L 1 U 127/02 LW

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 31/00 LW
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 127/02 LW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Merkmal des Unterlassens aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass das Merkmal der Aufgabe der belastenden Tätigkeit erst dann erfüllt ist, wenn alle belastenden Tätigkeiten in vollem Umfang aufgegeben worden sind (BSG, Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2; BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 27/02 R, HVBG RdSchr VB 93/2003).
2. Aus der Tatsache, dass die Klägerin zwei Stunden werktäglich Reinigungsarbeiten durchführt, ergibt sich nichts anderes. Mit dem Sachverständigen Prof. Dr. K. geht der Senat davon aus, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft weder mit schwerem Heben und Tragen von Lasten noch Tätigkeiten in unphysiologischer Rumpfbeugehaltung oder mit Erschütterungen der LWS verbunden ist. Sie kann daher nicht zu einer Verschlimmerung oder zu einem Wiederaufleben der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS führen. Aus präventiven Gesichtspunkten ist die leichte körperliche Tätigkeit sogar gesundheitlich sinnvoll. Sie bewirkt eine Erhöhung des Stoffwechsels der Muskulatur und führt zu einer Kräftigung der Muskulatur am Körperstamm und den Extremitäten. Zudem betrifft die BK-Nr. 2110 BKV nur Ganzkörperschwingungen. Eine derartige Exposition ist mit einer Tätigkeit als Reinigungskraft nicht verbunden.
3. Einige der gehörten Sachverständigen haben als Voraussetzung für die Anerkennung eines Kausalzusammenhangs belastungsadaptive Reaktionen gefordert. Diese Sachverständigen haben sich auf Untersuchungen von Wukasch, Nehring und Weber bezogen, wonach sich spondylotische Veränderungen signifikant häufiger im oberen und mittleren LWS-Abschnitt von Personen fänden, die gegenüber Ganzkörperschwingungen exponiert gewesen seien. Insbesondere sei der thorakolumbale Übergang betroffen. Derartige Veränderungen wies die Klägerin weder bei Eintritt des Versicherungsfalles noch weist sie diese bislang auf. Dies hat den Senat aber nicht veranlasst, deswegen die Berufung zurückzuweisen. Denn Prof. Dr. K. hat ausgeführt, dass eine berufsbedingte vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen überwiegend im unteren und mittleren Abschnitt der LWS auftritt. Wegen der unmittelbaren Schwingungsübertragung vom Becken auf die Wirbelsäule wird der untere LWS-Abschnitt in sitzender Körperhaltung besonders stark belastet. Nach einer von Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 04.02.2005 zitierten Untersuchung von Schwarze, Tonscheidt und Notbohm aus dem Jahre 1999 ist bei ansteigender Schwingungsbelastung eine Zunahme in der Schwere der Degeneration sowie eine stärkere Verringerung der Bandscheibenhöhe L5/S1 festgestellt worden. Nach deren für den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vorgenommenen Erhebungen führten Schwingungseinwirkungen jedoch nicht zu weiteren Veränderungen im Röntgenbild, die eine Differenzierung zwischen berufsbedingter und nicht berufsbedingter Schädigung erlauben würden. Aufgrund dieser kontroversen wissenschaftlichen Diskussion, die offensichtlich mehr Facetten hat, als Prof. Dr. R., Dr. M., Dipl.-Med. G. und Dr. R. dem Leser ihrer Gutachten darzustellen bereit sind, geht der Senat davon aus, dass die Diskussion über typische belastungsadaptive Veränderungen bei Ganzkörperschwingungen nicht am Ende angelangt ist, sondern erst den Beginn eines wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses markiert. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang für den Senat, dass es ihm mangels Sachkunde verwehrt ist, hier Partei zu ergreifen, es jedoch auch keine Möglichkeit gibt, bereits jetzt eine verlässliche Gewissheit über den von den Sachverständigen Prof. Dr. R., Dr. M., Dipl.-Med. G. und Dr. R. ins Feld geführten angeblichen medizinischen Erfahrungssatz zu erlangen. Dies bedeutet für den Senat, dass derzeit das Argument „belastungsadaptive Reaktionen“ bei Ganzkörperschwingungen im Sinne der BK-Nr. 2110 BKV keine ausreichende Validität besitzt und daher unbeachtet bleiben muss.
4. Auch für Wirbelsäulenberufskrankheiten gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung uneingeschränkt. Zwar indiziert die Exposition nicht bereits einen kausalen Zusammenhang zwischen ihr und der bandscheibenbedingten Erkrankung. Auch gibt es bei dieser Berufskrankheit keine eindeutigen positiven Befunde, die – immer im Sinne der Wahrscheinlichkeit – zwingend einen Kausalzusammenhang nahelegen. Dies bedeutet aber auch nicht, dass konkurrierende Ursachen zwingend den Kausalzusammenhang ausschließen. Vielmehr bedarf es hier einer sehr sorgfältigen Abwägung, die aber dabei nicht aus dem Blick verlieren darf, dass die Wirbelsäulenberufskrankheiten als solche vom Verordnungsgeber anerkannt sind. Argumentationen, die darauf angelegt sind, die BK-Tatbestände der Nr. 2108 – 2110 BKV auszuhebeln, sind daher mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Im Übrigen ist immer zu prüfen, ob Schadensanlagen die individuelle Vulnerabilität gegenüber den in BK-Nr. 2108 – 2110 BKV genannten Expositionen deutlich erhöhen, ohne dass die Exposition lediglich zum Anlassgeschehen wird.
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19.09.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin ab 05.08.1996 eine Berufskrank-heit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen dieser Berufskrankheit ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähig-keit von 20 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Wirbelsäulenleiden der Klägerin um eine Berufskrankheit (BK) handelt.

Die am ...1962 geborene Klägerin erlernte vom 01.09.1978 bis Juli 1980 den Beruf der Agrotechnikerin/Mechanisatorin und arbeitete nachfolgend bis März 1989 und von März 1990 bis zum 04.08.1996 im erlernten Beruf, überwiegend als Traktoristin und LKW-Fahrerin. Anschließend bezog die Klägerin 78 Wochen Krankengeld und danach Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Vom 23.05.2000 bis zum 26.08.2001 erfolgte auf Kosten der LVA Sachsen eine Umschulung zur Bürokauffrau. Hiernach war die Kläge-rin vom 30.08.2001 bis 31.08.2003 erneut arbeitslos. Seit 27.08.2001 bezieht die Klägerin aufgrund eines Bescheides vom 23.07.2003 eine Berufsunfähigkeitsrente. Die Klägerin führt seit 22.01.2003 zwei Stunden täglich an den Werktagen Reinigungsarbeiten durch.

Die Klägerin litt seit Anfang der achtziger Jahre zunächst unter sporadisch auftretenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS) und seit September 1995 unter andauernden LWS-Beschwerden. Ausweislich ihres Sozialversicherungsausweises erfolgten bis 1990 keine ärztlichen Behandlungen wegen Wirbelsäulenbeschwerden. Nach einer Stellung-nahme der AOK Sachsen, G ..., war die Klägerin vom 03.01.1994 bis 07.01.1994 u. a. wegen einer Lumboischialgie, vom 19.09.1995 bis 10.11.1995 wegen eines LWS-Syndroms und einer Lumboischialgie und vom 05.08.1996 bis 12.12.1997 wegen dersel-ben Diagnose und wegen eines Bandscheibenprolapses bis zur Erschöpfung des Kranken-geldanspruchs arbeitsunfähig geschrieben.

