L 2 U 49/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 109/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 49/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dres-den vom 27.02.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeit-raum vom 21.11.2001 bis 11.12.2001 Verletztengeld wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 19.11.2001 zu gewähren.

Der am ...1956 geborene Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt und als solcher bei der Beklagten freiwillig unfallversichert. Zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles bestand eine freiwillige Krankenversicherung bei der Betriebskrankenkasse Zollern Alb Ost mit einem Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit.

Am 19.11.2001 knickte der Kläger auf dem Weg zu seiner Kanzlei mit dem linken Fuß um. Am Abend des nächsten Tages suchte er die Durchgangsärztin F1 ... auf. Sie stellte eine Schwellung des linken Sprunggelenks mit beginnender Rötung, Wärmebildung sowie einen Bluterguss fest und diagnostizierte in Auswertung von Röntgenaufnahmen knöcher-ne Bänderausrisse am Innen- und Außenknöchel. Sie bescheinigte dem Kläger eine Ar-beitsunfähigkeit vom 21.11.2001 bis 11.12.2001. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, während seiner Arbeitsunfähigkeit dringend notwendige Arbeiten auch weiterhin aus-geführt zu haben, weil er wegen Unstimmigkeiten mit seinen Partnern in der Bürogemein-schaft nicht habe von diesen vertreten werden wollen. So hätten seitens der Gerichte ge-setzte Fristen eingehalten werden müssen. Am 30.11.2001 sei er aus der mit weiteren Rechtsanwälten bestehenden Bürogemeinschaft ausgeschieden. Seine Kanzlei sei an die-sem Tag in ein neues Büro umgezogen sei. Auch diesbezüglich hätten unaufschiebbare Maßnahmen (z.B. Anzeige der Adressenänderung gegenüber Gerichten und Mandanten) von ihm vorgenommen werden müssen.

Die Beklagte erkannte das Unfallereignis vom 19.11.2001 mit Bescheid vom 05.03.2002 als Arbeitsunfall an. Anspruch auf Verletztengeld für den Zeitraum der ärztlich bescheinig-ten Arbeitsunfähigkeit bestehe jedoch nicht, weil § 46 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetz-buch (SGB VII) i.V.m. § 45 Abs. 2 der Satzung der Beklagten einen Anspruch auf Verletz-tengeld erst ab dem 22. Tag der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vorsehe. Da vor-liegend Arbeitsunfähigkeit lediglich für 21 Tage bestanden habe, stehe dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld zu. Den Widerspruch des Klägers, in dem er die Auffassung vertrat, der Anspruch auf Verletztengeld gemäß § 46 Abs. 2 SGB VII könne nicht durch Satzungsbestimmungen der Beklagten eingeschränkt werden, wenn ein Versi-cherter bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei, wies die Be-klagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2002 zurück. Nur wenn für den Kläger vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld bestanden hätte, wäre ein Ausschluss des Anspruchs auf Verletztengeld für die ersten drei Wochen der Arbeitsunfä-higkeit nicht möglich. Ein Anspruch auf Krankengeld habe dem Kläger jedoch erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit zugestanden.

Sein Begehren hat der Kläger mit der am 28.05.2002 zum Sozialgericht Dresden (SG) er-hobenen Klage weiterverfolgt. Die vom Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ge-wählte Formulierung untermauere seine Auffassung ebenso wie die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2003 abgewiesen. Dem Kläger ste-he kein Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.11.2001 zu. Gemäß § 45 SGB VII werde Verletztengeld insbesondere erbracht, wenn ein Versicherter infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig sei. Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VII werde Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt werde.

Vorliegend sei bereits fraglich, ob der Kläger im streitigen Zeitraum überhaupt arbeitsun-fähig gewesen sei. Eine solche liege vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand alsbald zu verschlimmern, fähig sei, seiner bisher aus-geübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSGE 19, 179, 182). Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren angegeben, er habe auch während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit seine Arbeit weiterhin ausgeübt. Ob Arbeitsun-fähigkeit vorliege, könne jedoch offen bleiben.

Dem Anspruch des Klägers auf Verletztengeld stehe bereits § 46 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 der maßgeblichen Satzung der Beklagten entgegen. Nach § 45 Abs. 2 der Sat-zung werde Verletztengeld für die Dauer der ersten drei Wochen nach Beginn der Arbeits-unfähigkeit nicht gezahlt. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 4 der Sat-zung der Beklagten gelte dies nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit An-spruch auf Krankengeld versichert seien.

