L 2 U 99/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 14 U 228/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 99/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.09.1998 und der Bescheid vom 18.08.2000 aufgehoben. Der Bescheid vom 18.05.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.1995 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Quadrizepssehnenruptur mit nachfolgender Beweglichkeitseinschränkung des rechten Kniegelenkes bei nunmehr bestehender Gangunsicherheit und das postthrombotische Syndrom Folgen des Arbeitsunfalles vom 24.09.1992 sind. Die Beklagte wird zur Gewährung von Heilbehandlung und zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 29.03.1997 und von 30 v. H. ab 12.08.2002 verurteilt.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Folgen eines Arbeitsunfalles vom 24.09.1992 und um die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H.

Der am ...1935 geborene Kläger rutschte am 24.09.1992 gegen 14.00 Uhr, als er sich auf dem Weg von seiner Arbeit als Stellwerkswärter nach Hause befand, auf einem mit Gras bewachsenen, nassen und schmalen Pfad aus und verletzte sich dabei das rechte Bein.

Von der Dienststelle des Klägers, dem Bahnhof F ... (Sachsen), wurde am 15.10.1992 eine Unfallanzeige erstattet. Im Durchgangsarztbericht vom 24.09.1992 wird beschrieben, dass der Kläger auf feuchtem Boden mit dem linken Bein ausgerutscht sei und sich hierbei das rechte Bein verstaucht habe. Die Durchgangsärztin Dipl.-Med. W1 ... fand ein ausgedehntes Hämatom mit Schwellung oberhalb der Kniescheibe, der Oberschenkelmuskel könne nicht vollständig angespannt werden. Zwischen Kniescheibe und Oberschenkelmuskel sei eine deutliche Konturunterbrechung tastbar, die Seitenbänder am Kniegelenk seien fest, ebenso, soweit beurteilbar, die Kreuzbänder. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes sei mit 0/10/80 gemessen worden, das Bein könne in gestrecktem Zustand nicht angehoben werden. Das Röntgenbild zeige keinen Hinweis auf eine knöcherne Verletzung des Kniegelenkes. Die Ärztin diagnostizierte eine Quadrizepssehnenruptur rechts. Der Kläger werde voraussichtlich 10 bis 12 Wochen arbeitsunfähig erkrankt sein.

Der Kläger wurde vom 24.09.1992 bis zum 06.10.1992 stationär behandelt. Ausweislich des Entlassungsberichtes des Kreiskrankenhauses F ... vom 07.10.1992 wurde am 24.09.1992 die Sehne genäht und mittels Cerclage fixiert, der postoperative Verlauf habe sich komplikationslos gezeigt.

Dipl.-Med. W2 ... gab in einem Zwischenbericht vom 21.12.1992 an die Beklagte an, dass postoperativ eine Ruhigstellung im Gipstutor bis 12.11.1992 erfolgt sei. Für die Zeit der Gipsruhigstellung und anschießend bis 18.11.1992 sei eine Thromboseprophylase erfolgt. Bei der heutigen Vorstellung - 21.12.1992 - habe sich eine mäßige Wassereinlagerung im gesamten Unterschenkel ohne Beschwerden gezeigt. Das Kniegelenk zeige eine Beweglichkeit von 0/10/100 Grad. Die Oberschenkelmuskulatur sei noch mäßig abgeschwächt. Mittels Dopplersonografie habe eine Unterschenkelthrombose ausgeschlossen werden können. Der Kläger sei ab dem 18.12.1992 arbeitsfähig geschrieben worden, da er ab 01.01.1993 in den Vorruhestand gehen wolle und zuvor noch seinen Urlaub habe nehmen müssen.

Dem Zwischenbericht war der Befund einer Dopplersonografie vom 21.12.1992 beigefügt, in dem u. a. ausgeführt wird, dass sich kein sicherer Hinweis auf eine Unterschenkelthrombose und kein ausreichender Hinweis auf eine tiefe Unterschenkelthrombose ergeben habe.

Im Abschlussbericht des Kreiskrankenhauses F ... vom 08.03.1993 schätzte Dr. S1 ... die MdE mit 0 v. H. Der Kläger sei am 27.01.1993 zur Materialentfernung aufgenommen worden. Die Röntgenaufnahme habe eine Ruptur der Cerclage gezeigt, die Operation sei am 28.01.1993 erfolgt. Dipl.-Med. W2 ... gab in einem Nachschaubericht vom 22.04.1993 an, dass sich der Kläger nochmals vorgestellt habe, da er in den letzten Tagen beim Laufen zunehmend Schmerzen im rechten Kniegelenk verspürt habe. Es bestünden auch Ruheschmerzen. Die Ärztin diagnostizierte Bandansatzschmerzen am oberen Patellapol nach Quadrizepssehnenruptur rechts.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 07.09.1993 an die Beklagte und führte aus, dass bis Ende Dezember 1992 gute Heilungserfolge erzielt worden seien. Im Januar 1993 habe sich sein Zustand verschlechtert und er sei mit Verdacht auf Thrombose im rechten Bein erneut in das Krankenhaus eingewiesen worden. Der Verdacht auf Thrombose und Materialabriss habe sich bestätigt. Er bitte um Klärung hinsichtlich eines möglichen Rentenanspruches.

Am 03.02.1994 teilte der Facharzt für Orthopädie Dr. F1 ... der Beklagten mit, dass der Kläger ihn am 20.01.1994 wegen starker Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenkes aufgesucht habe, die sich nicht genau einordnen ließen. Eine Arthroskopie sei dringend erforderlich.

