L 2 U 154/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 81/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 154/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. September 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente.

Der am ...1953 geborene Kläger erlernte, nachdem er nach acht Schuljahren in der siebten Klasse die Schule beendet hatte, von 1968 bis 1970 den Beruf des Facharbeiters für Straßenbautechnik und arbeitete ab 1970 als Straßenbauer, Abbrucharbeiter, Trockenleger und Maurer. Ab 23.03.1994 war er arbeitsunfähig krank und bezog im weiteren Verlauf längere Zeit Krankengeld. Der Kläger war danach überwiegend arbeitslos.

Der Kläger wurde am 25.04.1994 wegen eines akut aufgetretenen Sulcus-ulnaris-Syndroms (Taubheitsgefühl im Bereich des Kleinfingerballens und des vierten und fünften Fingers der rechten Hand) in der Neurochirurgischen Abteilung der P ... Klinik in Z ... operiert. Es stellte sich keine wesentliche Besserung ein.

Dipl.-Med. S1 ... zeigte am 23.03.1995 den Verdacht einer beim Kläger vorliegenden Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (im Folgenden: BK-Nr. 2103 BKV) an. Nach arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen erkannte die Beklagte unter Abänderung ihres zunächst umfassend ablehnenden Bescheides vom 04.06.1996 mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.1996 beim Kläger wegen eines Sulcus-ulnaris-Syndroms eine BK-Nr. 2103 BKV an. Die Gewährung einer Verletztenrente wurde jedoch abgelehnt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 15 v.H. eingeschätzt. Grundlage dieser Entscheidung war ein neurologisches Gutachten vom 25.10.1996, in dem Dr. D1 ... entgegen vorausgegangener gutachtlicher Äußerungen einen Kausalzusammenhang zwischen der Arbeit mit Pressluftwerkzeugen und der Erkrankung des Ellenbogennervs bejahte, ohne nähere Begründung aber die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen nur mit einer MdE um 15 v.H. bewertete.

In einem für die Bundesanstalt für Arbeit angefertigten Gutachten vom 05.12.1996 führte Dr. O1 ... aus, der Kläger gebe noch geringe Beschwerden im rechten Ellenbogen bei Belastung des Armes an. Das 1994 vorhandene Taubheitsgefühl im Bereich der Hand habe sich nach der Operation gebessert. Die jetzigen Beschwerden könnten noch als Rest der Nervenschädigung aufgefasst werden. Bei der Untersuchung sei nur ein geringer Druckschmerz im Bereich des rechten Ellenbogens im Operationsgebiet festgestellt worden. Die Beweglichkeit des Armes sei nicht eingeschränkt, seine Belastbarkeit jedoch herabgesetzt. Prognostisch sei keine Änderung mehr zu erwarten. Eine ständige ärztliche Überwachung sei nicht erforderlich. Es bestehe die Eignung für eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit ohne schweres Heben und Tragen und ohne Höhentauglichkeit (der Kläger ist in seinem räumlichen Sehvermögen eingeschränkt). Insbesondere eine Belastung des rechten Armes müsse vermieden werden. Der weitere Einsatz als Maurer sei aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht möglich. In einem Befundbericht vom 18.03.1997 beschrieb Dipl.-Med. S1 ... unveränderte Parästhesien 1½ Finger ulnar ohne motorische Ausfälle. Der Befund sei in den letzten zwölf Monaten unverändert gewesen.

Die gegen den eine Verletztenrente versagenden Widerspruchsbescheid beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobene Klage (Az.: S 14 U 18/97) endete am 12.10.1998 mit einem Vergleich, nachdem Dr. S2 ... in seinem Gutachten vom 09.07.1998 ebenfalls eine MdE um 15 v.H. vorgeschlagen und gemeint hatte, in Zukunft sei bei einem zunehmenden motorischen Defekt die MdE mit 20 v.H. zu bewerten. Die Beklagte verpflichtete sich in dem Vergleich, nach Ablauf eines Jahres eine erneute Begutachtung bei Dr. S2 ... zu veranlassen.

