L 2 U 24/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 54/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 24/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 06. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Am 13.12.1981 erlitt die im Jahre 1943 geborene Klägerin einen von der Betriebsgewerkschaftsleitung des Rates des Kreises G ... als Arbeitsunfall anerkannten Unfall bei einer organisierten gesellschaftlichen Tätigkeit. Sie verstauchte sich den Fuß und verletzte sich am Gesäß. Am 10.01.1985 erlitt die Klägerin einen von der Betriebsgewerkschaftsleitung des Rates des Kreises G ... als Wegeunfall anerkannten weiteren Unfall, bei dem sie sich das rechte Handgelenk brach. Mit einem zu diesen beiden Unfallereignissen ergangenen, hier nicht streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 21.06.2000 wurden fortbestehende Unfallfolgen verneint. Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin zurück.

Seit dem 04.07.1995 befand sich die Klägerin wegen eines sich nach Behandlung einer Sehnenscheidenentzündung entwickelnden Lymphödems bei dem Orthopäden und Chirurgen Dr. J1 ... in ambulanter Behandlung.

Die Klägerin war im Unfallzeitpunkt als Mitarbeiterin des Finanzamtes G ... beschäftigt. Auf dem Heimweg von einer Fortbildungsveranstaltung stürzte sie am 08.12.1995 auf dem schneeglatten Bahnhofsvorplatz in B ... auf einer Treppe zwei Stufen (Angaben gegenüber Dr. P1 ...) bzw. vier Stufen (Angaben gegenüber Prof. Dr. D1 ...) hinab auf ihr rechtes Knie und verletzte sich zusätzlich beim Abfangen des Sturzes am rechten Arm. Weitere Angaben machte die Klägerin in dem von ihr am 25.07.1996 ausgefüllten Fragebogen bei Knieverletzungen. Sie fuhr mit dem Zug nach Hause und stellte sich am 11.12.1995 bei dem Durchgangsarzt Dr. J1 ... vor, welcher an der rechten Hand eine erneute Zunahme des bereits bekannten Lymphödems mit Druckschmerz bei frei beweglichem Handgelenk feststellte und das rechte Kniegelenk als frei beweglich mit einer Prellmarke präpatellar beschrieb. Röntgenologisch konnten Frakturen ausgeschlossen werden. Die Gonarthrose rechts wurde als eine unfallunabhängige Vorerkrankung angesehen. Dr. J1 ... diagnostizierte eine Kontusion des rechten Knie- und Handgelenkes. Die Klägerin wurde seit 1991 wegen diverser Beschwerden, insbesondere wegen solcher der Lendenwirbelsäule, von Dr. J1 ... behandelt. Bis zum Unfall war eine Behandlung wegen Kniegelenksbeschwerden nicht erfolgt.

Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 15.12.1995 und dann wieder ab 11.04.1996. Auch nach dem 15.12.1995 wurde die Klägerin wegen der Kniegelenksbeschwerden von Dr. J1 ..., der schließlich die Arthroskopie veranlasste, erfolglos behandelt. Am 19.04.1996 stellte sich die Klägerin im Klinikum G1 ... vor, und gab Schmerzen an der Innenseite des rechten Kniegelenkes sowie einen Druckschmerz des Innenmeniskus an. Ferner klagte sie über Beschwerden infolge einer Fraktur des oberen linken Sprunggelenkes im Jahr 1986. Sie befand sich vom 23.04. bis 06.05.1996 im Klinikum G1 ... in stationärer Behandlung. Am 24.04.1996 wurde dort eine Arthroskopie mit einer Teil-Meniskusresektion und einer Knorpelglättung im rechten Kniegelenk durchgeführt. Es wurde ein enges, fortgeschritten arthrotisches Kniegelenk mit erheblichen Knorpelschäden und einem weitgehend zerriebenen Innenmeniskushinterhorn festgestellt. Diagnostiziert wurde eine Innenmeniskushinterhornläsion und eine medial-femorale Chondropathie IV. Grades bei fortgeschrittenem Reiz- Verschleiß-Knie. Die histologische Untersuchung des entnommenen Meniskuspräparates ergab eine deutliche mukoid-mikrozystische Degeneration. In der Epikrise des Klinikums G1 ... vom 07.05.1996 wurde ausdrücklich auf das "erhebliche Übergewicht" der Klägerin aufmerksam gemacht. Im Befundbericht vom 01.07.1996 wies der Operateur Dr. B1 ... darauf hin, dass die nach wie vor notwendige Behandlungsbedürftigkeit mit dem Unfallereignis vom 11.12.1995 nichts mehr zu tun habe. Es sei unter Berücksichtigung der Vorschäden und der fehlenden Hinweise auf eine Kniegelenksverletzung nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung gekommen. Der behandelnde Arzt der Klägerin, Dr. J1 ..., meinte, der Arbeitsunfall sei nur das schmerzauslösende Ereignis gewesen. Er empfahl, die Behandlung wegen der Unfallfolgen am 30.06.1996 als abgeschlossen zu betrachten (Befundbereicht vom 30.07.1996). Dr. J1 ... behandelte auch das von ihm als posttraumatisch eingestufte Lymphödem von Dezember 1995 bis Juli 1996. Durch manuelle Lymphdrainage und Kompressionsbandage konnte ein Rückgang der Beschwerden erreicht werden.

