Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 19 R 445/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 369/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
gesetzliche Rentenversicherung - medizinische Rehabilitation - onkologische Nachsorgebehandlung - Altersrentner - Nachsorgekur wegen Geschwulsterkrankungen - Primärbehandlung
1. Unter „Primärbehandlung“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien sind ausschließlich diejenigen eingreifenden Therapieverfahren zu verstehen, die bei onkologischen Krankheiten als operative, strahlen-oder chemotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden, und zwar sowohl im Rahmen der Erstbehandlung
als auch im Rahmen der Rezidivbehandlung.
2. Die im begründeten Einzelfall auf zwei Jahre verlängerbare Einjahresfrist des § 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien ist keine Antragsfrist im echten Sinn, sondern eine medizinische Prognosefrist, bei der ausgehend von den allgemeinwissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen feststeht, bis zu welchem Zeitpunkt bei bestimmten Erkrankungen eine Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben ist. Aus diesem Grund kommt nach Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 27 Abs. 1 SGB X) nicht in Betracht, weil eine solche nach Sinn und Zweck der Norm ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X).
1. Unter „Primärbehandlung“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien sind ausschließlich diejenigen eingreifenden Therapieverfahren zu verstehen, die bei onkologischen Krankheiten als operative, strahlen-oder chemotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden, und zwar sowohl im Rahmen der Erstbehandlung
als auch im Rahmen der Rezidivbehandlung.
2. Die im begründeten Einzelfall auf zwei Jahre verlängerbare Einjahresfrist des § 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien ist keine Antragsfrist im echten Sinn, sondern eine medizinische Prognosefrist, bei der ausgehend von den allgemeinwissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen feststeht, bis zu welchem Zeitpunkt bei bestimmten Erkrankungen eine Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben ist. Aus diesem Grund kommt nach Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 27 Abs. 1 SGB X) nicht in Betracht, weil eine solche nach Sinn und Zweck der Norm ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsleistung als onkologische Nachsorgebehandlung.
Bei dem am 1944 geborenen Kläger wurde im August 2008 ein Prostatakarzinom diagnostiziert, das im Zeitraum vom 7. bis 17. Oktober 2008 in der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH operativ stationär behandelt wurde. Im Zeitraum vom 6. Januar bis 27. Februar 2009 erfolgte eine ambulante Bestrahlung des kleinen Beckens in der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH. Vom 13. März bis 3. April 2009 befand sich der Kläger in der onkologischen Anschlussheilbehandlung in der Vogtlandklinik B ... E , die zu Lasten der Beklagten durchgeführt wurde. Von Februar 2009 bis Juni 2011 erfolgten hormonelle Behandlungen. Ein Rezidiv des Karzinoms bildete sich nicht aus.
Auf Grund Bescheides der Beklagten vom 9. Juni 2009 bezieht der Kläger seit 1. Juli 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 14. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer stationären onkologischen Rehabilitation. Den Antrag, der bei der Beklagten am 16. Dezember 2011 einging, lehnte diese mit Bescheid vom 3. Januar 2012 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie aus: Leistungen zur onkologischen Rehabilitation würden nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung erbracht. Die Primärbehandlung des Karzinoms sei im Oktober 2008 abgeschlossen gewesen. Seit der letzten Primärbehandlung seien mehr als zwei Jahre vergangen. Nach den medizinischen Unterlagen läge auch kein Fortschreiten der Tumorerkrankung vor. Der Kläger sei auch nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers nicht rehabilitationsbedürftig, so dass sein Antrag nicht an einen anderen Träger weiterzuleiten sei.
