L 7 AS 1438/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 AS 7982/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1438/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Annahme eines dauernden Getrenntlebens von Ehegatten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn sich Ehegatten trotz bestehender Ehe nicht mehr als Bedarfsgemeinschaft behandeln lassen wollen, denn die Institution der Ehe ist nach den §§ 1353 ff. BGB mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten verbunden, die erst durch ein Scheidungsurteil enden.
2. Wenn sich ein Ehegatte nicht mehr an die familienrechtlichen Einstandspflichten halten will, ist er in besonderem Maße darlegungsbedürftig, dass eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr besteht und eine endgültige räumliche Trennung vollzogen worden ist.
3. Es muss ein nach außen erkennbarer, objektiv hervortretender Wille zumindest eines Ehegatten bestehen, die häusliche Gemeinschaft nicht (wieder) herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt und das Eheband lösen will.
4. Wenn die Ehe über eine Zeit des Getrenntlebens von drei Jahren hinaus in der gemeinsamen Ehewohnung fortgesetzt wird, ohne dass ein Partner von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Scheidung durchzusetzen, mangelt es regelmäßig an einem nach außen erkennbaren Trennungswillen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und ihr Ehemann im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014 eine Bedarfsgemeinschaft bildeten und daher das Einkommen ihres Ehemanns bei der Berechnung der Leistungen der Klägerin zu berücksichtigen ist.

Die im Jahr 1949 geborene, erwerbsfähige Klägerin ist mit M ... A ... verheiratet. Beide sind seit 1996 zu gleichen Teilen Eigentümer einer Eigentumswohnung in A ...,. Diese Wohnung ist ca. 76 m² groß, verfügt über vier Zimmer (Wohnzimmer, Schlafzimmer, zwei weitere Zimmer, Küche und Bad). Für den streitgegenständlichen Zeitraum fielen Kosten der Unterkunft in Form von zu zahlender Grundsteuer, der monatlichen Hausgeldzahlung und den Zinsen für den Kredit (insgesamt drei Konten mit den Kontonummern: , und ) an. Die Grundsteuer war vierteljährlich am 15.11.2013 in Höhe von 46,02 EUR und am 15.02.2014 ebenfalls in Höhe von 46,02 EUR fällig. Die monatliche Hausgeldzahlung betrug im Jahr 2013 214,77 EUR/Monat (Zeitraum September 2013 bis Dezember 2013). Ab dem 01.01.2014 war an Hausgeld 207,77 EUR/Monat zu zahlen (Zeitraum Januar 2013 bis April 2013). Kreditzinsen fielen für die drei Konten wie folgt an: Kontonummer: - 31,46 EUR, fällig im November 2013, - 31,42 EUR, fällig im Februar 2014, Kontonummer: - 68,37 EUR, fällig im Oktober 2013, - 68,37 EUR, fällig im Januar 2014, - 63,10 EUR, fällig im April 2014, Kontonummer: - 11,85 EUR, fällig im November 2013, - 11,84 EUR, fällig im Februar 2014.

Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland teilte dem Ehemann der Klägerin zunächst mit, seine Altersrente betrage 1.049,52 EUR monatlich. Sie nahm zum 01.07.2013 eine Rentenanpassung vor. Danach betrug die Altersrente 1.084,05 EUR monatlich.

Die Klägerin gibt an, seit ca. 2009 von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Am 03.03.2010 reichte die Klägerin die Erklärung über das dauernde Getrenntleben im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein.

Am 20.09.2012 führte das Ermittlungsteam des Beklagten bei der Klägerin einen Hausbesuch durch. Ausweislich des Prüfberichts vom 28.09.2012 gab die Klägerin an, sie und ihr Ehemann lebten in der gemeinsamen Wohnung getrennt. Sie wolle sich jedoch nicht scheiden lassen, da sie sonst keine Witwenrente erhalte. Auf das Konto und das Auto des Ehemannes habe sie keinen Zugriff.