Aufgrund dessen erstattete Dr. S2 ... im Auftrag der Beklagten ein weiteres Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers. In seinem Gutachten vom 20.11.1999 führte Dr. S2 ... aus, dass die Beeinträchtigung aufgrund des diagnostizierten Sulcus-ulnaris-Syndroms nicht zugenommen habe. Die MdE betrage auch unter Berücksichtigung der verstärkten Beeinträchtigung der rechten Hand bei Belastung weiterhin 15 v.H. Mit Bescheid vom 29.11.1999 lehnte daraufhin die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente weiterhin ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2000 zurückwies.

Mit seiner dagegen beim SG erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, seine Beschwerden hätten sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert. Das SG hat insbesondere einen Befundbericht bei Dipl.-Med. S1 ... angefordert, der am 28.06.2000 eine Befundveränderung verneint hat.

Der vom SG zum Sachverständigen bestimmte Neurologe Prof. Dr. L1 ... hat in seinem nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 28.04.2001 erstellten Gutachten ebenfalls eine berufsbedingte Schädigung des Nervus ulnaris der rechten Hand bejaht und eine Krafteinbuße im Bereich des oberen Nervus ulnaris festgestellt, aus der eine Teillähmung des Nervus ulnaris ableitbar sei. Die MdE sei aufgrund einer nur gering nachweisbaren Muskelatrophie im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris, einer leichten Herabsetzung der Empfindung im Handbereich und einer mäßig herabgesetzten Kraftentfaltung mit 15 v.H. einzuschätzen. Jedoch habe der Kläger glaubhaft über eine unmittelbare Verstärkung der Lähmung bei körperlicher Belastung der rechten Hand und des rechten Armes und über einsetzende Schmerzen im Kleinfingerballenbereich bei schwerer körperlicher Tätigkeit berichtet. Der Kläger sei durch diese Beschwerden in der rechten Hand zusätzlich beeinträchtigt. Es sei daher das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins zu prüfen, da der Kläger zur Ausübung seines Berufes nicht mehr in der Lage sei. Eine wesentliche Änderung bestehe im Vergleich zu den Vorgutachten vom 09.07.1998 und 20.11.1999 nicht.

Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, dass ihm wegen seiner Nichteinsetzbarkeit im erlernten und ausgeübten Beruf eine Verletztenrente zu gewähren sei. Dagegen hat die Beklagte das Vorliegen einer MdE um 20 v.H. verneint. Zwar weise Prof. Dr. L1 ... auf eine Verstärkung der Lähmung bei körperlicher Belastung und auf das Auftreten von Schmerzen im Finger- und Kleinfingerballenbereich hin. Eine Objektivierung der verstärkten Lähmung habe jedoch nicht erfolgen können. Darüber hinaus seien die Schmerzen bereits in der MdE-Bewertung berücksichtigt. Auch eine Erhöhung der MdE-Bewertung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht gerechtfertigt. Hierbei müsse der Kläger besondere berufliche Nachteile haben. Bei der Prüfung seien strenge Maßstäbe anzulegen und eine Aufweichung der abstrakten Schadensbemessung zu vermeiden.

Das SG hat mit Urteil vom 25.09.2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung - insoweit wohl ein Schreibfehler - einmal ausgeführt, es liege keine Berufskrankheit vor. Im Übrigen hat es jedoch die Berufskrankheit eigenständig und unter Hinweis auf den Bescheid der Beklagten vom 19.12.1996 bejaht, den Anspruch auf eine Verletztenrente jedoch verneint. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hätten Versicherte Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Die MdE richte sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Unter der Erwerbsfähigkeit werde die Fähigkeit des Versicherten verstanden, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen Kenntnissen, seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten im gesamten Bereich des wirtschaftlichen Lebens (so genannter allgemeiner Arbeitsmarkt) böten, einen Erwerb zu verschaffen. Die MdE sei die Herabsetzung dieser so definierten Erwerbsfähigkeit. Sie drücke aus, in welchem Umfang der Versicherte durch den vom Versicherungsfall verursachten Körperschaden die Fähigkeit verloren habe, sich auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einen Erwerb zu verschaffen. Maßgebender Zeitpunkt sei der Zeitpunkt der MdE-Feststellung. Künftige möglicherweise eintretende Schäden blieben unberücksichtigt. Die Rentenbegutachtung sei im Kern eine Funktionsbegutachtung, die unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolge. Die beim Kläger bestehenden Beschwerden in Form der diagnostizierten Teillähmung des Nervus ulnaris am rechten Arm rechtfertige keine MdE im rentenberechtigenden Grade. Den Ausführungen Prof. Dr. L1 ... zur Bewertung der Schädigung mit einer MdE um 15 v.H. sei zu folgen. Dies entspreche den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (Hinweis auf Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12 J 025), wonach nur der vollständige Ausfall des oberen Nervus ulnaris mit einer MdE um 25 v.H. zu bewerten sei. Insoweit könne der Einschätzung des Sachverständigen aufgrund der nur gering nachweisbaren Muskelatrophie und der mäßig herabgesetzten Kraftentfaltung mit einer MdE um 15 v.H. gefolgt werden. Insbesondere wirkten auch die vom Kläger subjektiv geschilderte Verstärkung der Lähmung bei körperlicher Belastung der rechten Hand und des rechten Armes und einsetzende Schmerzen im Finger- und Kleinfingerballenbereich bei schwerer oder mittelschwerer Tätigkeit nicht MdE-erhöhend, da diese Beschwerden in der Regel bei der MdE-Einschätzung bereits mit berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus spreche die nur gering nachweisbare Muskelatrophie im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris gegen eine belastungsspezifische Verstärkung der Beschwerden des Klägers.

