L 6 V 5/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 V 10/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 V 5/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Im Zivildienstgesetz sollte durch den Begriff der "Schädigung durch die Dienstverrichtung" ein von der gesetzlichen Unfallversicherung wesensverschiedener Tatbestand nicht geschaffen werden. 2.) Ein Bandscheibenvorfall kann nur dann Zivildienstschädigungsfolge sein, wenn er entweder auf einen Unfall oder auf die zivildiensteigentümlichen Verhältnisse zurückgeht. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn Bedingungen bestanden haben, die einer ausreichenden Exposition im Sinne einer BK 2108 in etwa entsprechen.3.) Eine verschärfte Haftung für den Fall, dass der Zivildienstleistende entgegen einem Verwendungsausschluss eingesetzt wurde, ist im ZDG nicht vorgesehen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.01.2002 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, inwiefern eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30 Schädigungsfolge im Sinne des Zivildienstgesetzes ist.

Der am ...1973 geborene Kläger leistete vom 05.04.1994 bis zum 30.06.1995 Zivildienst. Am 26.05.1992 war er in G ... gemustert worden, nach dem Musterungsbescheid vom selben Datum war er "voll verwendungsfähig". Zu Beginn des Dienstes musste er noch einmal zur Nachmusterung, hier wies er auf bereits bestehende Rückenprobleme hin und reichte anschließend ein Attest des Orthopäden Dr. D. S1 ... ein, welches ein Lumbalsyndrom bei Skoliose und Spaltbildung der unteren Lendenwirbelsäule bescheinigte und eine Nichteignung für körperlich schwere Arbeiten sowie Arbeiten mit überwiegend gebückter Haltung aussprach.

Die Nachmusterung erbrachte das Ergebnis "Zivildienstfähig, gemessen an den Anforderungen der Bundeswehr verwendungsfähig und voll einsatzfähig in Aufgaben des Zivildienstes", wobei hinsichtlich des Wirbelsäulenbefundes eine Torsionsskoliose (s-förmige Skoliose, in sich gedreht) und ein rechts abgeflachter Thorax befundet wurden. Schon bei der Tätigkeit im Kinderkurheim P ... traten beim Kläger immer wieder Rückenprobleme auf. Diese Einrichtung wurde zum 31.12.1994 geschlossen. Anschließend wurde der Kläger dem Stadtbauhof P ... zugewiesen, hier fielen Schachtarbeiten sowie Schneeräumarbeiten an. In der ersten oder dritten Woche kam es beim Kläger bei einer Verdrehung des Rumpfes zu einem akuten blitzartigen Schmerz in der unteren Lendenwirbelsäule, der bis ins Bein ausstrahlte. Er wurde am folgenden Tag von seinem Hausarzt arbeitsunfähig geschrieben und erhielt Spritzen und Physiotherapie. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte zunächst bis Februar 1995. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit aus demselben Grund trat dann noch einmal im Mai 1995 auf. Ein MRT vom 05.09.1995 erbrachte einen kleinen Prolaps bei L5/S1, allerdings ohne echte Wurzelalteration linksseitig. Nach Auffassung des Radiologen Dr. N. S2 ... wies der Kontakt zur rechtsseitigen S1-Wurzel nicht auf eine klinische Relevanz, vielmehr erkläre sich die vertebragene Schmerzsymptomatik "aus der Entwicklungsstörung mit Fehlstellung und bereits nachweisbaren degenerativen Veränderungen an den Schlussplatten und Facettengelenken". Gleichwohl bestand nach Auffassung des Neurologen Dr. R. M1 ... eine gute Korrelation zwischen Beschwerdebild und MRT-Befund.

Am 29.01.1996 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Entschädigung nach dem Zivildienstgesetz (ZDG). Ein von dem Beklagten bei dem Allgemeinmediziner C. Hill in Auftrag gegebenes Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, es habe sich bei dem angeschuldigten Ereignis (Schneeräumen) um eine Gelegenheitsursache gehandelt, schließlich sei die Wirbelsäule durch Skoliose vorgeschädigt gewesen. Im Übrigen sei es auch nicht wahrscheinlich, dass der Bandscheibenvorfall tatsächlich durch die Tätigkeit verursacht worden sei, diagnostiziert worden sei er jedenfalls erst Monate später.