Die am 24.10.1995 durchgeführte Computertomographie (CT) ergab einen flachen Prolaps im Segment L4/5 und eine geringe Protrusion im Segment L5/S1. Das am 06.08.1996 durchgeführte CT erbrachte den Befund eines Bandscheibenprolapses auch im Segment L5/S1 (Grenzbefund zwischen Protrusion und flachem Prolaps). Daraufhin erfolgte am 09.10.1996 eine Nukleotomie und Prolapsentfernung in diesem Segment. Die Magnetreso-nanztomographie (MRT) vom 21.05.1997 bestätigte den weiteren Prolaps im Segment L4/5 mit deutlichen narbigen Veränderungen im Spinalkanal. Bei der MRT-Untersuchung vom 09.09.1999 wurde eine diskrete Bandscheibenprotrusion im Segment L4/5 festgestellt. Am Segment L5/S1 war kein Re- oder Restprolaps nachweisbar. Es bestanden jedoch deut-liche Narbenstrukturen mit Ummauerung der linken Nervenwurzel des Segments L5/S1. Die CT-Untersuchung vom 21.11.2002 ergab, dass die Zwischenwirbelräume der Segmen-te L3/4 und L4/5 nicht höhengemindert, der Zwischenwirbelraum L5/S1 jedoch in der Hö-he gemindert war. Am Segment L3/4 war eine leichte Protrusion ohne kompressive Wir-kung, am Segment L4/5 ein kleiner Bandscheibenvorfall mit kompressiver Wirkung und am Segment L5/S1 eine deutliche knöcherne Neuroforameneinengung vorhanden. Zwi-schen Narbengewebe und einem Reprolaps konnten die die Auswertung vornehmenden Radiologen Z1 ... und Dr. W1 ... nicht differenzieren.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. O1 ... am 22.10.1998 nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten. Bei der Klägerin bestehe eine präsakrale Gefü-gestörung mit einer diskreten Wurzelreizsymptomatik links und ein mäßiges zervikales Syndrom der oberen und mittleren HWS. Die Anerkennung der BK-Nrn. 2108 bzw. 2110 BKV könne nicht empfohlen werden, da der Krankheitsverlauf und der Befund mit klini-schem Betroffensein auch der HWS und monosegmentalem Prolaps der LWS für eine vorwiegend endogen verursachte Erkrankung spreche. Der Arbeitsmediziner Dr. N1 ... nahm am 30.10.1998 gewerbeärztlich Stellung. Zwar seien die arbeitstechnischen Voraus-setzungen der BK-Nr. 2110 BKV erfüllt, jedoch lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Der vorliegende medizinische Befund spreche eher gegen eine BK, weil kein belastungstypisches Schadensbild vorliege.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.04.1999 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil bei der Klägerin keine BK vorhanden sei. Zwar sei die haftungsbegründende Kausalität, nicht jedoch die haftungsausfüllende Kausalität für eine BK-Nr. 2110 BKV gegeben. Gegen das Vorliegen einer BK spreche der frühe Beschwerdebeginn wenige Jahre nach Tätigkeitsaufnahme und das Betroffensein auch nicht exponierter Wirbelsäulenabschnitte (HWS und BWS). Zudem müsse es sich um mehrsegmentale Veränderungen und nicht – wie vorliegend – lediglich um Veränderungen in einem Segment (L5/S1) handeln. Sie stützte sich auf das Gutachten von MR Dr. O1 ... und die gewerbeärztliche Stellungnahme. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine weitere gewerbeärztliche Stellungnahme von Dr. N1 ... ein. Darin empfahl er eine nochmalige Begutachtung.

Auf Veranlassung der Beklagten fertigten der Orthopäde und Direktor der Sektion Physi-kalische und Rehabilitative Medizin der M ...-Universität H ... Prof. Dr. R1 ... und der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. M1 ... am 20.10.1999 nach Untersuchung der Klägerin ein weiteres Gutachten. Sie stellten die Diagnose eines Postdiskotomiesyndroms nach Prolaps-Operation am Segment L5/S1 bei muskulären Dys-balancen und primärer Hypermobilität. Die von der Klägerin angegebenen Hexenschüsse 1993 seien nach ausführlicher Befragung durch die Gutachter durch eine schnelle Bewe-gung bei starker Kälte an der BWS hervorgerufen worden, die jedoch nach kurzer Zeit wieder abgeklungen seien. Zusammenfassend schätzten sie ein, als konkurrierende, nicht beruflich bedingte Erkrankungen fänden sich ein angeborener lumbosakraler Übergangs-wirbel, eine primäre Hypermobilität mit Gefügestörungen sowie muskuläre Dysbalancen, die für die Beschwerden verantwortlich seien. Eine BK der Wirbelsäule liege nicht vor.

Dr. N1 ... nahm am 27.10.1999 nochmals gewerbeärztlich Stellung, die medizinischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2110 BKV seien nicht gegeben, weil kein belastungstypi-sches Schadensbild nachweisbar sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 zurück.

Ihr Begehren hat die Klägerin mit der am 23.02.2000 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.

Für das SG hat Prof. Dr. G1 ..., Geschäftsführender Chefarzt des Zentrums für Traumato-logie mit Brandverletzungszentrum des Städtischen Klinikums " ..." L ..., am 29.01.2001 nach Untersuchung ein weiteres Gutachten erstattet. Die berufliche Belastung über 18 Jahre stelle eine conditio sine qua non für den derzeitigen Zustand der LWS dar. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung liege vor. Außer der minimalen flachbogigen Seit-verbiegung ergäben sich keine bedeutsamen Erkrankungen oder Veränderungen des Ske-lettsystems. Anlagebedingte Faktoren hätten bei der Entstehung der LWS-Erkrankung nicht mitgewirkt. Die beruflichen Einwirkungen seien vielmehr die wesentliche Ursache für die LWS-Erkrankung. Die berufskrankheitenbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 v. H.

Auf Veranlassung der Beklagten hat MR Dr. O1 ... am 02.03.2001 nochmals ergänzend Stellung genommen. Der relativ frühzeitige Erkrankungsbeginn, das klinische Betroffen-sein auch der HWS und das Fehlen wesentlicher belastungsadaptiver Reaktionen in Form einer erheblichen Osteochondrose sprächen gegen eine BK-Nr. 2110 BKV. Es liege eine partielle Lumbalisation bei S1 vor. Dabei handle es sich um eine Anlagestörung, die als prädisponierend für die Entwicklung einer Bandscheibendegeneration anzusehen sei.

Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. R1 ... am 20.04.2001 nach Untersuchung der Klä-gerin erneut ein Gutachten erstellt. Die primär hypermobile Wirbelsäule mit hohen Zwi-schenwirbelräumen bedinge zum einen den Flüssigkeitsverlust und führe zum anderen zu einer Zermürbung des Bandscheibenringes. Gegenläufig reparativ hierzu verliefen verfes-tigende Verdichtungen der Deck- und Grundplatten, die Osteochondrose, und die der Restabilisierung dienende Spondylose, bei der es zum druckflächenvergrößernden Kanten-anbau komme. Die Folge hieraus sei eine wohltuende Versteifung der entsprechenden Wirbelsäulenabschnitte. Im vorliegenden Falle könnten die beginnende Gefügelockerung der unteren LWS und die durchgemachte Bandscheibenoperation L5/S1 als bandscheiben-bedingte Erkrankung mit noch ungenügender Kompensation und Reparation angesehen werden. Die primäre Hypermobilität und der lumbosakrale Übergangswirbel in Kombina-tion mit der statisch ungünstigen Steilstellung der Wirbelsäule stellten für die Zusammen-hangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen und Veränderungen des Skelettsystems dar. Die erfolgte Diskussion über das Vorhandensein eines lumbosakralen Übergangswirbels sei überflüssig. Ein solcher sei eindeutig vorhanden. Eine BK liege nicht vor.

Ferner hat der Orthopäde und Rheumatologe Dr. F1 ..., Oberarzt im W ...krankenhaus Bad D ..., am 28.11.2001 nach Untersuchung ein weiteres Gutachten gefertigt. Der Band-scheibenprolaps L5/S1 mit nachfolgendem Postdiskotomiesyndrom sei nicht als BK anzu-sehen. Nach Prof. Hansis sei eine BK ausgeschlossen, wenn ein monosegmentaler Schaden vorliege. Im Falle der Klägerin seien degenerative Veränderungen im Bereich L4/5 nicht nachweisbar. Die Beschreibung eines Prolapses bzw. einer Protrusion am Segment L4/5 im MRT bzw. CT könne zum Nachweis nicht herangezogen werden. Insbesondere mangele es an belastungsadaptiven Reaktionen am genannten Segment. Daher liege lediglich ein mo-nosegmentaler Befund vor. Auch sei ein altersvorauseilender Befund nicht erkennbar.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.09.2002 abgewiesen. Eine BK-Nr. 2110 BKV sei bei der Klägerin nicht vorhanden. Zwar sei die haftungsbegründende Kausalität gegeben, jedoch sei die haftungsausfüllende Kausalität nicht zu bejahen. Es hat sich zur Begründung auf die Gutachten von Prof. Dr. R1 ... und Dr. F1 ... gestützt.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Prof. Dr. R1 ... schließe die haftungsausfül-lende Kausalität mit der Begründung aus, die bei der Klägerin bestehenden Funktionsein-schränkungen seien überwiegend auf die von ihm festgestellte Hypermobilität zurückzu-führen. Dieser Auffassung folge Dr. F1 ... in seinem Gutachten nicht. Insbesondere habe er keine Hypermobilität feststellen können. Auch den von Prof. Dr. R1 ... als weitere Ursa-che genannten Übergangswirbel habe Dr. F1 ... nicht als Grund für die Nichtanerkennung der BK angesehen. Dr. F1 ... begründe das Nichtvorhandensein einer BK mit der Tatsa-che, bei der Klägerin liege nur ein monosegmentaler Schaden vor. Zur Frage, ob ein mono-segmentaler Schaden als BK anerkannt werden könne, würden in der Literatur jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Prof. Dr. G1 ... habe die Ansicht von Prof. Dr. R1 ... nicht teilen können. Er habe einen Übergangswirbel ebenfalls nicht festgestellt. Angesichts der Einschätzung von Prof. Dr. G1 ... sei die Klage zu Unrecht abgewiesen worden.

Auf Veranlassung der Beklagten hat die Gewerbeärztin Dipl.-Med. G2 ... am 09.02.2004 ein weiteres Gutachten erstellt. Die haftungsbegründende Kausalität für eine BK-Nr. 2110 BKV sei gegeben. Gegen eine berufliche Verursachung der bei der Klägerin bestehenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sprächen aber folgende Argumente: Röntge-nologisch seien präoperativ in den Jahren 1995 und 1996 an der LWS – bei Skoliose, Steil-stellung und Lumbalisation von S1 – keine das so genannte Altersmaß überschreitende degenerative Veränderungen nachweisbar gewesen. Lediglich der Zwischenwirbelraum L5/S1 sei deutlich erniedrigt gewesen. Keiner der Gutachter habe spondylotische Verände-rungen an der oberen LWS beschrieben. Degenerative Veränderungen seien lediglich an der untersten LWS nachweisbar. Es bestehe kein belastungskonformes Schadensbild. Zum Zeitpunkt des Expositionsendes bzw. bis zur Begutachtung 1998 hätten Beschwerden in mehreren Abschnitten der Wirbelsäule sowie in den Schultern, den Knie- und Hüftgelen-ken vorgelegen. 1998 sei ein Zervikalsyndrom diagnostiziert worden. Das Betroffensein auch nicht wesentlich beruflich belasteter Abschnitte des Muskel- und Skelettsystems spreche gegen eine berufliche Verursachung.

Der Senat hat den Chirurgen Prof. Dr. K1 ... mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. In seinem nach Untersuchung der Klägerin am 30.12.2004 erstellten Gutachten hat er ausgeführt, bei der Klägerin habe eine erhebliche berufliche Exposition über 16 Be-rufsjahre bestanden. Durch den TAD seien schwerwiegende Belastungen der LWS durch Ganzkörperschwingungen als Traktoristin und Fahrerin von LKW’s sowie Landwirt-schaftsmaschinen und zusätzliche wiederkehrende Hebe- und Tragearbeiten von bis zu 30 kg schweren Gegenständen festgestellt worden. Die Bandscheibenerkrankung sei nach einer beruflichen Belastung von 15 Jahren eingetreten. Es bestehe somit eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der Entwicklung des Schadensbildes und der gesicherten beruflichen Belastung. Bei Beginn der symptomatischen Bandscheibenerkrankung in Form einer Lumboischialgie in den Jahren 1994/1995 sei der Nachweis erbracht worden, dass die Bandscheiben der zwei untersten LWS-Segmente erkrankt gewesen seien. Das CT der LWS vom 06.08.1996 habe einen Bandscheibenprolaps des Segments L5/S1, eine Band-scheibenprotrusion des Segments L4/5 sowie im Übrigen nach oben abnehmende Schäden der Bandscheiben der LWS erbracht. Auch das erste durchgeführte MRT vom 21.05.1997 habe eine Höhenminderung des Zwischenwirbelraums L4/5 und einen Bandscheibenpro-laps in diesem Segment aufgedeckt. Es sei daher ein eindeutig altersvorauseilender Ver-schleiß der Bandscheibe sowie der Grundplatte (L5) und der Deckplatte (S1) bei der da-mals 34-jährigen Klägerin vorhanden gewesen. Die Bandscheibenerkrankung sei nach Vollendung der dritten Lebensdekade aufgetreten. Die Klägerin sei keiner vor- oder außer-beruflichen Belastung der LWS ausgesetzt gewesen. Konkurrierende Erkrankungen und/oder Einwirkungen auf die LWS aus dem privaten Bereich seien nicht vorhanden. An-lagebedingte Veränderungen der LWS bestünden ebenfalls nicht. Ein lumbosakraler Über-gangswirbel sei bei der Klägerin nicht nachweisbar. Der Lumbosakralwirbel sei normal ausgebildet. Es bestehe keine Disposition zum frühen Verschleiß im Bereich der Wirbel-säule und der großen Gelenke. Im Jahre 2004 hätten keine klinischen Hinweise für das Vorliegen degenerativer Veränderungen der BWS bzw. HWS vorgelegen. Wegen der be-rufsbedingten Erkrankung der Bandscheiben der untersten beiden Bewegungssegmente habe die Klägerin 1996 nach der Bandscheibenoperation ihre berufliche Tätigkeit als Fah-rerin von Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen sowie von LKW’s aufgeben müssen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK-Nr. 2110 BKV seien seit 1996 erfüllt. Die MdE betrage seit 12.12.1997 10 v. H., seit 28.11.2000 15 v. H. und seit 20.12.2004 20 v. H.