Vom 23.04. bis 05.05.1997 befand sich die Klägerin in der Orthopädischen Klinik M ... in R ... in stationärer Behandlung und wurde dort ohne nachfolgende wesentliche Besserung rearthroskopiert.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch Dr. J1 ... Dieser führte in seinem Gutachten vom 24.06.1997 zusammenfassend aus, dass die röntgenologisch feststellbaren Veränderungen im rechten Kniegelenk der Klägerin mit Sicherheit schon vor dem Unfallereignis des Jahres 1995 bestanden hätten. Da die Klägerin vor dem Unfall nicht über Kniebeschwerden geklagt habe, könne das Unfallereignis als Auslöser für die späteren rechtsseitigen Kniebeschwerden angesehen werden. Von einer Verschlimmerung könne keine Rede sein, weil die Klägerin vor dem Unfall keine Kniebeschwerden gehabt habe. Insoweit handele es sich bei dem Sturz um eine Gelegenheitsursache. Unfallbedingt sei es außerdem zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des vorbestehenden Lymphödems am rechten Unterarm gekommen, die etwa Ende April 1996 wieder abgeklungen gewesen sei. Auf Rückfrage der Beklagten schätzte Dr. J1 ... die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 v.H. ein, nachdem er zuvor in seinem Gutachten eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 20 v.H. angegeben hatte. Der daraufhin angehörte beratende Arzt Dr. H1 ... wies in seiner Kurzstellungnahme vom 06.08.1997 darauf hin, dass nach dem Ergebnis der Arthroskopie vom 24.09.1996 eine richtungsweisende Verschlimmerung der vorbestehenden Gonarthrose durch das Unfallereignis nicht anzunehmen sei. Insoweit liege eine Gelegenheitsursache vor. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit für das Lymphödem der rechten Hand habe maximal bis 07.12.1996 bestanden. Eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. für die unfallbedingte Verschlimmerung des Lymphödems könne für die Dauer eines Jahres als gerechtfertigt angesehen werden.

Gestützt auf diese Ausführungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.1997 unter Anerkennung des Unfalls vom 08.12.1995 als Arbeitsunfall die Gewährung einer Verletztenrente ab. Festgestellt wurde ferner, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich der Prellung des rechten Handgelenkes nur bis zum 22.04.1996 und hinsichtlich der Prellung des rechten Kniegelenkes nur bis zum 15.12.1995 bestanden habe. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.09.1997 Widerspruch ein. Während sie vor dem Unfall keine Kniebeschwerden gehabt habe, ließen sich jetzt die Schmerzen nur durch wöchentliches Spritzen des Kniegelenkes und Medikamenteneinnahme lindern. Dass sie nach dem Unfall nur bis zum 15.12.1995 arbeitsunfähig gewesen sei, stimme nicht. Sie habe sich gesundschreiben lassen, weil sie ihren Urlaub habe antreten wollen. Zusätzlich wies der zwischenzeitlich bestellte Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass ein Gutachten für eine private Unfallversicherung erstellt worden sei. Die Beklagte zog daraufhin das für die Quelle Versicherung AG von Dr. B2 ..., Leitender Chefarzt der Orthopädischen Klinik M ... in R ..., und dem Arzt M1 ... am 22.04.1998 erstellte Formulargutachten bei. Dort wurde nach der für die private Unfallversicherung maßgeblichen Gliedertaxe eine unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines von einem Drittel angegeben. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. B2 ... in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 29.12.1998 mit, dass es bei dem Unfall zu einem Valgustrauma des rechten Kniegelenkes in Beugung und Außenrotation gekommen sei. Bei dieser Verletzungsart seien Innenmeniskusläsionen wahrscheinlich. Da die Klägerin angegeben habe, vor dem Unfall keine Kniebeschwerden gehabt zu haben, sei es durch die traumatische Innenmeniskushinterhornläsion zu einer Aktivierung der vorbestehenden, aber klinisch stummen Kniegelenksarthrose gekommen. Der Sturz sei ein geeignetes Trauma und keine bloße Gelegenheitsursache gewesen. Die unfallbedingte MdE werde mit 30 v.H. bewertet.

