L 2 U 116/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 2/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 116/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15.06.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner chronischen Augenentzündung als Folge eines Arbeitsunfalles vom 08.05.1995. Ferner begehrt er die Gewährung einer Verletztenrente.

Am 08.05.1995 gerieten dem Kläger in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Bauarbeiter Teile von Baustoffen in beide Augen. Nach einer Aussage eines Kollegen des Klägers, R ... O ... (im Folgenden: O) vom 02.08.1996 brachte dieser ihn wegen der hierdurch verursachten Beschwerden in den Sanitätsbereich, um beim Ausspülen zu helfen. Anschließend habe der Kläger noch längere Zeit seine Augen gespült und den Rest des Tages deutlich sichtbare Augenbeschwerden gehabt. Zwischen dem Unfallereignis und dem Ausspülen der Augen verging eine Zeit von ca. 10 Minuten. Wegen anhaltender Beschwerden begab der Kläger sich am 09. und 11.05.1995 in augenärztliche Behandlung. Am 11.05.1995 wurde eine Keratokonjunktivitis (Entzündung der Hornhaut sowie der Augenbindehaut) rechts stärker als links diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeit in Folge des Arbeitsunfalles wurde nicht attestiert, nach Angaben des Klägers konnte er aber nur unter Einnahme von Schmerzmitteln arbeiten. Ab 18.08.1995 war der Kläger arbeitslos.

Nach Angaben des Klägers sowie des Kollegen O. handelte es sich bei den Baustoffteilen, die dem Kläger in die Augen gerieten, um "maxistuck-Feinzeug", "Unterputz ip 18 H" und um "StoDecoForm". Den Sicherheitsdatenblättern zu den genannten Produkten zufolge ist sowohl StoDecoForm als auch maxistuck-Feinzeug haut- und augenreizend und sollte nur mit Schutzbrille verarbeitet werden. Bei Augenkontakt wird reichliche Spülung der Augen mit Wasser für 10 bis 15 Minuten sowie die Konsultation eines Arztes empfohlen. Für Kalkzementputz ist nach Angaben des Herstellers Augenschutz bei der Verarbeitung nicht notwendig, bei Augenkontakt soll das Produkt mit Wasser abgewaschen werden.

Am 21.05.1996 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und teilte mit, dass er mit den Augen noch Probleme habe (Entzündung, geschwollen etc.). Die Beklagte forderte daraufhin Unterlagen der den Kläger behandelnden Augenärzte an. Dr. Z1 ... teilte am 21.06.1996 mit, dass der Kläger sich bei ihm erstmals am 12.12.1995 vorgestellt habe. Die damals geklagten Beschwerden bestünden noch heute und seien Anlass zu mehrfachen Arztbesuchen gewesen. Objektiv finde sich eine volle Sehschärfe. Gleichzeitig zeigten die vorderen Augenabschnitte das Bild einer chronischen Bindehautentzündung mit Rötung, Schwellung und Verdickung der Schleimhäute. Eine Schleimhautschädigung mit nachfolgender chronischer Entzündung durch Zementstäube sei prinzipiell möglich, wenn auch nicht so sehr typisch. Die Praktische Ärztin Dr. R1 ... gab am 02.08.1996 an, dass sie den Kläger wegen Augenproblemen nach einer Zementstaubverletzung am 12.12.1995 zum Augenarzt überwiesen habe ...

Ferner erstattete Prof. Dr. S1 ..., Direktor der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums D ... am 23.06.1997 für die Beklagte ein augenärztliches Gutachten, in dem er ausführte, der Unfall vom 08.05.1995 habe den anamnestischen Angaben zufolge eine leichte Verätzung der Bindehäute, gegebenenfalls auch der Hornhaut beider Augen durch eine Kontamination mit Feinzeug verursacht, die offensichtlich ambulant habe behandelt werden können und keiner stationären Einweisung bedurft habe. Der Augenarztbericht der ersten notfallmäßigen Arztkonsultation nach dem Unfallereignis belege das Vorliegen einer Fremdkörperverletzung des rechten Auges. Zwei Tage später sei eine nochmalige Vorstellung in der ophthalmologischen Notfallambulanz D ... erfolgt, bei der eine Keratokonjunktivitis diagnostiziert worden sei. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers und der vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass das Vorliegen einer Verätzung des rechten und linken Auges primär übersehen worden sei. Am 15.05.1995 sei eine nochmalige Fremdkörperentfernung am rechten Auge erfolgt. Es ließen sich keine der derzeit bestehenden Veränderungen und Beschwerden mit ausreichender Sicherheit als Folgen des Unfalles vom 08.05.1995 einstufen. Zwar sei prinzipiell die Manifestation eines chronisch peristierenden konjunktivalen Reizzustandes nach einer Augenverätzung möglich, wobei es sich jedoch um eine untypische Komplikation handele. Das Vorliegen einer allergischen Komponente habe ausgeschlossen werden können. Es hätten sich Zeichen einer unspezifischen entzündlichen Veränderung gefunden, die keine sicheren Aussagen zur anderweitigen Ätiologie des klinisch zu beobachtenden Reizzustandes zuließen. Prof. Dr. S1. fand neben einer beidseitigen chronischen und therapieresistenten Konjunktivitis auch eine krankhafte Verbindung zwischen der inneren Halsschlagader und den venösen Gefäßen im Kopf (Sinus-cavernosus-Low-flow-Fistel) sowie eine Trockenheit der Augen aufgrund verminderten Tränenflusses.

