnung vom 6.11.2002 verwiesen (Blatt 250 bis 259 der LSG-Akte).
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Unterlagen des Archivs des Gesundheitsamtes der Stadt C ... vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Wegen der anzuwendenden Rechtsgrundlagen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, soweit es um die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers geht.
Auch nach dem Berufskrankheitenrecht der DDR besteht Anspruch auf Entschädigungsleistungen nur dann, wenn vollbeweislich gesichert ist, dass es nach Beginn der Exposition zur Entstehung oder zur Verschlimmerung einer irritativen chronischen Krankheit der oberen oder tieferen Luftwege oder der Lungen gekommen ist und zudem pathophysiologische Veränderungen in diesem Bereich mit Wahrscheinlichkeit durch chemische Stoffe verursacht worden sind.
Mit Ausnahme des Gutachtens von Prof. Dr. N1 ... leiden die anderen Gutachten darunter, dass sie nicht Schritt für Schritt die gesundheitliche Entwicklung des Klägers ab 1975 dargestellt und anhand der Unterlagen diskutiert haben. Den früheren Sachverständigen lag allerdings auch nur ein geringer Teil der jetzt ermittelten atemwegsfunktionsspezifischen Unterlagen vor, so dass sie überhaupt nicht imstande waren, mit Sicherheit festzustellen, ob sich die hier allein entscheidenden Atemfunktionswerte während und im unmittelbaren Anschluss an die (mögliche) Exposition in den Jahren von 1975 bis 1986 verschlechtert haben. Erst durch die Beiziehung der archivierten Unterlagen des Gesundheitsamtes der Stadt C ... konnte ein Sachverständiger anhand konkreter Fakten nachprüfen, ob und gegebenenfalls wie sich die Atemfunktionswerte beim Kläger entwickelt haben. Das pulmologische Gutachten der Dres. M1 ... und M2 ... vom 28.12.1992 bejahte ohne eingehende Begründung eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung, verursacht durch chemisch- irritativ bzw. chemisch-toxisch wirkende Arbeitsstoffe (Pestizide). Die Sachverständigen schlugen vor, die MdE mit 30 v.H. zu bewerten. Die Beklagte wies sodann mit Recht die Sachverständigen darauf hin, dass beim Kläger schon vor Aufnahme seiner Tätigkeit in der PGH eine beginnende mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt worden ist. Die nachfolgenden Ausführungen der Sachverständigen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.2.1992 sind nicht schlüssig. Dort wird zwar die Auffassung vertreten, der 1975 vorliegende Befund im Bereich der Atemwege könne nicht auf den Beruf zurückgeführt werden, sondern sei durch die Rauchgewohnheiten und den in der Jugend erlittenen Nasenbeinbruch des Klägers erklärbar. Begründet wird die vorgeschlagene MdE dann jedoch nicht mit atemwegsfunktionsbezogenen Argumenten, sondern mit mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit anzunehmenden neurotoxischen Folgeschäden nach 10-jähriger Exposition gegenüber Pestiziden". Kurz zuvor wird in derselben Stellungnahme aber ausgeführt: "In dem vorliegenden Fall kann das Ausmaß möglicherweise vorliegender neurotoxischer Folgeschäden durch Halogenkohlenwasserstoffe bzw. durch organische Phosphorverbindungen nicht abgeschätzt werden, da hierzu relevante Daten fehlen." Ferner wird die Auffassung vertreten, über die berufsbedingte Verschlimmerung der auf dem Boden einer durch die Rauchgewohnheiten des Klägers entstandenen bronchialen Hyperreagibilität könne keine Aussage getroffen werden. Das Gutachten der Dres. M1 ... und M2 ... ist daher sowohl hinsichtlich der Erhebung pulmologischer Gesundheitsstörungen als auch hinsichtlich der darauf bezogenen Zusammenhangsbeurteilung argumentativ völlig inkonsistent. Das dann eingeholte neurologische Gutachten von Dr. R1 ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 14.2.1994 ist insoweit bedeutsam, als neurotoxische Schäden des zentralen und des peripheren Nervensystems ausgeschlossen wurden und damit die weitere gutachtliche Diskussion auf eventuelle berufsbedingte pulmologische Gesundheitsstörungen zu beschränken war. Aus den gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. F1 ... und der maßgeblichen letzten Stellungnahme von Prof. Dr. L2 ... und Dr. W1 ... vom 9.2.1999, in der die bisherige Auffassung von Prof. Dr. L2 .../Dr. B3 .../Dr. W1 ... präzisiert und nicht länger nur hypothetisch für den Fall ausreichender Exposition formuliert wurde, kann der Kläger auch keine Argumente für einen Entschädigungsanspruch herleiten. Im Übrigen irrt Prof. Dr. L2 ... darin, dass beim Kläger überhaupt eine Verschlimmerung seiner obstruktiven Atemwegserkrankung eingetreten sei. In seinem arbeitsmedizinsch-toxikologischen Gutachten vom Juni 2000 meint zwar Dr. B1 ..., dass beim Kläger eine mittelschwere restriktive und leichte obstruktive Ventilationsstörung sowie eine schwere periphere Obstruktion mit deutlicher Erhöhung des Atemwegswiderstandes vorliege. Diese sei insgesamt mit einer MdE um 50 v.H. und der berufsbedingte Verschlimmerungsanteil mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten. Das