Mit Bescheid vom 01.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Das von der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingereichte Gutachten für die private Unfallversicherung könne auf die Entscheidung keinen Einfluss haben, da in der privaten Unfallversicherung nur der Körperschaden an sich zu beurteilen sei, die in der gesetzlichen Unfallversicherung notwendigen Kausalzusammenhänge jedoch nicht hinreichend ausführlich betrachtet würden. Den Ausführungen von Dr. B2 ... vom 29.12.1998 könne man sich nicht anschließen. Dem Nachschaubericht von Dr. B1 ... sei zu entnehmen, dass am Tag der Nachuntersuchung am 19.04.1996 kein Erguss habe festgestellt werden können und die Bänder fest gewesen seien. Auch Dr. J1 ... habe bei der Erstuntersuchung am 11.12.1995 keine Ergussbildung festgestellt, welche jedoch als Hinweis auf einen unfallbedingten Meniskusriss zu erwarten gewesen wäre. Die histologische Untersuchung habe eine deutliche degenerative Veränderung des Innenmeniskus rechts ergeben und den OP-Bericht bestätigt, wonach der Innenmeniskus im Hinterhornbereich weitgehend zerrieben gewesen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Innenmeniskushinterhornriss rechts könne aufgrund der ausgeprägten degenerativen Veränderungen, welche auch Dr. B2 ... in seiner Stellungnahme nochmals darlegt habe, nicht festgestellt werden. Allein aus der Tatsache, dass vor dem Unfallereignis keine Kniebeschwerden bestanden hätten, sondern diese erst danach eingetreten wären, könne eine unfallbedingte Verschlimmerung eines bereits vorbestehenden Leidens noch nicht angenommen werden. Vielmehr sei die Vorschädigung im Bereich des rechten Kniegelenkes in Übereinstimmung mit Dr. J1 ... und Dr. H1 ... so ausgeprägt gewesen, dass auch durch alltägliche Ereignisse bzw. ohne äußere Einwirkungen die nunmehr bestehenden Beschwerden zu etwa der selben Zeit ebenfalls ausgelöst worden wären, so dass diese nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit eingetreten seien.

Mit der beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens und unter Hinweis auf die Ausführungen von Dr. B2 ... weiterverfolgt. Ferner hat sie gemeint, die Beklagte habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Schwerbehindertengesetz einen Grad der Behinderung von 50 habe.

Das SG hat mit Beweisanordnung vom 26.01.2001 den Chirurgen Dr. P1 ... zum ärztlichen Sachverständigen bestimmt, der in seinem Gutachten vom 31.03.2001 ausgeführt hat, dass der Sturz am 08.12.1995 nur zu einem direkten Trauma des rechten Kniegelenkes im Sinne einer Kontusion geführt habe. Drei Tage nach dem Unfall hätten sich beim ersten Arztbesuch außer einer Prellmarke über der Kniescheibe bei freier Gelenkbeweglichkeit keine weiteren Unfallfolgen, insbesondere kein Kniegelenkserguss oder sonstige Hinweiszeichen auf eine Kniebinnenverletzung gefunden. Nach den Angaben der Klägerin sei sie zwei Treppenstufen hinabgestürzt und direkt mit dem Knie aufgeschlagen und habe sich dabei wahrscheinlich mit der rechten Hand etwas abgefangen, wie die zusätzlich erlittene Prellung des rechten Handgelenkes vermuten lasse. Für die von Dr. B2 ... geäußerte Annahme eines valgisierenden Traumas in Beugung und Außenrotationsstellung des Kniegelenkes gebe es keine entsprechenden Hinweiszeichen und der Erstbefund spreche auch gegen die Annahme einer erheblichen Kniegelenksaffektion. Der Nachweis einer Prellmarke belege nur das Aufschlagen mit dem Kniegelenk, der am 11.12.1995 erhobene Befund spreche gegen eine erlittene Kniebinnenverletzung, insbesondere auch gegen eine Meniskusverletzung. Nach der kurzzeitigen Arbeitsunfähigkeit sei es im Laufe der nächsten Monate und Jahre zu einem sich kontinuierlich verschlimmernden Beschwerdebild gekommen, welches eindeutig durch die bereits am Unfalltag röntgenologisch erkannte und bei allen weiteren Untersuchungen bestätigte Gonarthrose hervorgerufen worden sei. Dabei hätten offenbar bis zum Unfalltag keine Kniegelenksbeschwerden bestanden. Bei der Erstarthroskopie hätten sich keine auf einen Unfall zurückzuführenden Befunde, sondern ausschließlich fortgeschrittene degenerative Knorpel- und Innenmeniskusveränderungen ergeben, die sowohl von dem Operateur, dem weiterbehandelnden Orthopäden und dem beratenden Facharzt einhellig auf die vorbestehende Gonarthrose bezogen und als unfallunabhängig eingeschätzt worden seien. Anders als von Dr. B2 ... vertreten, sei dabei kein Meniskusriss festgestellt worden, sondern ein weitgehend "zerriebener" Innenmeniskus. Derartige hochgradig degenerative Meniskusveränderungen seien fast regelmäßig Bestandteil arthrotisch veränderter Kniegelenke, zumal im vorliegenden Fall die Lokalisation der Meniskusdegeneration mit den Knorpelveränderungen im medialen Kniegelenkabschnitt korreliere. Es sei daher hochgradig wahrscheinlich, dass die schweren Veränderungen nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, sondern eine Teilerscheinung der Gonarthrose darstellten. Die hochgradigen Knorpelschäden selbst seien ebenfalls mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht bei dem Unfall aufgetreten. Dagegen spreche wiederum der Erstbefund vom 11.12.1995. Bei einer stärkeren Traumatisierung des Gelenkknorpels in Gestalt von schweren Kontusionen mit Knorpelaufbrüchen oder -frakturen wäre ein blutiger Gelenkerguss und auch eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung des Gelenkes zu erwarten gewesen. Alle erhobenen objektiven Befunde sprächen gegen eine objektivierbare strukturelle Gelenkschädigung. Es könne der Auffassung von Dr. B2 ... insofern zugestimmt werden, als die beim Unfall erlittene Kniegelenksprellung zur Aktivierung der Gonarthrose geführt habe, wobei aber wesentlich für diese Entwicklung die nachgewiesene und bereits erhebliche vorbestehende Gonarthrose angesehen werden müsse und dem Trauma nur die Rolle einer auslösenden Ursache zukomme. Insbesondere spreche dafür neben den erhobenen objektiven Befunden (auch zum Zeitpunkt der Arthroskopie am 24.04.1996 hätten klinisch immer noch nur uncharakteristische Schmerzen an der Knieinnenseite bestanden) der Gesamtverlauf mit einer sich langsam verschlimmernden Symptomatik, die dem bekannten schicksalhaften Verlauf einer Gonarthrose entspreche. Man könne den Unfall durchaus als "auslösend" auffassen, es sei aber mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es auch ohne das konkrete Ereignis vom 08.12.1995 etwa im Verlauf von ein bis zwei Jahren zu einer annähernd gleichen Krankheitsentwicklung gekommen wäre. Die "Aktivierung" einer Gonarthrose sei keineswegs an ein Unfallereignis gebunden; sie werde sowohl völlig spontan, bei alltäglichen Anlässen (Umknicken; Wegrutschen; Erheben aus der Hockstellung usw.) und auch bei Bagatelltraumen (leichtere Stürze) beobachtet.