Diese Argumentation machte sich der Beklagte zu eigen und lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 23.07.1999 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 25.04.2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) hat dieses ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. D1 ..., D ... eingeholt. In dem Gutachten vom 09.10.2001 wird die Auffassung vertreten, dass der festgestellte Bandscheibenvorfall auch aus der Zeit vor 1995 stammen könne. Außerdem sei davon auszugehen, dass bei dem Kläger präspondylotische Deformitäten bestanden hätten. In den aktuellen Röntgenaufnahmen fänden sich eindeutige Hinweise auf eine im Adoleszentenalter durchgemachte apophysäre Wachstumsstörung, ein gewisser disponentieller Faktor für die Ausbildung degenerativer Veränderungen sei daher mit in Betracht zu ziehen. Ein Verhebetrauma im eigentlichen Sinne habe im Januar 1995 ohnehin nicht vorgelegen.

Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 22.01.2002 die Klage abgewiesen. Es sei nicht wahrscheinlich, dass das vom Kläger angeschuldigte Ereignis die Lendenwirbelsäule geschädigt habe, die Schädigung sei vielmehr Folge einer Wachstumsstörung. Auch die Bandscheibenschädigung sei durch das angeschuldigte Ereignis, das schon kein Verhebetrauma sei, weder verursacht noch verschlimmert worden. Eine Schädigung durch die Tätigkeit als solche sei nur bei langjährigen Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten (mindestens 10 Jahre) zu diskutieren.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Es habe sich sehr wohl ein Verhebetrauma ereignet. Ein solches liege vor bei einer durch plötzliche Krafteinwirkung beim Heben entstandenen Verletzung des Achsenskellettes bzw. des Bandscheibengewebes unter ungünstigen ergonomischen Bedingungen. Solche Bedingungen seien z.B. - Handhabungen von Lasten mit erzwungenem Rumpfbeugewinkel ) 30° - Handhabungen von Lasten unter erzwungener Torsion, Rumpfseit neigung, Akzeleration oder Dezeleration - Handhabung von Lasten mit schlechtem Kraftschluss ("Wirbelsäulenerkrankungen BK Nr. 2108 aus Sicht des Staat lichen Gewerbearztes Dr. med M. H1 ..., Arbeitstagung Berufs krankheiten") Unter Lasten seien Massen ) 10% des eigenen Körpergewichts zu verstehen, bei ihm also Massen über 7,7 kg. Schwerbeladene Schneeschieber hätten über 7 kg Gewicht und die transportierten Salzsäcke erst recht. Eine Skoliose habe fast jeder Mensch, deswegen könne man doch nicht jeweils eine Schadensverursachung ablehnen und als Gelegenheitsursache könne man die Schwerarbeit nun schon gar nicht bezeichnen. Vor der Zivildienstzeit habe er nie Rückenprobleme gehabt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.01.2002. sowie den Bescheid des Beklagten vom 23.07.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das pseudoradikuläre Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule als Schädigungsfolge nach dem ZDG anzuerkennen und eine Beschädigtenrente nach einer MdE von 30 % zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.01.2002 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogene Beklagtenakte, Grundlisten-Nr. 381031-8 sowie die Schwerbehindertenakte Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Nach § 47 Abs. 1 Zivildienstgesetz (ZDG) erhält ein Dienstpflichtiger, der eine Zivildienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Gemäß § 47 Abs. 2 ZDG ist eine Zivildienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die - durch eine Dienstverrichtung, - durch einen während der Ausübung des Zivildienstes erlittenen Unfall oder - durch die dem Zivildienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. § 47 Abs. 2 ZDG ist damit § 1 Abs. 1 BVG nachgebildet. Dabei besteht - zusätzlich zu den Tatbeständen, die denen der gesetzlichen Unfallversicherung nachgebildet sind, der Tatbestand der Schädigung alleine durch die Dienstverrichtung. Im Übrigen entspricht der Unfallbegriff dem der gesetzlichen Unfallversicherung und durch den Begriff der wehrdiensteigentümlichen bzw. zivildiensteigentümlichen Verhältnisse sind im Wesentlichen die Fallgruppen angesprochen, die der Berufskrankheit entsprechen. Dass im Recht der Kriegsopferversorgung anders als im Zivilleben noch ein weiterer - recht weit gefasster - Tatbestand existiert, nämlich der Schädigung durch eine Dienstverrichtung schlechthin, hängt damit zusammen, dass der militärische Dienst im Gegensatz zur versicherungspflichtigen Tätigkeit eo ipso als gesundheitsgefährdend bzw. gesundheitsschädlich aufzufassen ist. Ob dies so ohne weiteres für den Zivildienst gilt, ob also die wörtliche Übernahme besonders glücklich ist, hat der Senat nicht zu entscheiden; schwer vorstellbar scheint auch beispielsweise ein Angriff auf einen Zivildienstleistenden "wegen" seiner Zugehörigkeit zum Zivildienst (§ 47 Abs. 3 Nr. 1b ZDG) - diese Vorschrift ist dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) (§ 81 Abs. 2 Ziff. 1b) nachgebildet - jedenfalls ist bei der Auslegung gleichlautender Gesetze zu berücksichtigen, dass dann auch die Sachverhalte in etwa vergleichbar sein müssen, die unter dem identischen Wortlaut subsumiert werden. Nun könnte beispielsweise das Ereignis einer kriegsbedingten Schussverletzung unproblematisch unter die unfallversicherungsrechtliche Legaldefinition des Unfalls subsumiert werden: "Unfälle sind zeitlich begrenzte von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), auch der Duden (10. Band Bedeutungswörterbuch 3. Auflage 2002 S. 993) bezeichnet einen Unfall als ein "Ereignis, bei dem jemand verletzt oder getötet wird oder materieller Schaden entsteht". In dem Wort Unfall klingt aber darüber hinaus auch die Konnotation "Zufall" an und dies gilt ganz allgemein im indogermanischen Sprachraum (beispielsweise bedeutet im Französichen accident sowohl Zufall als auch Unfall, auch im Russischen wird - übersetzt - der Unfall als ein unglücklicher Zufall bezeichnet). Das deutsche Wort "Fall", was in dem Wort Unfall steckt, wobei die Vorsilbe "Un" die Bedeutung von "übel, schlecht, miss-" hat, geht von der Vorstellung des Würfelfalls aus (vgl. Duden, Etymologie, Band 7, 2. Auflage 1963, S. 154). Hiermit mag es zusammenhängen, dass sich der Begriff Unfall für Kriegsverletzungen nicht eingebürgert hat, schließlich werden im Krieg Verletzungen gemeinhin absichtlich zugefügt.