Am 01.08.2013 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten für den Zeitraum ab 01.09.2013. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.08.2013 ab, weil keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.11.2013 zurück. Die Klägerin bilde mit ihrem Ehegatten eine Bedarfsgemeinschaft. Sie habe angegeben, sich nicht scheiden lassen zu wollen, da sie dadurch finanzielle Nachteile befürchte.

Ihr Begehren hat die Klägerin mit der am 26.11.2013 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie lebe von ihrem Ehemann bereits seit Dezember 2009 in der gemeinsamen Ehewohnung getrennt. Sie selbst benutze das Schlafzimmer. Dort stünden zwei Betten für den Fall, dass ein Enkel zu Besuch komme. Das Wohnzimmer nutze sie ebenfalls; dort befinde sich ihr Fernseher. Ihr Ehemann bewohne eines der Kinderzimmer. Er halte sich tagsüber oft im Keller auf. Küche und Bad würden gemeinsam benutzt. Hierfür seien feste Zeiten vereinbart. Sie nutze den Kühlschrank der Einbauküche, ihr Mann die Kühlschränke im Keller und im Korridor. Ihre Einkäufe für den täglichen Bedarf erledige sie selbst, die schweren Sachen kaufe ihr Mann ca. ein bis zwei Mal im Monat ein. Gemeinsame Aktivitäten gebe es nicht. Aus der Wohnung ziehe sie nicht aus, da sie dafür keine Kraft habe und nur eine kleine Rente in Höhe von ca. 160,00 EUR bekommen werde. Einen Scheidungsantrag habe sie bisher nicht gestellt, da sie dafür keine Nerven und Angst habe, dass ihre Tochter das nicht verstehen könnte. Das vorhandene Auto gehöre ihrem Mann. Wenn sie das Auto brauche, müsse sie ihn fragen. Sie könne das Auto dann nutzen, wenn er es nicht benötige. Wohl ab Dezember 2013 zahle sie ihrem Mann monatlich 130,00 bis 135,00 EUR als Anteil der Kosten für die Wohnung. Die Zahlung erfolge bar.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Ehemanns der Klägerin und der Mitarbeiterin des Beklagten E ... Letztere hatte den Hausbesuch durchgeführt. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.10.2014 verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.10.2014 abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum dauere vom 01.09.2013 bis 30.04.2014, da die Klägerin am 04.04.2014 einen neuerlichen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten für den Zeitraum ab dem 01.05.2014 gestellt habe. Die Klägerin bilde mit ihrem Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft. Dies habe zur Folge, dass bei der Klägerin das Einkommens ihres Ehemanns bedarfsmindernd anzurechnen sei. Daher sei die Klägerin nicht hilfebedürftig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II. Sie könne ihren monatlichen Bedarf aus dem Einkommen ihres Ehemannes aus Altersrente decken. Bei der Klägerin und ihrem Ehemann handele es sich nicht um dauernd getrennt lebende Ehegatten im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II. Aus dem Aktenvermerk des Beklagten vom 26.03.2013 ergebe sich, dass die Klägerin und ihr Ehemann im streitgegenständlichen Zeitpunkt die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Eigentumswohnung gemeinsam bezahlt hätten. Während der Ehemann nach den Einlassungen der Klägerin das Hausgeld gezahlt habe, habe die Klägerin die Zinsen für die Bankkredite beglichen. Ein gemeinsames Wirtschaften habe daher vorgelegen. Nach den Einlassungen der Klägerin habe sich dies erst im Dezember 2013 nach dem Erörterungstermin im Verfahren S 7 AS 7878/13 ER geändert. Danach habe die Klägerin dem Ehemann den hälftigen Anteil der Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich bar überreicht. Auch andere Angelegenheiten seien teilweise noch gemeinsam geregelt worden. Zwar sei die Kfz-Haftpflichtversicherung vom Ehemann beglichen worden, die Klägerin habe sein Auto jedoch bei Bedarf genutzt. Ein nach außen erkennbarer Trennungswille sei auch deshalb nicht erkennbar, weil seit der Trennung der Eheleute im Jahr 2009/2010 von keiner Seite eine Ehescheidung angestrebt worden sei. Zwar hätten sie am 03.03.2010 die Erklärung über das dauernde Getrenntleben nach dem Einkommensteuergesetz abgeben. Weitere Schritte seien jedoch nicht veranlasst worden. Die gemeinsame Ehewohnung sei nicht aufgegeben worden. Weder von der Klägerin noch vom Ehemann sei ein Scheidungsantrag gestellt worden. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum ihren Bedarf als Mitglied der zwischen ihr und ihrem Ehemann bestehenden Bedarfsgemeinschaft unter Anrechnung der Altersrente ihres Ehemanns decken können:

09/ 2013 10/ 2013 11/ 2013 12/ 2013 01/ 2014 02/ 2014 03/ 2014 04/ 2014 Regelbedarf in EUR 345,00 345,00 345,00 345,00 353,00 353,00 353,00 353,00 Kosten der Unterkunft in EUR Hausgeld 214,77 214,77 214,77 214,77 207,77 207,77 207,77 207,77 Grund- steuer 46,02 46,02 Zinsen Konto 173 31,46 31,42 Zinsen Konto 175 68,37 68,37 63,10 Zinsen Konto 680 11,85 11,84 ½ Anteil KdU für Klägerin in EUR 107,39 141,57 152,05 107,39 138,07 148,53 103,89 135,44 Monat 09/ 2013 10/ 2013 11/ 2013 12/ 2013 01/ 2014 02/ 2014 03/ 2014 04/ 2013 Gesamt- bedarf Klägerin in EUR 452,39 486,57 497,05 452,39 491,07 501,53 456,89 488,44 Anzurechnendes Einkommen in EUR 1043,70 1.043,70 1.043,70 1.043,70 1.043,70 1.043,70 1.043,70 1.043,70 Fiktiver SGB II-Bedarf des Ehemanns 452,39 486,57 497,05 452,39 491,07 501,53 456,89 488,44 Übersteigendes Einkommen des Ehemanns 1.043,70 - 2x 452,39 = 138,92 1.043,70 - 2x 486,57 = 70,56 1.043,70 - 2x 497,05 = 49,60 1.043,70 - 2x 452,39 = 138,92 1.043.70 - 2x 491,07 = 61,56 1.043,70 - 2x 501,53 = 40,64 1.043,70 - 2x 456,89

= 99,92 1.043,70 - 2x 488,44 = 66,82 Monat 09/ 2013 10/ 2013 11/ 2013 12/ 2013 01/ 2014 02/ 2014 03/ 2014 04/ 2014 Verbleibender Bedarf der Klägerin in EUR nach dem SGB II 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00

Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12.12.2014 zugestellte Urteil hat diese am 16.12.2014 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt. Es bestehe das gemeinsame Wohneigentum an der bewohnten Wohnung. Daraus ergebe sich eine gemeinsame Verpflichtung im Sinne einer über die Ehe hinaus reichenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Beide Ehegatten hätten daher als Eigentümer gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Letztlich verlange das SG die Einleitung eines formellen Scheidungsverfahrens, um die Klägerin als getrennt lebend im Sinne des SGB II einordnen zu können. Die Klägerin sei schwer erkrankt und müsse jegliche zusätzliche Belastung meiden. Sie habe sich zur Ehescheidung beraten lassen. Ihr sei daher bekannt, dass sie vom Versorgungsausgleich sehr profitieren würde, insbesondere weil sie von ihrem getrennt lebenden Ehegatten keinen Unterhalt erhalte. Jedenfalls sei die Erwartung einer Witwenrente für die Klägerin kein Grund, die Ehescheidung nicht zu veranlassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.10.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.2013 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung des Einkommens und des Vermögens des Ehemannes zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakte beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 16.10.2016 die Klage abgewiesen.

