L 3 B 63/05 AL-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 827/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 63/05 AL-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 15.02.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in dem vor dem Sozialgericht Leipzig mittlerweile abgeschlossenen und nun vor dem Senat als Berufungsverfahren anhängigen Hauptsacheverfahren um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog nach einer Beschäftigung als Heizer bei der Stadt L ... von der Beschwerdegegnerin (Bg.) vom 23.09.2000 bis zur Erschöpfung des An-spruches am 30.01.2002 Arbeitslosengeld (Alg). Zuletzt betrug der wöchentliche Leis-tungssatz 213,57 EUR; ihm lag ein Bemessungsentgelt von wöchentlich 520,00 EUR und der er-höhte Leistungssatz der Leistungsgruppe A zugrunde.

Mit Bescheid vom 06.02.2003 bewilligte die Bg. ihm Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 31.01.2002 in Höhe von wöchentlich 262,85 EUR; die Bewilligung beruhte auf einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 875,00 EUR und dem erhöhten Leistungssatz der Leis-tungsgruppe A.

Ende 2002 stellte die Bg. fest, dass sie das Bemessungsentgelt der Arbeitslosenhilfebewil-ligung falsch berechnet hatte. Daraufhin nahm sie nach Anhörung des Bf. mit Bescheid vom 13.01.2003 die Arbeitslosenhilfebewilligung für die Zeit vom 31.01.2003 bis zum 15.12.2002 teilweise - in Höhe von 94,57 EUR wöchentlich - zurück und forderte die Erstat-tung von insgesamt 4.309,69 EUR. Den hiergegen am 04.02.2003 eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2003 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Bf. am 10.11.2003 Klage vor dem Sozialgericht Leipzig erhoben. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, hat der Bf. am 07.02.2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren beantragt. Mit Urteil vom 15.02.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass sich der Bf. nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Er habe erkannt, dass er 94,57 EUR mehr Alhi erhalten habe als zuvor Alg; er habe deshalb bei der Beklagten nachfragen müssen, ob die Erhöhung ihre Richtigkeit habe.

Mit Beschluss vom gleichen Tage hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskos-tenhilfe abgelehnt, weil die Klage aus den Gründen des Urteils keine hinreichende Er-folgsaussicht habe.

Hiergegen hat der Bf. am 07.04.2005 Beschwerde erhoben. Er ist der Ansicht, dass er An-spruch auf Prozesskostenhilfe habe. Denn es reiche aus, dass sein Rechtsstandpunkt zu-mindest vertretbar sei. Dies sei hier der Fall, weil er keine falschen oder unvollständigen Angaben gemacht habe und daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Richtigkeit der Entscheidung einer Fachbehörde habe vertrauen dürfen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Leistungsakte der Bg. Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht gemäß den §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Versagung von Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluss ist nicht zu beanstanden. Denn Prozesskostenhilfe ist nur zu ge-währen, wenn ein Beteiligter eines Rechtsstreites nach seinen persönlichen und wirtschaft-lichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsver-folgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und sie nicht mutwillig erscheint, § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO). Das Sozialgericht hat aber die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abge-lehnt, weil die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.

Hierbei ist zwar zu beachten, dass das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren die Prüfung der Rechtslage nur vorläufig vorzunehmen hat (Baumbach et al., Kommentar zur ZPO, § 114, Rz. 80). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind insbe-sondere bei von Fachgerichten zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, abgedruckt in NJW 2000, Seiten 1936ff.). Aber selbst nach diesen für Antragsteller sehr günstigen Maßstäben liegt keine Erfolgsaussicht der Klage vor.

Der streitgegenständliche Rücknahmebescheid ist nur dann rechtmäßig, wenn die Bewilli-gung tatsächlich zu hoch war und darüber hinaus festgestellt werden kann, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III). Hierbei ist ein subjektiver Sorgfältigkeitsbegriff anzuwenden; es ist dabei maß-geblich darauf abzustellen, ob der Betroffene unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit nach den Umständen des konkreten Einzelfalles seine Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.12.1972, Az.: 7 RKg 6/69, abgedruckt in BSGE 35, Seiten 108ff., insbs. Seite 112; Urteil vom 31.08.1976, Az. 7 RAr 112/74, abgedruckt in SozR 4100, § 152, Nr. 3, insbs. Seite 4 mit weiteren Nachweisen). Zur Beurteilung dieses subjektiven Sorgfältigkeitsmaß-stabes ist es in aller Regel erforderlich, dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck vom Reifegrad und der Auffassungsgabe des Betroffenen macht (Beschluss des Senats vom 09.03.2005, Az.: L 3 AL 243/04 AL-PKH). Die Annahme der zumindest grob fahrläs-sigen Verkennung der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligung durch den Kläger dürfte aber nach vorläufiger Wertung der Sach- und Rechtslage gerechtfertigt sein. Denn die Rechtswidrigkeit musste im konkreten Falle jedermann geradezu ins Auge springen (vgl. den Beschluss des Senats vom 02.03.2004, Az.: L 3 B 144/03 AL-PKH).

Hierbei steht nämlich zu beachten, dass der Bf. vor Erhalt der zu hohen Alhi-Bewilligung Alg mit einem geringeren Leistungssatz erhalten hat. Es ist als allgemein bekannt zu un-terstellen, dass Alg höher ist als die von ihr abgeleitete, bedürftigkeitsabhängige Alhi. Ob-wohl in den leistungsrelevanten Umständen des Bf.s keine Änderung eintrat, erhielt er mit dem aufgehobenen Bewilligungsbescheid nunmehr eine Leistung, die um fast 50,00 EUR wö-chentlich, mithin fast ein Viertel, höher war als die bisherige Bewilligung von Alg, das nach den allgemeinen, auch ohne besondere Ausbildung bekannten Erfahrungssätzen höher ausfallen musste als die Alhi. Ein sachlicher Grund für diese davon abweichende Höhe der Alhi war für den Bf. nicht ersichtlich. Ihm hätte sich wegen dieser starken Diskrepanz des Auszahlungsbetrages deshalb aufgrund einfachster Überlegung aufdrängen müssen, dass die Alhi-Bewilligung falsch, und zwar viel zu hoch war.

Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der vom Bf. zitierten Rechtsprechung des Bun-dessozialgerichts, sondern wird von dieser vielmehr bestätigt. Denn hiernach ist der Be-günstigte zwar nicht gehalten, den Bewilligungsbescheid des näheren auf seine Rechtmä-ßigkeit zu überprüfen, wenn er zutreffende Angaben im Verwaltungsverfahren gemacht hatte; denn er darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde die für die Sozialleistung erheb-lichen Tatsachen nachfragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt (Ur-teil des Bundessozialgerichts vom 08.02.2001, Az. B 11 AL 21/00 R, abgedruckt in SozR 3-1300, § 45, Seiten 149 ff., insbs. Seite 154). Jedoch besteht die Obliegenheit des Leis-tungsempfängers, Bescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls zum Anlass für Richtigkeitsüberlegungen zu nehmen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.02.2001, a. a. O., Seiten 153f.). Ein solcher Anlass war angesichts der hier ganz beson-ders auffälligen Differenz zwischen den beiden Leistungssätzen gegeben.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig; Kosten des Beschwerdeverfahrens wer-den nicht erstattet, § 73a Satz 1 SGG, § 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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