Die Beklagte hat den Arbeitsmediziner Dr. R2 ... zu seiner beratungsärztlichen Stellung-nahme vom 29.01.2005 veranlasst. In den vorliegenden Gutachten werde eine Diskussion geführt, ob bei der Versicherten eine fünf- oder sechsgliedrige LWS vorliege. Diese Dis-kussion sei jedoch überflüssig, da auf der Thoraxaufnahme vom 23.11.1999 und der LWS-Aufnahme vom 30.04.2002 eindeutig eine fünfgliedrige LWS zu sehen sei. Der frühzeitige Beschwerdebeginn von lumbalen Rückenschmerzen im Alter von 18 bis 21 Jahren nach nur wenigen Jahren beruflicher Exposition spreche eindeutig für das Vorliegen einer Scha-densanlage mit hieraus folgenden Fehlhaltungen, muskulären Dysbalancen, Muskelver-spannungen und einem chronischen Pseudoradikulärsyndrom. Der durch bildgebende Ver-fahren nachgewiesene Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 und die Bandschei-benprotrusionen in den beiden darüber liegenden Segmenten bildeten kein Indiz für das Vorliegen einer belastungsbedingten Erkrankung, da diese Befunde auch in der unbelaste-ten Bevölkerung eine sehr hohe Prävalenz besäßen. Die monosegmentale Degeneration der Bandscheibe L5/S1 mit der daraus folgenden Osteochondrose und Gefügestörung beweise ebenfalls nicht das Vorliegen einer BK, weil ein solcher Befund auch bei beschwerdefreien Personen vorhanden sei. Eine skoliotische Fehlhaltung der LWS auf der Grundlage eines schräg verformten 5. LWK sei röntgenologisch als anlagebedingte Fehlform zu identifizie-ren und verstärke den Verschleiß der präsakralen Bandscheibe. Das völlige Fehlen belas-tungsadaptiver Phänomene (mit Ausnahme des Segments L5/S1) sowie das völlige Frei-bleiben des thorakolumbalen Übergangs von altersüberschreitenden degenerativen Verän-derungen der Bewegungssegmente sprächen gegen das Vorliegen eines belastungskonfor-men Schadensbildes. Eine BK-Nr. 2110 BKV liege daher nicht vor.

Prof. Dr. K1 ... hat am 04.03.2005 ergänzend Stellung genommen. Auf Bl. 131 bis 134 der LSG-Akte wird verwiesen. Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. K1 ... am 23.04.2005 eine weitere ergänzende Stellungnahme gefertigt. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft handele es sich nicht um eine solche, die im Sin-ne der BK-Nr. 2110 BKV für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krank-heit ursächlich sein könnte. Der Klägerin müsse eine derartige Tätigkeit unter präventiven Gesichtspunkten nicht untersagt werden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19.09.2002 und den Bescheid der Be-klagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 aufzuheben, festzustellen, dass bei der Klägerin ab 05.08.1996 eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin deshalb ab 20.12.2004 eine Verletztenren-te nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und stützt sich im Übrigen auf das im Berufungsverfahren eingeholte gewerbeärztliche Gutachten und die beratungsärztliche Stellungnahme.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Daher sind das Urteil des SG vom 19.09.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 27.01.2000 aufzuheben. Ferner ist festzustellen, dass bei der Klägerin seit dem 05.08.1996 eine BK-Nr. 2110 BKV vorliegt. Die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Bei der Klägerin liegt seit dem 05.08.1996 der Versicherungsfall einer BK-Nr. 2110 BKV vor. Das Postdiskotomiesyndrom L5/S1 und das zumindest zeitweilig bestehende lumbale Wurzelreizsyndrom des Segmentes L4/5 bei Bandscheibenvorfall sowie die sekundäre Osteochondrose und Retrospondylose sowie die Einengung der Zwischenwirbelräume L5/S1 und L 4/5 sind Folgen dieser BK.

Vorliegend ist die BK-Nr. 2110 BKV i. V. m. § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgeblich, weil der Versicherungsfall am 05.08.1996, mithin vor dem 01.01.1997, eingetreten ist. Die Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Verletztenren-te folgt jedoch aus §§ 56, 72 Abs. 1, 214 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Eine Berufskrankheit nach BK-Nr. 2110 BKV liegt vor, wenn der Versicherte an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet, die durch eine langjährige, vorwie-gend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen verursacht worden ist, und der Versicherte durch die Erkrankung gezwungen wird, alle Tätigkeiten zu unterlas-sen, die ursächlich für die Entstehung oder die Verschlimmerung dieser Erkrankung waren oder noch ursächlich sein können.

Eingetreten ist der Versicherungsfall der BK zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Gefähr-dungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, somit zu dem Zeitpunkt des Eintritts des Gesundheitsschadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer BK erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Stand: 5/2005, Rn. 42 zu § 9 SGB VII). Diese sind gegeben, wenn die schä-digende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines BK-Tatbestandes erfüllt und wenn gegebenenfalls erforder-liche besondere Merkmale, insbesondere die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten, vorliegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 2/2005, Rn. 7 zu § 9 SGB VII).

Das Merkmal des Unterlassens aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass das Merkmal der Aufgabe der belastenden Tätigkeit erst dann erfüllt ist, wenn alle belastenden Tätigkeiten in vollem Umfang aufgegeben worden sind (BSG, Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2; BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 27/02 R, HVBG RdSchr VB 93/2003).

Die Klägerin hat die gefährdende Tätigkeit als Agrotechnikerin und Mechanisatorin am 05.08.1996 völlig aufgegeben. Ab diesem Zeitpunkt war sie zunächst arbeitsunfähig er-krankt, erhielt hiernach Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bzw. absolvierte eine Umschulung zur Bürokauffrau und ging 1998/99 nebenbei einer Bürotätigkeit bei ihrem früheren Arbeitgeber nach. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls kommt daher nur der 05.08.1996 in Betracht.

Aus der Tatsache, dass die Klägerin seit dem 22.01.2003 zwei Stunden werktäglich Reini-gungsarbeiten durchführt, ergibt sich nichts anderes. Die BK-Nr. 2110 BKV setzt zwar voraus, dass alle Tätigkeiten unterlassen werden, die für die Entstehung, die Verschlimme-rung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (BSG, Urteil vom 22.08.2000, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.08.2003, a.a.O.). Das ist hier aber auch der Fall.