Daneben sei eine Erhöhung der MdE aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers ausgeschlossen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII würden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die der Versicherte dadurch erleide, dass er bestimmte von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalles nicht mehr oder nur noch im verminderten Umfang nutzen könne. In der Regel habe jedoch keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit zu erfolgen, da sie regelmäßig zu einer doppelten Berücksichtigung des Berufes führen würde (Hinweis auf BSG, Urteil vom 04.12.1991 - 2 RU 47/90 - SozR 3-2200 § 581 Nr. 1), sondern es müsse sich im Rahmen einer Einzelfallprüfung ergeben, ob sich die Folgen des Versicherungsfalls spezifisch auf die Fähigkeiten des Verletzten zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens auswirkten. Bei der Prüfung seien strenge Maßstäbe anzulegen, um eine Aufweichung der den Versicherten überwiegend begünstigenden abstrakten Schadensberechnung zu vermeiden. Die Vorschrift schränke in keiner Weise den Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung ein, was schon daran deutlich werde, dass auch hier nur eine angemessene Erhöhung der MdE, nicht jedoch ein rechnerischer Ausgleich des tatsächlichen, konkreten, Schadens erfolgen könne (Hinweis auf BSG, Urteile vom 19.09.1974 - 8 RU 94/73 - SozR 2200 § 581 Nr. 2; 23.06.1983 - 2 RU 13/82 - SozR 2200 § 581 Nr. 18). Die konkrete Einkommenssituation sei daher unerheblich. Nachteile lägen insbesondere dann vor, wenn sich die Folgen des Versicherungsfalls so auswirkten, dass eine gezielte Fähigkeit, die zum Lebensberuf geworden sei, nicht mehr ausgeübt werden könne und das Nichtberücksichtigen von Ausbildung und Beruf des Versicherten bei der Bewertung der MdE zu einer unbilligen Härte führe. Eine unbillige Härte ergebe sich nicht allein deshalb, weil der Versicherte seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben könne (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.12.1974 - 2 RU 155/74 - SozR 2200 § 581 Nr. 3) oder erst eine Erhöhung der MdE einen Rentenanspruch begründe. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers nicht gegeben. Zwar sei dieser die überwiegende Zeit seines Erwerbslebens von 1970 bis 1994 als Straßenbauer und Maurer tätig gewesen und könne nach Einschätzung der Sachverständigen diesen Beruf auch nicht weiter ausüben. Diese MdE sei jedoch bereits in der erfolgten MdE-Festsetzung berücksichtigt, welche auch den Umfang der dem Versicherten durch die Erkrankung verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten entschädigen solle. Dem trage eine MdE um 15 v.H. ausreichend Rechnung.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, das SG habe nicht berücksichtigt, dass die von Prof. Dr. L1 ... genannte MdE in Höhe von 15 v.H. nur eine vorläufige Einschätzung auch innerhalb des Gutachtens bedeutet habe. Er habe weiter berücksichtigt, dass der Kläger glaubhaft über eine unmittelbare Verstärkung der Lähmung bei körperlicher Belastung der rechten Hand sowie des rechten Armes und über weiter einsetzende Schmerzen berichtet habe. Auch dies müsse in die MdE-Bewertung mit einfließen, ohne dass es auf eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers ankomme. Zusätzliche Schmerzen, welche zwar nicht zur Teillähmung zählten, jedoch auf sie zurückzuführen seien, seien bei der MdE mit zu berücksichtigen. Insofern kann nicht einfach gesagt werden, wie dies das SG getan habe, dass diese Schmerzen von vornherein in der MdE berücksichtigt worden seien. Nach Ansicht von Prof. Dr. L1 ... sei gerade dies nicht geschehen. Im Gegensatz zu der von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 28.05.2001 geäußerten Ansicht könne auch nicht beanstandet werden, dass der Gutachter sich nicht festgelegt habe. Prof. Dr. L1 ... habe vielmehr auf den rechtlichen Gesichtspunkt der besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers verwiesen.