Die hiergegen am 26. März 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz, nachdem der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2012 erklärte, dass er eine Rehabilitationskur nach den Vorschriften des Rechts der Krankenversicherung nicht wünsche, mit Urteil vom 24. Mai 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Nachsorge- und Festigungskur wegen Geschwulsterkrankungen, da sein Antrag außerhalb der Zwei-Jahres-Frist gestellt worden sei. Zwar sei beim Kläger die Primärbehandlung nicht im Oktober 2008, sondern erst im Februar 2009, nach Beendigung der Bestrahlung, abgeschlossen gewesen. Die hormonelle Behandlung sei keine Primärbehandlung. Auch bei Annahme der Beendigung der Primärbehandlung nach Ablauf der Strahlentherapie, sei der Antrag im Dezember 2011 erst nach Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums gestellt worden. Eine Erweiterung der Zwei-Jahres-Frist sei nicht vorgesehen. Die Gewährung einer Kur als Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach anderen Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung sei ausgeschlossen, da der Kläger Altersrente beziehe. Eine medizinische Rehabilitationskur nach dem Recht der Krankenversicherung werde von ihm nicht begehrt, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür nicht zu prüfen sei.
Gegen das am 31. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Juni 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Mit dem Urteil sei er nicht einverstanden. Er sei weiterhin der Meinung, dass der Bescheid und der Widerspruchsbescheid aufgehoben werden müssten, da diese fehlerhaft seien. Er habe bereits im sozialgerichtlichen Verfahren auf Grund des Schreibens der Klinik für Urologie der Z klinken B C gGmbH vom 9. Mai 2012 nachgewiesen, dass die Primärbehandlung nicht im Oktober 2008 beendet gewesen sei. Des Weiteren habe er mit Schreiben seines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Dr. S , vom 9. Januar 2012 nachgewiesen, dass er wegen einer schweren depressiven Symptomatik im Zeitraum vom Mitte 2009 bis Mitte 2011 aus fachärztlicher Sicht nicht rehabilitationsfähig gewesen sei. Er habe daher Anspruch auf Erteilung eines sachlich korrekten Bescheides.
Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 zu verpflichten, ihm eine Nachsorge- bzw. Festigungskur wegen Geschwulsterkrankungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat Krankenunterlagen bezüglich des Klägers über die stationären und ambulanten Behandlungen seines Prostatakarzinoms bei der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH, der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH und der Vogtlandklinik B ... E beigezogen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 24. Oktober 2012 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Urteilsbeschluss angehört.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
II.
Das Gericht konnte die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zurückweisen, weil das Sozialgericht durch Urteil entschieden hat, das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden zu dieser Vorgehensweise zuvor gehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 62 SGG).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er keinen Anspruch auf Gewährung einer onkologischen Rehabilitations- oder Nachsorgeleistung hat.
1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, weil die Leistungsvoraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung medizinische Leistungen zur Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen können erbracht werden, wenn die persönlichen Voraussetzungen (vgl. § 10 SGB VI) und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. § 11 SGB VI) dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI) und die Leistungen nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (vgl. § 12 SGB VI). Gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werden Leistungen nicht für Versicherte erbracht, die eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben.
Weil der Kläger auf Grund Bescheides vom 9. Juni 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen seit 1. Juli 2009 dauerhaft als Vollrente bezieht, sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kraft Gesetzes ausgeschlossen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine erneute Rehabilitationsmaßnahme in einer onkologischen Fachklinik als nachsorgende Leistung. Auch hierfür sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI können die Rentenversicherungsträger als sonstige Leistungen zur Teilhabe Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie ihrer Angehörigen erbringen. Es handelt sich dabei sowohl hinsichtlich des "Ob‘s" als auch des "Wie‘s" der Erbringung von Rehabilitationsleistungen um eine Ermessensvorschrift. Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt. Das Gericht darf hierbei nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft entsprechend § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Leistungen zur onkologischen Rehabilitation werden nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI – ebenso wie die anderen ergänzenden oder zusätzlichen Leistungen zu Teilhabe nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB VI – nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden. Zur Frage der Erbringung von Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen wurde die "Gemeinsame Richtlinie der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für die Erbringung onkologischer Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen (Ca-Richtlinien) vom 4. Juli 1991" erlassen, die inzwischen in der Fassung vom 18. Juli 2002 für alle nach dem 30. Juni 2001 gestellten Anträge gelten (§ 10 Satz 2 Ca-Richtlinien) und die im Benehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ergingen (§ 10 Satz 1 Ca-Richtlinien).