Entgegen seiner Auffassung sei auch der Kläger der leistungsbeschränkenden Satzungsre-gelung des § 45 Abs. 2 unterworfen. Etwas anderes gelte auch nicht unter Berücksichti-gung von § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII sowie § 45 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten. Die Rückausnahme des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII solle nur verhindern, dass ein an sich bestehender Krankengeldanspruch ausgeschlossen werde, ohne dass ein Verletztengeldan-spruch an seine Stelle trete. Entsprechend des Normzwecks könne der Verletztengeldan-spruch dann später beginnen, wenn dies auch für den Krankengeldanspruch der Versicher-ten gelte (Ricke, in: Kasseler Kommentar, Stand: 8/2002, Rn. 7 zu § 46 SGB VII).

Die Satzungsregelung der Beklagten führe auch zu keiner verfassungswidrigen Ungleich-behandlung von pflichtversicherten Arbeitnehmern und freiwillig versicherten selbststän-digen Erwerbstätigen. Bei selbstständig Erwerbstätigen gehe der Gesetzgeber grundsätz-lich sowohl in der Kranken- als auch der Unfallversicherung von einem geringeren Schutzbedürfnis aus, weil dieser Personenkreis durch seine Dispositionsbefugnisse bessere Möglichkeiten der Vorsorge beispielsweise durch Rücklagenbildung besitze (BSGE 70, 13, 16). Dies verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, da bei der Ordnung von Massener-scheinungen typisierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom Bun-desverfassungsgericht (BVerfG) im Grundsatz stets als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden seien.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 SGB VII ergebe sich, dass der Beginn der Verletztengeldzahlung nicht durch Satzungsrecht verändert werden könne. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spreche ebenfalls für diese Auslegung. § 559 l der Reichsversicherungsordnung (RVO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14.07.1925 differenzie-re bei den Unternehmern zwischen zwei Gruppen, nämlich einer Gruppe, die nach der RVO gegen Krankheiten versichert sei, und einer Gruppe, für die dies nicht zutreffe. Be-züglich der erstgenannten Gruppe sei eine satzungsmäßige Beschneidung der Verletzten-geldansprüche nicht möglich. Der Gerichtsbescheid differenziere nicht zwischen diesen Gruppen. Im Jahre 1925 und bei Einführung des § 634 RVO (in der vom 01.01.1964 bis 31.12.1996 geltenden Fassung) habe in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Möglichkeit bestanden, den Krankengeldanspruch bei Selbstständigen bzw. freiwillig Ver-sicherten aufgrund von Satzungsbestimmungen später beginnen zu lassen. Es sei lediglich die Möglichkeit vorhanden gewesen, entweder Krankengeld ab Beginn der Arbeitsunfä-higkeit zu erhalten oder seine Gewährung gänzlich auszuschließen. § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII sei daher dergestalt auszulegen, die Satzungseinschränkungen sollten nicht gel-ten, wenn jemand mit Anspruch auf Krankengeld bei der gesetzlichen Krankenversiche-rung versichert sei.

Zudem handele es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Kran-kengeld und der gesetzlichen Unfallversicherung um zwei verschiedene soziale Siche-rungssysteme. Ein Unternehmer, welcher gesetzlich krankenversichert sei, könne selbst entscheiden, ob er sich zusätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung versichere. Die Höhe des Krankengelds bestimme sich nach seiner Beitragshöhe, welche von seinem tat-sächlichen Einkommen abhängig sei. Insoweit besitze das Krankengeld eine Einkommens-ersatzfunktion. Die Höhe des Verletztengelds hänge dagegen allein von der gewählten Bei-tragshöhe ab, welche unabhängig von dem tatsächlichen Einkommen eines Unternehmers sei. Deshalb könnten das Krankengeld und das Verletztengeld völlig unterschiedliche Hö-hen aufweisen. Das Argument, ein Unternehmer erhalte im Falle eines Arbeitsunfalls Leis-tungen in gleicher Höhe wie im Falle einer Allgemeinerkrankung von seiner Krankenkas-se, sei daher unzutreffend. Zudem differenziere § 11 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetz-buch (SGB V) zwischen einer Allgemeinerkrankung und einer Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit. Aus der Sicht der gesetzlichen Krankenkassen bestehe der Leistungsausschluss generell und nicht nur insoweit, als tatsächlich Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund von Satzungsbestimmungen erbracht würden.