Auf Veranlassung des Senats hat die Klägerin ihre Tätigkeit als Reinigungskraft folgen-dermaßen beschrieben: Sie putze in einer Hauptschule zwei Stunden täglich. Es handele sich um verhältnismäßig leichte Putzarbeiten, die sie – wäre sie gesund – nicht belasten würden. Jedoch müsse sie sich bedingt durch ihre Wirbelsäulenerkrankung nach der Arbeit hinlegen und ausruhen. Die Arbeit bestehe darin, Linoleumfußböden feucht bzw. nass zu säubern, Tische abzuwischen, Waschbecken zu reinigen und Papierkörbe zu entleeren. Das Putzwasser befinde sich in einem Eimer auf dem Putzwagen. Sie fülle täglich vier Eimer mit ca. 10 l Wasser und entleere diese wieder. Die Treppe reinige sie mit dem Besen. Sie sei aus der Not heraus als alleinerziehende Mutter, die Arbeitslosenhilfe i.H.v. 400 Euro beziehe, gezwungen, diese Arbeit auszuüben. Von diesen Angaben ist der Senat überzeugt.

Mit Prof. Dr. K1 ... geht der Senat davon aus, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätig-keit als Reinigungskraft weder mit schwerem Heben und Tragen von Lasten noch Tätigkei-ten in unphysiologischer Rumpfbeugehaltung oder mit Erschütterungen der LWS verbun-den ist. Sie kann daher nicht zu einer Verschlimmerung oder zu einem Wiederaufleben der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS führen. Aus präventiven Gesichtspunkten ist die leichte körperliche Tätigkeit sogar gesundheitlich sinnvoll. Sie bewirkt eine Erhöhung des Stoffwechsels der Muskulatur und führt zu einer Kräftigung der Muskulatur am Kör-perstamm und den Extremitäten. Zudem betrifft die BK-Nr. 2110 BKV nur Ganzkörper-schwingungen. Eine derartige Exposition ist mit einer Tätigkeit als Reinigungskraft nicht verbunden.

Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammen-hang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Tätigkeit und der Erkrankung andererseits (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädi-genden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R – SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2).

Die Feststellungen des TAD vom 15.05.1998, vom 16.02.2005 und vom 11.04.2005 haben ergeben, dass die Voraussetzung einer langjährigen, vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen im Sinne der BK-Nr. 2110 BKV bei der Klägerin erfüllt ist. Aufgrund der Ermittlungen des TAD, der Angaben der Klägerin und ergänzend auch der Einschätzungen von Prof. Dr. R1 ..., Dr. M1 ..., Prof. Dr. G1 ... und Prof. Dr. K1 ... in ihren Gutachten ist der Senat i.S.d. Vollbeweises davon überzeugt, dass die Kläge-rin langjährig (zumindest von 1978 bis 1990) Ganzkörperschwingungen ausgesetzt war und die Dosis im als gesundheitsschädigend anzusehenden Bereich liegt.

Die Klägerin führte während ihrer von 1978 bis 1980 dauernden Lehre zur Agrotechnike-rin ab dem 2. Lehrjahr zu einem Drittel der Arbeitszeit Feld- und Transportarbeiten mit dem Traktor MTS 50 durch. Hierbei waren erhebliche Belastungen durch Ganzkörper-schwingungen aufgetreten. Zu ca. einem weiteren Drittel der Arbeitszeit verrichtete die Klägerin verschiedene manuelle Arbeiten; beispielsweise im Rahmen der Gemüseernte auch gelegentlich das Be- und Entladen von Gemüsekisten bis zu 30 kg. Von 1980 bis 1985 arbeitete sie als Traktoristin in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) 8 bis 14 Stunden täglich (verschiedene Feld- und Transportarbeiten mit Traktoren und Maschinen, wobei in bedeutendem Umfang Wochenend- und Überstundenarbeit anfie-len, verschiedene Werkstattarbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen schwerer Tei-le). Von 1985 bis 1997 arbeitete die Klägerin wiederum als Traktoristin in einer anderen LPG bzw. der L ...-GmbH N ... Auch während dieser Beschäftigungszeit verrichtete sie 8 bis 12 Stunden täglich verschiedene Feld- und Transportarbeiten mit Traktoren und Maschinen (viel Wochenendarbeit mit Überstunden; verschiedene Werkstattarbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen schwerer Teile). Ab 1990 war die Klägerin 6 bis 14 Stunden täglich mit verschiedenen Feld- und Transportarbeiten unter Einsatz von Trakto-ren und Maschinen, u. a. dem LKW W 50, beschäftigt. Insgesamt war die Klägerin in Landwirtschaftsbetrieben über einen Zeitraum von ca. 130 Monaten erheblichen Belastun-gen durch Ganzkörperschwingungen ausgesetzt gewesen. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ermittelte in einer Expositionsanalyse vom 15.05.1998 eine Gesamt-dosis von DV =1000 bis 1200 x 103. Der Dosisrichtwert nach der Rheinbraun-Studie liegt bei 580 x 103.

Ernsthafte Gesichtspunkte, die hiergegen sprechen könnten, sind – soweit es die Zeit bis 1989 betrifft – nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargetan worden. Daneben war die Klägerin – wie sich aus der Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 15.05.1998 ergibt – auch gegenüber dem Heben und Tragen von Lasten exponiert.

Am 16.02.2005 führte der TAD der Beklagten aus, der zuständige technische Aufsichtsbe-amte habe im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb für die Zeit ab 1990 erneut Ermittlungen durchgeführt. Formell liege die Belastung unterhalb der Mehrzahl der jährlichen Arbeits-schichten. Der TAD ermittelte für die Zeit von Januar 1990 bis August 1996 eine Gesamt-dosis von Dv = 216 x 103 , was einem Anteil von 37 % an dem Dosisrichtwert entspricht. In der Stellungnahme vom 11.04.2005 bekräftigte der TAD seine Auffassung, wonach ab 1990 eine Exposition nicht mehr in dem nach der für eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 BKV erforderlichen Umfang vorgelegen habe.

Ob diesen nachgeschobenen Ermittlungen der Beklagten gefolgt werden kann, kann dahin-gestellt bleiben, weil die Klägerin schon bis zum Jahr 1990 die Expositionsvoraussetzun-gen erfüllt hatte. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin auch ab 1990 in erheblichem Umfang Ganzkörperschwingungen ausgesetzt war (rund 2/5 des Dosisrichtwertes). In diesem Zusammenhang ist es kaum anzunehmen, dass die Ar-beitsbedingungen jedenfalls in den Jahren 1990 und 1991 schon wesentlich anders und besser als in der Zeit davor waren. Aber selbst wenn man dies unterstellt, war die Klägerin von 1978 bis 1989 in ausreichendem Maße exponiert. Geht man von 16,5 Jahren (ohne das Jahr 1978, ohne das "Babyjahr", ohne 2 Monate Arbeitsunfähigkeit 1995) und einer (für die Zeit ab 1990 zu hoch geschätzten) Gesamtdosis von Dv 1100 x 103 (Durchschnitt von Dv = 1000 bis 1200 x 103 ) aus, dividiert diesen Wert durch die Zahl der Jahre und multip-liziert ihn mit 10,3 Jahren (1979 – 1989), ergibt dies eine Gesamtdosis von Dv = 680 x 103. Dies liegt über dem Grenzwert, bei dem es sich im Übrigen nicht um einen echten Grenz-wert, sondern nur um einen Orientierungswert handelt (zum MDD vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2003, Az.: B 2 U 13/02 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 1).