Hieraus erhellt sich, dass ein von der gesetzlichen Unfallversicherung wesensverschiedener Tatbestand mit dem Begriff der "Schädigung durch die Dienstverrichtung" nicht geschaffen werden sollte. Dies ist insofern für den vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, als auch in der medizinischen Literatur der Unfall als ein plötzlich von außen einwirkendes den Körper schädigendes Ereignis angesehen wird und deswegen, sofern endogene Ursachen den Ausgangspunkt bilden, allgemein von Trauma und nicht von Unfall gesprochen wird (vgl. Krämer, Bandscheibenbedingte Erkrankungen, 4. Auflage 1997, S. 354). In der privaten Unfallversicherung stehen ausdrücklich auch durch ungewöhnliche Kraftanstrengungen des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule unter Versicherungsschutz. Dies ist in der gesetzlichen Unfallversicherung so ausdrücklich nicht festgelegt. Allerdings ist der Begriff des "von außen" auf den Körper einwirkenden Ereignisses mehrfach modifiziert und aufgeweicht worden. So heißt es bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 67), hiermit solle lediglich ausgedrückt werden, dass ein aus innerer Ursache kommendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen sei (vgl. BSG SozR 2200 § 550 Nr. 35, BSG, Urteil vom 13.12.2000 - B 9 VS 1/00 R, BSGE 87, 194). Die innere Ursache, die ein Herzinfarkt zweifelsohne darstellt, soll danach dem Unfallcharakter des nachfolgenden Aufschlagens des Körpers auf den Boden nicht entgegenstehen, da es sich bei dieser inneren Ursache insoweit nur um eine "mittelbare" Ursache gehandelt habe, als unmittelbar auf den Körper einwirkend wird in einem solchen Fall der die Verletzungen verursachende harte Boden angesehen. In der genannten Entscheidung des BSG vom 13.12.2000 (BSGE 87, 194) wird, obwohl es sich um eine Entscheidung nach dem Soldatenversorgungsgesetz handelt, ausdrücklich Bezug genommen auf den Unfallbegriff der gesetzlichen Unfallversicherung, wenngleich dieser vom Begriff des Arbeitsunfalls kaum zu trennen sein dürfte. Allgemein gilt im Recht der Unfallversicherung, dass ein von außen auf den Körper einwirkender Vorgang, wie der Aufschlag auf den Boden nach einem Sturz, auch ein äußeres Ereignis ist (vgl. KassKomm-Ricke § 8 SGB VII Rn. 24). Arbeitsunfall unter Einbeziehung des Abgrenzungskriteriums des versicherten Risikos wird er allerdings erst dann, wenn der Gegenstand, der bei dem Sturz die Verletzungen verursacht, gewissermaßen für die versicherte Tätigkeit typisch ist (vgl. KassKomm, a.a.O., Rn. 81). Demnach könnte man aus der Formulierung des BSG in der genannten Entscheidung vom 13.12.2000, aus den Parallelen zwischen dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und dem SVG lasse sich nicht der Rechtssatz herleiten, das SVG dürfe keine Privilegierung gegenüber dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung enthalten, schließen, diese Privilegierung bestehe darin, dass im Versorgungsrecht alle "Unfälle" geschützt sind und nicht nur die, die in der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfälle gelten würden. Dieser Auslegung ist jedenfalls insoweit zu folgen, als sie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt: Während in der Unfallversicherung für die Entschädigung verlangt wird, dass sich der Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet hat, genügt nach BVG und ZDG, ein Unfall während der Ausübung des Dienstes. Die Differenzierung ist also auf der Kausalitätsebene vorzunehmen, eine Privilegierung hinsichtlich der Problematik der "inneren Ursache" besteht im Versorgungsrecht nicht. Die Privilegierung bedeutet lediglich, dass im Versorgungsrecht nicht das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des versicherten Risikos hinzukommt.