In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2005 hat der Kläger zu den im streitigen Zeit-raum für seine Kanzlei verrichteten Arbeiten Angaben gemacht. Insoweit wird auf die Sit-zungsniederschrift verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 27.02.2003 und den Be-scheid der Beklagten vom 05.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 21.11.2001 bis 11.12.2001 Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) sowie form- und fristge-recht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2003 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 05.03.2002 und 27.05.2002 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger da-her nicht in seinen Rechten.

Dem Kläger steht gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 der Satzung der Beklagten i.d.F. des Zweiten Nachtrags vom 05.07.2001, gültig ab 01.08.2001, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.11.2001 für den Zeitraum vom 21.11.2001 bis 11.12.2001 kein Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld zu.

Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tage an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns der Heilmaß-nahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Nach § 46 Abs. 2 SGB VII kann die Satzung der Berufsgenossenschaft bestimmen, dass für Unternehmer, ihre Ehegatten oder Lebenspartner und für weitere nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Gleichgestellte Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen nach dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gilt gemäß Satz 2 nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

Ob der Kläger im maßgeblichen Zeitraum angesichts der Tatsache, dass er unaufschiebbare Angelegenheiten seiner Rechtsanwaltskanzlei erledigt hat, arbeitsunfähig i.S.d. § 46 Abs. 1 SGB VII war, kann dahinstehen.

Dem Kläger steht bereits aus anderen Gründen kein Anspruch auf Verletztengeld zu. Das Verletztengeld soll den Verdienstausfall des durch den Versicherungsfall Betroffenen aus-gleichen und seinen Lebensunterhalt während der Arbeitsunfähigkeit sichern. Hintergrund der Sonderregelung des § 46 Abs. 2 SGB VII für Unternehmer und deren Angehörige ist, dass das Einkommen des Unternehmers in der Regel nicht in dem selben Maße wie bei einem Arbeitnehmer von seiner eigenen körperlichen Arbeit und Leistung abhängt (Nehls, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII, Stand 12/2004, Rn. 6 zu § 46; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 6/2004, Rn. 8 zu § 46) und daher die genannten Versicherten nicht in dem Maße auf das Verletztengeld angewiesen sind wie Arbeitnehmer. Oft treten bei Unternehmern anfangs überhaupt keine Einkommensverluste auf, weil der Betrieb wie bisher weiterläuft (z. B. bei dirigierenden Maßnahmen vom Krankenbett; vgl. Ricke, in: Kassler Kommentar, Stand 3/2004, Rn. 6 zu § 46 SGB VII). Deshalb hat es der Gesetzgeber in das Ermessen der Berufsgenossenschaften gestellt, die Gewährung von Verletztengeld an die genannten Versicherten innerhalb eines Zeitraums von 13 Wochen zu regeln, d.h. ganz oder teilweise nicht zu gewähren.

Die Beklagte hat von der Ermächtigung des § 46 Abs. 2 SGB VII Gebrauch gemacht. Nach § 45 Abs. 2 ihrer Satzung in der genannten Fassung wird Verletztengeld für die Dauer der ersten drei Wochen nach dem sich aus Satz 2 ergebenden Zeitpunkt nicht gezahlt. Die Frist nach Satz 1 beginnt gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 ihrer Satzung am Tag, an dem die Arbeitsun-fähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungs-maßnahme, wenn sie an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. § 45 Abs. 2 Satz 1 der Satzung gilt gemäß Satz 4 nicht für Versicherte, die bei einer Kranken-kasse mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

Die Satzungsregelung des § 45 Abs. 2 der Satzung der Beklagten verstößt nicht gegen § 46 Abs. 2 SGB VII. Sie ist weder formell noch materiell zu beanstanden. Sowohl die Satzung vom 27.08.1998 als auch der Zweite Nachtrag vom 05.07.2001 sind in der Vertreterver-sammlung der Beklagten beschlossen und vom Bundesversicherungsamt genehmigt wor-den. Die Satzung ist mit Wirkung zum 15.10.1998 und der Zweite Nachtrag mit Wirkung zum 01.08.2001 in Kraft getreten.

Materiell ist sie von der Ermächtigungsgrundlage des § 46 Abs. 2 SGB VII gedeckt. Der Kläger gehört zum von § 46 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 der Satzung der Beklagten umfassten Personenkreis, weil er als selbstständiger Rechtsanwalt Unternehmer ist.