Mit Bescheid vom 02.07.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 08.05.1995 ab. Der Kläger habe sich seinerzeit eine Fremdkörperverletzung des rechten Auges und eine leichte Verätzung des rechten und linken Auges zugezogen. Die chronische Bindehautentzündung mit Rötung der Lider des rechten und linken Auges und beständig bestehender Augenrötung sei unfallunabhängig entstanden. Auf den Widerspruch des Klägers hin holte die Beklagte eine augenärztliche Stellungnahme bei dem Augenarzt Dr. Z2 ... vom 22.09.1997 ein, der ausführte, dass seines Erachtens eindeutig kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Fremdkörperereignis vom Mai 1995 am rechten Auge und der angeblich seit dieser Zeit bestehenden chronischen Bindehautentzündung beider Augen bestehe. Aus den Akten ergebe sich, dass nach dem Unfall am rechten Auge am 09.05. und 15.05.1995 Fremdkörper entfernt worden seien. Dass nunmehr eine chronische Entzündung beidseits bestehe, spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Eine solchen Entzündung trete nach einer einseitigen Fremdkörperaffektion selbst dann nicht beidseitig auf, wenn eine komplizierende Infektion hinzugekommen wäre. Die von der Augenklinik in D ... vermutete beidseitige Verätzung bei dem Unfall sei dort erstmals als möglich und denkbar erwähnt worden. Es fänden sich aber keinerlei Hinweise auf eine beide Augen nachhaltig schädigende Verätzung. Unfallfolgen bestünden nicht.

Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.1997 den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 05.01.1998 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Beklagte gehe von einem falschen Unfallhergang aus, da ihm Baustoffreste in beide Augen gelangt seien. Ferner hat der Kläger einen Prüfbericht des Institutes F ... vom 06.04.1998 über die Untersuchung von unverarbeiteten Proben von maxistuck-Feinzeug, Unterputz ip 18 H und StoDekoForm vorgelegt, in dem als Ergebnis ausgeführt wird, dass bei Berührung der geöffneten Augen mit den Baustoffen eine Verätzung der Augen sehr wahrscheinlich sei.

Das SG hat sich zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes in medizinischer Hinsicht an die Chefärztin der Augenklinik Dr. P1 ... gewandt, die im Gutachten vom 20.10.1999 ausgeführt hat, der Kläger leide an einer chronischen Konjunktivitis beidseits bei verminderter Tränensekretion. Er habe am 08.05.1995 Restmaterialen für Stuckarbeiten, die alkalisch reagierten und Verätzungen auslösen könnten, in beide Augen bekommen. Die chronische Bindehautentzündung beider Augen als Folge des angeschuldigten Ereignisses sei unwahrscheinlich. Selbst wenn man annehme, dass ein Fremdkörperkontakt mit beiden Augen stattgefunden habe, was in einem gewissen Widerspruch zu dem Akteninhalt stehe, und wenn man eine Verätzung am linken Auge annehme, sei diese nach den beschriebenen Befunden nur leicht und damit nicht geeignet gewesen, einen chronischen Bindehautprozess auszulösen. Die beim Kläger vorliegende besondere Form der Bindehautentzündung sei charakteristisch für die so genannte Keratokonjunktivitis vernalis und nicht für eine Verätzungsfolge. Die Ursache dieser Konjunktivitis sei noch ungeklärt. Auch die vom Kläger im Übrigen angegebenen Beschwerden wie Augendrücken, Schleimabsonderung und vor allem auch starker Juckreiz mit Auftreten bzw. Verstärkung der Symptomatik in der wärmeren Jahreszeit sei typisch für die Konjunktivitis vernalis, die in 2/3 der Fälle mit allergischen Veränderungen an weiteren Organen verbunden sei. Bei einer Testung durch die Hautärztin des Klägers sei eine Allergiebereitschaft gegen Beifußpollen festgestellt worden. Die beim Kläger bestehende verminderte Tränensekretion könne eine Konjunktivitis begünstigen. Allerdings könne auch verminderte Tränensekretion eine Folge der chronischen Konjunktivitis sein. Auch schwere Verätzungen könnten zu einer verminderten Tränensekretion führen. Der Kläger unterhalte vermutlich unbewusst die Konjunktivitis durch mechanische Reizung durch häufige Manipulationen am Auge. Anlagebedingt vorhandene Veränderungen am Auge zum Zeitpunkt des Unfalles könnten nicht sicher nachgewiesen werden. Die bestehenden Gesundheitsstörungen wären auch ohne einen besonderen äußeren Anlass zur selben Zeit eingetreten.