Am 05.04.1994 erstellte Dr. L1 ... nach einer Untersuchung des Klägers am 04.02.1994 ein erstes Rentengutachten. Der Gutachter fand eine gering eingeschränke Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes (0/0/120) bei normaler Beweglichkeit des linken Kniegelenkes (5/0/140). Für ein postthrombotisches Syndrom bestehe klinisch kein Anhalt. Es bestehe eine Schwellung rechtsseitig oberhalb der Kniescheibe; dort fänden sich in den Weichgeweben mehrere Verkalkungsherde. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden (häufig auftretende Schmerzen im rechten Kniegelenk, nachts öfters Krämpfe, er könne nur kurze Zeit stehen) und der klinische Befund stünden nicht in Übereinstimmung. Die MdE betrage unter 10 v. H.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 18.05.1994 die Gewährung einer Verletztenrente ab, da eine unfallbedingte Erwerbsminderung von mindestens 20 v. H. nicht vorliege. Der Kläger legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und bat um Übersendung der der Entscheidung zugrundeliegenden ärztlichen Unterlagen.

Im Entlassungsbericht nach einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 06.09.1994 bis 04.10.1994 wird eine Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes von 0/10/130° zum Entlassungszeitpunkt beschrieben; der Kläger sei viel gewandert und habe gerade Strecken gut bewältigt. Die anfänglich gegebene Schwäche im rechten Bein sei nicht mehr aufgetreten. Zum Aufnahmezeitpunkt sei die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes mit 0/15/115 gemessen worden.

Am 26.10.1994 wandte sich Dr. S1 ... an die Beklagte und gab an, ihm sei bei dem Entlassungsbericht vom 08.03.1993 leider ein Fehler unterlaufen. Er habe seinerzeit vergessen mitzuteilen, dass der Kläger sich durch den Unfall vom 24.09.1992 zusätzlich ein postthrombotisches Syndrom am rechten Unterschenkel zugezogen habe. Dieses sei anhand einer Phleboskopie, die am 28.01.1993 ausgeführt worden sei, diagnostiziert worden. Zur Phleboskopie sei es gekommen, nachdem die Dopplersonografie keinen eindeutigen Befund zum Ausschluss einer Thrombose habe erbringen können. Da dieses postthrombotische Syndrom im konkreten Fall ohne Ulceration des Unterschenkels einhergehe, resultiere daraus eine MdE von 10 v. H., so dass die im Schreiben vom 08.03.1993 gemachte Prozentangabe von 0 % hinfällig sei. Er - der Arzt - sei durch ein Schreiben des Klägers auf sein bedauerliches Versehen aufmerksam gemacht worden. Im Phleboskopiebefund vom 28.01.1993 werden als Diagnose ältere postthrombotische Veränderungen in den tiefen Unterschenkelvenen ohne Anhalt für frische Thromben in den tiefen Venen der rechten unteren Extremität angegeben.

Am 02.09.1995 erstellten Prof. Dr. Z1 .../Dr. F2 ... für die Beklagte ein Gutachten, in dem sie zunächst ausführten, dass das Gangbild des Klägers ein Schonhinken rechts zeige. In der Standphase werde das rechte Bein nicht vollständig gestreckt. Zehen- und Fersengang seien rechts nur schmerzhaft möglich. Beim Versuch der Kniebeuge werde ausschließlich das linke Bein belastet. Bei Beugung krepitiere die Patella deutlich. Der Bandapparat sei stabil, die Meniskuszeichen negativ. Das linke Knie sei insgesamt unauffällig, insbesondere bestünden hier keine ausgeprägten Zeichen einer Retropatellararthrose. Die Durchblutung beider Beine sei gut, es fänden sich keine Hinweise auf ein postthrombotisches Syndrom. Das Röntgenbild des rechten Kniegelenkes vom 24.09.1992 zeige keine Hinweise für eine Arthrose; auf dem Röntgenbild vom 06.01.1993 seien geringe Verkalkungen im Bereich der Quadrizepssehne zu erkennen. Weitere degenerative Veränderungen zeige das Röntgenbild nicht. im Röntgenbild vom 20.01.1994 seien ausgeprägte Verkalkungen im Sinne einer Myositis ossificanz im Bereich der Quadrizepssehne zu erkennen. Die Patellarückfläche beginne zu sklerosieren. Am oberen Patellapol finde sich ein sehr diskret ausgebildeter Osteophyt als Zeichen degenerativen Umbaus. Der Kläger habe angegeben, er sei am 24.09.1992 gestürzt, indem er auf einem regennassen Grasbüschel ausgerutscht und auf den Rücken gefallen sei. Er habe dann nicht mehr aufstehen können, da die Kraft im rechten Bein gefehlt habe. Dieser Unfallhergang sei nur bei fortgeschrittenem degenerativen Vorschaden geeignet, eine Ruptur der Quadrizepssehne herbeizuführen. Dieser müsse die Sehne so stark geschädigt haben, dass allein die Muskelanspannung zum Zerreißen ausgereicht habe. Die rechts bestehende Retropatellararthrose mit Verkalkungen der Quadrizepssehne, das Beugedefizit (0/0/125) und das hinkende Gangbild seien auf den Unfall vom 24.09.1992 zurükzuführen. Aufgrund der Seitendifferenz der Befunde sei von einem Unfallzusammenhang auszugehen. Dass das am 28.01.1993 festgestellte ältere postthrombotische Syndrom lediglich einen der Venenstränge des Unterschenkels betreffe, erkläre, dass klinisch kein postthrombotisches Syndrom festzustellen sei. Das Alter dieser postthrombotischen Veränderung habe naturgemäß nicht mehr festgestellt und dem Unfall zugeordnet werden können. Da wegen des ungeeigneten Unfallherganges der degenerative Vorschaden für die Quadrizepssehnenruptur entscheidend gewesen sei, sei die MdE mit 0 % zu schätzen.

