Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 76/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 48/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes ist nicht dem Bereich der Behandlungspflege, sondern dem der Grundpflege zuzuordnen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten der häuslichen Krankenpflege.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist 1937 geboren und alleinstehend. Ihr wurde, nachdem sie - bei bestehender Rechtshändigkeit - eine Luxation des rechten Schultergelenks erlitten hatte und deshalb stationär behandelt worden war, von ihrer behandelnden Hausärztin, der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H , am 24.09.2007 und 26.09.2007 für die Zeiträume 01.07.2007 bis 30.09.2007 und 01.10.2007 bis 04.11.2007 das zweimal tägliche Anlegen von stützenden/stabilisierenden Verbänden, 14-mal wöchentlich, sowie im selben Umfang die hauswirtschaftliche Versorgung, verordnet.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) lehnte die Kostenübernahme für den Zeitraum Juli bis September 2007 mit Bescheid vom 26.09.2007 und für den Zeitraum 01.10.2007 bis 04.11.2007 mit Bescheid vom 28.09.2007 ab. Der Gilchristverband sei eine konfektionierte Bandage und gehöre zu den Hilfsmitteln. Nach den Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege sei das An- und Ablegen konfektionierter Bandagen Bestandteil der allgemeinen Körperpflege und beim An- und/oder Auskleiden mit zu erbringen. Eine Kostenübernahme für die beantragte hauswirtschaftliche Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege könne ebenfalls nicht erfolgen. Die Leistung könne im Rahmen der Behandlungspflege nicht genehmigt werden. Die Klägerin könne jedoch in ihrer zuständigen Geschäftsstelle einen Antrag auf Haushaltshilfe stellen.
Gegen den Bescheid vom 26.06.2007 legte die Klägerin am 26.10.2007 Widerspruch ein. Es handele sich um keine Grundpflege, vielmehr sei das An- und Ablegen eines Gil-christverbandes eine ärztlich delegierbare Leistung und zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung erforderlich. Die Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege enthielten unter Ziffer 34 auch das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden. Die Leistung diene allein medizinischen Zwecken. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2008 zurückgewiesen. Das Anlegen des Gilchristverbandes sei der Grundpflege zuzurechnen, ebenso wie das An- und Ablegen von Hilfsmitteln, wie beispielsweise Prothesen, die nach den häuslichen Krankenpflegerichtlinien als Maßnahme der Grundpflege Hilfen zur Körperpflege zugeordnet seien. Der Gilchristverband gehöre zu den Bandagen, deren Wechsel der Körperpflege diene.
Hinsichtlich des Bescheides vom 28.09.2007 wurde am 04.07.2008 ein Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt, der mit Bescheid vom 15.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 abgelehnt wurde. Die Begründung entsprach im Wesentlichen der des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2008.
Am 13.03.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) gegen den Bescheid vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2008 erhoben (S 8 KR 76/08). Am 13.11.2008 hat sie Klage gegen den Bescheid vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2008 erhoben (Az.: S 8 KR 402/08). Die Verfahren sind mit Beschluss des SG vom 15.01.2010 verbunden worden.
Im Klageverfahren hat die Klägerin eine Rechnung der "Häusliche Krankenpflege P G GmbH" vom 20.08.2008 vorgelegt, mit welcher diese der Klägerin einen Betrag von insgesamt EUR "für erbrachte Leistungen (stützende und stabilisierende Verbände) vom 24.09.2007 bis 04.11.2007" berechnet hatte. Die Rechnung enthält den handschriftlichen Vermerk: "Betrag dankend erh. 22.2.2008".
Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes, zweimal täglich und 7-mal wöchentlich. Die Beklagte habe die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Das An- und Ablegen des Gilchristverbandes zähle nicht zur Behandlungs- (Sicherungs), sondern zur Grundpflege. Zwar seien einerseits unter dem Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nach Anlage der Richtlinie unter Nr. 31 aufgeführt das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden (Anlegen, Wechseln von Verbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen) sowie das Anlagen eines Kompressionsverbandes, auch An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen sowie das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden zur unterstützenden Funktionssicherung der Gelenke, z.B. bei Distorsion, Kontusion und Erguss als Maßnahmen der Behandlungspflege; andererseits werde unter der Grundpflege (Nr. 4) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Körperpflege auch das An- und/oder Auskleiden von konfektionierten, teilkonfektionierten/maßgefertigten Bandagen mit beinhalte. Hiermit vergleichbar sei das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes. Dieser sei ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und diene der Ruhigstellung oder Fixierung nach einer Schulter-Arm-Verletzung. Hierzu würden vorgefertigte Gilchristverbände verwandt, die in der Regel in verschiedenen Konfektionsgrößen vorrätig, wieder verwendbar und abnehmbar seien und mit Klettverschlüssen gesichert würden. Zwar betone die Klägerin zu Recht, dass die Krankenpflege-Richtlinien für die Rechtsprechung grundsätzlich nicht bindend seien, weil sie lediglich eine unverbindliche Auslegungshilfe beinhalteten; gleichwohl dienten diese der gleichmäßigen Anwendung der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung unter den Krankenkassen und der gleichmäßigen Behandlung aller Versicherten und seien daher auch von gerichtlicher Seite zu beachten. Zu einer Behandlungspflege gehörten ausschließlich Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Erkrankung verursacht würden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet seien und dazu beitrügen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. Das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes gehöre nicht hierzu. Denn die Behandlungspflege befasse sich mit der Behandlung eines krankhaften Zustandes, bei der der Heilzweck im Vordergrund stehe. Die Behandlungspflege sei speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet. Sie solle dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. Es handele sich hierbei um eine - die ärztliche Behandlung ergänzende - nichtärztliche Heilhilfsleistung, die von medizinischem Hilfspersonal oder Laien erbracht werden könne. Demgegenüber gehörten zur Grundpflege die allgemeinen pflegerischen Maßnahmen nicht-medizinischer Art. Sie dienten nicht unmittelbar der Krankenbehandlung, sondern der Aufrechterhaltung der Funktionen des täglichen Lebens, wie beispielsweise die Befriedigung körperlicher, seelischer oder geistiger Grundbedürfnisse (Betten und Lagern, Körperpflege, Beobachtung, Körpertemperatur messen, Hilfen für Körperhygiene und Nahrungsaufnahme). Da die Grundpflege Handgriffe ersetzen solle, die der gesunde Mensch im Ablauf des täglichen Lebens auch verrichten müsse, steht nicht die Sicherungspflege im Vordergrund. Es handele sich um keine allgemeinen pflegerischen Maßnahmen nicht-medizinischer Art. Sie dienten nicht unmittelbar der Krankenbehandlung, weil sie keine flankierenden Maßnahmen zur gleichzeitig notwendigen ärztlichen Behandlung darstellten. Daher stehe nicht die Sicherungspflege, sondern die Körperhygiene zum Waschen der ansonsten durch den Gilchristverband bedeckten Hautareale im Vordergrund. Dies stelle jedoch eine grundpflegerische Leistung dar und keine Krankenpflege im Sinne der gesetzlichen Vorschrift und der dazu erlassenen Richtlinien. Wenngleich letztlich auch die Durchführung der hier streitgegenständlichen Maßnahme der ärztlichen Behandlung der Schulterluxation diene, mache dies allein sie noch nicht zu einer Maßnahme der Behandlungs- (sicherungs-)pflege; denn auch aus Gründen des Einzelfalls könne eine der Grundpflege zuzuordnende Maßnahme nicht entsprechend umgedeutet werden. Deshalb habe das Bundessozialgericht die Inanspruchnahme von Hilfe beim An- und Auskleiden bei einem Arzt- oder Physiotherapeuten nicht als Sicherungspflege angesehen.