1. Die Einzelrichterin des Senats durfte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2017 entscheiden. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde ausweislich Empfangsbekenntnisses am 25.11.2016 ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen. In ihrem Schriftsatz vom 21.11.2016 hatte sie mitgeteilt, zur mündlichen Verhandlung aufgrund des zurückgewiesenen Prozesskostenantrages nicht zu erscheinen.

Eine Verpflichtung die mündliche Verhandlung erneut zu verlegen, bestand nicht. Die Einzelrichterin des Senats hatte der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 23.11.2016 eine Frist bis 31.12.2016 gesetzt, um weitere Argumente vorzubringen, und diese auf den Schriftsatz der Klägerin vom 01.01.2017 hin bis 13.01.2017 verlängert. Die verlängerte Frist ist erfolglos verstrichen.

Zwar hatte die Klägerin erklärt, die mündliche Verhandlung solle aufgrund ihrer Erkrankung nochmals verschoben werden. Ausweislich der Aktenvermerke vom 28.12.2016 und 17.01.2017 war ihr seitens des Gerichts mitgeteilt worden, dass hierzu eine ärztliche Bescheinigung erforderlich sei.

Die Einzelrichterin des Senats hat sich ausweislich des Protokolls unmittelbar vor Beginn der Verhandlung erkundigt, ob im Gericht eine diesbezügliche Bescheinigung eingegangen war, und hatte die Poststelle angewiesen, die Bescheinigung im Falle ihres Eingangs sofort in die Verhandlung zu bringen. Damit waren alle nur möglichen Vorkehrungen getroffen worden, um die Rechte der Klägerin umfassend zu wahren. Während der von 9.15 bis 9.30 Uhr dauernden mündlichen Verhandlung lag keine Bescheinigung über eine Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin vor.

Die am Verhandlungstag 10.39 Uhr, mithin nach dem Ende der Verhandlung, eingehende Bescheinigung von Prof. Dr. H ... über die Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin konnte keine Berücksichtigung finden, weil zu diesem Zeitpunkt das Urteil bereits verkündet war.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.2013, mit dem die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum abgelehnt wurden. Streitgegenstand ist trotz der vollständigen Versagung von Leistungen lediglich der Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014, weil der Beklagte auf einen Folgeantrag der Klägerin mit einem weiteren Bescheid vom 30.04.2014 über den Anspruch auf Leistungen ab 01.05.2014 entschieden hat. Mit der Erteilung dieses Bescheides endet der Zeitraum, für den der ablehnende Bescheid vom 28.08.2013 seine Wirkung entfalten konnte (BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R, Rn. 13; Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 70/09 R, Rn. 12).

3. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil die Klägerin für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes begehrt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren waren der Klägerin für die streitgegenständlichen Zeiträume vorläufig 516,00 EUR monatlich gewährt worden (516,00 EUR x 8 Monate). Angesichts dessen ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR überschritten.

4. Die auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu, weil sie nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 und 2 SGB II war.

Sie konnte vielmehr ihren monatlichen Bedarf aus dem Einkommen ihres Ehemannes decken. Das Einkommen ihres Ehemannes ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bedarfsmindernd zu berücksichtigen, weil beide im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II bildeten. Die Klägerin und ihr Ehemann waren nicht dauernd getrennt lebende Eheleute.