Die Beklagte hat von dem ihr eingeräumten Ermessen, den Beginn des Verletztengeldes für die genannten Versicherten für die ersten dreizehn Wochen zu regeln, Gebrauch ge-macht. Den eingeräumten Ermessensspielraum, Verletztengeld für die ersten dreizehn Wo-chen nicht zu zahlen, hat sie lediglich teilweise (für drei Wochen) ausgeschöpft.

Die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit bestand nicht für eine Dauer von mehr als 21 Tagen. Der Kläger verunfallte am 19.11.2001. Am 20.11.2001, 18.06 Uhr, suchte er die Durchgangsärztin F1 ... auf, die eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 21.11.2001 bis 11.12.2001 bescheinigte. Dem Kläger stand gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten folglich kein Anspruch auf Ver-letztengeld zu.

Wie vom SG ebenfalls zutreffend ausgeführt, ergibt sich aus § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten kein anderes Ergebnis. Dem Kläger stünde – läge kein Arbeitsunfall, sondern eine Allgemeinerkrankung vor – im streitigen Zeitraum kein Anspruch auf Krankengeld zu. Nach der Auskunft der Betriebskrankenkasse Zollern Alb Ost vom 12.09.2001 steht dem Kläger im Falle einer Allgemeinerkrankung ein Krankengeldanspruch erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit zu.

Zwar lässt die wörtliche Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII zwei Ergebnisse zu. Zum einen kann die Norm derart verstanden werden, der Anspruch auf Verletztengeld könne für diejenigen Versicherten nicht ausgeschlossen werden, die für den maßgeblichen Zeitraum ohne Berücksichtigung des Arbeitsunfalls Anspruch auf Krankengeld hätten. Andererseits lässt die Wortauslegung zu, die Norm so - wie der Kläger - zu verstehen, dass der Anspruch auf Verletztengeld nicht für Versicherte ausgeschlossen werden könne, die überhaupt - unabhängig vom konkreten Zeitraum - bei einer Krankenkasse mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert seien.

Die teleologische Auslegung spricht jedoch nach Auffassung des Senats für die erstge-nannte Variante. Insoweit schließt sich der Senat der Argumentation des Landessozialge-richts (LSG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 04.03.2004, Az.: L 7 U 4062/03 (anhängig beim Bundessozialgericht [BSG] unter dem Az. B 2 U 10/04 R), an. Dieses hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

"Grund für die Ermächtigung zur Einführung einer Karenzzeit für Unternehmer war , dass deren Einkommen nicht im selben Maß von der eigenen körperlichen Ar-beit und Leistung abhängt wie bei Arbeitnehmern (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 46 SGB VII Rdnr. 8; Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 46 Rdnr. 6; Kasseler Kommentar-Ricke, § 46 SGB VII, Rdnr. 6). Hat sich der Unternehmer oder ein gleichgestellter Versicherter jedoch bei der Kran-kenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert, ist dies ein Indiz dafür, dass wegen der Arbeitsunfähigkeit Einkommen ausfällt und er auf den Ersatz des ausfal-lenden Einkommens angewiesen ist. Wäre auch in solchen Fällen eine Karenzrege-lung möglich, hätte dies zur Folge, dass der Unternehmer bzw. die sonstigen in § 46 Abs. 2 Satz 1 SGBVII genannten Personengruppen bei ‚normaler’ Krankheit von Anfang an Leistungen (Krankengeld) erhalten, bei Eintritt eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Unfallversicherung aber erst nach der satzungsmäßig bestimmten Karenzzeit, weil nach § 11 Abs. 4 SGB V kein Anspruch auf Leistungen der gesetz-lichen Krankenversicherung besteht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Die Betroffenen wären also immer dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf ei-nem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht, schlechter gestellt als bei ei-ner Allgemeinerkrankung. Dieses – auch aus Sicht des Senats unbillige – Ergebnis soll mit der Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII (und der entsprechenden Satzungsregelung) vermieden werden (vgl. Kasseler Kommentar-Ricke, a.a.O., Rdnr. 7; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O.; Nehls in Hauck/Noftz, a.a.O., Rdnr. 7; ähnlich Brackmann/Krasney, a.a.O.). Der Senat sieht andererseits keinerlei Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber den unter § 46 Abs. 2 SGB VII fallenden Personenkreis für den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufs-krankheit beruht, hinsichtlich des Beginns der Leistung besser stellen wollte, als wenn nur ein Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung bestünde. § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ist deshalb so auszulegen, dass der Verletz-tengeldanspruch auch in den Fällen später beginnen kann, in denen dies auch für einen Krankengeldanspruch der Fall wäre, z.B. wenn die Satzung der Krankenkasse gem. § 44 Abs. 2 SGB V für freiwillig Versicherte entsprechende Regelungen vor-sieht (so im Ergebnis auch Kasseler Kommentar-Ricke, a.a.O. Rdnr. 7; wohl auch Streubel in LPK-SGB VII, 1. Aufl. 2000, § 46 Rdnr. 6)."