Die Klägerin leidet seit dem 05.08.1996 an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies haben die Gutachter Prof. Dr. R1 ..., Dr. M1 ... , Prof. Dr. G1 ..., Dr. F1 ... und Prof. Dr. K1 ... übereinstimmend zur vollen Überzeugung des Senats festgestellt. Hiernach besteht bei der Klägerin ein Postdiskotomiesyndrom L5/S1, ein zumindest zeitweilig be-stehendes lumbales Wurzelreizsyndrom des Segments L4/5 bei Bandscheibenvorfall, eine sekundäre Osteochondrose und eine Retrospondylose beider Segmente mit Einengung der Zwischenwirbelräume L5/S1 und L4/5. Diese Erkrankungen führten zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ab 05.08.1996, die die Aufgabe des Berufes der Agrotechnikerin und Traktoristin nach sich zogen.

Die bandscheibenbedingte Erkrankung wurde auch mit Wahrscheinlichkeit durch die be-rufliche Tätigkeit der Klägerin als Traktoristin und Agrotechnikerin wesentlich (mit-) ver-ursacht.

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS sind regelmäßig nicht monokausal erklär-bar, weil nicht nur berufliche Belastungen auf die LWS einwirken, sondern immer auch eine Disposition (Vulnerabilität) eine Rolle spielen kann. Dann, wenn schon unter "norma-len" Belastungen des täglichen Lebens bandscheibenbedingte Erkrankungen auftreten, ist immer damit zu rechnen, dass auch Versicherte, die langjährig den in BK-Nr. 2110 BKV genannten Belastungen ausgesetzt sind, zu jenem Personenkreis gehören, dessen Band-scheibengewebe allgemein weniger widerstandsfähig ist. Bei solch kausaler Konkurrenz ist nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie unter Abwägung des Wertes der ein-zelnen Bedingungen festzustellen, ob das versicherte Risiko (mit Wahrscheinlichkeit) rechtlich wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Dabei schließt die Mitwirkung (einer oder mehrerer) rechtlich wesentlicher Ursachen aus dem unversicherten Bereich den Versiche-rungsschutz nicht aus. Das ist nur dann der Fall, wenn solche Umstände rechtlich allein wesentlich sind. Sie müssen die versicherten Umstände überragen oder - anders ausge-drückt - in den Hintergrund drängen. Rechtlich wesentlich sind die beruflichen Ursachen mithin nicht nur dann, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig sind, sondern bereits auch dann, wenn sie zwar nicht gleich-wertig, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen sind. Dabei muss die jeweilige Beziehung zum Erfolg nicht sicher feststehen, sondern nur wahrscheinlich sein. Diese Grundsätze sind auch auf die Kausalitätsbetrachtung von berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen der LWS und deren weiteren Folgen anzuwenden (Urteil des Senats vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 41/1999; ständige Rechtsprechung).

Der Senat geht davon aus, dass der versicherten Tätigkeit der Klägerin eine solchermaßen umschriebene wesentliche Bedeutung zukommt, weil die anderen berufskrankheitsunab-hängigen Ursachenbeiträge nicht von überragender Bedeutung sind.

Bei der Klägerin liegen keine wesentlichen altersvorauseilenden degenerativen Verände-rungen an der HWS und BWS vor. Prof. Dr. K1 ... hat in den Röntgenaufnahmen der BWS und der HWS aus den Jahren 1998 und 1999 keine degenerativen Veränderungen feststel-len können. Dies deckt sich mit den Bewertungen von Prof. Dr. R1 ... und Dr. M1 ... in ih-ren Gutachten vom 20.10.1999, wonach auf den Röntgenaufnahmen der BWS und der HWS vom 31.07. und 16.10.1998 "keine wesentlichen erkennbaren degenerativen Verän-derungen" vorhanden seien. Auch Prof. Dr. G1 ... hat keine degenerativen Veränderungen der BWS und der HWS beschrieben. Dem Senat erschließt sich nicht, warum Dr. O1 ... zur Verneinung eines Kausalzusammenhangs auch auf den HWS-Befund abstellt, zumal auch er nur eine "leichte Unkarthrose und beginnende Spondylosis deformans bei L5/6" beschreibt. Schließlich erläutert Dipl.-Med. G2 ... in ihrem für die Beklagte erstellten Gut-achten nicht näher, warum auch nicht wesentlich beruflich belastete Abschnitte des Mus-kel- und Skelettsystems der Klägerin angeblich betroffen seien. Sie nimmt insoweit nur auf Dr. O1 ... Befunderhebungen Bezug.

Zudem ist es nach Auffassung des Senats nicht zulässig, zu fordern, dass der nicht berufs-bedingt exponierte Abschnitt der Wirbelsäule nicht oder nur weniger degenerativ verändert ist als der belastete. Häufig wird sich dieser Argumentation bedient, wenn sowohl die LWS als auch die HWS und BWS bandscheibenbedingte Erkrankungen aufweisen. Diese These ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (u. a. Urteil vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 175/99) jedoch nicht plausibel. Denn sie würde zum einen nur dann ein verläss-liches Ausschlusskriterium darstellen, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS und BWS auch ohne berufliche Exposition der LWS nahezu immer mit einer band-scheibenbedingten Erkrankung der LWS einhergingen, also nicht isoliert aufträten. Dies ist nirgends belegt. Zudem geht die These, wonach schwerwiegende Veränderungen im beruf-lich nicht exponierten HWS-Bereich einen Rückschluss auf die berufsunabhängige Entste-hung im beruflich exponierten LWS-Bereich zuließen, von der stillschweigenden Voraus-setzung aus, dass das gesamte Bandscheibengewebe im Einzelfall aus ansonsten nicht nä-her bekannten und vorab erkennbaren Gründen anlagebedingt minderwertig(er) sei. Es handelt sich also um ein indirektes Verfahren. Da aber jede Bandscheibe durch langjährige Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen belastet wird, aber nicht bei jedem Exponierten eine entsprechende bandscheibenbedingte Erkrankung auftritt, setzt die Ent-stehung einer Berufskrankheit immer eine - individuell verschiedene - Vulnerabilität ge-genüber beruflichen Einwirkungen voraus. Sind die Veränderungen deutlich unterschied-lich und der nicht oder wesentlich geringer exponierte Wirbelsäulenbereich wesentlich stärker degenerativ verändert als der beruflich stark belastete Wirbelsäulenbereich, kann nicht plausibel auf eine generelle Minderbelastbarkeit des Bandscheibengewebes geschlos-sen werden. Denn dann müssten im exponierten Wirbelsäulenabschnitt erst recht degenera-tive Veränderungen nachweisbar sein. Bei in etwa gleichwertiger degenerativer Verände-rung von HWS, BWS und LWS gilt nichts anderes. Geht man in derartigen Fällen von der These der generalisierten Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes aus, müsste der ex-ponierte Wirbelsäulenabschnitt einen stärkeren Befund aufweisen als der nicht exponierte. Sind aber die Bandscheiben der beruflich exponierten LWS noch stärker degenerativ ver-ändert als die Bandscheiben der HWS und BWS, legt dies die Annahme im Einzelfall na-he, dass das Bandscheibengewebe zwar physiologisch minderwertig ist, jedoch die berufli-che Exposition gleichwohl eine wesentliche Teilursache darstellt. Daraus folgt, dass ein Vergleich zwischen exponierten und nicht exponierten Wirbelsäulenabschnitt nur geeignet ist, einen Kausalzusammenhang unter bestimmten Voraussetzungen zu stützen, nicht je-doch ihn in Zweifel zu ziehen, ohne die eigenen gedanklichen Prämissen zu verletzen.