Es handelt sich bei den nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erlassenen Richtlinien um Verwaltungsvorschriften (Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 31 SGB VI, RdNr. 15 [Stand: April 2009]; Tiedt/Schulz-Weidner, DRV 1992, 1, 4f). Die Beklagte hat bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB VI das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen unter Anwendung der benannten Richtlinien sowie des § 13 SGB VI auszuüben (vgl. auch: Hirsch in: Reinhardt, Kommentar zum SGB VI, 2. Aufl. 2010, § 31, RdNr. 4).
Nach § 1 Abs. 1 der Ca-Richtlinien können die Träger der Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI onkologische Nachsorgeleitungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen erbringen. Diese Leistungen werden bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien). Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte den Antrag des Klägers ermessenfehlerfrei beschieden.
Der Antrag des Klägers vom 14. Dezember 2011, der bei der Beklagten am 16. Dezember 2011 einging, ist außerhalb der, ohnehin nur im besonderen Einzelfall maximal streckbaren, Zweijahresfrist gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien, gestellt worden und berechtigte die Beklagte aus diesem Grund zur Antragsablehnung. Die Primärbehandlung des Prostatakarzinoms des Klägers war spätestens am 27. Februar 2009 abgeschlossen. Dies ergibt sich aus sämtlichen vom Gericht beigezogenen Krankenunterlagen (vgl. Epikrise der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH vom 17. Oktober 2008 über die stationäre Behandlung vom 7. bis 17. Oktober 2008 [Bl. 46-48 der Gerichtsakte]; Epikrise der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH vom 4. März 2009 über die ambulante Bestrahlung des kleinen Beckens vom 6. Januar bis 27. Februar 2009 [Bl. 44-45 der Gerichtsakte]; Rehabilitationsentlassungsbericht der Vogtlandklinik B ... E vom 10. April 2009 über die stationäre Anschlussheilbehandlung vom 13. März bis 3. April 2009 [Bl. 67-77 und 93-103 der Gerichtsakten]) sowie aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Die von Februar 2009 bis Juni 2011 durchgeführten hormonellen bzw. bis dato andauernden medikamentösen Nachsorgebehandlungen gehören nicht mehr zur Primärbehandlung, sondern stellen sekundäre, nachsorgende Maßnahmen dar. Denn unter "Primärbehandlung" im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien sind ausschließlich diejenigen eingreifenden Therapieverfahren zu verstehen, die bei onkologischen Krankheiten als operative, strahlen- oder chemotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden, und zwar sowohl im Rahmen der Erstbehandlung als auch im Rahmen der Rezidivbehandlung (vgl. dazu: Cibis/Stähler, DRV 1999, 27, 31; Wurm in: Jansen, Kommentar zum SGB VI, § 31, RdNr. 27 [Stand: Oktober 2010]). Rezidivbehandlungen fanden beim Kläger ausweislich der beigezogenen Krankenunterlagen und Behandlungsberichte nicht statt.
Soweit der Kläger mehrfach ausführte, wegen seiner schweren depressiven Symptomatik habe bis Mitte 2011 keine Rehabilitationsfähigkeit vorgelegen, was ihm sein behandelnder Facharzt Dr. S mit Schreiben vom 9. Januar 2012 (Bl. 18 der Gerichtsakten) bescheinigte, führt dieser Umstand weder zu einer Streckung noch zu einer Unterbrechung der nicht verlängerbaren materiellen Ausschlussfrist des § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 27 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]) kommt nicht in Betracht, weil eine solche nach Sinn und Zweck der Norm ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X). Die bereits im begründeten Einzelfall auf zwei Jahre verlängerbare Einjahresfrist des § 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien ist keine Antragsfrist im echten Sinn, sondern eine medizinische Prognosefrist, bei der ausgehend von den allgemeinwissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen feststeht, bis zu welchem Zeitpunkt bei bestimmten Erkrankungen eine Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben ist. Gerade der Vortrag des Klägers belegt, dass die Ursache einer weiteren Nachsorgebehandlung nicht in der Krebserkrankung selbst wurzelt oder aus den daraus möglicherweise folgenden erheblichen Funktionsstörungen, die durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen resultieren, sondern auf anderen Gründen beruhen, für die, die onkologischen Nachsorgeleistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI von vornherein nicht vorgesehen sind. Denn die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien enthaltene Einzelfallprüfung bezweckt gerade den ungeprüften Automatismus der wiederholten Leistungsinanspruchnahme innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu verhindern. Dahinter steht die medizinische Erkenntnis, dass die Eigenheit, besonderer Risikoträger für ein Krebsrezidiv zu sein, bei fehlenden Funktionsstörungen weder bei onkologischen noch bei anderen potenziell lebensbedrohlichen Krankheiten bereits allein die Durchführung einer medizinischen Rehabilitation zu Lasten der Versichertengemeinschaft begründen kann (vgl. dazu: Cibis/Stähler, DRV 1999, 27, 32).