Nach Einholung einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 18.10.1995 zurück. Am 16.11.1995 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes in medizinischer Hinsicht insbesondere ein Gutachten bei Prof. Dr. D1 ... eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 26.02.1997 eine Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes von 120/0/0° (links 140/0/5°) gefunden; röntgenologisch lägen rechts eine schwere und links eine leichte Patellofemoralarthrose vor. Rechts fänden sich zudem multiple, parossale Verkalkungen vor allem in der Quadrizepssehne rechts. Bei dem Unfallereignis vom 24.09.1992 sei es offensichtlich zu einer Kontraktion des Musculus quadriceps femoris gekommen, wobei sich die subkutane Quadrizepsruptur mit erheblicher Hämatomausbildung ereignet habe. Die Sehnenruptur sei im Hinblick auf die mechanische Leistungsfähigkeit der Streckfunktion im Kniegelenk folgenlos ausgeheilt. Es habe sich jedoch eine deutliche Retropatellararthrose entwickelt, die nicht vorbestanden habe. Auch die Patellastruktur sei nunmehr deutlich verändert. Es sei mit hinreichender Sicherheit anzunehmen, dass durch die Ruptur des parapatellaren Gewebes einschließlich der Quadrizepssehne die Blutversorgung der Patella gestört worden sei, so dass es zu einer trophisch induzierten Retropatellararthrose gekommen sei, deren Entstehung durch die notwendige Ruhigstellung noch begünstigt worden sei. Das Unfallereignis vom 24.09.1992 sei nicht entscheidend für die Quadrizepssehnenruptur gewesen. Die entscheidende Ursache dafür sei eine langzeitig vorausgegangene degenerative Veränderung in der Ansatzsehne des Musculus quadriceps femoris rechts. Es handele sich um ein schicksalshaftes Leiden, welches durch die Gelegenheitsursache des Sturzes aus der Phase der Kompensation in die Phase der Dekompensation (Riss) überführt worden sei. Jedoch hätte annehmbar auch eine andere Gelegenheitsursache zu dieser Ruptur führen können, wie dies generell für die subkutanen Sehnenrupturen bekannt sei. Folge der schicksalsmäßigen Sehnenruptur sei dann die Entwicklung einer Retropatellararthrose rechts gewesen, die jetzt das Krankheitsbild klinisch wie röntgenologisch bestimme. Ein postthrombotisches Syndrom von klinischer Relevanz nach durchgemachter Phlebothrombose am rechten Unterschenkel sei jetzt nicht mehr in bedeutsamem Ausmaß nachweisbar. Der Kläger habe angegeben, er erwache nachts auf Grund von Wadenkrämpfen. Knien könne er nicht mehr, das Hocken sei mit starken Schemrzen verbunden. Es bestehe eine gewisse Gangunsicherheit.

Prof. Dr. F3. hat auf Veranlassung des Klägers am 18.07.1997 ein weiteres Gutachten erstellt. Er hat die Sehnenruptur als wesentlich durch den Sturz vom 24.09.1992 bedingt angesehen und darauf hingewiesen, dass das für die Ablehnung der Unfallfolge angeführte Kriterium der Degeneration nicht bewiesen werden könne, da in den Krankenunterlagen das Ergebnis einer histologischen Untersuchung von Gewebe aus dem Rissbereich nicht angeführt sei. Zudem sei die Sehne im Ansatzbereich gerissen, während bei einem Riss aufgrund vorangegangener Degeneration die Lokalisation im Verlauf der Sehne zu erwarten sei; des Weiteren habe eine Einblutung in das Kniegelenk stattgefunden, was ebenfalls einen Hinweis auf eine traumatische Ursache darstelle. Die Minderung der Beugefähigkeit des rechten Kniegelenkes (0/05/115) um 25° im Vergleich zur gesunden linken Seite sei mit absoluter Sicherheit als Unfallfolge anzusehen. Ursächlich hierfür seien die vielfachen rundlichen und bandartigen Verkalkungen in der Quadrizepssehne, die erst nach der Operation nachgewiesen worden seien. Postoperative Verklebungen im oberen Kniegelenkraum seien als weitere Ursache der Beugehemmung zu erwähnen. Die Phlebothrombose, die sich postoperativ entwickelt habe, sei klinisch und instrumentell zu objektivieren und zum Untersuchungszeitpunkt latent. Den unfallbedingten Dauerschaden sehe er mit einer MdE von 25 v. H. ab dem 01.10.1994 als gegeben an. Dies begründe sich daraus, dass die MdE bei einer rezidivierenden Synovialitis mit 30 bis 50 % und bei einer mittelschweren Gonarthrose mit 30 % angegeben werde.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, sie sei in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. F3 ... stets davon ausgegangen, dass das Ereignis vom 24.09.1992 wesentliche Teilursache für das Entstehen der Quadrizepssehnenruptur gewesen sei. Die Einschätzung der MdE aufgrund verbliebener Unfallfolgen mit 25 v. H. ab 01.10.1994 auf Dauer könne jedoch nicht nachvollzogen werden. Nach Auffassung ihres beratenden Arztes lägen eine nur geringgradige Arthrose und eine nur geringgradige Myositis ossifcans vor. Es sei auch ab 19.02.1997, dem Zeitpunkt, zu dem die geringgradige Myositis ossificans festgestellt worden sei, von einer MdE von maximal 10 v. H. auszugehen.

