Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 51 AS 1217/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 633/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wenn zwischen den Beteiligten zweifelhaft ist, ob eine aufschiebende Wirkung eingetreten ist, ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat.
2. Der Widerspruch gegen eine in der Form eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung fällt nicht unter den Anwendungsbereich von § 39 Nr. 1 SGB II und hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung.
2. Der Widerspruch gegen eine in der Form eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung fällt nicht unter den Anwendungsbereich von § 39 Nr. 1 SGB II und hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung.
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. April 2016 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragsteller vom 7. Januar 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Januar 2016 aufschiebende Wirkung hat. II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Aufrechnungsbescheid des Antragsgegners vom 5. Januar 2016.
Die Antragsteller befinden sich im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). In der Vergangenheit ergingen gegen sie mehrere bestandskräftige Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. So forderte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 27. Februar 2013 vom Antragsteller zu 1 Leistungen in Höhe von 166,54 EUR und von der Antragstellerin zu 2 in Höhe von 111,55 EUR zurück. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheiden vom 12. September 2014 machte der Antragsgegner gegen den Antragsteller zu 1 die Erstattung von Leistungen in Höhe von 421,96 EUR und 439,07 EUR geltend und forderte von der Antragstellerin zu 2 an sie und die Antragsteller zu 3 und 4 gewährten Leistungen in Höhe von 679,72 EUR und 707,27 EUR zurück. Zuletzt erging am 3. November 2015 gegen die Antragstellerin zu 2 ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über Leistungen in Höhe von 10,20 EUR.
Mit Schreiben von 3. November 2015 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu einer beabsichtigten Aufrechnung an. Am 5. Januar 2016 erließ sie einen Bescheid über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II hinsichtlich der aus den Bescheiden vom 27. Februar 2013, 12. September 2014 und 3. November 2015 resultierenden Forderungen in Höhe von insgesamt 2.497,64 EUR für die Zeit ab dem 1. Januar 2016. Hierbei erklärte sie die Aufrechnung mit Leistungen in Höhe von monatlich 360,60 EUR, wobei auf die Antragsteller zu 1 und 2 ein Betrag in Höhe von je 109,20 EUR und auf die Antragsteller zu 3 und 4 ein Betrag in Höhe von je 71,10 EUR entfielen.
Am 8. Januar 2016 ging beim Antragsgegner ein Schreiben der Antragssteller vom 7. Januar 2016 ein, welches die Überschrift "Einrede der Entreicherung" enthielt und auf ein Schreiben vom 5. Januar 2015 Bezug nahm. Die Antragsteller erklärten, dass sie der Verrechnung des monatlichen Kindergeldes widersprächen, da jedem Familienmitglied anrechnungsfreies Einkommen zustehe. Außerdem widerspreche man der Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2016 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 31. August 2016 monatliche Leistungen in Höhe eines Gesamtbedarfs von insgesamt 1.283,10 EUR. Hiervon zog der Antragsgegner für den Monat März 2016 einen Aufrechnungsbetrag in Höhe von 360,60 EUR, für den Monat April 2016 einen Aufrechnungsbetrag von 327,72 EUR sowie für die Monate Mai 2016 bis August 2016 von jeweils 218,40 EUR ab, so dass an die Antragsteller für den Monat März 2016 ein Betrag von 922,50 EUR, für den Monat April 2016 in Höhe von 955,38 EUR sowie für die Monate Mai 2016 bis August 2016 in Höhe von 218,40 EUR zur Auszahlung kam.
Am 14. März 2016 haben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. Januar 2016 gegen den Aufrechnungsbescheid vom 5. Januar 2016 beantragt. Ihrem Antrag haben sie ein von ihrer Prozessbevollmächtigten gefertigtes Widerspruchsschreiben vom 19. Januar 2016 beigefügt, dessen Zugang der Antragsgegner jedoch in Abrede gestellt hat.
Nachdem die Antragssteller auf Aufforderung des Sozialgerichts nicht den Zugang des Schreibens vom 19. Januar 2016 nachgewiesen haben und sich ein solches auch nicht in den Verwaltungsakten befunden hat, hat das Sozialgericht den Antrag der Antragsteller mit Beschluss vom 15. April 2016 als unbegründet abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts sei von den Antragstellern die Einlegung eines Widerspruchs nicht nachgewiesen worden. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs setzte aber voraus, dass dieser tatsächlich erhoben worden sei.