Die Wirbelsäulensegmente L5/S1 und L4/5 der Klägerin, die nachweisbar erheblich beruf-lich exponiert waren, sind wesentlich stärker degenerativ verändert als diejenigen der HWS und BWS. Röntgenologisch sind in dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. K1 ..., dem Gutachten von Prof. Dr. G1 ... und in dem während des stationären Aufenthaltes vom 02.10.1996 bis 19.10.1996 im Universitätsklinikum L ... erhobenen Röntgenbefund eine Aufbrauchung des Zwischenwirbelraums L5/S1, eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L4/5, eine schwere Osteochondrose und eine spangenbildende ventrale Spondylose bei L5/S1 und eine deutliche Osteochondrose L4/5 nachgewiesen. Zudem sind aufgrund der MRT-Untersuchungen vom 21.05.1997 und 09.09.1999 sowie der CT-Aufnahmen vom 24.10.1995, 06.08.1996 und 21.11.2002 eine Protrusion am Seg-ment L3/4 sowie Bandscheibenvorfälle an den Segmenten L5/S1 und L4/5 nachgewiesen. Ferner wurde bei der Klägerin mehrfach ein Wurzelreizsyndrom festgestellt. Während des stationären Aufenthalts der Klägerin vom 02.10.1996 bis 19.10.1996 war das Lasègue-Zeichen links bei 40 Grad positiv, MR Dr. O1 ..., Prof. Dr. G1 ... und Prof. Dr. K1 ... wie-sen in ihren Gutachten jeweils ein Lasègue-Zeichen rechts bei 60 Grad positiv aus.

Es kann daher – wenn man das Differenzargument als gültig ansieht – gefolgert werden, dass gerade die erheblichen beruflichen Belastungen maßgeblich zum vorzeitigen Ver-schleiß des exponierten Wirbelsäulenabschnitts geführt haben. Das Differenzargument stützt folglich im vorliegen Fall die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs.

Daneben besteht bei der Klägerin entsprechend der übereinstimmenden Feststellungen durch die gehörten Sachverständigen lediglich eine ganz leichte rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt bei Th 8 der BWS und eine sehr leichte linkskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt bei L2/L3 der LWS, die jedoch den bandscheibenbedingten Schaden der Klägerin nicht erklärt. Überzeugend hat Prof. Dr. K1 ... dazu ausgeführt, dass "der schiefe Sitz" des 4. LWK und die linkskonvexe Skoliose der LWS mit Wahrscheinlichkeit mittel-bare Folgen der primären Erkrankung der Bandscheibe L5/S1 seien, weil es für eine anla-gebedingte Skoliose keine Hinweise gebe.

Prof. Dr. R1 ... und Dr. M1 ..., Dipl.-Med. G2 ... sowie Dr. R2 ... haben als Voraussetzung für die Anerkennung eines Kausalzusammenhangs belastungsadaptive Reaktionen gefor-dert. Diese Sachverständigen haben sich auf Untersuchungen von Wukasch, Nehring und Weber bezogen, wonach sich spondylotische Veränderungen signifikant häufiger im obe-ren und mittleren LWS-Abschnitt von Personen fänden, die gegenüber Ganzkörperschwin-gungen exponiert gewesen seien. Insbesondere sei der thorakolumbale Übergang betroffen. Derartige Veränderungen wies die Klägerin weder bei Eintritt des Versicherungsfalles noch weist sie diese bislang auf. Dies hat den Senat aber nicht veranlasst, deswegen die Berufung zurückzuweisen. Denn Prof. Dr. K1 ... hat ausgeführt, dass eine berufsbedingte vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen überwiegend im unteren und mittleren Abschnitt der LWS auftritt. Wegen der unmittelbaren Schwingungsübertragung vom Be-cken auf die Wirbelsäule wird der untere LWS-Abschnitt in sitzender Körperhaltung be-sonders stark belastet. Nach einer von Prof. Dr. K1 ... in seiner Stellungnahme vom 04.02.2005 zitierten Untersuchung von Schwarze, Tonscheidt und Notbohm aus dem Jahre 1999 ist bei ansteigender Schwingungsbelastung eine Zunahme in der Schwere der Dege-neration sowie eine stärkere Verringerung der Bandscheibenhöhe L5/S1 festgestellt wor-den. Nach deren für den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vorge-nommenen Erhebungen führten Schwingungseinwirkungen jedoch nicht zu weiteren Ver-änderungen im Röntgenbild, die eine Differenzierung zwischen berufsbedingter und nicht berufsbedingter Schädigung erlauben würden. Aufgrund dieser kontroversen wissenschaft-lichen Diskussion, die offensichtlich mehr Facetten hat, als Prof. Dr. R1 ..., Dr. M1 ..., Dipl.-Med. G2 ... und Dr. R2 ... dem Leser ihrer Gutachten darzustellen bereit sind, geht der Senat davon aus, dass die Diskussion über typische belastungsadaptive Veränderungen bei Ganzkörperschwingungen nicht am Ende angelangt ist, sondern erst den Beginn eines wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses markiert. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang für den Senat, dass es ihm mangels Sachkunde verwehrt ist, hier Partei zu ergreifen, es jedoch auch keine Möglichkeit gibt, bereits jetzt eine verlässliche Gewissheit über den von den Sachverständigen Prof. Dr. R1 ..., Dr. M1 ..., Dipl.-Med. G2 ... und Dr. R2 ... ins Feld geführten angeblichen medizi-nischen Erfahrungssatz zu erlangen. Auch die Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt. Dies bedeutet für den Senat, dass derzeit das Argument "belastungsadaptive Reaktionen" bei Ganzkörperschwingungen im Sinne der BK-Nr. 2110 BKV keine ausreichende Validität besitzt und daher unbeachtet bleiben muss.

Die von Prof. Dr. R1 ... und Dr. M1 ... festgestellte Hypermobilität der LWS (Schober-sches Zeichen von 10/16 cm) konnte von den übrigen Sachverständigen – für den Senat nachvollziehbar – nicht bestätigt werden. MR Dr. O1. stellte ein Schobersches Zeichen von 10/14 cm, Dr. F1 ... ein solches von 10/13, Prof. Dr. K1 ... von 10/13 cm fest. Eine über das normale Maß hinausgehende Beweglichkeit wurde folglich nicht erhoben. Auch der von Prof. Dr. R1 ... in seinem Gutachten vom 20.04.2001 ermittelte Finger-Boden-Abstand von 10 cm spricht eher gegen eine hypermobile Wirbelsäule.