In der Praxis wird - vor allem im Unfallversicherungsrecht - insofern nicht immer in genügender Weise differenziert. Der Begriff der inneren Ursache wird vorschnell mit der Gelegenheitsursache gleichgesetzt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valtentin 6. Auflage 1998, S. 693, 8.12.6.2) und es wird vertreten, dass "bereits beim Unfallbegriff die haftungsausfüllende Kausalität zu prüfen" sei (vgl. LSG NRW, Urteil vom 24.11.1999 - L 17 U 261/97, HVBG Info 2000, 2067). Die Frage, ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist (rechtliche Wertung), darf nicht mit der Frage der begrifflichen Klärung, was eine äußere und was eine innere Ursache ist, verwechselt werden. Es erscheint bedenklich, wenn das LSG NRW (Urteil vom 24.11.1999 - L 17 U 261/97) unter Berufung auf das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.01.1996 - L 2 U 2145/95) ausführt, unter Umständen könnten auch körpereigene Bewegungen als äußere Ereignisse angesehen werden. Auf die genannte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg berufen sich auch Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., S. 66), die vom LSG NRW weiterhin zum Beleg dieser Ansicht zitiert werden. Körpereigene Bewegungen sind keine äußeren Ereignisse, sondern sie sind innere Ereignisse. Die aufgetretene Schwierigkeit besteht darin, dass in der Regel nach äußeren "Gegenständen" (wie z.B. der harte Boden oder dergleichen) gesucht wird, anstatt, wie es das Gesetz verlangt, nach "Ereignissen". Der Begriff des Ereignisses erschöpft sich nicht im mechanistischen Sinne darin, dass zwei Körper aufeinandertreffen. Ein Ereignis kann beispielsweise auch sein, wenn es zu ungewollten plötzlichen Muskelanspannungen und Bewegungsabläufen kommt (vgl. Krämer, Bandscheibenbedingte Erkrankungen, 4. Auflage 1997, S. 354). In der medizinischen Literatur sind nach herrschender Meinung traumatische Bandscheibenvorfälle selten. Sie kommen vor nach Brüchen benachbarter Wirbelkörper, bei Einwirkung erheblicher Kräfte auf die gebeugte Wirbelsäule, die die Beugung zu verstärken trachten, bei Verdrehungen des Rumpfes unter gleichzeitigem Heben und Bewegen schwerer Lasten, bei direkten Gewalteinwirkungen oder Verletzungen an der Halswirbelsäule und auch nach so genannten Schleuderverletzungen (vgl. Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage 1998, S. 380). Was also bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. 8.3.2.6.3.1., S. 492) als "Beispiele für ein geeignetes Unfallereignis" genannt wird, sind im Grunde genommen die Voraussetzungen, damit überhaupt in begrifflicher Weise ein Unfall vorliegt. Abgesehen von den unproblematischen Stauchungsfällen sind dieses eben gerade die Fälle ungewöhnlicher, überraschender und daher unkoordinierter Kraftanstrengung, z. B. beim Ausrutschen oder Beinahesturz mit schwerer Last, so dass das Überraschungsmoment im Vordergrund steht (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.1990, HV-Info 1990, 2136, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.1997, HV-Info 1997, 2848). Auch in begrifflicher Weise ist hierdurch dem üblichen Sprachgebrauch Genüge getan: Wer lediglich von einem plötzlichen Schmerz überrascht wird, erleidet keinen Unfall. Von einem Unfall kann man erst sprechen, wenn die Einwirkung von außen ausgeht, also die typischen Fälle, etwas Abrutschendes noch - unüberlegt und daher unkoordiniert - halten zu wollen etc.