Gegen den ihnen am 20. April 2016 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte am 18. Mai 2016 Beschwerde eingelegt, ohne diese näher zu begründen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2016 ist der Antragsgegner auf das sich in den Verwaltungsakten befindliche Schreiben der Antragsteller vom 7. Januar 2016, welches die Überschrift "Einrede der Entreicherung" enthält und in dem die Antragsteller der Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich widersprachen; hingewiesen und um Stellungnahme ersucht worden. Nachdem der Antragsgegner hieraufhin mitgeteilt hat, dass sich das Schreiben nach seiner Auffassung auf ein Schreiben vom 5. Januar 2016 beziehe, wurde er mit gerichtlichem Schreiben vom 5. August 2016 aufgefordert näher darzulegen, auf welches konkrete Schreiben er die Ausführungen der Antragsteller im Schreiben vom 7. Januar 2016 beziehe. Zudem ist er darauf hingewiesen worden, dass sich nach vorläufiger Auffassung des Senats aus dem Inhalt des Schreiben vom 7. Januar 2016 ohne Weiteres ergebe, dass sich die Antragsteller gegen die "Verrechnung" und damit gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 wenden wollten. Eine Stellungnahme hierauf ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG beschränkt.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Antragsteller wenden sich gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II, in dem die Aufrechnung hinsichtlich einer Erstattungsleistung von insgesamt 2.497,64 EUR erklärt wird. Damit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den Grenzwert von 750,00 EUR.
2. Sämtliche Antragsteller sind durch den Beschluss vom 15. April 2016 beschwert und besitzen für das Beschwerdeverfahren das hierfür notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 5. Zwar hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Januar 2016 nur die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II gegenüber den Antragstellern zu 1 bis 4 erklärt, die damit als Adressaten des Bescheids unmittelbar betroffen sind. Allerdings hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. Februar 2016 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 31. August 2016 in Umsetzung der Aufrechnung nach § 43 SGG II einen Einbehalt vom Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und damit auch vom Bedarf der Antragstellerin zu 5 vorgenommen. Eine Aufteilung der Anrechnungsbeträge auf die Leistungsansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist nicht erfolgt, obwohl es sich bei den Ansprüchen auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld um Individualansprüche handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 32/06 R –BSGE 100, 83 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 30, m. w. N ...).
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es dem Bescheid vom 9. Februar 2016 damit an einer hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mangeln dürfte, da nicht ersichtlich ist, in welcher Höhe die Aufrechnung vom Bedarf des jeweiligen Antragstellers vorgenommen wurde (vgl. zum Bestimmtheitserfordernis: Sächs. LSG, Urteil vom 18. September 2008 – L 3 AS 40/08 – juris Rdnr. 56 ff. unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R – SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 = juris, jeweils Rdnr. 16).
3. Die Beschwerde ist auch begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung nach § 43 SGB II zu Unrecht unter Verweis auf die fehlende Einlegung eines Widerspruchs abgelehnt. Die Antragsteller haben Anspruch auf Erlass der von ihnen begehrten einstweiligen Anordnung in Form der Feststellung ihres Widerspruchs vom 7. Januar 2016 gegen den Aufrechnungsbescheid vom 5. Januar 2016.
a) Rechtsgrundlage für das Antragsbegehren ist § 86b Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Ihr Rechtsschutzziel, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ohne Abzug der mit Bescheid vom 5. Januar 2016 erfolgten Aufrechnung nach § 43 SGB II, zu erhalten, haben die Antragsteller bereits durch die mit Schreiben vom 7. Januar 2016 erfolgte Einlegung ihres Widerspruchs erreicht (hierzu b). Denn gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt in den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen. Keiner dieser Fälle ist vorliegend gegeben (hierzu c). Aufgrund dessen hätte es der Anrufung des Sozialgerichtes nicht bedurft.
