Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 AS 7486/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1378/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei einem Streit über die Höhe einer Erstattungsforderung müssen die Entscheidungsgründe nicht nur erkennen lassen, ob das Gericht die Erstattungsforderung dem Grunde nach und in Bezug auf die Berechnungsposten für rechtmäßig hält, sondern auch, ob die Erstattungsforderung rechnerisch richtig ist.
I. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014 wird die Berufung zugelassen. Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014. In der Sache ist die Höhe einer Erstattungsforderung streitig.
Der Beklagte hatte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für Unterkunft und Heizung für die Monate November 2011 bis April 2012 mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. November 2011 und 23. Januar 2012 bewilligt. Ausweislich der Berechnungsblätter waren die Kosten für Unterkunft und Heizung in vollem Umfang berücksichtigt worden. Der geringe Zahlbetrag ergab sich aus der Anrechnung von Einkommen.
Diese Leistungsbewilligungen hob der Beklagte mit Bescheid 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 in Bezug auf die Monate November 2011 und Februar 2012 teilweise und in Bezug auf die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 ganz auf. Er stützte sich auf die Vertrauensausschlusstatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Erstattungsforderung belief sich auf insgesamt 264,70 EUR.
Die Klägerin hat im Klageverfahren begehrt, diesen Bescheid insoweit aufzuheben, als der Beklagte Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR zurückgefordert hat. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013 ein Teilanerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass die Erstattungsforderung auf 179,43 EUR reduziert worden ist. In Bezug auf die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 hat er die Sonderregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II angewandt und 44 % der ausgezahlten Leistungen für Unterkunft erstattet verlangt. Zugleich hat der Beklagte ein Teilkostengrundanerkenntnis in Bezug auf die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin abgegeben. Die Klägerin hat diese Anerkenntnisse mit Schriftsatz vom 30. Januar 2013 angenommen, jedoch zugleich an ihrem weitergehenden Klagebegehren festgehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2014 die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Im Urteilstatbestand hat es unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin der Auffassung sei, "als Bedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB II seien die tatsächlichen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und Heizkosten) zu verstehen, nicht nur die Bruttokaltmiete (Grundmiete und kalte Betriebskosten)." In den Entscheidungsgründen hat es den Sinn und Zweck dieser Regelung erläutert. Es hat außerdem ausgeführt, dass die Privilegierung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II nur die reinen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und kalte Betriebskosten) erfasse, und dass diese Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29. Oktober 2014 zugestellte Urteil am 26. November 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und als Zulassungsgründe sowohl Verfahrensmängel als auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht. Unter anderem hat sie gerügt, dass sich das Sozialgericht nach dem angenommenen Teilanerkenntnis nicht mit der einzigen Rechtsfrage, die auch Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gewesen und streiterheblich sei, befasst habe.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014 wird zugelassen.
Der Beklagte hat auf eine Beschwerdeerwiderung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 2014 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Vorliegend macht der Beklagte eine Erstattungsforderung in Höhe von zuletzt 179,43 EUR geltend. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass mehr als 83,20 EUR zurückgefordert werden. Damit ist ein Differenzbetrag in Höhe von 96,23 EUR streitig. Da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), verbleibt es bei der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das Sozialgericht hatte über die Zulassung des Rechtsmittels zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
II. Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Berufung wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist.
Nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, das heißt seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, [11. Aufl., 2014], § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern – anders als die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz – auch geltend gemacht wird (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Denn das Urteil vom 16. Oktober 2014 ist nicht im Rechtssinne mit einer Begründung versehen.
Gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG enthält das Urteil die Entscheidungsgründe. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist unter anderem gegeben, wenn ein Urteil nicht mit solchen Gründen versehen ist (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 34, m. w. N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 25. September 2013 zu den vergleichbaren Regelungen in § 117 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgeführt, dass eine Entscheidung nur dann nicht mit Gründen versehen sei, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermittelten, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend gewesen seien, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen sei, die Entscheidung zu überprüfen. Das sei nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen würden, dass sie unbrauchbar seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 –juris Rdnr. 16, m. w. N.; eingehend bereits BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 – NJW 1998, 3290 = juris Rdnr. 5, m. w. N.). In ähnlicher Weise hat sich auch das Bundessozialgericht wiederholt geäußert (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 12. Februar 2004 – B 4 RA 67/03 B – juris Rdnr. 7, m. w. N.).
Gemessen hieran ist das Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht mit Gründen versehen. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Erstattungsforderung. Bei einem solchen sogenannten Höhenstreit sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Grund und Höhe des Anspruches oder der Forderung in vollem Umfang zu überprüfen (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2015 – B 11 AL 12/14 R – SozR 4-4300 § 131 Nr. 6 = juris Rdnr. 11, m. w. N.). Diese Prüfungspflicht und dieser Prüfungsumfang wirken sich auch auf die nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG i. V. m. § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderlichen Entscheidungsgründen aus. Bei einem Streit über die Höhe einer Erstattungsforderung müssen die Entscheidungsgründe nicht nur erkennen lassen, ob das Gericht die Erstattungsforderung dem Grunde nach und in Bezug auf die Berechnungsposten für rechtmäßig hält, sondern auch, ob die Erstattungsforderung rechnerisch richtig ist. Dies gebietet allerdings nicht notwendigerweise eingehende Ausführungen hierzu. Vielmehr kann sich das Gericht, wenn dies im Einzelfall ausreichend ist, auf knappe Ausführungen beschränken oder nach Maßgabe von § 136 Abs. 3 SGG gänzlich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen. Der Verzicht auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe setzt nach § 136 Abs. 3 SGG jedoch zweierlei voraus: zum einen muss das Gericht der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt; zum anderen muss das Gericht dies in seiner Entscheidung feststellen.
Vorliegend hat sich das Sozialgericht im Urteil vom 16. Oktober 2014 in den Entscheidungsgründen mit drei Punkten befasst: dem Sinn und Zweck von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II, den reinen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und kalte Betriebskosten) als Bezugspunkt für diese Regelung, und die Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Der erste und der dritte Punkt waren zwischen den Beteiligten nicht streitig. Soweit sich das Sozialgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob als Bedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB II die tatsächlichen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und Heizkosten) oder nur die Bruttokaltmiete (Grundmiete und kalte Betriebskosten) zu verstehen sei, lässt sich ein entsprechender Vortrag der Klägerseite aus der Gerichtsakte nicht feststellen. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob sich das Sozialgericht zu Ausführungen in Bezug auf diese Rechtsfrage veranlasst sehen konnte. Denn auf die eigentlich streitentscheidende Frage, ob für die Berechnung der Höhe der Erstattungsforderung auf den Auszahlbetrag (so der Beklagte in der Berechnung im Schriftsatz vom 7. Januar 2013) oder auf den in die Berechnung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II eingestellten Bedarf für Unterkunft und Heizung (so der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31. Juli 2013) abzustellen ist, ist das Sozialgericht im Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht eingegangen. Aus dem Urteil lässt sich deshalb nicht entnehmen, auf Grund welcher Erwägungen das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Erstattungsforderung des Beklagten in der Fassung, die sie nach dem Teilanerkenntnis erhalten hat, rechtmäßig sei. Eine Verweisung im Sinne von § 136 Abs. 3 SGG ist im Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht enthalten.