Gutachten von Dr. B1 ... hat aber den entscheidenden Mangel, dass es die im Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... vorhandenen Unterlagen über den Kläger nur verwerten konnte, soweit sie schon in den Verfahrensakten vorhanden waren. Dies war nur zum kleineren Teil der Fall. Dr. B1 ... hat gerade nicht nachvollziehbar dargestellt, aus welchen Atemwegsfunktionswerten der Verschlimmerungsanteil abzuleiten und vom Vorschaden abzugrenzen ist. Der Kläger legte immer wieder einzelne, bislang in den Akten noch nicht vorhandene, zum Teil sehr spezifische alte medizinische Unterlagen vor. Im Erörterungstermin am 28.02.2002 hat er darauf angesprochen erklärt, dass er versucht habe, Unterlagen vom Gesundheitsamt zu erhalten, dieses sich jedoch geweigert habe, (alle) Unterlagen an ihn herauszugeben. Unklar blieb im Erörterungstermin aber, woher genau der Kläger diese Unterlagen hatte. Es bestand aber nach seinen Ausführungen die Möglichkeit, dass er sie vom Gesundheitsamt der Stadt C ... erhalten hatte, obwohl sie nicht bei den Unterlagen wiederzufinden waren, die das Gesundheitsamt der Stadt C ... im April 1994 der Beklagten übersandt und zudem zuvor sogar mitgeteilt hatte, dass sich über den Kläger keine Unterlagen aus der ehemaligen Poliklinik R ... im Archiv befänden. Zur Klärung dieser Unstimmigkeiten hat der Senat vom Archiv des Gesundheitsamtes der Stadt C ... nochmals mit Schreiben vom 07.03.2002 Unterlagen angefordert und solche in erheblichem Umfang erhalten. Zugleich hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.4.2002 wichtige Unterlagen (Blatt 215, 223, 226, 228, 233, 238 der LSG-Akte) übersandt, die mit archivierten, bislang unbekannten Unterlagen des Gesundheitsamtes C ... identisch sind. In Auswertung dieser Unterlagen ist Prof. Dr. N1 ... in seinem ausführlich begründeten und den Senat überzeugenden Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger jedenfalls seit 1975 unter einer Obstruktion der tieferen Atemwege litt, die schon damals mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten war, und diese Obstruktion über die Jahre hinweg bis 2000 mit Ausnahme des Jahres 1978 bemerkenswert konstant geblieben war (ausgedrückt in dem Quotient FEV1 [Atemstoßwert, 1- Sekundenkapazität]: VK [Vitalkapazität]). Prof. Dr. N1 ... hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass der im Jahr 1978 gemessene Wert ein "Ausreißer" war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob berufliche Ursachen hier eine Rolle gespielt haben. Entscheidend ist, dass die Verschlimmerung der Obstruktion fast sicher ausgeschlossen, keinesfalls aber im Sinne des Vollbeweises belegt werden kann. Wodurch die Obstruktion entstanden ist, die schon 1975 nachweisbar war, ist nicht aufklärbar. Ferner hat Prof. Dr. N1 ... für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass beim Kläger 1992 erste Anzeichen eines sich entwickelnden Emphysem (Lungenüberblähung) festzustellen waren, das Emphysem sich aber noch 1996 nicht voll entwickelt hatte, sondern bei isolierter Betrachtung die Befunde nur ausreichten, um einen dahingehenden Verdacht zu äußern. Die Möglichkeit einer Schädigung der Luftröhrenäste durch Formaldehyd mit einer Weiterentwicklung zum Emphysem ist nach Auffassung von Prof. Dr. N1 ... zwar vorstellbar. Er weist jedoch darauf hin, dass dagegen das sehr späte Auftreten des Emphysems mehr als 10 Jahre nach Beendigung der möglichen Exposition spricht. Denn das Formaldehyd ist auch in der Lunge flüchtig und kann etwa im Gegensatz zu silikotischen Einlagerungen nicht fortdauernd schädigend auf das Gewebe einwirken. Aus den medizinischen Unterlagen lässt sich kein Nachweis eines von der obstruktiven Atemwegserkrankung unabhängigen frühen Beginns eines emphysematösen Prozesses führen. Hingegen entspricht das zeitliche Intervall von 20 Jahren zwischen dem Erstnachweis einer Obstruktion und dem späteren Emphysem dem üblichen langsamen Fortschreiten. Für eine solche Entwicklung bedarf es keines Zusatzfaktors in Gestalt einer Formaldehydexposition. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein erst viele Jahre nach 1991 entstandenes Emphysem überhaupt Gegenstand dieses Rechtsstreits, der allein eine Verwaltungsentscheidung nach dem Recht der DDR zum Gegenstand hat, sein könnte, wenn ein Zusammenhang zwischen der unterstellten Formaldehydexposition von 1975 bis Anfang 1986 und dem Emphysem hergestellt werden könnte. Denn der Versicherungsfall wäre dann wohl erst unter der Geltung der bundesdeutschen Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) eingetreten. Abgesehen davon verlangt Nr. 4302 der Anlage zur BKV eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung als Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit bei Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen. Eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung liegt beim Kläger aber nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
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