Veranlassung für die Inanspruchnahme vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gibt es ausnahmsweise nur deshalb, weil der Antragsgegner nicht zu erkennen gibt, die kraft Gesetzes geltende aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragsteller anzuerkennen. Er stellt die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 in Abrede. Ist zwischen den Beteiligten zweifelhaft, ob eine aufschiebende Wirkung eingetreten ist, ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat (allg. Meinung: vgl. hierzu Sächs. LSG, Beschluss vom 3. September 2009 – L 3 AY 1/09 B ER – juris Rdnr. 19, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 86b Rdnr.15; m. w. N.).
b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegner haben die Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II eingelegt. Zwar haben sie nicht den Zugang des anwaltlichen Widerspruchsschreibens vom 19. Januar 2016 nachweisen können, jedoch haben die Antragsteller bereits zuvor mit Schreiben vom 7. Januar 2016, eingegangen beim Antragsgegner am 8. Januar 2016, fristgerecht Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben enthält den Absender "Fam. A ..." und wurde sowohl vom Antragsteller zu 1 als auch der Antragstellerin zu 2 unterschrieben.
Dass die Antragsteller das Schreiben mit "Einrede der Entreicherung" überschrieben haben ist unschädlich. Denn ein Rechtsbehelf muss nicht als Widerspruch bezeichnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 11/09 R – FEVS 62, 298 ff. = juris Rdnr. 11). Es genügt, wenn im Schriftstück zum Ausdruck kommt, dass sich der Betroffene durch den Verwaltungsakt beeinträchtigt fühlt und Überprüfung durch die Verwaltung anstrebt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 83 Rdnr. 2 und § 84 Rdnr. 2). Dies ist hier der Fall. Denn die nicht rechtskundigen Antragsteller nehmen ausdrücklich auf ein Schreiben des Antragsgegners vom 5. Januar 2016 Bezug und führen unter anderem aus: "Außerdem widerspreche ich einer Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich". Damit wird deutlich, dass sie sich gegen eine Kürzung des Zahlbetrages wenden.
Unerheblich ist ferner, dass die Antragsteller nicht auf einen Bescheid, sondern ein Schreiben vom 5. Januar 2016 Bezug nehmen. Denn dadurch, dass sie erklären, dass sie der Verrechnung der laufenden Zahlungen mit etwaigen Schulden widersprechen, ergibt sich unmissverständlich, dass sie sich auf den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II beziehen und dessen Überprüfung anstreben. Bei der Bezeichnung des Bescheides vom 5. Januar 2016 als Schreiben handelt es sich somit ersichtlich um eine bloße Falschbezeichnung, die unbeachtlich ist.
c) Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II hat auch gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGG, wobei vorliegend für Leistungen nach dem SGB II allein das Entfallen der aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 SGB II in Betracht kommt (vgl. Keller, a. a. O., § 86a Rdnr. 14 m. w. N.). § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG verweist auf die durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fälle der sofortigen Vollziehbarkeit. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Umfasst werden hierbei die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 4 SGB II (vgl. Greiser, in: Eicher, SGB II [3. Aufl., 2013], § 39 Rdnr. 16).
Der Widerspruch gegen eine in der Form eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung fällt hingegen nicht unter den Anwendungsbereich von § 39 Nr. 1 SGB II und hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juli 2007 – L 28 B 1053/07 AS ER – juris Rndr. 7; LSG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2008 – L 5 B 542/07 ER AS – juris Rdnr. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2011 – L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 – juris Rdnr. 14; Bay. LSG, Beschluss vom 21. Juni 2013 – L 7 AS 329/13 B ER – juris Rdnr. 18; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 39 Rdnr. 14; Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 43 Rdnr. 19; Münder, in: LPK SGB II [5. Aufl., 2013], § 39 Rndr. 13; Greiser, a. a. O., § 39 Rdnr. 18; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB, [Stand: 02/12], § 39 SGB II, Rdnr. 91). Denn die Aufrechnung und Verrechnung (vgl. § 52 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) stellen keine Aufhebung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar und greift nicht in bereits bewilligte oder dem Hilfebedürftigen gesetzlich zustehende Leistungen ein. Sie sind deshalb mit Aufhebung, Rücknahme oder Widerruf nicht vergleichbar. Vielmehr setzen sie den grundsätzlich ungeminderten Bestand des Leistungsanspruchs voraus und führen in Höhe des aufgerechneten bzw. verrechneten Betrages zu dessen Erfüllung im Sinne von § 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. Aubel, a. a. O., § 39 Rndr. 14, m. w. N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Dr. Scheer Höhl Krewer
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Aufrechnungsbescheid des Antragsgegners vom 5. Januar 2016.
