L 3 AL 33/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AL 1670/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 33/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Vermittlungsgutscheines für Arbeitslose, welches die Beklagte unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach zu kurze Arbeitslosigkeit des Klä-gers ablehnt.

Der Kläger war bis zum 06.05.2002 als Digitaldrucker beschäftigt und bezog von der Be-klagten seit dem 07.05.2002 Arbeitslosengeld (Alg). Am 02.12.2002 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig; die Arbeitsunfähigkeit dauerte mehr als sechs Wochen, also über den 12.01.2003 hinaus, an. Mit Bescheid vom 15.01.2003 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung zum 13.01.2003 auf; der Kläger hat den Bescheid nach Aktenlage nicht angefochten.

Vom 13.01.2003 bis zum 31.08.2003 bezog der Kläger Krankengeld.

Am 25.08.2003 meldete er sich zum 01.09.2003 erneut arbeitslos und beantragte die Wei-tergewährung von Alg, welches die Beklagte noch bis Ende August 2003 bewilligte.

Am 19.09.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Ausstellung eines Vermitt-lungsgutscheines für Arbeitslose. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom gleichen Ta-ge ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger noch nicht die Anspruchsvorausset-zung "drei Monate arbeitslos" erfüllt habe; denn er sei erst seit dem 01.09.2003 wieder arbeitsfähig und damit arbeitslos. Den ebenfalls am 19.09.2003 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2003 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 02.10.2003 vor dem Sozialgericht Dresden Klage erhoben. Dieses hat mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2004 den Bescheid vom 19.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2003 aufgehoben und die Beklagte zur Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines in Höhe von 2.000,00 EUR verurteilt. Zur Begrün-dung hat es ausgeführt, dass der Kläger bereits länger als drei Monate arbeitslos, nämlich im Jahre 2002, gewesen sei. Die Rechtsauffassung der Beklagte, wonach die drei Monate Arbeitslosigkeit unmittelbar vor der Ausstellung des Vermittlungsgutscheines vorliegen müssten, ergebe sich weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Sinn und Zweck der Vor-schrift.

Gegen den ihr am 30.01.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 19.02.2004 Berufung eingelegt.

Sie ist der Ansicht, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Der Kläger sei noch keine drei Monate arbeitslos gewesen, weil er bis zum 31.08.2003 Krankengeld bezogen habe. Dass die drei Monate Arbeitslosigkeit unmittelbar vor der Ausstellung des Vermitt-lungsgutscheines vorliegen müssten, ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus der hierzu ergangenen Dienstanweisung. Hiernach sei ? zur Vermeidung von Här-ten ? eine viermonatige Rahmenfrist anzusetzen, innerhalb der die drei Monate Arbeitslo-sigkeit vorliegen müssten.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20.01.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist für die Beklagte mit einem Wert der Beschwer des erstin-stanzlichen Urteils von 2.000,00 EUR statthaft; sie ist auch gemäß § 151 des Sozialgerichtsge-setzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt.

I.

Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Ablehnungsbe-scheid vom 19.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2003 aufge-hoben und die Beklagte zur Ausstellung des Vermittlungsgutscheines verpflichtet.

1. Der Kläger hat Anspruch auf die Ausstellung des Vermittlungsgutscheines, weil er alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Denn Arbeitnehmer, die Anspruch auf Alg haben und nach einer Arbeitslosigkeit von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, haben Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein, § 421g Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetz-buch (SGB III). Der Kläger hatte am 19.09.2003 Anspruch auf Alg, wie durch den Bewil-ligungsbescheid zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG) feststeht. Er war auch noch nicht vermittelt.

Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt auch schon drei Monate arbeitslos. Zwar ist die Zeit des Krankengeldbezuges hier nicht einzubeziehen. Denn arbeitslos sind Personen, die wie beim Anspruch auf Alg vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei den Vermittlungsbemühun-gen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und sich dort arbeitslos gemeldet haben, § 16 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Den Vermittlungsbemühungen steht nur zur Verfügung, wer arbeitsfähig ist, § 119 Abs. 2 SGB III. Der Kläger war während des Bezuges von Krankengeld arbeitsunfähig und deshalb nicht arbeitslos.