Über die beschriebene allgemeine prozessrechtliche Verpflichtung, die die Entscheidung tragenden Erwägungen im Urteil schriftlich mitzuteilen, hinaus hat vorliegend im Besonderen Veranlassung bestanden, Ausführungen zur rechtmäßigen Höhe der Erstattungsforderung zu machen. Denn mit Schreiben vom 17. Juli 2013 hat die damalige Kammervorsitzende dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt, dass das Rechenwerk des Beklagten (zum Teilanerkenntnis) "im Wesentlichen zutreffend" sei. Für Dezember 2011 errechnete sie eine Differenz von 0,30 EUR. Auf Grund dessen hätte das Sozialgericht im Urteil Ausführungen dazu machen müssen, ob es nunmehr abweichend von seinem früheren Hinweis die Berechnung des Beklagten für rechnerisch richtig erachtet oder weiter von einem – wenn auch kleinen – Rechenfehler ausgeht. In letzterem Fall hätte es bei der tenorierten Klageabweisung erläutern müssen, weshalb die Rechendifferenz rechtlich unbeachtlich sein soll. Andernfalls hätte es den Änderungs- und Rückforderungsbescheid in der Fassung des Teilanerkenntnisses in dem von ihm errechneten Differenzbetrag abändern müssen.
Die Klägerin hat diesen Verfahrensmangel geltend gemacht. Sie hat zwar nicht ausdrücklich formuliert, dass das Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht im Rechtssinne mit einer Begründung versehen sei. Sie hat diesen Verfahrensmangel jedoch sinngemäß mit ihrer Rüge, dass sich das Sozialgericht nicht mit der einzigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage befasst habe, angegeben.
Schließlich kann das Urteil vom 16. Oktober 2014 auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Denn wenn Bezugspunkt für den nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II verminderten Erstattungsbetrag nicht der monatliche Auszahlbetrag, sondern die in der Arbeitslosengeld II-Berechnung berücksichtigten, mehr als doppelt so hohen Unterkunftskosten sind, kann sich für die Klägerin eine deutliche Verringerung der Erstattungsforderung ergeben. Nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung kann die vom Klägerbevollmächtigten präferierte Berechnungsweise auch dazu führen, dass gar keine Leistungen zu erstatten sein können (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 40 Rdnr. 155; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. VI/2015, Juni 2015], § 40 Rdnr. 720). Dies soll der Fall sein, wenn die bewilligte Leistungen für den Bedarf für Unterkunft weniger als 56 % des tatsächlichen oder angemessenen Bedarfs betragen haben.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014. In der Sache ist die Höhe einer Erstattungsforderung streitig.
Der Beklagte hatte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für Unterkunft und Heizung für die Monate November 2011 bis April 2012 mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. November 2011 und 23. Januar 2012 bewilligt. Ausweislich der Berechnungsblätter waren die Kosten für Unterkunft und Heizung in vollem Umfang berücksichtigt worden. Der geringe Zahlbetrag ergab sich aus der Anrechnung von Einkommen.
Diese Leistungsbewilligungen hob der Beklagte mit Bescheid 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 in Bezug auf die Monate November 2011 und Februar 2012 teilweise und in Bezug auf die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 ganz auf. Er stützte sich auf die Vertrauensausschlusstatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Erstattungsforderung belief sich auf insgesamt 264,70 EUR.
Die Klägerin hat im Klageverfahren begehrt, diesen Bescheid insoweit aufzuheben, als der Beklagte Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR zurückgefordert hat. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013 ein Teilanerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass die Erstattungsforderung auf 179,43 EUR reduziert worden ist. In Bezug auf die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 hat er die Sonderregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II angewandt und 44 % der ausgezahlten Leistungen für Unterkunft erstattet verlangt. Zugleich hat der Beklagte ein Teilkostengrundanerkenntnis in Bezug auf die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin abgegeben. Die Klägerin hat diese Anerkenntnisse mit Schriftsatz vom 30. Januar 2013 angenommen, jedoch zugleich an ihrem weitergehenden Klagebegehren festgehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2014 die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Im Urteilstatbestand hat es unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin der Auffassung sei, "als Bedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB II seien die tatsächlichen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und Heizkosten) zu verstehen, nicht nur die Bruttokaltmiete (Grundmiete und kalte Betriebskosten)." In den Entscheidungsgründen hat es den Sinn und Zweck dieser Regelung erläutert. Es hat außerdem ausgeführt, dass die Privilegierung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II nur die reinen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und kalte Betriebskosten) erfasse, und dass diese Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29. Oktober 2014 zugestellte Urteil am 26. November 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und als Zulassungsgründe sowohl Verfahrensmängel als auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht. Unter anderem hat sie gerügt, dass sich das Sozialgericht nach dem angenommenen Teilanerkenntnis nicht mit der einzigen Rechtsfrage, die auch Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gewesen und streiterheblich sei, befasst habe.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014 wird zugelassen.