Die Antragsteller befinden sich im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). In der Vergangenheit ergingen gegen sie mehrere bestandskräftige Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. So forderte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 27. Februar 2013 vom Antragsteller zu 1 Leistungen in Höhe von 166,54 EUR und von der Antragstellerin zu 2 in Höhe von 111,55 EUR zurück. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheiden vom 12. September 2014 machte der Antragsgegner gegen den Antragsteller zu 1 die Erstattung von Leistungen in Höhe von 421,96 EUR und 439,07 EUR geltend und forderte von der Antragstellerin zu 2 an sie und die Antragsteller zu 3 und 4 gewährten Leistungen in Höhe von 679,72 EUR und 707,27 EUR zurück. Zuletzt erging am 3. November 2015 gegen die Antragstellerin zu 2 ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über Leistungen in Höhe von 10,20 EUR.
Mit Schreiben von 3. November 2015 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu einer beabsichtigten Aufrechnung an. Am 5. Januar 2016 erließ sie einen Bescheid über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II hinsichtlich der aus den Bescheiden vom 27. Februar 2013, 12. September 2014 und 3. November 2015 resultierenden Forderungen in Höhe von insgesamt 2.497,64 EUR für die Zeit ab dem 1. Januar 2016. Hierbei erklärte sie die Aufrechnung mit Leistungen in Höhe von monatlich 360,60 EUR, wobei auf die Antragsteller zu 1 und 2 ein Betrag in Höhe von je 109,20 EUR und auf die Antragsteller zu 3 und 4 ein Betrag in Höhe von je 71,10 EUR entfielen.
Am 8. Januar 2016 ging beim Antragsgegner ein Schreiben der Antragssteller vom 7. Januar 2016 ein, welches die Überschrift "Einrede der Entreicherung" enthielt und auf ein Schreiben vom 5. Januar 2015 Bezug nahm. Die Antragsteller erklärten, dass sie der Verrechnung des monatlichen Kindergeldes widersprächen, da jedem Familienmitglied anrechnungsfreies Einkommen zustehe. Außerdem widerspreche man der Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2016 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 31. August 2016 monatliche Leistungen in Höhe eines Gesamtbedarfs von insgesamt 1.283,10 EUR. Hiervon zog der Antragsgegner für den Monat März 2016 einen Aufrechnungsbetrag in Höhe von 360,60 EUR, für den Monat April 2016 einen Aufrechnungsbetrag von 327,72 EUR sowie für die Monate Mai 2016 bis August 2016 von jeweils 218,40 EUR ab, so dass an die Antragsteller für den Monat März 2016 ein Betrag von 922,50 EUR, für den Monat April 2016 in Höhe von 955,38 EUR sowie für die Monate Mai 2016 bis August 2016 in Höhe von 218,40 EUR zur Auszahlung kam.
Am 14. März 2016 haben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. Januar 2016 gegen den Aufrechnungsbescheid vom 5. Januar 2016 beantragt. Ihrem Antrag haben sie ein von ihrer Prozessbevollmächtigten gefertigtes Widerspruchsschreiben vom 19. Januar 2016 beigefügt, dessen Zugang der Antragsgegner jedoch in Abrede gestellt hat.
Nachdem die Antragssteller auf Aufforderung des Sozialgerichts nicht den Zugang des Schreibens vom 19. Januar 2016 nachgewiesen haben und sich ein solches auch nicht in den Verwaltungsakten befunden hat, hat das Sozialgericht den Antrag der Antragsteller mit Beschluss vom 15. April 2016 als unbegründet abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts sei von den Antragstellern die Einlegung eines Widerspruchs nicht nachgewiesen worden. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs setzte aber voraus, dass dieser tatsächlich erhoben worden sei.