Die vom SG vorgenommene Bewertung überzeuge nicht. Denn der Kläger könne eine gezielte Fähigkeit, welche zu seinem Lebensberuf geworden sei, nicht mehr ausüben. Es handele sich dabei um Arbeit mit den Händen. Die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf des Versicherten bei der Bewertung der MdE würde auch zu einer unbilligen Härte führen. Im Gutachten von Prof. Dr. L1 ... werde ausgeführt, dass der Kläger zu einer Bürotätigkeit nicht in der Lage sei. Er sei gelernter Straßenbauer und habe 24 Jahre als Straßenbauer und Maurer gearbeitet. Zur Gewährleistung seines Lebensunterhalts sei er weiterhin auf seiner Hände Arbeit angewiesen. Insofern ergebe sich also durchaus eine besondere berufliche Betroffenheit.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.09.2001 sowie den Bescheid vom 29.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 13.10.1998 eine Verletztenrente mindestens nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei nicht zu erkennen, dass die MdE mit 15 v.H. von Prof. Dr. L1 ... vorläufig eingeschätzt worden sei. Denn diese Bewertung leite sich aus den objektiv erhobenen Befunden ab, die auch in Einklang mit den unfallmedizinischen Erfahrungswerten stünden. Die zusätzlich geklagten besonderen Schmerzen in der rechten Hand seien objektiv nicht feststellbar und wären nur indirekt z.B. durch bestehende Muskelatrophien oder Bewegungsbehinderungen wahrscheinlich zu machen. Wesentliche Einschränkungen seien dem Gutachten von Prof. Dr. L1 ... bis auf eine angedeutete Atrophie im rechten Spatium interosseum und im kleinen Fingerballen rechts nicht zu entnehmen. Die Muskulatur werde ansonsten als kräftig beschrieben, die Hände als annähernd seitengleich beschwielt und die Umfänge 10 cm oberhalb der Handgelenke mit 24 cm gemessen. Zur besonderen beruflichen Betroffenheit habe schon das SG ausführlich Stellung genommen. Dazu sei ergänzend angemerkt, dass die Rechtsprechung des BSG das Vorliegen einer unbilligen Härte und damit ein besonderes berufliches Betroffensein bisher nur für Spezialberufe bejaht habe.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter als Einzelrichter des Senats den Rechtsstreit entscheidet. Ihm liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat wegen der von der Beklagten anerkannten BK-Nr. 2103 BKV keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.

Die Anspruchvoraussetzungen ergeben sich aus § 56 SGB VII und sind hinlänglich vom SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils erläutert worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen.

Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, Prof. Dr. L1 ... habe in der Sache schon ohne Berücksichtigung des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII eine MdE um 20 v.H. bejaht, jedoch sich, obwohl dies nicht erforderlich gewesen wäre, nur rechtsirrig auf diese Vorschrift und nicht unmittelbar auf § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gestützt, vermag dieser Argumentation der Einzelrichter des Senats nicht zu folgen. Die Ausführungen von Prof. Dr. L1 ... auf Seite 16 seines Gutachtens sind hier eindeutig. Er hat sehr wohl gemeint, dass nur aufgrund der besonderen Verhältnisse des Klägers eine MdE um 20 v.H. zu erwägen sei, nicht aber dass jede Minderbelastbarkeit der Hand bei schwerer körperlicher Arbeit bei anderen Versicherten, die eine Erkrankung wie der Kläger aufweisen, selbst dann zu einer MdE um 20 v.H. führen muss, wenn diese eine derartige Tätigkeit nicht berufsprägend ausgeübt haben. Prof. Dr. L1 ... hat damit den Unterschied zwischen Satz 1 und Satz 3 des § 56 Abs. 2 SGB VII erfasst. Hiernach ergibt sich, dass sämtliche im Verfahren abgegebenen gutachtlichen Äußerungen, soweit sie zur MdE Stellung genommen haben, unter 20 v.H. geblieben sind. Diese Einschätzung ist aus den vom SG genannten Gründen auch dann zutreffend, wenn man hier zugunsten des Kläger davon ausgeht, dass bei ihm tatsächlich die von ihm geltend gemachten Beschwerden bei schwerer körperlicher Arbeit auftreten.