Gegen dieses Gutachten hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.06.2001 Einwände erhoben. Hierauf hat Dr. P1 ... mit Schreiben vom 23.07.2001 ergänzend Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit verwiesen.

Das SG hat mit Urteil vom 06.12.2001 die auf die Gewährung einer Verletztenrente gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf den Arbeitsunfall sei die bis 31.12.1996 geltende Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden. Die Ausnahme des § 214 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) liege hier nicht vor. Die Klägerin habe nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO keinen Anspruch auf eine Verletztenteilrente. Ein Anspruch setze voraus, dass das Unfallereignis und die Gesundheitsstörungen nachgewiesen seien. Für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung reiche Wahrscheinlichkeit aus, die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges genüge jedoch nicht (Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Unter Anwendung dieser Grundsätze auf die ermittelten Tatsachen und die gutachtlichen Wertungen habe der Arbeitsunfall der Klägerin aus dem Jahre 1995 keine Gesundheitsstörungen hinterlassen, durch die ihre Erwerbsfähigkeit mindestens um 20 v.H. gemindert sei. Den Einwänden der Klägerin im Schriftsatz vom 21.06.2001, die ausschließlich dazu dienen würden, den Sachverständigen als befangen erscheinen zu lassen, sei Dr. P1 ... in seiner Stellungnahme vom 23.07.2001 überzeugend entgegengetreten. Im Übrigen seien auch seine Ausführungen im Gutachten überzeugend. Zu derselben Einschätzung wie Dr. P1 ... seien bereits im Vorverfahren auch Dr. B1 ..., Dr. J1 ... und Dr. H1 ... gelangt. Auch sie hätten keinen Zweifel daran gelassen, dass das bei der ersten Arthroskopie festgestellte fortgeschrittene Reiz-Verschleißknie auf die bereits vor dem Unfallereignis bestehende Gonarthrose zurückzuführen sei. Dagegen sei Dr. B2 ... nicht zu folgen. Die von Dr. P1 ... gegen Dr. B2 ... gutachtliche Einschätzung erhobenen Einwände seien überzeugend.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, die Einwände der Klägerin im Schreiben vom 21.06.2001 seien vom SG wegen der bloß pauschalen Bezugnahme auf die ergänzende Stellungnahme von Dr. P1 ... nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nicht berücksichtigt habe das SG, dass das Knie gerade nach dem Unfall nicht frei beweglich, sondern stark geschwollen und schmerzhaft gewesen sei. Dr. J1 ... habe Salbe für das Knie zum Abschwellen und starke Schmerzmittel verordnet. Eine entsprechende Nachfrage hätte beim behandelnden Arzt erfolgen müssen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die gutachtliche Aussage von Dr. B2 ... vom 29.12.1998 nicht entsprechend gewürdigt worden sei. Eine weitere Aufklärung, eventuell durch einen neuen Gutachter, sei geradezu zwingend. Das SG habe auch nicht die klägerseitige Benennung von Prof. Dr. D1 ... als weiteren Gutachter entsprechend gewürdigt. Diese sei als Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu werten. Wenn das SG dies nicht so gesehen habe, hätte es in der mündlichen Verhandlung nachfragen müssen. Es werde daher, soweit das Landessozialgericht nicht von sich aus nach § 106 SGG ein weiteres Gutachten für erforderlich halte, Prof. Dr. D1 ... als Gutachter nach § 109 SGG benannt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 06.12.2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente mindestens nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Gutachten von Dr. P1 ... für überzeugend und sieht keinen Grund für die Einholung eines weiteren Gutachtens.