Prof. Dr. D1 ... hat in einer ergänzenden fachärztlichen Stellungnahme vom 18.11.1997 ausgeführt, dass Quadrizepssehnenrupturen selten seien. Meist trete ein Riss auf dem Boden einer vorbestehenden degenerativen Veränderung bei geringfügigen Traumen wie Abfangen beim Stolpern oder Sturz ein. Möglicherweise sei die Quadrizepssehne des Klägers primär gerissen und Ursache - nicht Folge - des Sturzes gewesen. Da die Art des Unfalles ungeeignet sei, eine spontane Quadrizepssehnenruptur zu induzieren, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Sehnenriss das Unfallereignis sogar induziert habe. Selbst wenn man einen Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Sehnenriss sowie der Retropatellartarthrose anerkenne, sei auf Grund der leichten Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes, einer minimalen Minderung der Muskelmasse am rechten Oberschenkel und einer fraglosen Retropatellararthrose mit eingeschränkter Patellamobilität und Verschiebeschmerz der Patella rechts nur eine MdE von 10 v. H. gerechtfertigt.

Dr. S1 ... hat mit Schreiben vom 21.11.1997 noch angegeben, dass im Zusammenhang mit der Quadrizepssehnen-Operation am 24.09.1992 keine histologische Untersuchung veranlasst worden sei. Vom makroskopischen Befund her seien keine auffälligen Veränderungen bei der Operation beschrieben worden und somit auch nicht vorhanden gewesen.

Prof. Dr. V1. hat am 25.06.1998 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Er hat ausgeführt, dass aus den Röntgenbildern vom 24.09.1992 entgegen den Darlegungen von Prof. Dr. F3 ... nicht geschlossen werden könne, dass eine traumatisch bedingte Verletzung vorgelegen habe. Bei Abrissen der Sehne mit Knochenanteil reiße nicht wie beim Kläger sichtbar ein spitzer, sondern ein breiter Teil ab. Zudem sei die gleiche spitze Ausziehung wie im rechten Kniegelenk auch auf den Röntgenbildern des linken Kniegelenkes vom 19.02.1997 zu sehen. Damit sei der Beweis erbracht, dass eine beginnende Verkalkung des Sehnenansatzes eingetreten sei und degenerative Veränderungen sehr wohl vorhanden gewesen seien. Des Weiteren trete nach einen degenerativ bedingten Abriss der Sehne ebenso wie bei einem traumatisch bedingten Blut in das Kniegelenk aus. Auch könne die Sehne nicht am Knochenansatz gerissen sein, da sie ansonsten nicht hätte genäht werden können und da nach dem Operationsbericht vom 24.09.1992 zwei Sehnenanteile miteinander durch Naht vereinigt worden seien. Zudem sei der mehrfach geschilderte Unfallablauf ohne Fixierung des rechten Beines ungeeignet, einen Sehnenriss zu verursachen. Um die Oberschenkelstrecksehne zu zerreißen, müsse eine ähnliche Stellung wie die eines Gewichthebers eingenommen werden, eventuell auch im Einbeinstand. Damit kämen Unfallzusammenhänge nicht in Frage.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15.09.1998 hat der Kläger die Feststellung der Quadrizepssehnenruptur und des postthrombotischen Syndroms als Folgen des Arbeitsunfalles und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. beantragt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom gleichen Tage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einem adäquaten Unfallhergang fehle. Es habe weder eine direkte gegenständliche Einwirkung auf die Sehne vorgelegen noch habe sich der Kläger beim Sturz in einer gewichtheberähnlichen Position, die durch eine Fixierung der Füße und maximal angespannte Quadrizepssehnen gekennzeichnet sei, befunden. Entscheidende Ursache für den Sehnenriss sei die langzeitig vorausgegangene Veränderung in der Ansatzsehne des Musculus quadriceps femoris rechts gewesen. Es habe sich um ein schicksalshaftes Leiden gehandelt, welches durch das Anlassgeschehen des Sturzes aus der Phase der Kompensation in die Phase der Dekompensation (Riss) überführt worden sei. Folge der schicksalsmäßigen Sehnenruptur sei dann die Entwicklung einer Retropatellararthrose rechts gewesen. Auch das postthrombotische Syndrom sei nicht Resultat des Unfallgeschehens vom 24.09.1992, sondern schicksalshaft im Rahmen des Gesamtkrankheitskomplexes zu sehen. Dem Gutachten von Prof. Dr. F3 ... könne nicht gefolgt werden, da es entgegen dessen Ausführungen nicht auf den Beweis der Degeneration als Vorschaden zu Lasten der Beklagten ankomme. Auch habe Prof. Dr. F3 ... die Grundsätze zur MdE-Bewertung überhaupt nicht beachtet. So könne, selbst wenn man einen Unfallzusammenhang bejahe, nur von einer MdE von maximal 15 v. H. ausgegangen werden. Die Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk, die mit 0/0/115 bis 0/0/125 gemessen worden sei, rechtfertige eine MdE von 10 v. H. Selbst wenn man für das postthrombotische Syndrom ebenfalls eine MdE von 10 v. H. ansetze, liege die Gesamt-MdE unter 20 v. H.

