L 3 B 259/05 AL

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 376/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 259/05 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 22. September 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger ab dem 15.09.2003 für 12 Monate einen Anspruch auf Gewährung eines Einstellungszuschusses bei Neugründung gemäß §§ 225 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat.

Nach Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Gastro Service D ...: Beratung und Planung für Gastronomie und Handel) am 01.04.2003 beantragte der Kläger am 08.09.2003 bei der Beklagten die Gewährung eines Einstellungszuschusses bei Neugrün-dung für die Dauer von 12 Monaten in Höhe von 50 % des für die Bemessung berücksich-tigungsfähigen Arbeitsentgelts. Diese Leistung war vorgesehen für die Einstellung von J ... H ... (J.H.) als Baufacharbeiter. Mit diesem schloss der Kläger am 15.09.2003 einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Am selben Tag nahm J.H. auch die Arbeit auf.

J.H. ist ausgebildeter Hochbaufacharbeiter. Nach Abschluss seiner Zivildienstzeit meldete er sich ab dem 01.02.2003 bei der Beklagten arbeitslos. Diese bewilligte ihm antragsgemäß Arbeitslosengeld (Alg). Mit Veränderungsmitteilung vom 27.06.2003 meldete er sich ab dem 30.06.2003 in Arbeit als Bauhelfer bei der Firma K ..., Bauunternehmung GmbH, N ... ab. Hierauf hob die Beklagte mit Bescheid vom 02.07.2003 die Bewilligung des Alg wegen Arbeitsaufnahme ab dem 30.06.2003 auf. Bereits am 05.07.2003 meldete sich J.H. erneut arbeitslos. Hierzu teilte er mit, er habe das Arbeitsverhältnis wegen unzumutba-rer Bedingungen beendet. Laut Arbeitsbescheinigung der Firma K ... (vgl. Bl. 55-59 der Leistungsakte J.H.) war J.H. vom 30.06.2003 bis 04.07.2003 bei dieser Firma als Bauhelfer beschäftigt. Ab dem 05.07.2003 bewilligte die Beklagte ihm erneut Alg. Am 01.08.2003 stellte die Beklagte für J.H. einen bis zum 31.10.2003 gültigen Vermitt-lungsgutschein über 1.500 EUR aus. Das Arbeitsverhältnis zwischen J.H. und dem Kläger ab dem 15.09.2003 wurde daraufhin durch die Firma g ..., Private Arbeitsvermittlung D ..., Inhaber P ... U ... (P.U.), vermittelt. Mit Bescheid vom 14.10.2003 bewillig-te die Beklagte dieser Firma eine Vermittlungsvergütung von 1.000 EUR.

Mit Bescheid vom 03.12.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Einstellungszu-schusses bei Neugründung ab. J.H. sei vor seiner Einstellung bei dem Kläger nicht mindes-tens drei Monate im Leistungsbezug der Beklagten gestanden.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2004 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat sich der Kläger am 20.02.2004 an das Sozialgericht Dresden (SG) gewandt. Der Einstellungszuschuss sei zu Unrecht nicht gewährt worden, da die Vermittlungsvergü-tung, die hinsichtlich der Leistungsbezugsfristen an die gleichen Voraussetzungen gebun-den sei, an die Firma g ... gewährt wurde. Die Vermittlungsvergütung hätte nicht aus-gezahlt werden dürfen, denn J.H. sei tatsächlich keine drei Monate arbeitslos gewesen. Die Beklagte habe mit der Ausstellung des Vermittlungsgutscheines mit Außenwirkung für den über die Arbeitsvermittlung g ... suchenden Kläger bestätigt, dass J.H. förderungswür-dig sei. Dem Kläger sei daher seitens der Beklagten zumindest aus dem Gesichtspunkt des treuwidrigen Handelns und des Schadensersatzes ein Einstellungszuschuss zu gewähren. Auch durch J.H. sowie P.U. (Firma g ...) sei gegenüber dem Kläger die Förderungs-würdigkeit behauptet worden. Sie ergebe sich zudem aus dem Vermittlungsformular der Firma g ..., nach dessen Inhalt J.H. seit dem 01.01.2003 arbeitslos gewesen sei, sowie der Bewerbung des J.H. selbst, in welcher ebenfalls ein Arbeitsverhältnis bei einer Firma K ... nicht erwähnt worden sei.

Die Beklagte hat hierzu ergänzend ausgeführt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines nach § 421g SGB III nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung eines Einstellungszu-schusses bei Neugründung stünden, welche sich ausschließlich aus den §§ 225 ff. SGB III ergäben.

Zudem hat der Kläger beantragt, J ... H ... und P ... U ... zu diesem Verfahren beizuladen. Wenn sich herausstelle, dass J.H. tatsächlich bei der Firma K ... gearbeitet hätte, kön-ne der Kläger gegen beide (J.H. und P.U.) oder zumindest einen von beiden Schadenser-satzansprüche geltend machen. Entweder habe P.U. hinsichtlich der Förderungswürdigkeit dem Kläger gegenüber keine richtige Auskunft erteilt oder aber J.H. habe wiederum P.U. nicht die zutreffenden Informationen diesbezüglich mitgeteilt. Die Beiladung sei erforder-lich, um zu verhindern, dass dem Kläger in einem späteren Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht entgegengehalten werde, ein Eingliederungszuschuss sei zu Unrecht abgelehnt worden.