Der Beklagte hat auf eine Beschwerdeerwiderung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 2014 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Vorliegend macht der Beklagte eine Erstattungsforderung in Höhe von zuletzt 179,43 EUR geltend. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass mehr als 83,20 EUR zurückgefordert werden. Damit ist ein Differenzbetrag in Höhe von 96,23 EUR streitig. Da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), verbleibt es bei der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das Sozialgericht hatte über die Zulassung des Rechtsmittels zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
II. Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Berufung wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist.
Nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, das heißt seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, [11. Aufl., 2014], § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern – anders als die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz – auch geltend gemacht wird (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Denn das Urteil vom 16. Oktober 2014 ist nicht im Rechtssinne mit einer Begründung versehen.
Gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG enthält das Urteil die Entscheidungsgründe. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist unter anderem gegeben, wenn ein Urteil nicht mit solchen Gründen versehen ist (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 34, m. w. N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 25. September 2013 zu den vergleichbaren Regelungen in § 117 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgeführt, dass eine Entscheidung nur dann nicht mit Gründen versehen sei, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermittelten, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend gewesen seien, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen sei, die Entscheidung zu überprüfen. Das sei nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen würden, dass sie unbrauchbar seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 –juris Rdnr. 16, m. w. N.; eingehend bereits BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 – NJW 1998, 3290 = juris Rdnr. 5, m. w. N.). In ähnlicher Weise hat sich auch das Bundessozialgericht wiederholt geäußert (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 12. Februar 2004 – B 4 RA 67/03 B – juris Rdnr. 7, m. w. N.).
Gemessen hieran ist das Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht mit Gründen versehen. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Erstattungsforderung. Bei einem solchen sogenannten Höhenstreit sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Grund und Höhe des Anspruches oder der Forderung in vollem Umfang zu überprüfen (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2015 – B 11 AL 12/14 R – SozR 4-4300 § 131 Nr. 6 = juris Rdnr. 11, m. w. N.). Diese Prüfungspflicht und dieser Prüfungsumfang wirken sich auch auf die nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG i. V. m. § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderlichen Entscheidungsgründen aus. Bei einem Streit über die Höhe einer Erstattungsforderung müssen die Entscheidungsgründe nicht nur erkennen lassen, ob das Gericht die Erstattungsforderung dem Grunde nach und in Bezug auf die Berechnungsposten für rechtmäßig hält, sondern auch, ob die Erstattungsforderung rechnerisch richtig ist. Dies gebietet allerdings nicht notwendigerweise eingehende Ausführungen hierzu. Vielmehr kann sich das Gericht, wenn dies im Einzelfall ausreichend ist, auf knappe Ausführungen beschränken oder nach Maßgabe von § 136 Abs. 3 SGG gänzlich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen. Der Verzicht auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe setzt nach § 136 Abs. 3 SGG jedoch zweierlei voraus: zum einen muss das Gericht der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt; zum anderen muss das Gericht dies in seiner Entscheidung feststellen.