Der Kläger hat hierzu einen Allergietestbogen vom 28.10.1999 vorgelegt, aus dem sich keine Allergie ergibt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15.12.1999 hat die Gutachterin hierauf ausgeführt, dass das Nichtvorliegen einer Allergiebereitschaft oder familiärer Belastung zu keiner anderen Beurteilung der Zusammenhangsfrage führen könne. Auch werde in keiner Weise bezweifelt, dass der Baustoff, dem der Kläger ausgesetzt gewesen sei, geeignet sei, eine Verätzung herbeizuführen. Jedoch könnten Verätzungsfolgen von unterschiedlicher Schwere eintreten. Nach den dokumentierten Befunden seien aber keine schweren Verätzungsfolgen sichtbar gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 15.06.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung zunächst ausgeführt, dass das Gericht es als erwiesen ansehe, dass der Kläger bei dem Unfallereignis vom 08.05.1995 Baustoffreste in beide Augen bekommen habe. Des Weiteren gehe das Gericht mit Dr. P1 ... und Prof. Dr. S1 ... davon aus, dass der Kläger bei dem Unfallereignis vom 08.05.1995 eine leichte Verätzung beider Augen erlitten habe. Dass es sich um eine leichte Verätzung gehandelt habe, ergebe sich daraus, dass der Kläger seine Augen nach dem Unfall mit Wasser ausgespült habe. Auch seien in den Augenarztberichten vom 09. und 11.05.1995 keine schweren Verätzungsfolgen diagnostiziert worden, und das Gericht halte es für ausgeschlossen, dass zwei Augenärzte unabhängig voneinander schwerere Verätzungsfolgen übersehen hätten. Mit Dr. P1 ... gehe das Gericht weiter davon aus, dass eine leichte Verätzung der Augen nicht ausreichend sei, um eine chronische Bindehautentzündung auszulösen. Vielmehr sei eine unfallunabhängige Keratokonjunktivitis vernalis als ursächlich für die Beschwerden des Klägers anzusehen. Hierfür spreche insbesondere auch, dass die beim Kläger erhobenen Befunde als Folgen einer Verätzung untypisch, für eine Keratokonjunktivitis vernalis dagegen typisch seien. Im Ergebnis werde daher die beim Kläger vorliegende chronische und therapieresistente Augenentzündung nicht als Unfallfolge angesehen. Hierfür spreche auch, dass auch Prof. Dr. S1 ... und Dr. Z1 ..., welcher nach eigener Einschätzung des Klägers dessen Augenerkrankung am besten beurteilen könne, davon ausgingen, dass die Augenentzündung des Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 08.05.1995 zurückgeführt werden könne. Dem stehe nicht entgegen, dass beim Kläger keine Allergien vorlägen und auch keine familiäre Disposition belegt sei. Insoweit habe Dr. P1 ... in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.12.1999 überzeugend dargelegt, dass allergische Erkrankungen des Klägers oder von Familienangehörigen lediglich ergänzende Indizien für das Vorliegen der von ihr diagnostizierten Keratokonjunktivitis vernalis seien, da diese Erkrankung häufig mit allergischen Erkrankungen einher gehe. Derartige allergische Erkrankungen seien jedoch nicht Bedingung für das Vorliegen einer Keratokonjunktivitis vernalis.