Gegen den ihnen am 20. April 2016 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte am 18. Mai 2016 Beschwerde eingelegt, ohne diese näher zu begründen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2016 ist der Antragsgegner auf das sich in den Verwaltungsakten befindliche Schreiben der Antragsteller vom 7. Januar 2016, welches die Überschrift "Einrede der Entreicherung" enthält und in dem die Antragsteller der Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich widersprachen; hingewiesen und um Stellungnahme ersucht worden. Nachdem der Antragsgegner hieraufhin mitgeteilt hat, dass sich das Schreiben nach seiner Auffassung auf ein Schreiben vom 5. Januar 2016 beziehe, wurde er mit gerichtlichem Schreiben vom 5. August 2016 aufgefordert näher darzulegen, auf welches konkrete Schreiben er die Ausführungen der Antragsteller im Schreiben vom 7. Januar 2016 beziehe. Zudem ist er darauf hingewiesen worden, dass sich nach vorläufiger Auffassung des Senats aus dem Inhalt des Schreiben vom 7. Januar 2016 ohne Weiteres ergebe, dass sich die Antragsteller gegen die "Verrechnung" und damit gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 wenden wollten. Eine Stellungnahme hierauf ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG beschränkt.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Antragsteller wenden sich gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II, in dem die Aufrechnung hinsichtlich einer Erstattungsleistung von insgesamt 2.497,64 EUR erklärt wird. Damit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den Grenzwert von 750,00 EUR.
2. Sämtliche Antragsteller sind durch den Beschluss vom 15. April 2016 beschwert und besitzen für das Beschwerdeverfahren das hierfür notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 5. Zwar hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Januar 2016 nur die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II gegenüber den Antragstellern zu 1 bis 4 erklärt, die damit als Adressaten des Bescheids unmittelbar betroffen sind. Allerdings hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. Februar 2016 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 31. August 2016 in Umsetzung der Aufrechnung nach § 43 SGG II einen Einbehalt vom Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und damit auch vom Bedarf der Antragstellerin zu 5 vorgenommen. Eine Aufteilung der Anrechnungsbeträge auf die Leistungsansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist nicht erfolgt, obwohl es sich bei den Ansprüchen auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld um Individualansprüche handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 32/06 R –BSGE 100, 83 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 30, m. w. N ...).
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es dem Bescheid vom 9. Februar 2016 damit an einer hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mangeln dürfte, da nicht ersichtlich ist, in welcher Höhe die Aufrechnung vom Bedarf des jeweiligen Antragstellers vorgenommen wurde (vgl. zum Bestimmtheitserfordernis: Sächs. LSG, Urteil vom 18. September 2008 – L 3 AS 40/08 – juris Rdnr. 56 ff. unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R – SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 = juris, jeweils Rdnr. 16).
3. Die Beschwerde ist auch begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung nach § 43 SGB II zu Unrecht unter Verweis auf die fehlende Einlegung eines Widerspruchs abgelehnt. Die Antragsteller haben Anspruch auf Erlass der von ihnen begehrten einstweiligen Anordnung in Form der Feststellung ihres Widerspruchs vom 7. Januar 2016 gegen den Aufrechnungsbescheid vom 5. Januar 2016.
a) Rechtsgrundlage für das Antragsbegehren ist § 86b Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Ihr Rechtsschutzziel, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ohne Abzug der mit Bescheid vom 5. Januar 2016 erfolgten Aufrechnung nach § 43 SGB II, zu erhalten, haben die Antragsteller bereits durch die mit Schreiben vom 7. Januar 2016 erfolgte Einlegung ihres Widerspruchs erreicht (hierzu b). Denn gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt in den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen. Keiner dieser Fälle ist vorliegend gegeben (hierzu c). Aufgrund dessen hätte es der Anrufung des Sozialgerichtes nicht bedurft.
Veranlassung für die Inanspruchnahme vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gibt es ausnahmsweise nur deshalb, weil der Antragsgegner nicht zu erkennen gibt, die kraft Gesetzes geltende aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragsteller anzuerkennen. Er stellt die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 in Abrede. Ist zwischen den Beteiligten zweifelhaft, ob eine aufschiebende Wirkung eingetreten ist, ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat (allg. Meinung: vgl. hierzu Sächs. LSG, Beschluss vom 3. September 2009 – L 3 AY 1/09 B ER – juris Rdnr. 19, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 86b Rdnr.15; m. w. N.).
b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegner haben die Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II eingelegt. Zwar haben sie nicht den Zugang des anwaltlichen Widerspruchsschreibens vom 19. Januar 2016 nachweisen können, jedoch haben die Antragsteller bereits zuvor mit Schreiben vom 7. Januar 2016, eingegangen beim Antragsgegner am 8. Januar 2016, fristgerecht Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben enthält den Absender "Fam. A ..." und wurde sowohl vom Antragsteller zu 1 als auch der Antragstellerin zu 2 unterschrieben.