Vorliegend hat sich das Sozialgericht im Urteil vom 16. Oktober 2014 in den Entscheidungsgründen mit drei Punkten befasst: dem Sinn und Zweck von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II, den reinen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und kalte Betriebskosten) als Bezugspunkt für diese Regelung, und die Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Der erste und der dritte Punkt waren zwischen den Beteiligten nicht streitig. Soweit sich das Sozialgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob als Bedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB II die tatsächlichen Unterkunftskosten (Bruttokaltmiete und Heizkosten) oder nur die Bruttokaltmiete (Grundmiete und kalte Betriebskosten) zu verstehen sei, lässt sich ein entsprechender Vortrag der Klägerseite aus der Gerichtsakte nicht feststellen. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob sich das Sozialgericht zu Ausführungen in Bezug auf diese Rechtsfrage veranlasst sehen konnte. Denn auf die eigentlich streitentscheidende Frage, ob für die Berechnung der Höhe der Erstattungsforderung auf den Auszahlbetrag (so der Beklagte in der Berechnung im Schriftsatz vom 7. Januar 2013) oder auf den in die Berechnung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II eingestellten Bedarf für Unterkunft und Heizung (so der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31. Juli 2013) abzustellen ist, ist das Sozialgericht im Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht eingegangen. Aus dem Urteil lässt sich deshalb nicht entnehmen, auf Grund welcher Erwägungen das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Erstattungsforderung des Beklagten in der Fassung, die sie nach dem Teilanerkenntnis erhalten hat, rechtmäßig sei. Eine Verweisung im Sinne von § 136 Abs. 3 SGG ist im Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht enthalten.
Über die beschriebene allgemeine prozessrechtliche Verpflichtung, die die Entscheidung tragenden Erwägungen im Urteil schriftlich mitzuteilen, hinaus hat vorliegend im Besonderen Veranlassung bestanden, Ausführungen zur rechtmäßigen Höhe der Erstattungsforderung zu machen. Denn mit Schreiben vom 17. Juli 2013 hat die damalige Kammervorsitzende dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt, dass das Rechenwerk des Beklagten (zum Teilanerkenntnis) "im Wesentlichen zutreffend" sei. Für Dezember 2011 errechnete sie eine Differenz von 0,30 EUR. Auf Grund dessen hätte das Sozialgericht im Urteil Ausführungen dazu machen müssen, ob es nunmehr abweichend von seinem früheren Hinweis die Berechnung des Beklagten für rechnerisch richtig erachtet oder weiter von einem – wenn auch kleinen – Rechenfehler ausgeht. In letzterem Fall hätte es bei der tenorierten Klageabweisung erläutern müssen, weshalb die Rechendifferenz rechtlich unbeachtlich sein soll. Andernfalls hätte es den Änderungs- und Rückforderungsbescheid in der Fassung des Teilanerkenntnisses in dem von ihm errechneten Differenzbetrag abändern müssen.
Die Klägerin hat diesen Verfahrensmangel geltend gemacht. Sie hat zwar nicht ausdrücklich formuliert, dass das Urteil vom 16. Oktober 2014 nicht im Rechtssinne mit einer Begründung versehen sei. Sie hat diesen Verfahrensmangel jedoch sinngemäß mit ihrer Rüge, dass sich das Sozialgericht nicht mit der einzigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage befasst habe, angegeben.
Schließlich kann das Urteil vom 16. Oktober 2014 auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Denn wenn Bezugspunkt für den nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II verminderten Erstattungsbetrag nicht der monatliche Auszahlbetrag, sondern die in der Arbeitslosengeld II-Berechnung berücksichtigten, mehr als doppelt so hohen Unterkunftskosten sind, kann sich für die Klägerin eine deutliche Verringerung der Erstattungsforderung ergeben. Nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung kann die vom Klägerbevollmächtigten präferierte Berechnungsweise auch dazu führen, dass gar keine Leistungen zu erstatten sein können (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 40 Rdnr. 155; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. VI/2015, Juni 2015], § 40 Rdnr. 720). Dies soll der Fall sein, wenn die bewilligte Leistungen für den Bedarf für Unterkunft weniger als 56 % des tatsächlichen oder angemessenen Bedarfs betragen haben.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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