Der Senat hat neben Röntgenaufnahmen den handschriftlich dokumentierten Behandlungsverlauf von Dr. J1 ..., den Operationsbericht der Rearthroskopie am 28.04.1997 sowie medizinische Unterlagen aus dem Verfahren L 1 SB 83/01 und dem SG-Verfahren S 13 SB 235/98, insbesondere ein Gutachten von Prof. Dr. F1 ... vom 13.03.2000 und eines von Prof. Dr. F2 ... vom 29.09.2002, beigezogen.

Prof. Dr. F2 ... hat im Rahmen einer Fragestellung aus dem Schwerbehindertenrecht bei der Klägerin eine deutliche beidseitige Gonarthrose mit ausgeprägten Knorpelschäden mehr rechts als links, einen schmerzhaften posttraumatischen Spitzfuß links mit Panarthrose des oberen und unteren und vorderen Sprunggelenkes und eine Adipositas permagna diagnostiziert. Die Gonarthrose sei mit einer deutlichen Bewegungseinschränkung, mit einem deutlichen Bewegungsschmerz und mit entzündlichen Reizerscheinungen verbunden. Potenziert würden die orthopädischen Befunde und die damit verbundenen Behinderungen durch eine Adipositas permagna, die geschädigten orthopädischen Organe seien dadurch einer erheblichen statischen als auch dynamischen Belastung ausgesetzt, was zur Schmerzverstärkung führe. Die Klägerin könne sich infolge der Schwere ihres Leidens nur dauernd mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen. Die Klägerin könne nur mühsam wenige Schritte mit oder ohne Stöcke gehen. Sie könne ohne Hilfe praktisch keine Stufen überwinden. Ursächlich dafür sei die Kombination aus der Adipositas permagna und den orthopädischen Befunden (Lendenwirbelsäule, Hüftgelenke, Kniegelenke und linkes Sprunggelenk). Die Klägerin sei durchaus einem Doppeloberschenkelamputierten gleichzustellen. Sie sei de facto außerhalb der Wohnung vollständig rollstuhlabhängig und auch teilweise innerhalb der Wohnung auf die Benutzung des Rollstuhls angewiesen. Die orthopädischen Befunde allein würden die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "aG" wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung nicht begründen, aber die Kombination zwischen der Adipositas permagna und den multiplen orthopädischen Befunden erfordere die Gleichstellung.

Mit Beweisanordnung vom 25.08.2003 hat der Senat Prof. Dr. D1 ... zum Sachverständigen bestimmt, der nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 15.10.2003 u.a. ausgeführt hat, die von Dr. J1 ... drei Tage nach dem Unfallgeschehen angefertigten Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenkes zeigten eine Ausziehung der Gelenkumschlagkante am oberen Patellapol sowie eine Einengung des patellofemoralen Gelenkspaltes, mithin deutliche Zeichen einer vorbestehenden Gonarthrose, die aber auch am 11.12.1995 noch eine freie Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes zugelassen habe. Außer einer Prellmarke präpatellar sei kein pathologischer Befund im H-Arzt-Bericht vom 11.12.1995 beschrieben. Die Klägerin habe in den Jahren danach durchgängig unter permanenten Kniegelenksbeschwerden rechts gelitten, seit 2000 auch unter Dauerschmerzen links. Diese seien allerdings von etwas geringerer Intensität als rechts, wobei aber die Schmerzqualität analog sei. Mithin bestehe ein doppelseitiges degeneratives Leiden an beiden Kniegelenken. Von Seiten des rechten Armes bestehe kein weiterer Diskussionsbedarf. Die jetzigen Beschwerden im rechten Arm seien eindeutig unfallunabhängig und nicht Folge des vorübergehend exazerbierten, schon vorbestehenden Lymphödems. Schon zum Unfallzeitpunkt habe eine sogar röntgenologisch bereits nachweisbare Gonarthrose bestanden. Derartige Gonarthrosen, die sich bereits röntgenologisch ausdrückten, zeigten schon einen erheblich fortgeschrittenen degenerativen Ausprägungsgrad, so dass es jederzeit zu einer so genannten Aktivierungsphase kommen könne. Dem Geschehen vom 08.12.1995 sei dabei lediglich die Rolle eines Anlassfaktors, jedoch keinesfalls eines Kausalfaktors einzuräumen. Es wäre zu einem beliebigen anderen, auch späteren Zeitpunkt, insbesondere bei dem erheblichen Körpergewicht der Klägerin, aber auch aufgrund der Art der Erkrankung selbst zu einer aktivierten Gonarthrose gekommen. Der arthroskopische Befund vom April 1996 weise ausdrücklich keinerlei posttraumatisches Substrat aus. Es handele sich dabei sämtlich um sehr expressive Verschleißprozesse ohne Unfallabhängigkeit. Durch die vorbestehende Arthrose sei lediglich die Kompensationsfähigkeit bei verstärkt von außen einwirkenden Kräften gemindert, ohne dass dabei aber diese von außen einwirkende Kraft im Rahmen des Geschehens vom 08.12.1995 ein unfallabhängiges morphologisches Substrat hinterlassen habe. Der H-Arzt-Bericht von Dr. J1 ... weise eine Prellmarke präpatellar aus. Diese sei natürlich Unfallfolge, klinge aber nach wenigen Wochen folgenlos ab. Dagegen sei das Kniegelenk frei beweglich gewesen. Es sei keinerlei Meniskussymptomatik beschrieben worden. Die später nachgewiesene Meniskussymptomatik sei Folge des zerriebenen Meniskushinterhorns medial bei über das Gesamtgelenk sich ausdehnenden degenerativen Gewebeveränderungen gewesen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt hätte eine so genannte Aktivierungsphase eintreten können. Diese könne nicht exakt auf den Tag datiert werden. Eine Arthrose sei jedoch ein chronisch progredienter Prozess, wobei der Übergang von der Phase der Kompensation zur Phase der Dekompensation (Aktivierung, Schmerz) abhängig von einer Vielzahl externer Faktoren sei, insbesondere auch der Größe der statischen Belastung. Diese sei bei dem erheblichen Übergewicht der Patientin in jedem Falle vergrößert. Auch ein Unfallgeschehen wäre in der Lage gewesen, richtunggebend eine Gonarthrose negativ zu beeinflussen. Dazu wäre jedoch der Nachweis eines unfallabhängigen morphologischen Substrates notwendig, das nicht belegt werden könne.