Gegen das ihr am 16.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.03.2010 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, im Urteil des SG sei nicht ausreichend dargelegt, warum das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes nun eine Grundpflegeleistung sein solle, obwohl die Leistung eine Maßnahme darstelle, die nur durch eine bestimmte Erkrankung, nämlich eine Schulter-Arm-Verletzung verursacht worden sei und speziell auf den Krankheitszustand der Klägerin ausgerichtet sei. Diese Maßnahme solle gerade dazu dienen, die Krankheit zu heilen. Als Grundpflege würden regelmäßig Leistungen der Körperpflege, im Bereich der Ernährung und im Bereich der Mobilität angenommen. Das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes sei wohl unter keinem denkbaren Aspekt diesen drei Leistungsbereichen zuzuordnen. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass für den Bereich der Körperpflege erforderlich sei, den Verband- an und abzulegen, jedoch sei dies nicht Sinn und Zweck der ärztlich verordneten Maßnahme, sondern die Ruhigstellung und Fixierung. Insoweit sei regelmäßig durch eine entsprechend geschulte Kraft zu prüfen, ob der Verband seine Funktion noch erfüllen könne, er also straff genug und an der richtigen Stelle sitze, um ein Ruhigstellen und Fixieren zu ermöglichen. Ungeachtet dessen sei nebenbei zur Körperpflege ein An- und Ablegen erforderlich. Dieses sei allenfalls vergleichbar mit dem An- und Ablegen von Kompressionstrümpfen als Behandlungspflegemaßnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2010 und den Bescheid vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Überprüfungsbescheid vom 15. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und sie zu verurteilen, der Klägerin Leistungen insgesamt für den Zeitraum 24. September 2007 bis 4. November 2007 für das An-/Ablegen eines Gilchrisverbandes zwei mal täglich 14 mal wöchentlich zu bewilligen sowie die Kosten der dafür aufgewandten häuslichen Krankenpflege in Höhe von insgesamt EUR gemäß Rechnung der häuslichen Krankenpflege P G GmbH vom 20. Februar 2008 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach liegt ein offensichtlicher Fall der Behandlungspflege vor.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 27.04.2010 und 27.05.2010 mit einer Entscheidung in der Hauptsache durch den Einzelrichter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch die Vorsitzende als Einzelrichterin entscheiden, da die hierfür gemäß § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Einverständniserklärungen vorliegen.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Recht ergangen.
Soweit die Klägerin die Erstattung der von ihr ausweislich der Rechnung der "Häusliche Krankenpflege P G GmbH" beglichenen Kosten für das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes begehrt, kommt als Rechtsgrundlage nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach sind, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.
Bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Unaufschiebbar ist eine Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 1. Alt. SGB V nur dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Ausführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht ein zeitlicher Aufschub nicht in Betracht kommt oder mit einer zunächst nicht eilbedürftigen Behandlung so lange gewartet wurde, bis Dringlichkeit eingetreten ist. Die Fähigkeit der Krankenkasse bestimmt sich dabei grundsätzlich nach objektiven Kriterien (Kingreen in: Becker/Kingreen, SGB V, Kommentar, 2. Auflage 2010, § 13 Rn. 25 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor.
Die Beklagte hat die begehrte Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Maßgabe von Satz 2 Nr. 4 der Bestimmung umfasst die Krankenbehandlung auch die häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V regelt weiter, dass Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege erhalten, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach Abs. 6 der Vorschrift regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V u. a. das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1.
Gemäß Abschn. II Nr. 8 Satz 1 und 2 der gemäß dieser Rechtsgrundlage erlassenen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Abs. 7 SGB V (im Folgenden: Krankenpflege-Richtlinien) in der ab 26.05.2005 geltenden Fassung (jetzt: § 2 Nr. 8 Krankenpflege-Richtlinien) kann häusliche Krankenpflege als Sicherungspflege verordnet werden, wenn die ambulante vertragsärztliche Versorgung nur mit Unterstützung durch Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege durchgeführt werden kann. In diesen Fällen ist häusliche Krankenpflege nur als Behandlungspflege verordnungsfähig, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung können im Rahmen der Sicherungspflege nicht eigenständig verordnet werden, sondern allenfalls im Zusammenhang mit erforderlicher Behandlungspflege.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten, weil es sich bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes nicht um eine Maßnahme der Behandlungspflege, sondern um eine Maßnahme der Grundpflege handelt.
Was unter Behandlungspflege zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13.06.2006 - B 8 KN 4/04 KR Rn. 17 m. w. N.). Fehlt der so umschriebene Krankheitsbezug, fallen die Leistungen nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, weil sie nicht das Krankheitskostenrisiko betreffen. Rechtlich handelt es sich dann um Leistungen der Pflegeversicherung (a. a. O.). Damit bezieht sich die Behandlungspflege auf medizinische Hilfeleistungen wie z. B. Injektionen, medizinische Versorgung angegriffener Körperteile (z. B. offene Krampfadern an Beinen und Dekubitus) durch Einsalben, Verbinden, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten und auch Sondenernährung, soweit sie unter ärztlicher Kontrolle erfolgt und durch geschultes Personal durchgeführt wird (Mengert in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand März 2011, § 37 Rn. 35; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand 7/11, 37 Rn. 18 jeweils m. w. N.). Die Grundpflege hingegen umfasst pflegerische Leistungen nichtmedizinischer Art, z.B. Körperpflege und andere Maßnahmen der Hygiene, Messen der Körpertemperatur, Überwachen der Medikamenteneinnahme (Rixen in: Becker/Kingreen, Gesetzliche Krankenversicherung SGB V, Kommentar, 2. Auflage 2010, § 37 Rn. 6).