Dass der Kläger einen Unfall in diesem Sinne erlitten hat, ist nicht vorgetragen worden. Das geschilderte Verheben war kein Unfall, da kein Ereignis von außen auf den Körper des Klägers eingewirkt hat. Eine statische Last, auf die sich der Körper eingestellt hat, ist auch dann kein von außen einwirkendes Ereignis, wenn der Körper mit dieser Last überfordert ist.

Ein lediglich durch starke Tragebelastung ausgelöster Bandscheibenvorfall ist versorgungsrechtlich nicht geschützt, weil es sich insoweit nicht um einen Unfall handelt. Dass der Tatbestand der "durch eine Dienstverrichtung" herbeigeführten Schädigung nicht eine Entschädigung für Dienstverrichtungen eröffnet, welche keine Unfälle sind, wurde bereits dargelegt. Ebenso wenig kommen die zivildiensteigentümlichen Verhältnisse als ursächlich in Betracht; da hier, wie beim Berufskrankheitenrecht, nur langjährige Belastungen (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz - AHP - 1996, S. 300 Nr. 128 Abs. 7) Auslöser sein können.

Bei dem bisher Gesagten wurde zudem ein Prolaps als Folge der Tragebelastung zunächst unterstellt. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass insofern der Vollbeweis erforderlich wäre, welcher nicht erbracht wurde.

Der Gutachter Prof. Dr. D1 ... hat darauf hingewiesen, dass ein Bandscheibenvorfall vor Januar 1995 durchaus möglich gewesen sei, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit seien jedenfalls degenerative Veränderungen der Bandscheibe L5/S1 bereits vorhanden gewesen. Im Übrigen habe ein Verhebetrauma im eigentlichen Sinne auch gar nicht vorgelegen. Die herrschende Meinung in der Medizin, auf die es im Rahmen des ZDG für die Beurteilung des wahrscheinlichen Zusammenhanges (§ 47 Abs. 7 ZDG) ankommt, bejaht die Möglichkeit der Verursachung eines Bandscheibenvorfalls durch Unfall nur in den bereits skizzierten Fällen (plötzliche ungewohnte Inanspruchnahme des Kreuzes vgl. Arnaldo Benini, der lumbale Bandscheibenschaden 1991, S. 203). Der Vollbeweis für eine abgrenzbare umschriebene Gesundheitsstörung scheitert aus mehreren Gründen: Ein Prolaps L5/S1 ist als durch die Hebetätigkeit verursacht nicht erwiesen, er ist nicht einmal wahrscheinlich, denn eine typische Situation, wodurch LWS-Bandscheibenvorfälle traumatisch entstehen können, war nicht gegegeben und ein bereits vorhandener - klinisch stummer - Prolaps ist keineswegs ausgeschlossen.

