L 1 B 74/05 KR

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 178/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 74/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 18. April 2005 aufgehoben. Das Verfahren vor dem Sozialgericht Leipzig mit dem Aktenzeichen S 8 KR 178/05 ist wieder aufzunehmen.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen die Anordnung des Ruhens des Verfahrens.

Den vom Bf. bei der Beschwerdegegnerin (Bg.) am 30. November 2004 gestellten Antrag auf Zahlung von Sterbegeld nach der am ... 2004 verstorbenen Versicherten A ... M ... lehnte diese mit Bescheid vom 30. November 2004 ab. Mit dem In-Kraft-Treten des "Gesundheitsmodernisierungsgesetzes" am 01. Januar 2004 sei die gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf Sterbegeld entfallen. Die Neufassung des Fünften Buches Sozial-gesetzbuch (SGB V) enthalte keine Regelung zur Zahlung von Sterbegeld. Der dagegen am 20. Dezember 2004 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2005).

Hiergegen richtet sich die am 07. März 2005 beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage (S 8 KR 178/05). Zur Begründung hat der Bf. vorgetragen, er habe durch die Me-dien erfahren, dass die Rechtslage in Sachen Sterbegeld für das Jahr 2004 noch nicht ein-deutig geklärt sei. Um seinen Anspruch zu wahren, reiche er hiermit Klage ein. Er sei be-reit, bis zur Entscheidung der Musterklage beim Bundessozialgericht (BSG) das Verfahren ruhen zu lassen.

Auf eine Anfrage des SG vom 04. April 2005 an die Beteiligten, ob sie einverstanden sei-en, das Verfahren bis zur Entscheidung des BSG ruhen zu lassen, da dort mittlerweile ein Verfahren anhängig sei (B 1 KR 2/05 R), hat die Bg. mit Schreiben vom 12. April 2005 ihr Einverständnis mit einem Ruhen des Verfahrens erklärt. Der Bf. hat sich dazu nicht weiter geäußert.

Mit Beschluss vom 18. April 2005 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Gegen den dem Bf. am 02. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat er am 11. Mai 2005 beim SG Beschwerde eingelegt. Er habe den Beschluss erst gestern bekommen, weil er sich sechs Wochen im Urlaub befunden habe. Er sei mit dem Ruhen nicht einverstanden. Der Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen.

Auf ein ausführliches Schreiben des Senats zur Prozesslage (Schreiben vom 16. Juni 2005), verbunden mit der Anregung die Beschwerde aus prozessökonomischen Gründen zurückzunehmen, hat sich der Bf. gegenüber der Senatsgeschäftsstelle telefonisch dahin-gehend geäußert, er werde "nichts mehr schreiben oder beantworten".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Bg. Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidung der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt. Ein Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zählt nicht zu den gemäß § 172 Abs. 2 SGG von der Anfech-tung mit der Beschwerde ausgeschlossenen Entscheidungen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., Vor § 114 RdNr. 5).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Aus § 202 SGG in Verbindung mit § 251 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ergibt sich, dass das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen hat, wenn beide Parteien dies bean-tragen, und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist.

Wird auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nach § 202 SGG in Verbindung mit § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet, hat – unbe-schadet einer Aufhebung der Anordnung von Amts wegen – jeder Beteiligte das prozessua-le Recht zur Aufnahme, das zeitlich grundsätzlich nicht beschränkt ist (vgl. BVerwG Be-schluss vom 14. Mai 1997, Az. 1 B 93/97 = NVwZ-RR 1997, 621 = DÖV 1998, 343). Der frühere Absatz 2 des § 251 ZPO, wonach vor Ablauf von drei Monaten das Verfahren nur mit Zustimmung des Gerichts wieder aufgenommen werden konnte, wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2001 ersatzlos gestrichen.

Nachdem der Bf. zunächst in seiner Klagebegründung am 07. März 2005 sich mit einem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des BSG einverstanden erklärt hat, hat er im Zuge der Beschwerdeeinlegung am 11. Mai 2005 erklärt, mit dem Ruhen nicht einver-standen zu sein. Dieses Begehren hätte vom SG dahingehend ausgelegt werden müssen, dass der Bf. sein prozessuales Recht nach § 250 ZPO i. V. m. § 202 SGG zur Aufnahme des gerichtlichen Verfahrens geltend macht.

Durch den Ruhensbeschluss selbst war der Bf. nicht beschwert, da der Beschluss antrags-gemäß erging. Zum Zeitpunkt ihrer Einlegung war die Beschwerde daher unzulässig. Be-schwert war der Bf. erst dadurch, dass das SG die Beschwerde nicht als Antrag nach § 250 ZPO i. V. m. § 202 SGG ausgelegt und den Beschluss aufrecht erhalten hat. Durch die Nichtabhilfe der Beschwerde (Ablehnung des Antrages nach § 250 ZPO i. V. m. § 202 SGG) wurde die Beschwerde über die Fortdauer des Ruhensbeschlusses zulässig und ist wegen des uneingeschränkten Antragsrechts nach § 250 ZPO i. V. m. § 202 SGG auch begründet. Das Verfahren ist daher vom SG wieder aufzunehmen.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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