Dass die Antragsteller das Schreiben mit "Einrede der Entreicherung" überschrieben haben ist unschädlich. Denn ein Rechtsbehelf muss nicht als Widerspruch bezeichnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 11/09 R – FEVS 62, 298 ff. = juris Rdnr. 11). Es genügt, wenn im Schriftstück zum Ausdruck kommt, dass sich der Betroffene durch den Verwaltungsakt beeinträchtigt fühlt und Überprüfung durch die Verwaltung anstrebt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 83 Rdnr. 2 und § 84 Rdnr. 2). Dies ist hier der Fall. Denn die nicht rechtskundigen Antragsteller nehmen ausdrücklich auf ein Schreiben des Antragsgegners vom 5. Januar 2016 Bezug und führen unter anderem aus: "Außerdem widerspreche ich einer Verrechnung der laufenden Zahlung mit etwaigen Schulden vorsorglich". Damit wird deutlich, dass sie sich gegen eine Kürzung des Zahlbetrages wenden.
Unerheblich ist ferner, dass die Antragsteller nicht auf einen Bescheid, sondern ein Schreiben vom 5. Januar 2016 Bezug nehmen. Denn dadurch, dass sie erklären, dass sie der Verrechnung der laufenden Zahlungen mit etwaigen Schulden widersprechen, ergibt sich unmissverständlich, dass sie sich auf den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II beziehen und dessen Überprüfung anstreben. Bei der Bezeichnung des Bescheides vom 5. Januar 2016 als Schreiben handelt es sich somit ersichtlich um eine bloße Falschbezeichnung, die unbeachtlich ist.
c) Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Januar 2016 über die Aufrechnung gemäß § 43 SGB II hat auch gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGG, wobei vorliegend für Leistungen nach dem SGB II allein das Entfallen der aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 SGB II in Betracht kommt (vgl. Keller, a. a. O., § 86a Rdnr. 14 m. w. N.). § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG verweist auf die durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fälle der sofortigen Vollziehbarkeit. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Umfasst werden hierbei die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 4 SGB II (vgl. Greiser, in: Eicher, SGB II [3. Aufl., 2013], § 39 Rdnr. 16).
Der Widerspruch gegen eine in der Form eines Verwaltungsaktes erklärte Aufrechnung fällt hingegen nicht unter den Anwendungsbereich von § 39 Nr. 1 SGB II und hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juli 2007 – L 28 B 1053/07 AS ER – juris Rndr. 7; LSG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2008 – L 5 B 542/07 ER AS – juris Rdnr. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2011 – L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 – juris Rdnr. 14; Bay. LSG, Beschluss vom 21. Juni 2013 – L 7 AS 329/13 B ER – juris Rdnr. 18; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 39 Rdnr. 14; Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 43 Rdnr. 19; Münder, in: LPK SGB II [5. Aufl., 2013], § 39 Rndr. 13; Greiser, a. a. O., § 39 Rdnr. 18; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB, [Stand: 02/12], § 39 SGB II, Rdnr. 91). Denn die Aufrechnung und Verrechnung (vgl. § 52 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) stellen keine Aufhebung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar und greift nicht in bereits bewilligte oder dem Hilfebedürftigen gesetzlich zustehende Leistungen ein. Sie sind deshalb mit Aufhebung, Rücknahme oder Widerruf nicht vergleichbar. Vielmehr setzen sie den grundsätzlich ungeminderten Bestand des Leistungsanspruchs voraus und führen in Höhe des aufgerechneten bzw. verrechneten Betrages zu dessen Erfüllung im Sinne von § 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. Aubel, a. a. O., § 39 Rndr. 14, m. w. N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Dr. Scheer Höhl Krewer
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