Hiernach kann das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes nicht der Behandlungspflege zugeordnet werden. Bei einem Gilchristverband handelt es sich um einen in der Regel in vier Größen erhältlichen Fertigverband für die posttraumatische und postoperative Immobilisierung des Schulter- und Armbereichs mit Stützung des Unterarms, mit dem eine Immobilisierung ohne Kompression des fixierten Armes möglich ist. (z. B. http://www.medkontex.de/pdfs/pb.gilchristverband.pdf). Hiernach ist nicht ersichtlich, dass es sich bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes um eine den oben genannten medizinischen Hilfeleistungen vergleichbare Maßnahme handeln könnte. Insbesondere ist das Anlegen des Fertigverbandes weder einem Verbandswechsel, der der Versorgung offener Wunden dient, noch - mangels Kompressionswirkung - dem Anlegen eines Kompressionsstrumpfes vergleichbar. Auch soweit die Klägerin vorgetragen hat, es handele sich beim An- und Ablegen des Gilchristverbandes um eine Maßnahme der Behandlungspflege, da regelmäßig durch eine entsprechend geschulte Kraft zu prüfen sei, ob der Verband seine Funktion noch erfüllen könne, er also straff genug und an der richtigen Stelle sitze, um ein Ruhigstellen und Fixieren zu ermöglichen, überzeugt dies nicht. Angesichts der einfachen Anlegbarkeit eines Gilchristverbandes (a. a. O.) ist nicht nachvollziehbar, dass es sich hierbei um eine den aufgeführten medizinischen Hilfeleistungen vergleichbare Maßnahme handelt. Hiernach ist das An- und Ablegen des Gilchristverbandes nicht der Behandlungspflege, sondern - als pflegerische Leistung nichtmedizinischer Art - dem Bereich der Grundpflege zuzuordnen.
Dies deckt sich auch mit der Einschätzung des Richtliniengebers im Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (im Folgenden: Anlage der Krankenpflege-Richtlinien). Dieser hat als Leistung der Behandlungspflege unter Nr. 31 - Verbände - das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen aufgeführt, ferner das Anlegen eines Kompressionsverbandes, insoweit Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklassen II bis IV und das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden, diese zur unterstützenden Funktionssicherung der Gelenke z.B. bei Distorsion, Kontusion, Erguss. Dass von Letzterem nicht alle der Stabilisierung dienenden bzw. stützenden Hilfsmittel erfasst werden sollten, ergibt sich aus der Nr. 4 der in der Anlage zu den Krankenpflegerichtlinien aufgeführten Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, in welcher unter dem Unterpunkt An- und/oder Auskleiden nicht nur das An- und Ausziehen individueller Kleidung aufgeführt wird, sondern auch von Stützstrümpfen, Antithrombosestrümpfen, von konfektionierten, teilkonfektionierten, maßgefertigten Bandagen, von Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse I, das An- und Ablegen von Prothesen, von Orthesen, von Stützkorsetts, von Bruchbändern etc. aufgeführt ist. Hiernach ging auch der Richtliniengeber davon aus, dass nicht jedes An- und Ablegen von Hilfsmitteln und auch nicht jedes Wechseln von Verbänden als Behandlungspflege anzusehen ist, sondern nur die Pflegemaßnahmen, die einen spezifischen Bezug zu der zu behandelnden Erkankung aufweisen. Allein die Ruhigstellung des Schultergelenkes durch den mit einer konfektionierten Bandage vergleichbaren Gilchristverband ist insoweit nicht ausreichend. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Gilchristverband die Heilung des verletzten Schultergelenkes unterstützen soll und damit auch der Durchführung der ärztlichen Behandlung dient bzw. den Behandlungserfolg sichern soll. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die der Grundpflege zuzuordnende Maßnahme der Behandlungspflege zuzuordnen wäre (vgl. hierzu Padé in: juris Praxiskommentar, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, § 37 Rn. 52).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Klotzbücher Vizepräsidentin des Sächs. LSG