Soweit der Kläger, zuletzt in seiner Stellungnahme vom 14. November 2012, ausführt, die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden das Ende der Primärbehandlung "auf Oktober 2008 festgestellt", was nicht richtig und daher fehlerhaft sei, ist dies zwar zutreffend, weil Ende der Primärbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien nicht die stationäre, operative Behandlung im Oktober 2008 in der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH, sondern die strahlentherapeutische Behandlung im Februar 2009 in der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH war, was sich auch aus der ergänzenden Auskunft der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH vom 9. Mai 2012 (Bl. 15-17 der Gerichtsakten) ergibt. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 ist insoweit zwar hinsichtlich der Begründung fehlerhaft. Dieser Begründungsmangel macht die im Ergebnis, also im Verfügungssatz der Leistungsablehnung maßgeblich, rechtmäßige Entscheidung der Beklagten aber weder rechtswidrig noch anfechtbar (vgl. § 42 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]), weil der Verwaltungsakt dadurch weder nichtig (§ 40 SGB X) noch schwebend unwirksam (§ 41 SGB X) ist.
3. Ob der Kläger gegebenenfalls einen Anspruch auf eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einer onkologischen Klinik als Leistung nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens und muss vom Gericht, auch nicht unter dem Aspekt des zuerst angegangenen Leistungsträgers (§§ 14, 15 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IX]) geprüft werden (vgl. dazu: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. November 2010, JURIS-Dokument, RdNr. 29). Nach § 40 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gewähren auch die Krankenversicherungsträger entsprechende stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wobei ein Rangverhältnis zwischen den Leistungen nach § 40 Abs. 2 SGB V und nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht besteht (§ 40 Abs. 4 SGB V); die Leistungen stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander. Der Versicherte hat deshalb die Wahl, ob er Leistungen zu Lasten der Krankenversicherung oder zu Lasten des Rentenversicherungsträgers in Anspruch nehmen will (Wurm in: Jansen, Kommentar zum SGB VI, § 31, RdNr. 30 [Stand: Oktober 2010]).
Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Chemnitz am 24. Mai 2012 erklärt, dass er keine Rehabilitationskur nach den Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung wünscht und damit in zulässiger und zu beachtender Weise von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, den Streitgegenstand des Verfahrens begrenzt und den Prüfungsumfang des Gerichts beschränkt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Schnell Schuler
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsleistung als onkologische Nachsorgebehandlung.
Bei dem am 1944 geborenen Kläger wurde im August 2008 ein Prostatakarzinom diagnostiziert, das im Zeitraum vom 7. bis 17. Oktober 2008 in der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH operativ stationär behandelt wurde. Im Zeitraum vom 6. Januar bis 27. Februar 2009 erfolgte eine ambulante Bestrahlung des kleinen Beckens in der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH. Vom 13. März bis 3. April 2009 befand sich der Kläger in der onkologischen Anschlussheilbehandlung in der Vogtlandklinik B ... E , die zu Lasten der Beklagten durchgeführt wurde. Von Februar 2009 bis Juni 2011 erfolgten hormonelle Behandlungen. Ein Rezidiv des Karzinoms bildete sich nicht aus.