Ein Anspruch auf Verletztenrente ergibt sich auch nicht aus § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII. Hiernach werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

Das SG hat zur Auslegung bereits umfangreiche, zutreffende Ausführungen gemacht. Hierauf wird zunächst verwiesen. Ferner ist hinzuzufügen: Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, ist insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete. Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ergeben, wenn der Verletzte infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit einen Lebensberuf aufgeben muss und die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Bei der Prüfung, ob ein Fall unbilliger Härte gegeben ist, sind die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Eine allgemeine Regel, wie dies jeweils mit welchem Ergebnis zu geschehen hat, lässt sich hierfür nicht aufstellen (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 14/99 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 7).

Das BSG hat zu einer inhaltsgleichen Vorgängervorschrift bereits mit Urteil vom 25.08.1965 (- 2 RU 52/64 - BSGE 23, 253) eine Höherbewertung allein wegen der Nichtausübbarkeit des bisherigen Lehrberufs in einem Fall verneint, bei dem ein 1901 geborener, als Maler tätiger Versicherter eine schwere Handverletzung erlitten hatte und danach nur noch als Werkzeugausgeber tätig sein konnte (siehe ferner BSG, Urteil vom 20.10.1983 - 2 RU 41/82 -). Nicht zwingend ist allerdings, dass der Versicherte einen "Spezialberuf" ausgeübt hat (BSGE 23, 253, 254). Die Verletzung muss aber so sein, dass sie beim Versicherten vorhandene spezielle Fertigkeiten entwertet (BSG, Urteil vom 19.09.1974 - 8 RU 94/73 - SozR 2200 § 581 Nr. 2). Dem Kläger sind aufgrund seiner Handverletzung nur wenige Bereiche verschlossen, nämlich solche in denen eine mit der Hand auszuübende Schwerarbeit zu leisten ist. Für mit der Handarbeit zwingend verbundene besondere Kenntnisse oder Erfahrungen, die wesentlich über den gehobenen Anlernbereich hinausgehen, ist beim Kläger nichts ersichtlich. Nach der arbeitsmedizinischen Einschätzung von Dr. O1 ... ist der Kläger für eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit ohne schweres Heben und Tragen und ohne Höhentauglichkeit geeignet. Zudem ist die Fähigkeit, mit den Händen als angelernter Maurer und Baufacharbeiter im Tiefbau schwer arbeiten zu können, keine besondere berufliche Kenntnis oder Erfahrung, die dem Kläger über die Fähigkeit als solche, überhaupt in einem bestimmten Beruf Erwerbseinkommen zu erzielen, hinaus eine günstige Stellung im Erwerbsleben verschafft hat. Auch war dem Kläger, ausgehend vom Zeitpunkt der Operation mit nicht einmal 41 Jahren eine berufliche Umstellung zumutbar. Dem Kläger ist von der Beklagten eine arbeitsplatzbezogene Qualifikation für Rehabilitanden gewährt worden und der Kläger hat sich auch um einen neuen Arbeitsplatz bemüht (z.B. als Hausmeister, Maschinenbediener, Postzusteller). Die vergebliche Vermittlung des Klägers in eine leidensgerechte Arbeit resultiert maßgeblich aus der allgemein und gerichtsbekannt sehr angespannten Lage am Arbeitsmarkt. Dies gilt in ganz besonderem Maße im Beitrittsgebiet für gering qualifizierte Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter. Der erhebliche Verlust der Wettbewerbsfähigkeit ist im Falle des Klägers daher nicht wesentlich auf einen berufskrankheitsbedingten Verlust (nicht vorhandener) besonderer beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen zurückzuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
Rechtskraft
Aus
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