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten der häuslichen Krankenpflege.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist 1937 geboren und alleinstehend. Ihr wurde, nachdem sie - bei bestehender Rechtshändigkeit - eine Luxation des rechten Schultergelenks erlitten hatte und deshalb stationär behandelt worden war, von ihrer behandelnden Hausärztin, der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H , am 24.09.2007 und 26.09.2007 für die Zeiträume 01.07.2007 bis 30.09.2007 und 01.10.2007 bis 04.11.2007 das zweimal tägliche Anlegen von stützenden/stabilisierenden Verbänden, 14-mal wöchentlich, sowie im selben Umfang die hauswirtschaftliche Versorgung, verordnet.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) lehnte die Kostenübernahme für den Zeitraum Juli bis September 2007 mit Bescheid vom 26.09.2007 und für den Zeitraum 01.10.2007 bis 04.11.2007 mit Bescheid vom 28.09.2007 ab. Der Gilchristverband sei eine konfektionierte Bandage und gehöre zu den Hilfsmitteln. Nach den Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege sei das An- und Ablegen konfektionierter Bandagen Bestandteil der allgemeinen Körperpflege und beim An- und/oder Auskleiden mit zu erbringen. Eine Kostenübernahme für die beantragte hauswirtschaftliche Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege könne ebenfalls nicht erfolgen. Die Leistung könne im Rahmen der Behandlungspflege nicht genehmigt werden. Die Klägerin könne jedoch in ihrer zuständigen Geschäftsstelle einen Antrag auf Haushaltshilfe stellen.
Gegen den Bescheid vom 26.06.2007 legte die Klägerin am 26.10.2007 Widerspruch ein. Es handele sich um keine Grundpflege, vielmehr sei das An- und Ablegen eines Gil-christverbandes eine ärztlich delegierbare Leistung und zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung erforderlich. Die Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege enthielten unter Ziffer 34 auch das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden. Die Leistung diene allein medizinischen Zwecken. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2008 zurückgewiesen. Das Anlegen des Gilchristverbandes sei der Grundpflege zuzurechnen, ebenso wie das An- und Ablegen von Hilfsmitteln, wie beispielsweise Prothesen, die nach den häuslichen Krankenpflegerichtlinien als Maßnahme der Grundpflege Hilfen zur Körperpflege zugeordnet seien. Der Gilchristverband gehöre zu den Bandagen, deren Wechsel der Körperpflege diene.
Hinsichtlich des Bescheides vom 28.09.2007 wurde am 04.07.2008 ein Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt, der mit Bescheid vom 15.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 abgelehnt wurde. Die Begründung entsprach im Wesentlichen der des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2008.
Am 13.03.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) gegen den Bescheid vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2008 erhoben (S 8 KR 76/08). Am 13.11.2008 hat sie Klage gegen den Bescheid vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2008 erhoben (Az.: S 8 KR 402/08). Die Verfahren sind mit Beschluss des SG vom 15.01.2010 verbunden worden.
Im Klageverfahren hat die Klägerin eine Rechnung der "Häusliche Krankenpflege P G GmbH" vom 20.08.2008 vorgelegt, mit welcher diese der Klägerin einen Betrag von insgesamt EUR "für erbrachte Leistungen (stützende und stabilisierende Verbände) vom 24.09.2007 bis 04.11.2007" berechnet hatte. Die Rechnung enthält den handschriftlichen Vermerk: "Betrag dankend erh. 22.2.2008".
Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes, zweimal täglich und 7-mal wöchentlich. Die Beklagte habe die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Das An- und Ablegen des Gilchristverbandes zähle nicht zur Behandlungs- (Sicherungs), sondern zur Grundpflege. Zwar seien einerseits unter dem Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nach Anlage der Richtlinie unter Nr. 31 aufgeführt das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden (Anlegen, Wechseln von Verbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen) sowie das Anlagen eines Kompressionsverbandes, auch An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen sowie das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden zur unterstützenden Funktionssicherung der Gelenke, z.B. bei Distorsion, Kontusion und Erguss als Maßnahmen der Behandlungspflege; andererseits werde unter der Grundpflege (Nr. 4) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Körperpflege auch das An- und/oder Auskleiden von konfektionierten, teilkonfektionierten/maßgefertigten Bandagen mit beinhalte. Hiermit vergleichbar sei das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes. Dieser sei ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und diene der Ruhigstellung oder Fixierung nach einer Schulter-Arm-Verletzung. Hierzu würden vorgefertigte Gilchristverbände verwandt, die in der Regel in verschiedenen Konfektionsgrößen vorrätig, wieder verwendbar und abnehmbar seien und mit Klettverschlüssen gesichert würden. Zwar betone die Klägerin zu Recht, dass die Krankenpflege-Richtlinien für die Rechtsprechung grundsätzlich nicht bindend seien, weil sie lediglich eine unverbindliche Auslegungshilfe beinhalteten; gleichwohl dienten diese der gleichmäßigen Anwendung der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung unter den Krankenkassen und der gleichmäßigen Behandlung aller Versicherten und seien daher auch von gerichtlicher Seite zu beachten. Zu einer Behandlungspflege gehörten ausschließlich Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Erkrankung verursacht würden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet seien und dazu beitrügen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. Das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes gehöre nicht hierzu. Denn die Behandlungspflege befasse sich mit der Behandlung eines krankhaften Zustandes, bei der der Heilzweck im Vordergrund stehe. Die Behandlungspflege sei speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet. Sie solle dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern. Es handele sich hierbei um eine - die ärztliche Behandlung ergänzende - nichtärztliche Heilhilfsleistung, die von medizinischem Hilfspersonal oder Laien erbracht werden könne. Demgegenüber gehörten zur Grundpflege die allgemeinen pflegerischen Maßnahmen nicht-medizinischer Art. Sie dienten nicht unmittelbar der Krankenbehandlung, sondern der Aufrechterhaltung der Funktionen des täglichen Lebens, wie beispielsweise die Befriedigung körperlicher, seelischer oder geistiger Grundbedürfnisse (Betten und Lagern, Körperpflege, Beobachtung, Körpertemperatur messen, Hilfen für Körperhygiene und Nahrungsaufnahme). Da die Grundpflege Handgriffe ersetzen solle, die der gesunde Mensch im Ablauf des täglichen Lebens auch verrichten müsse, steht nicht die Sicherungspflege im Vordergrund. Es handele sich um keine allgemeinen pflegerischen Maßnahmen nicht-medizinischer Art. Sie dienten nicht unmittelbar der Krankenbehandlung, weil sie keine flankierenden Maßnahmen zur gleichzeitig notwendigen ärztlichen Behandlung darstellten. Daher stehe nicht die Sicherungspflege, sondern die Körperhygiene zum Waschen der ansonsten durch den Gilchristverband bedeckten Hautareale im Vordergrund. Dies stelle jedoch eine grundpflegerische Leistung dar und keine Krankenpflege im Sinne der gesetzlichen Vorschrift und der dazu erlassenen Richtlinien. Wenngleich letztlich auch die Durchführung der hier streitgegenständlichen Maßnahme der ärztlichen Behandlung der Schulterluxation diene, mache dies allein sie noch nicht zu einer Maßnahme der Behandlungs- (sicherungs-)pflege; denn auch aus Gründen des Einzelfalls könne eine der Grundpflege zuzuordnende Maßnahme nicht entsprechend umgedeutet werden. Deshalb habe das Bundessozialgericht die Inanspruchnahme von Hilfe beim An- und Auskleiden bei einem Arzt- oder Physiotherapeuten nicht als Sicherungspflege angesehen.