Auf Grund Bescheides der Beklagten vom 9. Juni 2009 bezieht der Kläger seit 1. Juli 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 14. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer stationären onkologischen Rehabilitation. Den Antrag, der bei der Beklagten am 16. Dezember 2011 einging, lehnte diese mit Bescheid vom 3. Januar 2012 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie aus: Leistungen zur onkologischen Rehabilitation würden nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung erbracht. Die Primärbehandlung des Karzinoms sei im Oktober 2008 abgeschlossen gewesen. Seit der letzten Primärbehandlung seien mehr als zwei Jahre vergangen. Nach den medizinischen Unterlagen läge auch kein Fortschreiten der Tumorerkrankung vor. Der Kläger sei auch nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers nicht rehabilitationsbedürftig, so dass sein Antrag nicht an einen anderen Träger weiterzuleiten sei.
Die hiergegen am 26. März 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz, nachdem der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2012 erklärte, dass er eine Rehabilitationskur nach den Vorschriften des Rechts der Krankenversicherung nicht wünsche, mit Urteil vom 24. Mai 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Nachsorge- und Festigungskur wegen Geschwulsterkrankungen, da sein Antrag außerhalb der Zwei-Jahres-Frist gestellt worden sei. Zwar sei beim Kläger die Primärbehandlung nicht im Oktober 2008, sondern erst im Februar 2009, nach Beendigung der Bestrahlung, abgeschlossen gewesen. Die hormonelle Behandlung sei keine Primärbehandlung. Auch bei Annahme der Beendigung der Primärbehandlung nach Ablauf der Strahlentherapie, sei der Antrag im Dezember 2011 erst nach Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums gestellt worden. Eine Erweiterung der Zwei-Jahres-Frist sei nicht vorgesehen. Die Gewährung einer Kur als Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach anderen Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung sei ausgeschlossen, da der Kläger Altersrente beziehe. Eine medizinische Rehabilitationskur nach dem Recht der Krankenversicherung werde von ihm nicht begehrt, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür nicht zu prüfen sei.
Gegen das am 31. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Juni 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Mit dem Urteil sei er nicht einverstanden. Er sei weiterhin der Meinung, dass der Bescheid und der Widerspruchsbescheid aufgehoben werden müssten, da diese fehlerhaft seien. Er habe bereits im sozialgerichtlichen Verfahren auf Grund des Schreibens der Klinik für Urologie der Z klinken B C gGmbH vom 9. Mai 2012 nachgewiesen, dass die Primärbehandlung nicht im Oktober 2008 beendet gewesen sei. Des Weiteren habe er mit Schreiben seines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Dr. S , vom 9. Januar 2012 nachgewiesen, dass er wegen einer schweren depressiven Symptomatik im Zeitraum vom Mitte 2009 bis Mitte 2011 aus fachärztlicher Sicht nicht rehabilitationsfähig gewesen sei. Er habe daher Anspruch auf Erteilung eines sachlich korrekten Bescheides.
Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 zu verpflichten, ihm eine Nachsorge- bzw. Festigungskur wegen Geschwulsterkrankungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat Krankenunterlagen bezüglich des Klägers über die stationären und ambulanten Behandlungen seines Prostatakarzinoms bei der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH, der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH und der Vogtlandklinik B ... E beigezogen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 24. Oktober 2012 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Urteilsbeschluss angehört.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
II.
Das Gericht konnte die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zurückweisen, weil das Sozialgericht durch Urteil entschieden hat, das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden zu dieser Vorgehensweise zuvor gehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 62 SGG).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er keinen Anspruch auf Gewährung einer onkologischen Rehabilitations- oder Nachsorgeleistung hat.
1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, weil die Leistungsvoraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung medizinische Leistungen zur Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen können erbracht werden, wenn die persönlichen Voraussetzungen (vgl. § 10 SGB VI) und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. § 11 SGB VI) dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI) und die Leistungen nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (vgl. § 12 SGB VI). Gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werden Leistungen nicht für Versicherte erbracht, die eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben.