Allerdings sind zu den 19 Tagen im September 2003 auch die Zeiten der Arbeitslosigkeit unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit zwischen dem 07.05.2002 und dem 12.01.2003 hinzuzurechnen, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat. Für die von der Beklagten ins Feld geführte Vorfrist von vier Monaten gibt es im Gesetz keine Stütze. Sie ergibt sich ? wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat ? weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift.

Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es vielmehr, dass Unterbrechungen der Arbeitslo-sigkeit grundsätzlich unschädlich sind (Hauck/Notfz, Kommentar zum SGB III, § 421g. Rz. 13). Die Beschränkung auf Leistungsbezieher, die mindestens drei Monate arbeitslos gewesen sind, soll nämlich Missbrauch vermeiden und Mitnahmeeffekte begrenzen; der Vermittlungsgutschein soll nur Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen zugute kommen (vgl. die amtliche Begründung in BT-Drs. 14/8546, zu Nr. 34, Seite 11). Diese ergeben sich oder erhöhen sich sogar ganz durch die Dauer der Arbeitslosigkeit, was auch Grund für die Staffelung der Gutscheinshöhe nach § 421g Abs. 3 SGB III ist. Aus dieser Erwä-gung mögen zwar Zeiten einer Beschäftigung, Qualifizierung oder Fortbildung insoweit anspruchshindernd sein; durch die beim Kläger eingetretene Arbeitsunfähigkeit verbesser-ten sich dessen Vermittlungschancen indes nicht, sondern wurden eher noch schlechter. Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit, die eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit nicht ändern, sind daher unschädlich (Gemeinschaftskommentar zum SGB III, § 421g, Rz. 11).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB III vom 19.11.2004 (BGBl. I Seiten 2902ff.), mit der die von der Beklagten benannte Vorfrist von drei Monaten ? unter gleichzeitiger Verkür-zung der Arbeitslosigkeit auf sechs Wochen ? eingeführt wurde. Hierbei kann dahingestellt bleiben, welche Schlussfolgerungen hieraus für eine frühere Gesetzeslage zu ziehen sind. Denn in der amtlichen Begründung findet sich ? unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bisherige Verwaltungspraxis der Beklagten ? der Hinweis, dass gerade Krankheitszeiten für die Erfüllung des Anspruches unschädlich seien (BT-Drs. 15/3674, zu Nr. 17, Buchstabe a), Doppelbuchstabe aa), Seite 10).

2. Der Kläger hat Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein mit einem Wert von 2.000,00 EUR. Denn der Vermittlungsgutschein wird nach einer Arbeitslosigkeit von sechs bis zu neun Monaten in Höhe von 2.000,00 EUR ausgestellt, § 421g Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 SGB III. In den Jahren 2002 und 2003 war der Kläger insgesamt 8 Monate und 24 Tage arbeitslos.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG gegeben sind. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Denn durch die bereits erwähnte Gesetzesänderung zum 01.01.2005 ist die streitentscheidende Rechtsfrage für neu beantragte Vermittlungsgutscheine nicht mehr erheblich, weil die Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" nunmehr in einer Vorfrist von vier Monaten vorliegen muss. Eine grundsätzlich Bedeutung ist auch nicht etwa des-wegen gegeben, weil noch über eine Vielzahl von Altfällen zu entscheiden wäre (vgl. hier-zu Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 1670, Rz. 7b). Denn eine solche Vielzahl von Altfällen, die nach der alten Rechtslage zu beurteilen sind und bei denen vor Antragstel-lung eine Arbeitsunfähigkeit vorlag, sind beim Senat weder bekannt noch von der Beklag-ten vorgetragen.
Rechtskraft
Aus
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