Gegen das ihr am 16.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.03.2010 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, im Urteil des SG sei nicht ausreichend dargelegt, warum das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes nun eine Grundpflegeleistung sein solle, obwohl die Leistung eine Maßnahme darstelle, die nur durch eine bestimmte Erkrankung, nämlich eine Schulter-Arm-Verletzung verursacht worden sei und speziell auf den Krankheitszustand der Klägerin ausgerichtet sei. Diese Maßnahme solle gerade dazu dienen, die Krankheit zu heilen. Als Grundpflege würden regelmäßig Leistungen der Körperpflege, im Bereich der Ernährung und im Bereich der Mobilität angenommen. Das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes sei wohl unter keinem denkbaren Aspekt diesen drei Leistungsbereichen zuzuordnen. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass für den Bereich der Körperpflege erforderlich sei, den Verband- an und abzulegen, jedoch sei dies nicht Sinn und Zweck der ärztlich verordneten Maßnahme, sondern die Ruhigstellung und Fixierung. Insoweit sei regelmäßig durch eine entsprechend geschulte Kraft zu prüfen, ob der Verband seine Funktion noch erfüllen könne, er also straff genug und an der richtigen Stelle sitze, um ein Ruhigstellen und Fixieren zu ermöglichen. Ungeachtet dessen sei nebenbei zur Körperpflege ein An- und Ablegen erforderlich. Dieses sei allenfalls vergleichbar mit dem An- und Ablegen von Kompressionstrümpfen als Behandlungspflegemaßnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2010 und den Bescheid vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Überprüfungsbescheid vom 15. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und sie zu verurteilen, der Klägerin Leistungen insgesamt für den Zeitraum 24. September 2007 bis 4. November 2007 für das An-/Ablegen eines Gilchrisverbandes zwei mal täglich 14 mal wöchentlich zu bewilligen sowie die Kosten der dafür aufgewandten häuslichen Krankenpflege in Höhe von insgesamt EUR gemäß Rechnung der häuslichen Krankenpflege P G GmbH vom 20. Februar 2008 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach liegt ein offensichtlicher Fall der Behandlungspflege vor.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 27.04.2010 und 27.05.2010 mit einer Entscheidung in der Hauptsache durch den Einzelrichter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch die Vorsitzende als Einzelrichterin entscheiden, da die hierfür gemäß § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Einverständniserklärungen vorliegen.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Recht ergangen.
Soweit die Klägerin die Erstattung der von ihr ausweislich der Rechnung der "Häusliche Krankenpflege P G GmbH" beglichenen Kosten für das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes begehrt, kommt als Rechtsgrundlage nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach sind, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.
Bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Unaufschiebbar ist eine Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 1. Alt. SGB V nur dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Ausführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht ein zeitlicher Aufschub nicht in Betracht kommt oder mit einer zunächst nicht eilbedürftigen Behandlung so lange gewartet wurde, bis Dringlichkeit eingetreten ist. Die Fähigkeit der Krankenkasse bestimmt sich dabei grundsätzlich nach objektiven Kriterien (Kingreen in: Becker/Kingreen, SGB V, Kommentar, 2. Auflage 2010, § 13 Rn. 25 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor.
Die Beklagte hat die begehrte Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Maßgabe von Satz 2 Nr. 4 der Bestimmung umfasst die Krankenbehandlung auch die häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V regelt weiter, dass Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege erhalten, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach Abs. 6 der Vorschrift regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V u. a. das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1.
Gemäß Abschn. II Nr. 8 Satz 1 und 2 der gemäß dieser Rechtsgrundlage erlassenen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Abs. 7 SGB V (im Folgenden: Krankenpflege-Richtlinien) in der ab 26.05.2005 geltenden Fassung (jetzt: § 2 Nr. 8 Krankenpflege-Richtlinien) kann häusliche Krankenpflege als Sicherungspflege verordnet werden, wenn die ambulante vertragsärztliche Versorgung nur mit Unterstützung durch Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege durchgeführt werden kann. In diesen Fällen ist häusliche Krankenpflege nur als Behandlungspflege verordnungsfähig, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung können im Rahmen der Sicherungspflege nicht eigenständig verordnet werden, sondern allenfalls im Zusammenhang mit erforderlicher Behandlungspflege.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten, weil es sich bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes nicht um eine Maßnahme der Behandlungspflege, sondern um eine Maßnahme der Grundpflege handelt.
Was unter Behandlungspflege zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13.06.2006 - B 8 KN 4/04 KR Rn. 17 m. w. N.). Fehlt der so umschriebene Krankheitsbezug, fallen die Leistungen nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, weil sie nicht das Krankheitskostenrisiko betreffen. Rechtlich handelt es sich dann um Leistungen der Pflegeversicherung (a. a. O.). Damit bezieht sich die Behandlungspflege auf medizinische Hilfeleistungen wie z. B. Injektionen, medizinische Versorgung angegriffener Körperteile (z. B. offene Krampfadern an Beinen und Dekubitus) durch Einsalben, Verbinden, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten und auch Sondenernährung, soweit sie unter ärztlicher Kontrolle erfolgt und durch geschultes Personal durchgeführt wird (Mengert in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand März 2011, § 37 Rn. 35; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand 7/11, 37 Rn. 18 jeweils m. w. N.). Die Grundpflege hingegen umfasst pflegerische Leistungen nichtmedizinischer Art, z.B. Körperpflege und andere Maßnahmen der Hygiene, Messen der Körpertemperatur, Überwachen der Medikamenteneinnahme (Rixen in: Becker/Kingreen, Gesetzliche Krankenversicherung SGB V, Kommentar, 2. Auflage 2010, § 37 Rn. 6).