Gegen das ihm mit Einschreiben vom 02.08.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.08.2000 Berufung eingelegt und zur Begründung nochmals darauf hingewiesen, dass er nicht nur auf einem, sondern auf beiden Augen verletzt worden sei. Des Weiteren sei die These von Prof. Dr. S1 ..., dass die bei ihm vorliegende chronische Augenerkrankung auf eine Fistel zurückgeführt werden könne dadurch widerlegt, dass anlässlich der Untersuchung bei Dr. P1 ... die Fistel im Gegensatz zu der Augenentzündung nicht mehr da gewesen sei. Des Weiteren hätten die erstbehandelnden Ärzte die Verletzungen am zweiten Auge nicht beachtet. Auch habe die Beklagte durch ihr Verhalten die Erstellung richtiger Gutachten verhindert und sei auch nicht zu Materialanalysen bereit gewesen.

Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 02.06.2003 den Facharzt für Augenheilkunde Dr. K1 ... mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers beauftragt. Nachdem der Kläger jegliche Anwendung von Augentropfen u. ä. für die Erstellung des Gutachtens abgelehnt und der Gutachter hierauf mitgeteilt hat, dass eine korrekte Begutachtung nur unter Anwendung von Augentropfen zur Pupillenerweiterung möglich sei, ist der Gutachter am 01.09.2003 mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt worden.

Im Gutachten vom 22.11.2003 hat der Gutachter ausgeführt, der Kläger habe eine leichte Bindehautverätzung erlitten; der Reizzustand beider Augen sei als gering beschrieben worden und das Sehvermögen mit Korrektur habe in der Folge bei verschiedenen Untersuchern zwischen 1,0 und 1,3 geschwankt. Der Beschwerdekomplex (Reizzustand der Augen, Schleimabsonderung, Juckreiz) werde von verschiedenen Untersuchern mit geringen Variationen als gleichbleibend beschrieben. In der Folgezeit seien verschiedene Formen einer chronischen Bindehaut-Lidrandentzündung beschrieben worden. Ein Zusammenhang zum Ereignis vom 08.05.1995 sei entsprechend den Gutachten Dr. P1 ... und Prof. Dr. S1 ... möglich, aber nicht wahrscheinlich. Am ehesten handele es sich um eine Konjunktivitis vernalis, die Darlegungen im Gutachten Dr. P1 ... seien schlüssig. Eine einmalige Staubexposition führe in der Regel nicht zu einer dauerhaften Entzündung der Augen. Im Ergebnis sei das Ereignis vom 08.05.1995 im Hinblick auf den Verursachungsbeitrag zur chronischen Bindehautentzündung zu vernachlässigen. Man könne davon ausgehen, dass die Erkrankung beider Augen auch unabhängig vom Ereignis vom 08.05.1995 zu einem nahen Zeitpunkt und in etwa gleichem Ausmaß aufgetreten wäre.

Der Kläger hat nach Erhalt des Gutachtens um Beiziehung eines Gutachtens von Dr. F1 ... gebeten, der im Auftrag der LVA oder des Arbeitsamtes habe feststellen sollen, woher seine Augenentzündung komme. Eine Untersuchung habe er nicht abgelehnt, sondern sei bei dem Gutachter gewesen. Bis auf operative Maßnahmen und chemische Mittel im Auge habe er keine Einwände gegen eine Begutachtung. In einer Stellungnahme vom 05.12.2003 hat der Kläger nochmals auf die Materialanalyse des Institutes F ... hingewiesen, die mehr als deutlich zeige, dass die Verletzung und deren Folgeschäden nicht so gering sein könnten wie oft beschrieben. Insbesondere sei hier Sto Dekor Form zu nennen. Bei Kontakt mit diesem Stoff sei eine Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich, der Stoff reize die Augen und die Haut und solle nur in gut gelüfteten Räumen verwendet werden. Mit dem Prüfbericht sei naturwissenschaftlich belegt, dass er nicht nur eine kleine Verletzung erlitten habe.

In dem daraufhin vom Senat beigezogenen Gutachten vom 26.03.1997, das nach einer Untersuchung am 16.04.1997 für die LVA Sachsen erstellt worden ist, hat Dr. F1 ... ausgeführt, dass beim Kläger an beiden Augen eine sogenannte Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge) bestehe, bedingt durch eine nachweislich verminderte Tränensekretion. Eine berufliche Tätigkeit als Bauarbeiter könne er aus diesem Grunde sicher nicht mehr ausführen. Die Funktion beider Augen sei durch die Erkrankung nicht beeinflusst.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15.06.2000 aufzuheben, den Bescheid vom 02.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.1997 zu ändern, als Folge des Arbeitsunfalles vom 08.05.1995 eine chronische Augenentzündung festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen dieser Erkrankung eine Verletzenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide und die Gründe der Entscheidung des SG bezogen.