Mit dem SG geht auch der Senat davon aus, dass auch die historische Auslegung der Norm zu keinem anderen Ergebnis führt. Die Vorgängerregelung des § 46 Abs. 2 SGB VII, § 634 RVO, hat denselben Regelungszweck wie § 46 Abs. 2 SGB VII in der vorgenannten Aus-legung.

Auch die Argumentation des Klägers, es handele sich bei der gesetzlichen Krankenversi-cherung und der gesetzlichen Unfallversicherung um zwei verschiedene soziale Siche-rungssysteme mit unterschiedlichen Leistungshöhen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zutreffend führt der Kläger aus, die Höhe des Krankengelds bestimme sich nach der Bei-tragshöhe, welche von seinem Arbeitseinkommen abhängig sei (§ 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die Höhe des Verletztengeldes hänge dagegen allein vom satzungsmäßig höher versi-cherbaren Jahresarbeitsverdienst ab (§§ 83, 47 Abs. 5 SGB VII). Jedoch ist sein Schluss, die Beitragshöhe in der gesetzlichen Unfallversicherung sei unabhängig von dem tatsächli-chen Einkommen eines Unternehmers, nicht zutreffend, weil der Unternehmer natürlich im Regelfall die Beitragshöhe wählen wird, die erforderlich ist, um seinen Lebensunterhalt während des arbeitsunfallbedingten Ausfalls seiner Arbeitskraft zu gewährleisten. Wenn und soweit sich der Unternehmer über den von ihm selbst generalisierend vermuteten Aus-fall von Arbeitseinkommen hinaus versichert, wird er durch § 46 Abs. 2 SGB VII nicht schlechter gestellt. Diese Regelung ist insoweit belastungsneutral. Ist er im fraglichen Zeit-raum mit Anspruch auf Krankengeld versichert, hat er Anspruch auf das (höhere) Verletz-tengeld. Hat er keinen Krankengeldanspruch, hat er ohnehin keinen Verletztengeldan-spruch. Insoweit ist sein Anspruch auf Verletztengeld nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VII von vornherein begrenzt, wenn die Rückausnahme des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII nicht eingreift. Die unterschiedliche Berechnung von Krankengeld und Verletztengeld bei frei-willig Versicherten ist ohne Belang für die Auslegung des § 46 Abs. 2 SGB VII.

§ 46 Abs. 2 SGB VII und § 45 Abs. 2 der Satzung der Beklagten stehen – wie ebenfalls vom SG zutreffend erkannt - nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht. Insbesondere verletzen die Regelungen nicht den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Verfassungsnorm verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich und wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleich zu behandeln. Damit enthält Artikel 3 Abs. 1 GG über das Willkürverbot hinaus die an Gesetzgebung und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Un-gleichbehandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88). Welche Elemente des zu regelnden Sachverhalts dabei so bedeutsam sind, dass ihre Gleichheit oder Verschiedenheit bei der Ausgestaltung der Regelung Rechnung getragen werden muss, hat grundsätzlich der Ge-setzgeber zu entscheiden, sofern nicht schon die Verfassung selbst Wertungen enthält, die den Gesetzgeber binden. Im Übrigen kann nur die Einhaltung bestimmter äußerster Gren-zen überprüft und ihre Überschreitung beanstandet werden. Der Gesetzgeber hat demnach weitestgehende Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 49, 260, 271; 61, 138, 147).

Die genannte Norm führt zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von pflicht-versicherten Arbeitnehmern und freiwillig versicherten selbstständigen Erwerbstätigen. Das BSG hat in seinem bereits vom SG zitierten Urteil vom 28.09.1993, Az.: 1 RK 34/92, zur Befugnis des Gesetzgebers, für Unternehmer im Vergleich zu Arbeitnehmern andere Regelungen vorzusehen, Folgendes ausgeführt, das sich der Senat zu Eigen macht:

"Zwar mag – insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten – die Einkommenssitu-ation von abhängig Beschäftigten und Kleinstunternehmern vergleichbar sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kann der Gesetzge-ber jedoch ... den Mitgliederkreis so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (BVerfGE 44, 70, 90). Grund-legend für das System der sozialen Sicherheit ist dabei das Subsidiaritätsprinzip. Danach hat die Selbsthilfe des Einzelnen und die Hilfe der kleineren, nichtstaatli-chen Gemeinschaften Vorrang vor der Hilfe der größeren Gemeinschaften, insbe-sondere durch den Staat. Der Subsidiaritätsgrundsatz regelt das Verhältnis von In-dividual- zur Kollektivverantwortlichkeit (Schulin, Gutachten zum 59. Deutschen Juristentag, S 81 - mwN). Der Gesetzgeber hat daher bei der Einbeziehung von er-werbstätigen Personen in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung in ers-ter Linie auf die Art und Weise der Erwerbstätigkeit abgestellt und die Krankenver-sicherungspflicht an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 7 des Vier-ten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV)) geknüpft. Dieser Personenkreis ist vor allem wegen der abhängigen Beschäftigung schutzbedürftig. Denn die auf Dau-er angelegte Fremdnützigkeit der Beschäftigung nimmt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eigener unternehmerischer Tätigkeit, so daß er über seine Arbeitskraft nicht mehr selbständig disponieren kann. Aus der daraus resultierenden Unmög-lichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Eigenvorsorge zu nutzen, ist er auf Fremdvor-sorge angewiesen, sei es durch Gewährung von Kündigungsschutz oder durch sozi-ale Leistungen (vgl. Lieb, Arbeitsrecht, 4. Aufl, S 5).

Bei selbständigen Erwerbstätigen geht der Gesetzgeber demgegenüber grundsätz-lich von einem geringeren Schutzbedürfnis aus (vgl. BSGE 70, 13, 16), weil dieser Personenkreis durch seine Dispositionsbefugnisse bessere Möglichkeiten der Vor-sorge, wie z. B. der Bildung von Rücklagen oder den Abschluß einer privaten Krankenversicherung, besitzt ... Entsprechend knüpft auch das Recht der freiwilli-gen (Weiter-)Versicherung mit seinen spezifischen Leistungseinschränkungen an eine geringere Schutzbedürftigkeit an (BSG SozR 5428 § 4 Nr 9). Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, daß der Gesetzgeber dabei grundsätzlich alle Selbständi-gen gegenüber den pflichtversicherten Beschäftigten als weniger schutzbedürftig angesehen hat. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen sind typisierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz stets als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden (BVerfGE 79, 87, 100 = SozR 2200 § 183 Nr 54 - mwN). Es mag zutreffen, daß für bestimmte Un-ternehmer, z. B. für so genannte "freie Mitarbeiter", oder in bestimmten Branchen die Bildung von Rücklagen auf Schwierigkeiten stößt. Letztlich ist dies aber ein Ausdruck des allgemeinen Unternehmerrisikos, das seinen Grund in der von dem Betroffenen gewählten Art der Erwerbstätigkeit hat und ausschließlich dem Bereich der Eigenverantwortung zuzurechnen ist. Die Unfähigkeit zur Rücklagenbildung könnte bei schlecht gehenden Geschäften nämlich jeden selbständig Erwerbstätigen treffen. Das spätere Einsetzen des Krankengeldanspruchs ist daher aufgrund der völlig unterschiedlichen Ausgangslage dieser Vergleichsgruppen gerechtfertigt."

Die Ausführungen des BSG zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung gel-ten nach Auffassung des Senats ebenso bezüglich der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. auch: SG Hamburg, Urteil vom 06.05.2002, Az.: S 36 U 97/00).

Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Die durch eigene Beitragsleistungen erwor-bene Anwartschaft auf Verletztengeld ist bei Eintritt des Versicherungsfalles von vornher-ein schon durch die den Inhalt des Verletztengeldanspruches konkretisierende Regelung des § 46 Abs. 2 SGB VII begrenzt. § 46 Abs. 2 SGB VII ist aus den oben genannten Gründen eine grundrechtlich unbedenkliche Inhaltsbestimmung des Verletztengeldanspruches von freiwillig Versicherten. § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII trägt dabei Art. 14 Abs. 1 GG in besonderer Weise Rechnung, indem er eine wirtschaftliche Entwertung eines an sich be-stehenden Krankengeldanspruchs verhindert.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Da das BSG - soweit ersichtlich - bislang weder zu § 634 RVO noch zu § 46 Abs. 2 SGB VII eine Entscheidung gefällt hat, hat der Senat unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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