Gegen das ihm am 09.10.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.11.1998 Berufung eingelegt.

Am 18.08.2000 hat die Beklagte einen Bescheid erlassen, in dem sie die Übernahme von Heilbehandlungskosten für die Behandlung von Venenbeschwerden abgelehnt hat.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. F1 ... hat am 20.04.2001 angegeben, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers hinsichtlich der Beschwerden im rechten Bein (Beschwerden beim Gehen und beim Strecken des Kniegelenkes, Belastungsunfähigkeit des rechten Oberschenkels, Schmerzen im Bereich des rechten ventralen Oberschenkels und Schwellungsneigungen) praktisch nicht verändert habe. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes habe im gesamten Behandlungszeitraum (20.01.1994 bis zuletzt am 01.12.2000) bei 0/0/100° gelegen, der Kniegelenksumfang habe rechts 43 und links 42 cm betragen. Anlässlich einer ambulanten Untersuchung vom 06.11.2000 hat Prof. Dr. D1 ... eine deutliche Weichteilschwellung vor allem im Bereich der oberen Recessus gefunden. Die Beweglichkeit sei mit 120/0/0° gemessen worden. Der Kläger habe über Instabilität im Kniegelenk geklagt, die wiederholt zu Stürzen geführt habe.

Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dr. S2 ... hat im Gutachten vom 09.06.2002 betont, dass in den bisherigen Gutachten ein Beckentiefstand und eine Exostose im Bereich der Kniekehle bisher nicht berücksichtigt worden seien und dass diese die Beschwerden des Klägers in vollem Umfang erklärten. Die Sehnenruptur als solche sei durch Operation, Nachbehandlung und heilbemühtes Verhalten des Klägers mit Restbeschwerden verheilt. Die MdE hierfür betrage 10 v. H. Die Retropatellararthrose sei durch die Beugekontraktur und die erhöhte Muskelspannung erklärbar; die MdE sei hier mit 10 v. H. zu bewerten. Das rechtsseitige postthrombotische Syndrom - MdE 10 v. H. - sei nicht im Sinne des Vollbeweises nachzuvollziehen.

Ein weiteres Gutachten ist von Prof. Dr. K1 ... nach einer Untersuchung des Klägers am 18.12.2002 erstellt worden. Zum Untersuchungszeitpunkt war das rechte Bein des Kläger nach dessen Angaben nur noch beschränkt beweglich und einsetzbar, das Beugen des Knies sei stets schmerzhaft. Die Muskeln seien verkürzt, Laufen ohne sitzende Pause kaum über 500 m möglich. Das Knie verliere des öfteren den Halt und es komme zum Hinfallen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung war das rechte Knie im Stehen etwa 20 Grad gebeugt. Die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes betrug 0/15/75. Hinsichtlich des Unfallherganges sei davon auszugehen, dass das durch das plötzliche Abrutschen gebeugte rechte Kniegelenk durch den reflektorisch ausgelösten, muskulär nicht gesteuerten Versuch, das Fallen zu verhindern, durch maximal unkoordinierte Kontraktion der gesamten Quadrizepsmuskulatur in Streckung gebracht worden sei. Dabei sei die bereits maximal gespannte Quadrizepssehne durch ein indirektes Trauma rupturiert worden. Ohne dieses Unfallereignis wäre kein Riss der Quadrizepssehne eingetreten. Die Einblutung in das rechte Kniegelenk und dessen Immobilisation über sechs Wochen, ferner die funktionsbedingte Bewegungseinschränkung in den nachfolgenden Wochen seien die Ursachen der Ausbildung einer unfallbedingten sekundären Retropatellararthrose und Arthrose des Kniescheibengleitlagers. Ohne das Unfallereignis mit nachfolgender Immobilisation des rechten Beines wäre die tiefe Unterschenkelvenenthrombose mit nunmehr gegebener chronisch-venösen Insuffizienz II. Grades und Vorliegen eines chronischen subkutanen Ödems (postthrombotisches Syndrom) nicht eingetreten.

Das postthrombotische Syndrom sei mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten. Die anlässlich der Untersuchungen am 21.12.1992 und 04.02.1993 erhobenen Befunde rechtfertigten hinsichtlich dieses Syndroms ebenfalls eine MdE von 10 v. H., nicht jedoch die in der Zeit zwischen dem 04.02.1993 und 12.08.2002 erhobenen Befunde. Die unfallbedingte MdE insgesamt unter Berücksichtigung der Bewegungseinschränkung, der Gehfähigkeit und der Schwellneigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit (10.07.1993) sei mit 20 v. H. bis zum 11.08.2002 zu bewerten und ab 12.08.2002 mit einer MdE von 30 v. H. Hinsichtlich des Gutachtens, insbesondere der Darlegungen zur Höhe der MdE wird auf Bl. 127 bis 146 der Akte des Sächs. LSG verwiesen.