Zum Gutachten von Prof. Dr. D1 ... hat die Klägerin noch vorgetragen, sie habe sich beim Sturz mit der rechten Hand abgefangen, die darauf hin schlimmer geworden und bis heute nicht vollständig genesen sei. Es sei daher an den Gutachter die Frage zu richten, ob ermittelbar sei, inwiefern durch den Sturz eine Verschlimmerung eingetreten sei. Vor dem Sturz habe die Klägerin selbst zur Arbeit gehen können. Nach dem Sturz habe sie täglich zur Arbeit und zum Arzt gefahren werden müssen.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 16.02.2004 und vom 20.02.2004).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage muss erfolglos bleiben, weil es nicht wahrscheinlich ist, dass der von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannte Sturz wesentlich dauerhaft die Beschwerdeentwicklung der Klägerin im Bereich des rechten Kniegelenks und der rechten Hand mitverursacht hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente nach den §§ 580, 581 RVO oder nach den §§ 56, 72 SGB VII richten würde. Sowohl nach dem Recht der RVO als auch nach dem Recht des SGB VII sind dieselben hier allein entscheidungserheblichen, richterrechtlich entwickelten Grundsätze der unfallversicherungsrechtlichen Kausallehre anzuwenden.

Die Anerkennung von Unfallfolgen setzt voraus, dass im Wege des Vollbeweises eine Gesundheitsstörung gesichert ist, die mit Wahrscheinlichkeit auf einen zeitlich vorausgegangenen, ebenfalls vollbeweislich gesicherten Unfallhergang zurückzuführen und deswegen als Verletzung (Primärschaden) zu begreifen ist.

Vorliegend ist unmittelbar nach dem Unfall lediglich eine Prellung des rechten Kniegelenks unter Ausschluss jeglicher Anhaltspunkte für eine strukturelle Kniebinnenverletzung und eine Kontusion des rechten Handgelenkes gesichert.

Die von Dr. P1 ... und Prof. Dr. D1 ... dafür angeführten medizinischen Gründe, dass bei der Klägerin nach dem Sturz kein Meniskusriss vorgelegen hat, sind überzeugend. Klinische Symptome, die nach geltender ärztlicher Lehrmeinung als Hinweise auf einen Meniskusriss gelten, konnten bei der Klägerin kurz nach dem Arbeitsunfall nicht festgestellt werden. Die einige Monate später durchgeführte Arthroskopie ergab ebenfalls nur das Bild eines ausgeprägt degenerativ veränderten, weitgehend aufgebrauchten Innenmeniskushinterhorns. Soweit Dr. B2 ... in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 29.12.1998 von einer nachgewiesenen Innenmeniskushinterhornläsion spricht, führt er keine anderen Gründe als die von der Klägerin im Fragebogen bei Knieverletzungen am 25.07.1996 gemachten Angaben an. Sein Argument ist damit allein die so genannte geeignete Unfallursache. Die Klägerin hat aber gegenüber Dr. P1 ... und Prof. Dr. D1 ... einen direkten Sturz auf das rechte Kniegelenk geschildert. Ein Sturz bei Beugung und Außenrotation des Kniegelenkes ist nicht belegt; eine Fixierung des rechten Fußes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Schneeglätte) ohnehin nicht. Ein Drehsturz ist damit nicht belegt. Auch ist ein Unfallhergang nie ein Beleg für eine bestimmte Kniebinnenschädigung, wenn es für diese aus dem Unfallhergang postulierte Kniebinnenschädigung - so wie hier - keine gesicherten medizinischen Befunde gibt.