Weil der Kläger auf Grund Bescheides vom 9. Juni 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen seit 1. Juli 2009 dauerhaft als Vollrente bezieht, sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kraft Gesetzes ausgeschlossen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine erneute Rehabilitationsmaßnahme in einer onkologischen Fachklinik als nachsorgende Leistung. Auch hierfür sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI können die Rentenversicherungsträger als sonstige Leistungen zur Teilhabe Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie ihrer Angehörigen erbringen. Es handelt sich dabei sowohl hinsichtlich des "Ob‘s" als auch des "Wie‘s" der Erbringung von Rehabilitationsleistungen um eine Ermessensvorschrift. Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt. Das Gericht darf hierbei nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft entsprechend § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Leistungen zur onkologischen Rehabilitation werden nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI – ebenso wie die anderen ergänzenden oder zusätzlichen Leistungen zu Teilhabe nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB VI – nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden. Zur Frage der Erbringung von Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen wurde die "Gemeinsame Richtlinie der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für die Erbringung onkologischer Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen (Ca-Richtlinien) vom 4. Juli 1991" erlassen, die inzwischen in der Fassung vom 18. Juli 2002 für alle nach dem 30. Juni 2001 gestellten Anträge gelten (§ 10 Satz 2 Ca-Richtlinien) und die im Benehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ergingen (§ 10 Satz 1 Ca-Richtlinien).
Es handelt sich bei den nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erlassenen Richtlinien um Verwaltungsvorschriften (Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 31 SGB VI, RdNr. 15 [Stand: April 2009]; Tiedt/Schulz-Weidner, DRV 1992, 1, 4f). Die Beklagte hat bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB VI das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen unter Anwendung der benannten Richtlinien sowie des § 13 SGB VI auszuüben (vgl. auch: Hirsch in: Reinhardt, Kommentar zum SGB VI, 2. Aufl. 2010, § 31, RdNr. 4).
Nach § 1 Abs. 1 der Ca-Richtlinien können die Träger der Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI onkologische Nachsorgeleitungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen erbringen. Diese Leistungen werden bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien). Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte den Antrag des Klägers ermessenfehlerfrei beschieden.
Der Antrag des Klägers vom 14. Dezember 2011, der bei der Beklagten am 16. Dezember 2011 einging, ist außerhalb der, ohnehin nur im besonderen Einzelfall maximal streckbaren, Zweijahresfrist gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien, gestellt worden und berechtigte die Beklagte aus diesem Grund zur Antragsablehnung. Die Primärbehandlung des Prostatakarzinoms des Klägers war spätestens am 27. Februar 2009 abgeschlossen. Dies ergibt sich aus sämtlichen vom Gericht beigezogenen Krankenunterlagen (vgl. Epikrise der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH vom 17. Oktober 2008 über die stationäre Behandlung vom 7. bis 17. Oktober 2008 [Bl. 46-48 der Gerichtsakte]; Epikrise der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH vom 4. März 2009 über die ambulante Bestrahlung des kleinen Beckens vom 6. Januar bis 27. Februar 2009 [Bl. 44-45 der Gerichtsakte]; Rehabilitationsentlassungsbericht der Vogtlandklinik B ... E vom 10. April 2009 über die stationäre Anschlussheilbehandlung vom 13. März bis 3. April 2009 [Bl. 67-77 und 93-103 der Gerichtsakten]) sowie aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Die von Februar 2009 bis Juni 2011 durchgeführten hormonellen bzw. bis dato andauernden medikamentösen Nachsorgebehandlungen gehören nicht mehr zur Primärbehandlung, sondern stellen sekundäre, nachsorgende Maßnahmen dar. Denn unter "Primärbehandlung" im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien sind ausschließlich diejenigen eingreifenden Therapieverfahren zu verstehen, die bei onkologischen Krankheiten als operative, strahlen- oder chemotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden, und zwar sowohl im Rahmen der Erstbehandlung als auch im Rahmen der Rezidivbehandlung (vgl. dazu: Cibis/Stähler, DRV 1999, 27, 31; Wurm in: Jansen, Kommentar zum SGB VI, § 31, RdNr. 27 [Stand: Oktober 2010]). Rezidivbehandlungen fanden beim Kläger ausweislich der beigezogenen Krankenunterlagen und Behandlungsberichte nicht statt.