Der Senat hat in einem Schreiben an die Beteiligten nach Würdigung der in den Akten vorhandenen medizinischen Unterlagen einen Vergleich vorgeschlagen, mit dem die Quadrizepssehnenruptur, die Geh- und Stehunsicherheit des rechten Beines, die Streckeinschränkung von 15 Grad und die Beugeeinschränkung von 50 Grad, die posttraumatische Arthrose im Kniegelenk und das postthrombotische Syndrom als Unfallfolge anerkannt werden sollten, ferner eine Verpflichtung zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 01.08.1995 und von 30 v. H. ab 01.08.2002.

Der Vergleichsvorschlag ist zwar vom Kläger, nicht aber von der Beklagten angenommen worden. Nach Ansicht der Beklagten ist nicht erklärlich, dass gerade im Falle des durch Bergwanderungen erfahrenen und durch tägliches Radfahren mit entsprechender Beinmuskulatur ausgestatteten Klägers ein bloßes Ausrutschen mit Sturz die extrem seltene Quadrizepssehnenruptur hervorgerufen haben solle. Dementsprechend hätten auch vier Gutachter den Unfallhergang für ungeeignet gehalten. Der von Prof. Dr. K1 ... angenommene Unfallmechanismus sei durch nichts belegt. Ferner werde ein angiologisches Zusammenhangsgutachten für zwingend notwendig gehalten.

Daraufhin ist von dem Facharzt für Innere Medizin/Angiologie Dr. S3 ... am 11.06.2003 ein Gutachten erstellt worden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe der Kläger nicht an einer Thrombose gelitten. Es sei eine tiefe Leitveneninsuffizienz im Bereich der rechten Kniekehlenvene nachweisbar, wodurch es zu einem Rückstau des Blutes in den Unterschenkel bei längerem Stehen und Sitzen kommen könne. Auch ein brennendes Gefühl oder Krämpfe, wie es der Kläger beschrieben habe, könnten auftreten. Es sei wahrscheinlich, dass die Leitveneninsuffizienz (Stadium I), für die eine MdE mit 10 v. H. anzusetzen sei, unfallbedingt sei, dies sei jedoch nicht sicher nachweisbar. Die Phlebographiebefunde seien vereinbar mit einer vor 01/1993 abgelaufenen Thrombose, auch wenn ein direkter Thrombosenachweis nicht habe erfolgen können. Die venöse Insuffizienz sei gegenüber der Gangunsicherheit und Instabilität im rechten Kniegelenk von untergeordneter Bedeutung. Sie wirke nicht MdE-erhöhend.

Von Dr. S4 ... ist am 02.04.2004 ein auf Veranlassung der Beklagten erstelltes ausführliches fachangiologisches Gutachten nach Aktenlage vorgelegt worden, in dem der Gutachter die Phlebographieaufnahmen des rechten Beines des Klägers vom 28.01.1993 dahin beurteilt hat, dass sich eindeutige Hinweise auf ein postthrombotisches Syndrom ergäben. Es handele sich um frühpostthrombotische Veränderungen in den tiefen Unterschenkelvenen, da umflossene Thromben erkennbar seien. Die nachfolgende Phlebographie vom 03.05.1996 ergebe für die rechte Unterschenkelregion eine erschwerte Beurteilung, es fänden sich aber auch hier postthrombotische Veränderungen. Deutliche Veränderungen des rechten Beines fänden sich in den Phlebographieaufnahmen vom 04.04.2003. Es handele sich um die typischen, narbigen Defektheilungen nach einer abgelaufenen Thrombose, die sich im Laufe der Jahre noch verstärkten. Insgesamt sei allein anhand der Phlebographieaufnahmen der einwandfreie Verlauf der Thrombose nachzuvollziehen. Die Fehldiagnose in der Duplex-Sonographie könne nicht berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.09.1998 und den Bescheid vom 18.08.2000 aufzuheben, den Bescheid vom 18.05.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.1995 zu ändern, die Quadrizepssehnenruptur mit nachfolgender Beweglichkeitseinschränkung des rechten Kniegelenkes bei nunmehr bestehender Gangunsicherheit und das postthrombotische Syndrom als Folgen des Arbeitsunfalles vom 24.09.1996 festzustellen und die Beklagte zur Gewährung von Heilbehandlung und einer Verletztenrente nach einer MdE von mind. 20 v. H. ab 29.03.1997 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zuletzt ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Quadrizepssehnenruptur bzw. Thrombose nicht gegeben sei. Eine konkrete Unfallfolge sei von ihr auch nicht anerkannt worden. Unabhängig hiervon liege bezüglich der streitigen Gesundheitsschäden keine MdE in rentenberechtigender Höhe vor. Die aus ihrer Sicht relevante Verschlimmerung sei erst ab 24.10.2001 dokumentiert, da erst an diesem Tag die Beweglichkeit des Kniegelenkes mit 0/10/100 angegeben worden sei. Bis zu diesem Tag sei eine Streckbehinderung des rechten Beines nicht nachgewiesen. Eine MdE von 20 v. H. sei erst ab 24.10.2001 gerechtfertigt, eine MdE von 30 v. H. ab 12.08.2002.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.05.2004 haben die Beteiligten einen für die Beklagte widerruflichen Vergleich geschlossen und sich für den Fall des Widerrufs des Vergleichs mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat der Senat nach geheimer Beratung das Urteil gefällt und das Urteilsblatt bis zum Widerrruf des Vergleichs verschlossen und versiegelt in der Akte aufbewahrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Auf das Verfahren ist grundsätzlich das Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das streitgegenständliche Ereignis am 24.09.1992, somit nach dem 31.12.1991 und vor dem 01.01.1997 ereignete. Die Vorschriften der RVO, insbesondere die Vorschriften über Arbeitsunfälle (§§ 548 ff. RVO) wurden durch das Renten-Überleitungsgesetz vom 25.07.1991 (Bundesgesetzblatt I, S. 1606) im Beitrittsgebiet mit Wirkung vom 01.01.1992 in Kraft gesetzt und waren bis zum Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 anzuwenden. Hinsichtlich der Gewährung von Heilbehandlung sind ab 01.01.1997 gemäß § 214 Abs. 1 SGB VII die Vorschriften des SGB VII anzuwenden, wenn nicht insoweit in Anspruch genommene Leistungen vor dem Tag des Inkrafttrettens des SGB VII begonnen haben. Da ein Anspruch auf Verletztenrente nur für die Zeit ab 29.03.1997 beantragt ist, richtet sich der insoweit geltend gemachte Anspruch gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII.