Eine kurz nach dem Arbeitsunfall erstmals aufgetretene massive Knorpelschädigung im Kniegelenk ist ebenfalls nicht durch eindeutige klinische Symptome belegt (nach Dr. P1 ...: blutiger Gelenkerguss und eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung des Gelenkes). Außerdem haben sich auf den schon drei Tage nach dem Sturz erstellten Röntgenaufnahmen eindeutige Hinweise für eine schon länger in größerem Ausmaß bestehende Gonarthrose gefunden. Dieser Befund wird von allen Ärzten unter Einschluss von Dr. B2 ... als gesichert angesehen. Die arthroskopisch später gesicherte ganz erhebliche Knorpelschädigung kann daher nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Sturz zurückgeführt werden. Auch der Senat geht mit Dr. J1 ..., Dr. H1 ..., Dr. P1 ..., Prof. Dr. D1 ... und Dr. B2 ... aufgrund dieser Umstände davon aus, dass das rechte Kniegelenk der Klägerin schon vor dem Arbeitsunfall massiv in seinen Knorpel- und Meniskusanteilen degenerativ verändert gewesen ist, ohne schon klinisch dekompensiert gewesen zu sein.

Der direkte Sturz auf das rechte Kniegelenk mit nachfolgender Prellung, wovon der Senat aufgrund der Angaben der Klägerin gegenüber Dr. P1 ... und Prof. Dr. D1 ... ausgeht, hat zwar die weiteren Beschwerden der Klägerin im rechten Kniegelenk in ihrem tatsächlich-zeitlichen Verlauf ausgelöst und daher als Conditio sine qua non auch mit verursacht. Aus Rechtsgründen ist dieser Sturz aber nicht als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen. Es handelt sich bei ihm nur um eine Gelegenheitsursache.

Wenn im Einzelfall feststeht, dass außer der versicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit auch nicht betrieblich bedingte Umstände als Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn in Betracht kommen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Wertentscheidung zu treffen, ob beide Ursachen wesentlich für den Unfall oder dessen Verlauf waren und folglich als Ursachen im Rechtssinn anzusehen sind oder ob vielmehr die körpereigene Ursache von so überragender Bedeutung für Art und Schwere des Unfalls war, dass sie allein als wesentliche Ursache im Rechtssinne für den Unfall zu betrachten ist. Um dies entscheiden zu können, bedarf es der wertenden Gegenüberstellung sämtlicher für das fragliche Ereignis ursächlich gewordener Umstände oder Vorgänge. Dabei müssen sowohl die betriebsbedingte Ursache, die versicherte Tätigkeit, als auch die andere, z.B. körpereigene Ursache, sicher feststehen, wogegen für deren jeweilige Ursächlichkeit das Vorliegen der Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, Urteil vom 20.01.1987 - 2 RU 27/86 - SozR 2200 § 548 Nr. 84). Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert allerdings nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen (in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht) gemeinsam zum Entstehen der Erkrankung beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit-)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des "Erfolges" wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist nicht identisch mit den Beschreibungen "überwiegend", "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine "nicht annähernd gleichwertige", sondern rechnerisch (prozentual) also verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist vielmehr nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Daher ist es zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedriger zu bewertende) Ursache rechtlich als "wesentlich" anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache "der Erfolg" eintreten konnte. Letztere Ursache hat dann im Verhältnis zur ersten keine überragende Bedeutung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 8 Rn. 8.2.3). Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 81).

Für die Frage, ob eine sich aus dem Sturz ergebende und allein medizinisch nachgewiesene Prellung des rechten Kniegelenkes noch eine rechtlich wesentliche Ursache oder schon eine Gelegenheitsursache darstellt, wenn die Prellung wie hier auf ein schon vor dem Unfall degenerativ erheblich verändertes Kniegelenk einwirkt, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem Unfall nachweisbar eine strukturelle Kniebinnenschädigung vorgelegen hat, die mit Wahrscheinlichkeit auf ein traumatisches Ereignis zurückgeführt werden kann, kommt es maßgeblich darauf an, dass ein anderweitiger Schadenseintritt ohne Belastung oder durch eine alltägliche Belastung nicht nur jederzeit möglich gewesen ist, sondern mit Wahrscheinlichkeit auch in naher Zukunft eingetreten wäre.

Hierzu hat das BSG ausgeführt:

Urteil vom 27.10.1987 - 2 RU 35/87 - SozR 2200 § 589 Nr. 10:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist - wovon auch das LSG zunächst im wesentlichen ausgegangen ist - für den Fall, daß die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar ist, daß die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern daß jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Brackmann aaO S 488t mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung des BSG und der Literatur)."

Urteil vom 18.03.1997 - 2 RU 8/96 - HVBG-INFO 1997, 1279:

"Daran fehlt es, wenn die Herzerkrankung bereits so schwer, dh die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, daß die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (BSGE 62, 220, 221; BSG, Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 14/91 - HV-INFO 1992, 586 = Meso B 90/93). Diese ursächliche Bedeutung für den Eintritt des tödlichen Erfolges hat eine Krankheitsanlage zB dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte (BSG aaO)".

Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 18/00 R - HVBG-INFO 2001, 1713:

"Bei dieser Sachlage hat das LSG im Anschluß an seine Feststellungen zutreffend erkannt, daß der Anspruch der Klägerin vor allem davon abhängt, ob die körperliche Belastung durch den Arbeitsvorgang, die als äußere Einwirkung für die für das Vorliegen eines Unfalls erforderliche Körperschädigung ausreichen würde, den Tod des Versicherten auch im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung verursacht hat. Dazu müßte ihr im Vergleich zu der vorbestehenden Gefäßmißbildung als weitere Mitbedingung der Stellenwert einer rechtlich wesentlichen Mitursache für den Tod des Versicherten zukommen. Daran fehlt es, wenn die Gefäßmißbildung so schwer, dh die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, daß die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (BSGE 62, 220, 221 = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 14/91 - = HVBG-Info 1992, 586 = Meso B 90/93). Diese ursächliche Bedeutung für den Eintritt des tödlichen Erfolges hat eine Krankheitsanlage zB dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Erscheinungen ausgelöst hätte (BSG Urteile vom 18. März 1997 - 2 RU 8/96 - HVBG-Info 1997, 1279 und vom 2. Febru ar 1999, aaO)."

Die Rechtsprechung des BSG verlangt nicht, dass mit Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, die Schädigung wäre ohnehin genau in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem es zum Unfall kam. Dies kann man in den seltensten Fällen in der Retrospektive mit Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Verlangt wird lediglich, dass ausgehend von der Schadensanlage bzw. der Vorschädigung auch ein alltägliches Ereignis mit Wahrscheinlichkeit dieselben Funktionsstörungen in etwa dem Zeitraum hervorgerufen hätte, in dem die Funktionsstörungen dann tatsächlich eingetreten sind.

So liegt der Fall hier. Allerdings ist die Annahme einer wesentlichen Ursache nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass das Unfallereignis seinerseits kein abgrenzbares morphologisches Substrat im Sinne einer strukturellen Kniebinnenschädigung hinterlassen hat, wie Prof. Dr. D1 ... meint. Die bloße Aktivierung einer Arthrose kann auch durch einen Unfall rechtlich wesentlich verursacht werden, der keine strukturelle Kniebinnenschädigung verursacht, sofern es sich dabei organbezogen um kein alltägliches Ereignis handelt. Ob der Sturz auf ein Kniegelenk mit nachfolgender Prellung und mindestens mehrtägiger Arbeitsunfähigkeit in jedem Fall noch ein organbezogen alltägliches Ereignis ist, erscheint zweifelhaft. Aber auch wenn man darin ein nicht alltägliches Ereignis erblickt, stellt der Sturz hier keine wesentliche Ursache dar.

Aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen Dr. P1 ... und Prof. Dr. D1 ..., denen sich der Senat anschließt, ist davon auszugehen, dass es aufgrund der erwiesenen degenerativen Veränderungen im rechten Kniegelenk mit Wahrscheinlichkeit auch ohne den Sturz auf das rechte Kniegelenk zu einer vergleichbaren Beschwerdeentwicklung gekommen wäre. Selbst wenn ein Knorpel- und Meniskusschaden in seiner klinischen Relevanz u.U. längere Zeit stumm sein kann, haben die Sachverständigen deutlich gemacht, dass wegen der gravierenden Veränderungen im rechten Kniegelenk und dem erheblichen Übergewicht der Klägerin jederzeit mit einer Aktivierung der Gonarthrose zu rechnen war. Dr. P1 ... nennt hier einen Zeitraum von einem bis zwei Jahren, während Prof. Dr. D1 ... von einem beliebigen anderen Zeitpunkt spricht. Ob und wann genau es ohne den Arbeitsunfall zu einer vergleichbaren Beschwerdeentwicklung gekommen wäre, hängt letztlich von im Nachhinein kausal nicht mehr fassbaren, weil nicht vorhersehbaren Zufällen ab. Jedenfalls ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin auch ohne den Arbeitsunfall wahrscheinlich alsbald erhebliche, sich funktionell auswirkenden Beschwerden im rechten Kniegelenk gehabt hätte. Dr. B2 ... hat insoweit keine Ausführungen gemacht, sondern wie bereits dargelegt, die Aktivierung der Arthrose mit dem Hinweis auf das Vorliegen eines adäquaten valgisierenden Traumas zu Unrecht als rechtlich wesentlich durch den Unfall verursacht angesehen.

Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 16.02.2004 wieder die Frage aufwirft, ob die Handgelenkskontusion eine fortdauernde Verschlimmerung des Lymphödems bewirkt hat, ist darauf hinzuweisen, dass alle Ärzte, die sich mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt haben (Dr. J1 ..., Dr. H1 ..., Dr. P1 ..., Prof. Dr. D1 ...) jedenfalls davon ausgegangen sind, dass die Verschlimmerungsfolgen im Laufe des Jahres 1996 abgeklungen sind, wobei Dr. H1 ... eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit für die Dauer von einem Jahr als möglich ansieht. Keiner der Ärzte hat aber für irgendeinen Zeitpunkt eine MdE vorgeschlagen, die höher als 10 v.H. war. Auch deswegen steht der Klägerin wegen der Folgen der Handgelenkskontusion keine Verletztenrente zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
Rechtskraft
Aus
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