Eine Anerkennung eines Wirbelsäulenleidens im Sinne einer Verschlimmerung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es handelt sich versorgungsrechtlich dann um eine Verschlimmerung, wenn der schädigende Vorgang entweder den Zeitpunkt vorverlegt hat, in dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre, oder das Leiden schwerer auftreten ließ, als es sonst zu erwarten gewesen wäre.

Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre also zunächst der Nachweis eines aktuell schädigenden Vorgangs erforderlich.

Selbst wenn man den Unfallcharakter bejahen wollte, wäre damit allenfalls eine Gesundheitsstörung (§ 47 Abs. 7 ZDG) nach allgemeiner Betrachtungsweise als Folge solcher Unfälle "gut möglich"; das notwendige Zwischenglied der gesundheitlichen Schädigung im Sinne des § 47 Abs. 2 ZDG würde jedoch auch in dieser Fallvariante fehlen. Denn welche inneren Vorgänge sich bei den geschilderten Hebeereignissen abgespielt haben, ist völlig offen und auch im Nachhinein nicht mehr aufzuklären: Das Wurzelreizsyndrom (der einschießende heftige Schmerz) ist keineswegs untrüglicher Indikator für einen Bandscheibenprolaps. Das Wurzelreizsyndrom tritt dann auf, wenn Nervengewebe von Bandscheibengewebe bedrängt wird und dies muss durchaus nicht zeitgleich mit dem "Prolaps" (der in der Regel ohnehin ein langfristiger, mehrere Stadien durchlaufender Prozess ist) einhergehen. Die meisten Bandscheibenvorfälle laufen ab, ohne dass der Betroffene etwas davon merkt. Die Einengung des Spinalkanals und die Bedrängung des Nervengewebes ist oft eine Frage von Bruchteilen von zehntel Millimetern und dieser "Vorfall" (im Sinne von Ereignis) kann sich durchaus während einer körperlichen außergewöhnlichen Anstrengung ereignen, wenn etwa durch die Belastung der Wirbelsäule das ja an sich in diesen Fällen vorgesehene physiologische Vorwölben der Bandscheibe aufgrund eines Vorschadens sich in einem größeren Umfange ereignet als bisher und dadurch nun erstmalig Nervengewebe in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies kann völlig ohne weitere gesundheitliche Schäden - wie etwa das Reißen des Annulus fibrosus oder eine plötzliche Sequestration - ablaufen, so dass allenfalls ein Schmerzereignis als umschriebene Gesundheitsstörung festzustellen wäre, welches sich dann allerdings wieder zurückbildet und beim Wiederauftreten in keinem begründbaren Kausalzusammenhang mit dem erstmaligen Auftreten steht. Eine verschärfte Haftung aus dem Grunde, dass, wie der Kläger meint, von Anfang an ein Verwendungsausschluss für schweres Heben und Tragen hätte festgestellt werden müssen, ist im Zivildienstgesetz, wie auch im BVG und den verwandten Gesetzen nicht vorgesehen. Grundsätzlich gilt, dass Einschränkungen der gesundheitlichen Verwendungsfähigkeit auch bei dem Einsatz eines Zivildienstfähigen im Zivildienst Rechnung getragen werden muss (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.1982 - 8 C 101.81); deswegen ordnet § 7 Satz 3 ZDG an, dass die nach § 8a Abs. 2 WPflG nach Maßgabe des ärztlichen Urteils festgestellte Verwendungsfähigkeit bei der Zuweisung von Tätigkeiten an die Dienstpflichtigen zu berücksichtigen ist. Sollte hiergegen verstoßen worden sein, ist eine eigens für diesen Fall vorgesehene versorgungsrechtliche Sanktion nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen. -
Rechtskraft
Aus
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