Bei dem von der Beklagten als solchem anerkannten Arbeitsunfall vom 24.09.1992 hat der Kläger eine Quadrizepssehnenruptur rechts mit nachfolgendem postthrombotischen Syndrom erlitten. Als - weitere - Folge hat sich im rechten Kniegelenk eine Retropatellararthrose entwickelt, die zu einer Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit sich entwickelnder Gangunsicherheit geführt hat.

Für die Feststellung von Gesundheitsschäden als Folge eines Arbeitsunfalles ist zunächst erforderlich, dass die versicherte Tätigkeit (im Sinne der rechtlich wesentlichen Bedingung) ursächlich für den Eintritt des Gesundheitsschadens bzw. der nachfolgend eingetretenen Gesundheitsstörungen war. Hinsichtlich dieses Kausalzusammenhanges ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich; Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Das bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (z. B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand 08/02, § 8 Rn. 10.1 m. w. N.).

Des Weiteren kann ein Gesundheitsschaden nur dann als infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten angesehen und somit entschädigt werden, wenn die beruflichen Belastungen in rechtlich wesentlicher Weise bei der Entstehung des Körperschadens mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen (in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht) gemeinsam zum Entstehen des Körperschadens beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit-)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist nicht identisch mit den Beschreibungen "überwiegend", "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Daher ist es zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedriger zu bewertende) Ursache rechtlich als "wesentlich" anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache "der Erfolg" eintreten konnte: Letzere Ursache hat dann im Verhältnis zur ersten keine überragende Bedeutung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO., § 8 SGB VII Rdnr. 8.2.3).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 81 f.).

Dementsprechend darf nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 02.02.1999, Az.: B 2 U 6/98 R) eine Schadensanlage als allein wesentliche Ursache nur dann gewertet werden, wenn sie so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der versicherten Tätigkeit bedurft hat und wenn der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre (siehe zusammenfassend Erlenkämper, Arbeitsunfall, Schadensanlage und Gelegenheitsursache, in SGb 1997, S. 355, 358, m.w.N.).

Die genannten Gesundheitsstörungen - Quadrizepssehnenruptur mit postthrombotischem Syndrom, Retropatellararthrose mit Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit und Gangunsicherheit - sind in diesem Sinne rechtlich wesentlich wahrscheinlich durch den Arbeitsunfall vom 24.09.1992 verursacht worden.

Soweit Prof. Dr. D1 ... davon ausgegangen ist, dass der Kläger wegen der (schicksalhaft eingetretenen) Sehnenruptur gestürzt sei und dass somit die Sehnenruptur keine Folge des Sturzes sein könne, kann dem nicht gefolgt werden. In den Akten finden sich keine Anhaltspunkte für eine Kausalitätsbetrachtung in diesem Sinne. Auch die anderen im Verfahren befragten Gutachter sind von einer Sehnenruptur als Folge des Sturzes und nicht von einem Sturz als Folge einer Quadrizepssehnenruptur ausgegangen.

Der Sturz am 24.09.1992 war auch keine sog. Gelegenheitsursache für den Eintritt des Primärschadens; die Quadrizepssehnenruptur ist vielmehr rechtlich wesentlich durch den Sturz verursacht worden. Zwar ist davon auszugehen, dass die Sehne bei dem zum Unfallzeitpunkt 57-jährigen Kläger altersbedingt degenerativ verändert war. Das lässt den Versicherungsschutz aber nicht entfallen. Hinweise darauf, dass degenerative Veränderungen der Sehne rechtlich allein wesentlich den Riss verursacht hätten, sind nicht vorhanden, es finden sich jedoch Hinweise dahin, dass die Sehne jedenfalls nicht stark degenerativ verändert war: So hat zum einen der Operateur am 24.09.1992 keine Besonderheiten an der Sehne bemerkt und deshalb, wie seinem Schreiben vom 21.11.1997 entnommen werden kann, auch keine histologische Untersuchung des Sehnengewebes veranlasst. Zum anderen hat Prof. V1 ... ausführlich beschrieben, dass die Sehne an beiden Kniegelenken gleichermaßen degenerativ verändert sei (spitze Ausziehung auf den Röntgenbildern sichtbar). Damit ist geradezu belegt, dass es sich nicht um eine Gelegenheitsursache gehandelt hat, da die Quadrizepssehne am linken Knie des Klägers bis heute, also fast 12 Jahre nach dem Unfallereignis, noch nicht gerissen ist.