Den Beteiligten ist mit Schreiben vom 03.12.2003 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, das Verfahren durch Beschluss zu entscheiden, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.

Dem Senat liegen neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nicht begründet.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden hierzu entsprechend der Regelung des § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG gehört.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in ungerechtfertigter Weise beschweren.

Auf das Verfahren ist das Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich der Unfall vom 08.05.1995 nach dem 31.12.1991 und vor dem 01.01.1997, dem Tag des Inkrafttretens des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ereignete.

Der Kläger hat am 08.05.1995 einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall nach §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 Abs. 1 Satz 1 RVO erlitten. Er ist aber nicht infolge dieses Unfalles an einer chronischen Augenentzündung erkrankt, so dass eine Entschädigung wegen dieser Erkrankung nicht in Betracht kommt.

Hinsichtlich der Feststellung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Arbeitsunfall vom 08.05.1995 und der heute bestehenden chronischen Augenentzündung ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, bloße Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Das bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (z. B. BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand August 2002, § 8 Rn. 10.1 m. w. N). Hingegen ist das Vorhandensein einer schwereren Augenverätzung dem Vollbeweis unterworfen. Diese muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Eventuelle vernünftige Zweifel müssen ausgeräumt sein.

Vorliegend ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die beim Kläger bestehende chronische Augenentzündung durch den Unfall vom 08.05.1995 verursacht worden ist, weil nur aufgrund einer hier nicht erwiesenen schwereren Augenverätzung ein Zusammenhang wahrscheinlich wäre.

Zwar sieht es der Senat ebenso wie vor ihm das SG als erwiesen an, dass der Kläger bei dem Unfallereignis vom 08.05.1995 Teile von Baustoffen in beide Augen bekommen hat. Hinsichtlich der Gründe hierfür kann gem. § 153 Abs. 2 SGG auf das Urteil des SG verwiesen werden. Jedoch sieht der Senat nur eine leichte Verätzung als erwiesen an. Auch insoweit kann gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der Entscheidung des SG verwiesen werden.

Ergänzend ist hinzuzufügen, dass das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung führen kann. Soweit der Kläger ausgeführt hat, im Tatbestand des Urteils des SG werde angegeben, er habe sich unmittelbar nach dem Unfall die Augen ausgewaschen, obwohl mindestens 10 Minuten vergangen seien, bis er sich im Waschraum befunden habe, führt dies nicht dazu, dass von einer starken Verätzung der Augen ausgegangen werden könnte. Entscheidend insoweit ist vielmehr, dass anlässlich der Erstkonsultation nach dem Unfallereignis keine starke Verätzung der Augen diagnostiziert worden ist. Ebenso wie das SG hält es auch der Senat für ausgeschlossen, dass mehrere Augenärzte unabhängig voneinander schwerere Verätzungsfolgen übersehen. Zumindest kann deshalb nicht im Sinne des Vollbeweises von schweren Verätzungen ausgegangen werden, wenn solche trotz Arztbesuchen nicht dokumentiert sind. Soweit der Kläger erneut darauf hingewiesen hat, dass beide Augen bei dem Unfallereignis vom 08.05.1995 verletzt worden seien und dass die Beklagte insbesondere hinsichtlich der Beschaffenheit der Stoffe, die ihn verletzt hätten, nicht ausreichend ermittelt habe, hat jedenfalls das SG etwaige Versäumnisse nachgeholt. Auch ist das SG den Ausführungen des Klägers bezüglich der Zusammensetzung der Stoffe gefolgt und hat insbesondere betont, dass diese Stoffe grundsätzlich geeignet seien, bei Augenkontakt auch schwere Verätzungen der Augen hervorzurufen.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat- nach eigener Prüfung - davon aus, dass die Stoffe, die dem Kläger am 08.05.1995 in die Augen gerieten, geeignet sind, auch schwere Verätzungen hervorzurufen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem vom Kläger vorgelegten Prüfbericht des Institutes F ... vom 06.04.1998. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt hieraus jedoch nicht zwingend, dass er bei dem Ereignis vom 08.05.1995 eine schwere Verätzung der Augen erlitten hat. Da zeitnah zum Unfallereignis keine solche festgestellt wurde, spricht im Ergebnis nicht mehr dafür als dagegen, dass das Ereignis vom 08.05.1995 die heute noch bestehende Erkrankung der Augen des Klägers (mit)verursacht hat. Das vom Senat eingeholte Gutachten Dr. K1 ... vom 22.11.2003 hat dies nochmals bestätigt. Auch aus dem Gutachten von Dr. F1 ... vom 26.03.1997 ergibt sich nichts anderes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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