Hiernach kann das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes nicht der Behandlungspflege zugeordnet werden. Bei einem Gilchristverband handelt es sich um einen in der Regel in vier Größen erhältlichen Fertigverband für die posttraumatische und postoperative Immobilisierung des Schulter- und Armbereichs mit Stützung des Unterarms, mit dem eine Immobilisierung ohne Kompression des fixierten Armes möglich ist. (z. B. http://www.medkontex.de/pdfs/pb.gilchristverband.pdf). Hiernach ist nicht ersichtlich, dass es sich bei dem An- und Ablegen des Gilchristverbandes um eine den oben genannten medizinischen Hilfeleistungen vergleichbare Maßnahme handeln könnte. Insbesondere ist das Anlegen des Fertigverbandes weder einem Verbandswechsel, der der Versorgung offener Wunden dient, noch - mangels Kompressionswirkung - dem Anlegen eines Kompressionsstrumpfes vergleichbar. Auch soweit die Klägerin vorgetragen hat, es handele sich beim An- und Ablegen des Gilchristverbandes um eine Maßnahme der Behandlungspflege, da regelmäßig durch eine entsprechend geschulte Kraft zu prüfen sei, ob der Verband seine Funktion noch erfüllen könne, er also straff genug und an der richtigen Stelle sitze, um ein Ruhigstellen und Fixieren zu ermöglichen, überzeugt dies nicht. Angesichts der einfachen Anlegbarkeit eines Gilchristverbandes (a. a. O.) ist nicht nachvollziehbar, dass es sich hierbei um eine den aufgeführten medizinischen Hilfeleistungen vergleichbare Maßnahme handelt. Hiernach ist das An- und Ablegen des Gilchristverbandes nicht der Behandlungspflege, sondern - als pflegerische Leistung nichtmedizinischer Art - dem Bereich der Grundpflege zuzuordnen.
Dies deckt sich auch mit der Einschätzung des Richtliniengebers im Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (im Folgenden: Anlage der Krankenpflege-Richtlinien). Dieser hat als Leistung der Behandlungspflege unter Nr. 31 - Verbände - das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden, Wundheilungskontrolle, Desinfektion und Reinigung (auch Wundreinigungsbad), Spülen von Wundfisteln, Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen aufgeführt, ferner das Anlegen eines Kompressionsverbandes, insoweit Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklassen II bis IV und das Anlegen von stützenden und stabilisierenden Verbänden, diese zur unterstützenden Funktionssicherung der Gelenke z.B. bei Distorsion, Kontusion, Erguss. Dass von Letzterem nicht alle der Stabilisierung dienenden bzw. stützenden Hilfsmittel erfasst werden sollten, ergibt sich aus der Nr. 4 der in der Anlage zu den Krankenpflegerichtlinien aufgeführten Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, in welcher unter dem Unterpunkt An- und/oder Auskleiden nicht nur das An- und Ausziehen individueller Kleidung aufgeführt wird, sondern auch von Stützstrümpfen, Antithrombosestrümpfen, von konfektionierten, teilkonfektionierten, maßgefertigten Bandagen, von Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse I, das An- und Ablegen von Prothesen, von Orthesen, von Stützkorsetts, von Bruchbändern etc. aufgeführt ist. Hiernach ging auch der Richtliniengeber davon aus, dass nicht jedes An- und Ablegen von Hilfsmitteln und auch nicht jedes Wechseln von Verbänden als Behandlungspflege anzusehen ist, sondern nur die Pflegemaßnahmen, die einen spezifischen Bezug zu der zu behandelnden Erkankung aufweisen. Allein die Ruhigstellung des Schultergelenkes durch den mit einer konfektionierten Bandage vergleichbaren Gilchristverband ist insoweit nicht ausreichend. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Gilchristverband die Heilung des verletzten Schultergelenkes unterstützen soll und damit auch der Durchführung der ärztlichen Behandlung dient bzw. den Behandlungserfolg sichern soll. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die der Grundpflege zuzuordnende Maßnahme der Behandlungspflege zuzuordnen wäre (vgl. hierzu Padé in: juris Praxiskommentar, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, § 37 Rn. 52).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Klotzbücher Vizepräsidentin des Sächs. LSG
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