Durch Beschluss vom 22. September 2005 hat das SG die Beiladung abgelehnt. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsge-setz (SGG) lägen nicht vor. Eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG stehe im Ermessen des Gerichts und setze voraus, dass berechtigte Interessen des Beizuladenden berührt sein könnten. Ein solches Interesse, welches sowohl rechtlicher, wirtschaftlicher, ideeller als auch tatsächlicher Natur sein könne, sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Es sei nicht erkennbar, welches Inte-resse J.H. oder P.U. daran haben könnten, dass durch ihre Beiladung ein von dem Kläger behaupteter Schadensersatzanspruch geklärt werde. Dass der Kläger selber ein Interesse daran hat, sei für die durch das Gericht gemäß § 75 Abs. 1 SGG zutreffende Ermessensent-scheidung ohne Belang. Dieses Interesse könne er durch das Geltendmachen eines Scha-densersatzanspruchs vor dem Zivilgericht erfolgen. Die Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren diene nämlich nicht dem Kläger, sondern zum einen dem Interesse des Beigela-denen, dem die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Prozess gegeben werde und zum anderen dem öffentlichen Interesse an der Prozessökonomie, weil die Beiladung ermögli-che, eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen. Im vorliegenden Fall erachte das Gericht jedoch eine Beiladung von J.H. und P.U. für die Aufklärung des Sach-verhalts nicht für erforderlich.

Hiergegen hat der Kläger am 26.10.2005 Beschwerde eingelegt. Dieser hat das SG nicht abgeholfen.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die vorliegende Entscheidung könne auch ge-genüber J.H. und P.U. nur einheitlich erfolgen. Denn die Beizuladenden könnten in einem Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht geltend machen, dass der Kläger einen An-spruch auf Eingliederungszuschuss habe. Erfolge im vorliegenden Verfahren keine Beila-dung, so könne es insoweit zu abweichenden Urteilen kommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 29. September 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Ein Fall von § 75 Abs. 1 SGG sei nicht gegeben, denn es seien keine berechtigten Interes-sen von J.H. und P.U. berührt. Auch ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG liege nicht vor. Denn an dem streitigen Rechtsverhältnis sind Dritte nicht derart betei-ligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könne.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts-akten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten (Leistungsakte H ... sowie EZN-Akte) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Denn das SG hat zu Recht entschieden, dass eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG nicht zu veranlassen war.

Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 1. Alternative SGG waren nicht gegeben. Nach dieser Norm ist eine Beiladung notwendig, wenn die zu erwartende Entscheidung in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift, d. h. gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt, feststellt, verändert oder aufhebt (BSG, Urteil vom 31.05.1978, BSGE 46, 232, 233 = SozR 2200 § 658 Nr. 3; BSG, Urteil vom 31.08.1983, SozR 1500 § 75 Nr. 49 m.w.N.). Danach genügt es weder, dass die Entscheidungen logisch notwendig einheitlich ergehen noch dass die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Einscheidung erfordern (BSG, Urteil vom 24.05.1984, BSGE 57, 15, 18). Nicht ausreichend ist es auch, wenn die Ge-richtsentscheidung gegebenenfalls Vorfragen behandelt, frühere oder derzeitige Rechtsbe-ziehungen des Beizuladenden betreffen (BSG, Urteil vom 19.12.1991, BSGE 70, 72, 74; s. Ulmer: Hennig, SGG, § 75 Rn. 8; Hk-SGG/Littmann, § 75 Nr. 3). So liegt der Fall hier: Es besteht keine – auch keine teilweise – Identität des Streitgegens-tandes. Die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf einen Einstellungszuschuss bei Neu-gründung hat, wäre für einen eventuellen Schadensersatzanspruch gegen H ...und/oder U ... lediglich materiell-rechtliche Vorfrage. Durch die Entscheidung in diesem Ver-fahren würden deren Rechte in keiner Weise unmittelbar betroffen, auch nicht die – etwai-ge – Ablehnung eines Einstellungszuschusses. Denn hieraus folgt nicht notwendig das Be-stehen eines Schadensersatzanspruchs.

Die Voraussetzungen für eine so genannte unechte notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alternative liegen bereits deshalb nicht vor, weil kein anderer Versicherungsträger als leistungspflichtig in Betracht kommt.

Weiterhin war das SG auch nach § 75 Abs. 1 SGG nicht verpflichtet, die beantragten Bei-ladungen vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine fakultative Beiladung, die im Er-messen des Gerichts steht. Beigeladen werden kann jeder, der ein berechtigtes Interesse an dem Rechtsstreit hat. Der Begriff berechtigte Interessen ist weit auszulegen und erfasst nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche (Urteil des BSG vom 16.03.1998, SozR 1500 § 75 Nr. 75) oder ideelle Interessen (BSG, Urteil vom 19.02.1996, NZS 1996, 400). Zwar wären H ... und U ... im Falle eines Obsiegens des Klägers keinesfalls von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs betroffen. Ob allerdings im gegentei-ligen Fall – der Abweisung dieser Klage – gegen H. und/oder U. tatsächlich ein Schadens-ersatzanspruch bestünde, wäre allein hiermit nicht entschieden. Es wäre – im Gegenteil – eher im Interesse von H. und U., wenn in einem etwaigen Zivilprozess die Voraussetzun-gen erneut vollständig zu prüfen wären. Die begehrte Beiladung resultiert daher speziell aus dem Interesse des Klägers. Dieses In-teresse ist nach der gesetzlichen Normierung nicht erheblich.

Eine Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG war nicht veranlasst, da dieser Beschluss das Verfahren – als solches – nicht beendet.

Die Entscheidung ist abschließend, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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