Selbst wenn man davon ausginge, dass nicht geklärt werden kann, wie stark die Sehne rechts degenerativ verändert war, ergäbe sich nichts anderes, da die Beklagte die objektive Beweislast nicht nur für das Vorhandensein eines Vorschadens, sondern auch für dessen Ausmaß trägt. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass die der Kausalitätsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen im Sinne des Vollbeweises bewiesen sein müssen; somit auch die unfallunabhängigen Kausalfaktoren, deren ursächliche Beteiligung an dem Eintritt eines streitigen Schadens erwogen wird. Sofern eine grundsätzlich in Betracht zu ziehende unfallfremde Mitursache in ihren tatsächlichen Grundlagen nicht nachgewiesen werden kann, kann sie nicht Ursache im Rechtssinne sein (vgl. BSGE 61, 127, 130). Deshalb darf eine ursächlich wesentliche Mitwirkung eines Schadensanlage an der Entstehung eines Körperschadens nur dann erwogen werden, wenn die Schadensanlage für den individuellen Einzelfall in ihren tatsächlichen Grundlagen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen ist (vgl. zu alledem ausführlich schon Urteil des Senates vom 12.12.2000, Az. L 2 U 51/98 m. w. N.). Vorliegend könnte jedenfalls nicht im Sinne des Vollbeweises als bewiesen angesehen werden, dass die Quadrizepssehne des Klägers so stark degenerativ verändert war, dass dieser Vorschaden als rechtlich allein wesentliche Ursache für die Ruptur angesehen werden müsste.

Folge der Sehnenruptur war nach Ansicht aller Gutachter die Retropatellararthrose mit sich entwickelnder Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes bei zunehmender Gangunsicherheit. Dass sich nach dem Unfallereignis ein postthrombotisches Syndrom entwickelt hat, hat Dr. S1 ... schon am 26.10.1996 gegenüber der Beklagten bestätigt. In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen fachangiologischen Gutachten Dr. S4 ... vom 12.03.2004 wird dies bestätigend nach sorgfältiger Analyse der vorhandenen Phlebographiebefunde und für den Senat überzeugend ausgeführt, dass das postthrombotische Syndrom nach Aktenlage lückenlos nachvollziehbar und Folge des Unfalles vom 24.09.1992 sei. Auch Prof. Dr. S3 ... hat ausgeführt, dass beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit postthrombotische Veränderungen vorlägen und dass für die von ihm festgestellte Leitveneninsuffizienz eine Unfallassoziation wahrrscheinlich sei.

Der Kläger hat wegen der genannten Unfallfolgen Anspruch auf Heilbehandlung seit dem streitgegenständlichen Unfallereignis. Anspruchsgrundlage insoweit sind nach der Sondervorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 2 SGB VII die §§ 547, 557 Abs. 1 RVO für Zeiträume bis zum 31.12.1996 und für die Zeit ab 01.01.1997 §§ 26 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, 27 SGB VII, da aus der Feststellung der Unfallfolgen (unter der Voraussetzung der Behandlungsbedürftigkeit) die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Heilbehandlung folgt. Der die Gewährung von Heilbehandlung ablehnende Bescheid vom 18.08.2000, der gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden war, musste deshalb aufgehoben werden.

Der Kläger hat des Weiteren Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 29.03.1997 und nach einer MdE von 30 v. H. ab 12.08.2002.

Gemäß §§ 214, Abs. 3, Satz 1, 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich hierbei nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Somit kann der Begriff Erwerbsfähigkeit beschrieben werden als die Fähigkeit der Versicherten, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihnen nach ihren Kenntnisssen, körperlichen und geistigen Fähigkeiten im gesamten Bereich des wirtschaftlichen Lebens (sogenannter allgemeiner Arbeitsmarkt) bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist die Herabsetzung dieser so definierten Erwerbsfähigkeit. Sie drückt aus, in welchem Umfang der Versicherte durch die vom Versicherungsfall verursachten Funktionsbeeinträchtigungen die Fähigkeit verloren hat, sich auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einen Erwerb zu verschaffen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand 08/2002, § 56 Rn. 10).

Die Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenkes des Klägers bedingen auch nach Ansicht der Beklagten insbesondere wegen der Streckbehinderung seit 24.10.2001 eine MdE von 20 v. H. und seit 12.08.2002 von 30 v. H. Darüber hinaus ist jedoch davon ausgehen, dass eine MdE von 20 v. H. bereits seit dem 29.03.1997 vorlag. Der Senat hat insbesondere angesichts der für diesen Zeitpunkt dokumentierten, wenn auch noch relativ leichten, Streckhemmung, die stärker einschränkend ist als die ausgeprägtere Beugehemmung, keine Bedenken, insoweit der Beurteilung von Prof. Dr. K1 ... zu folgen. Der Senat hat auch berücksichtigt, dass schon zu diesem Zeitpunkt sowohl eine von Prof. Dr. D1 ... und Dr. F3 ... erwähnte "gewisse Gangunsicherheit" bzw. "geringe Haltlosigkeit des rechten Kniegelenkes" vorgelegen haben. Das postthrombotische Syndrom ist entsprechend den Ausführungen von Dr. S1 ..., Prof. Dr. S3 ... und Dr. S4 ... durchgehend mit einer Einzel-MdE von 10 v. H. zu bewerten, die sich jedoch im Hinblick auf ihre geringen Auswirkungen bezüglich der Funktionalität des rechten Beines nicht MdE-erhöhend auswirkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). -
Rechtskraft
Aus
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