MR Dr. O1 ..., Prof. Dr. G1 ..., Dr. F1 ..., Prof. Dr. K1 ... und Dr. R2 ... gehen allesamt nicht vom Vorliegen eines lumbosakralen Übergangswirbel aus. Sie haben, nachdem Prof. Dr. R1 ... diese Diagnose ins Gespräch gebracht hat, intensiv die Röntgenaufnahmen hiernach durchgeschaut und übereinstimmend und nachvollziehbar erläutert, dass lediglich fünf Lendenwirbelsegmente vorliegen. Der Senat hat auf Grund dessen hieran keinen Zweifel.

Soweit Dr. O1 ..., Dr. F1 ... und Dr. R2 ... darauf abstellen, dass es sich hier um eine mo-nosegmentale Bandscheibenerkrankung handele, kann dies der Senat nicht nachvollziehen. Zutreffend weist Prof. Dr. K1 ... darauf hin, dass 1996 keine monosegmentale Bandschei-benerkrankung vorgelegen habe, weil durch bildgebende Verfahren (CT, MRT) belegt sei, dass neben L5/S1 auch L4/5 betroffen gewesen sei. Neben einem flachen subligamentären Nucleus pulposus prolaps (NPP) bei L5/S1 bestand bei L4/5 auch eine dorsomediane Diskusprotrusion (vgl. nur CT-Befund vom 06.08.1996). Im MRT-Befund vom 21.05.1997 gibt der Radiologe Dr. N1 ... folgende Bewertung ab: "Bandscheibendegeneration mit umschriebenem dorsomedialem Prolaps L4/5. Deutliche narbige Veränderungen im Spi-nalkanal links bei Zustand nach OP L5/S1".

Die Klägerin wurde wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden erstmals im Jahre 1994 ärzt-lich behandelt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Sozialversicherungs-ausweisen der Klägerin und der Stellungnahme der AOK Sachsen. Angesichts der Exposi-tion der Klägerin seit ihrer Lehrzeit (mit Exposition ab 1979) ist eine stimmige Korrelation zwischen Exposition und Eintritt behandlungsbedürftiger Erkrankungen der LWS vorhan-den.

In diesem Zusammenhang erachtet es der Senat für geboten, nochmals mit allem Nach-druck darauf hinzuweisen, dass auch für die Wirbelsäulenberufskrankheiten die Lehre von der wesentlichen Bedingung uneingeschränkt gilt. Zwar indiziert die Exposition nicht be-reits einen kausalen Zusammenhang zwischen ihr und der bandscheibenbedingten Erkran-kung. Auch gibt es bei dieser Berufskrankheit keine eindeutigen positiven Befunde, die – immer im Sinne der Wahrscheinlichkeit – zwingend einen Kausalzusammenhang nahele-gen. Dies bedeutet aber auch nicht, dass konkurrierende Ursachen zwingend den Kausalzu-sammenhang ausschließen. Vielmehr bedarf es hier einer sehr sorgfältigen Abwägung, die aber dabei nicht aus dem Blick verlieren darf, dass die Wirbelsäulenberufskrankheiten als solche vom Verordnungsgeber anerkannt sind. Argumentationen, die darauf angelegt sind, die BK-Tatbestände der Nr. 2108 – 2110 BKV auszuhebeln, sind daher mit aller Entschie-denheit zurückzuweisen. Im Übrigen ist immer zu prüfen, ob Schadensanlagen die indivi-duelle Vulnerabilität gegenüber den in BK-Nr. 2108 – 2110 BKV genannten Expositionen deutlich erhöhen, ohne dass die Exposition lediglich zum Anlassgeschehen wird.

Da – wie oben bereits dargestellt – die Klägerin nicht nur grenzwertigen beruflichen Belas-tungen ausgesetzt war, daneben zeitweise schwere Lasten gehoben und getragen hat und die dauerhaften LWS-Beschwerden erst nach langjähriger beruflicher Tätigkeit eintraten, aber doch bereits in der Mitte des 4. Lebensjahrzehntes, und keine relevanten konkurrie-renden Ursachen vorgelegen haben, spricht nach Auffassung des Senats mehr für als gegen eine wesentliche Teilverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung in den unteren LWS-Segmenten durch die berufliche Exposition. Andere konstitutionelle und anlagebe-dingte Ursachen, die das Auftreten der Gesundheitsstörungen in den beiden unteren LWS-Segmenten wesentlich allein plausibel erklären, liegen nicht vor. Sie ergeben sich nach Auffassung des Senats aus den o.g. Gründen insbesondere auch nicht aus den von Prof. Dr. R1 ... und Dr. M1 ... gefertigten Gutachten. Eine familiäre Disposition zur Erkrankung am Stütz- und Bewegungsapparat besteht nach dem überzeugenden und ausführlichen Gutach-ten von Prof. Dr. K1 ... nicht. Die Eltern und Geschwister der Klägerin litten bzw. leiden nicht an Wirbelsäulenerkrankungen.

Bei der Klägerin bestand auch ab Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit am 05.08.1996 – wie sich aus den Gutachten von Prof. Dr. R1 ... und Dr. M1 ... , Prof. Dr. G1 ... und Prof. Dr. K1 ... übereinstimmend ergibt – ein Zwang zur Unterlassung aller schä-digenden Tätigkeiten. Seit dem 05.08.1996 liegen folglich alle Voraussetzungen der BK-Nr. 2110 BKV vor.

Mit Prof. Dr. K1 ... und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 02.05.2001, Az.: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8) ist die MdE ab 20.12.2004 mit 20 v. H. zu bewerten. Bei der Klägerin besteht seit diesem Tag klinisch ein Lumbal-syndrom mit provozierbaren bewegungsabhängigen Schmerzen der unteren LWS, eine deutliche Bewegungseinschränkung der LWS. Ferner sind lumbale Wurzelsyndrome durch Irritation der linksbetonten Nervenwurzel der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1 mit Provokation eines Ischiasdehnungsschmerzes, Sensibilitätsstörung im Dermatom L4 bis S1 links, Fuß- und Großzehenheberschwäche links und Abschwächung des Achillessehnenre-flexes links vorhanden. Auch Dr. R2 ... hat in seiner Stellungnahme die Richtigkeit einer MdE von 20 v.H. indirekt bestätigt, weil er meint, die von Prof. Dr. G1 ... vorgeschlagene MdE von 10 v. H. wirke "mehr als halbherzig". Der Beginn der Verletztenrente richtet sich hier nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII analog, weil der hier nicht streitgegenständliche Ver-letztengeldanspruch spätestens mit dem Abbruch der Umschulungsmaßnahme endete (§ 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII), zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Verletztenrente erfüllt waren.

Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Re-vision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Mit der Vertreterin der Beklagten wurde während der mündlichen Verhandlung die Auffassung des erkennenden Senats ausführlich erörtert und diese aufgefordert, die Notwendigkeit der Revisionszulassung zu begründen. Die Vertreterin der Beklagten vermochte nicht, Gründe für eine Zulassung der Revision anzuführen. Sie beschränkte sich insoweit auf die Stellung des Hilfsantrages.
Rechtskraft
Aus
Saved