Soweit der Kläger mehrfach ausführte, wegen seiner schweren depressiven Symptomatik habe bis Mitte 2011 keine Rehabilitationsfähigkeit vorgelegen, was ihm sein behandelnder Facharzt Dr. S mit Schreiben vom 9. Januar 2012 (Bl. 18 der Gerichtsakten) bescheinigte, führt dieser Umstand weder zu einer Streckung noch zu einer Unterbrechung der nicht verlängerbaren materiellen Ausschlussfrist des § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 27 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]) kommt nicht in Betracht, weil eine solche nach Sinn und Zweck der Norm ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X). Die bereits im begründeten Einzelfall auf zwei Jahre verlängerbare Einjahresfrist des § 1 Abs. 2 Satz 1 Ca-Richtlinien ist keine Antragsfrist im echten Sinn, sondern eine medizinische Prognosefrist, bei der ausgehend von den allgemeinwissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen feststeht, bis zu welchem Zeitpunkt bei bestimmten Erkrankungen eine Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben ist. Gerade der Vortrag des Klägers belegt, dass die Ursache einer weiteren Nachsorgebehandlung nicht in der Krebserkrankung selbst wurzelt oder aus den daraus möglicherweise folgenden erheblichen Funktionsstörungen, die durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen resultieren, sondern auf anderen Gründen beruhen, für die, die onkologischen Nachsorgeleistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI von vornherein nicht vorgesehen sind. Denn die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien enthaltene Einzelfallprüfung bezweckt gerade den ungeprüften Automatismus der wiederholten Leistungsinanspruchnahme innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu verhindern. Dahinter steht die medizinische Erkenntnis, dass die Eigenheit, besonderer Risikoträger für ein Krebsrezidiv zu sein, bei fehlenden Funktionsstörungen weder bei onkologischen noch bei anderen potenziell lebensbedrohlichen Krankheiten bereits allein die Durchführung einer medizinischen Rehabilitation zu Lasten der Versichertengemeinschaft begründen kann (vgl. dazu: Cibis/Stähler, DRV 1999, 27, 32).
Soweit der Kläger, zuletzt in seiner Stellungnahme vom 14. November 2012, ausführt, die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden das Ende der Primärbehandlung "auf Oktober 2008 festgestellt", was nicht richtig und daher fehlerhaft sei, ist dies zwar zutreffend, weil Ende der Primärbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Ca-Richtlinien nicht die stationäre, operative Behandlung im Oktober 2008 in der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH, sondern die strahlentherapeutische Behandlung im Februar 2009 in der Klinik für Radioonkologie des Klinikums C gGmbH war, was sich auch aus der ergänzenden Auskunft der Klinik für Urologie der Z kliniken B C gGmbH vom 9. Mai 2012 (Bl. 15-17 der Gerichtsakten) ergibt. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2012 ist insoweit zwar hinsichtlich der Begründung fehlerhaft. Dieser Begründungsmangel macht die im Ergebnis, also im Verfügungssatz der Leistungsablehnung maßgeblich, rechtmäßige Entscheidung der Beklagten aber weder rechtswidrig noch anfechtbar (vgl. § 42 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]), weil der Verwaltungsakt dadurch weder nichtig (§ 40 SGB X) noch schwebend unwirksam (§ 41 SGB X) ist.
3. Ob der Kläger gegebenenfalls einen Anspruch auf eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einer onkologischen Klinik als Leistung nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens und muss vom Gericht, auch nicht unter dem Aspekt des zuerst angegangenen Leistungsträgers (§§ 14, 15 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IX]) geprüft werden (vgl. dazu: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. November 2010, JURIS-Dokument, RdNr. 29). Nach § 40 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gewähren auch die Krankenversicherungsträger entsprechende stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wobei ein Rangverhältnis zwischen den Leistungen nach § 40 Abs. 2 SGB V und nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht besteht (§ 40 Abs. 4 SGB V); die Leistungen stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander. Der Versicherte hat deshalb die Wahl, ob er Leistungen zu Lasten der Krankenversicherung oder zu Lasten des Rentenversicherungsträgers in Anspruch nehmen will (Wurm in: Jansen, Kommentar zum SGB VI, § 31, RdNr. 30 [Stand: Oktober 2010]).
Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Chemnitz am 24. Mai 2012 erklärt, dass er keine Rehabilitationskur nach den Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung wünscht und damit in zulässiger und zu beachtender Weise von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, den Streitgegenstand des Verfahrens begrenzt und den Prüfungsumfang des Gerichts beschränkt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Schnell Schuler
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