Zwar enthält das SGB II keine Regelungen zu der Frage, wann ein dauerndes Getrenntleben gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II vorliegt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteilen vom 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R sowie vom 16.04.2013 - B 14 AS 71/12 R klargestellt, dass für den Begriff der dauernd getrenntlebenden Ehegatten auf die Grund-sätze zurückzugreifen ist, die zum familienrechtlichen Begriff des Getrenntlebens im Sinne von § 1567 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entwickelt worden sind. Nach dieser Rechtsprechung sind für die Annahme eines dauernden Getrenntlebens besonders hohe Voraussetzungen zu erfüllen, wenn sich Ehegatten trotz bestehender Ehe nicht mehr als Bedarfsgemeinschaft behandeln lassen wollen, denn die Institution der Ehe ist nach den §§ 1353 ff. BGB mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten verbunden, die erst durch ein Scheidungsurteil enden. Daher sind die Ehegatten einander grundsätzlich bis zur Scheidung zum Unterhalt verpflichtet. Wenn sich ein Ehegatte nicht mehr an die familienrechtlichen Einstandspflichten halten will, ist er in besonderem Maße darlegungsbedürftig, dass eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr besteht und eine endgültige räumliche Trennung vollzogen worden ist. Dabei ist auf äußerliche, objektiv feststellbare Tatsachen abzustellen. Hinzukommen muss der nach außen erkennbare, objektiv hervortretende Wille zumindest eines Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft nicht (wieder) herstellen zu wollen, weil dieser Ehegatte die eheliche Gemeinschaft ablehnt und das Eheband lösen will. Der trennungswillige Ehegatten muss seine Verhaltensabsicht unmissverständlich nach außen zu erkennen geben, denn auch häuslich getrennt lebende Ehegatten können trotz fehlender häuslicher Gemeinschaft die eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 49/09 R, Rn. 13 und 16 sowie Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R, Rn. 17). Dieser Rechtsprechung sind die Landessozialgerichte gefolgt (SächsLSG, Urteil vom 07.06.2012 – L 3 AS 150/10, Rn. 53 f. sowie Urteil vom 06.12.2012 – L 3 AS 720/10, Rn. 42 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2006 – L 5 B 1025/06 AS ER und L 5 B 1026/06 AS ER, Rn. 14; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.08.2005 – L 13 AS 3390/05 ER-B, Rn. 6 ff. und Urteil vom 14.03.2008 – L 8 AS 1358/07, Rn. 31 f.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 12.04.2010 – L 8 AS 136/10 B ER, Rn. 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.02.2013 – L 15 AS 139/09, Rn. 23 ff.).

Wenn die Ehe über eine Zeit des Getrenntlebens von drei Jahren hinaus in der gemeinsamen Ehewohnung fortgesetzt wird, ohne dass ein Partner von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Scheidung durchzusetzen, mangelt es regelmäßig an einem nach außen erkennbaren Trennungswillen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2006 – L 5 B 1025/06 AS ER und L 5 B 1026/06 AS ER, Rn. 14; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.02.2013 – L 15 AS 139/09, Rn. 23 ff.).

Gemessen an diesen Vorgaben sind vorliegend zwar Anhaltspunkte gegeben, die für ein dauerndes Getrenntleben der Eheleute sprechen. So war eine Trennung der häuslichen Gemeinschaft in der gemeinschaftlich benutzten Ehewohnung im streitigen Zeitraum teilweise vollzogen. Nach der glaubhaften Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG war die Vier-Raum-Wohnung so aufgeteilt, dass sie Wohnzimmer und Schlafzimmer und ihr Ehemann Kinderzimmer und Keller genutzt haben. Jeder verfügte sowohl über mindestens einen eigenen Kühlschrank als auch einen eigenen Fernseher. Während sie den Kühlschrank in der Einbauküche nutzte, verwendete ihr Mann die im Korridor und im Keller befindlichen Kühlschränke. Auch nahmen die Eheleute die Mahlzeiten getrennt voneinander ein und erledigten Einkäufe weitgehend losgelöst voneinander.

Des Weiteren existierte eine teilweise Trennung der wirtschaftlichen Gemeinschaft der Ehegatten. So waren die Klägerin und ihr Ehemann seit 2010 getrennt steuerlich veranlagt. Das steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Erklärung über das dauernde Getrenntleben im Sinne des Einkommenssteuergesetzes vom 03.03.2010 fest.

Jedoch überwiegen die gegen ein dauerndes Getrenntleben sprechenden Tatsachen deutlich: So war die Trennung der häuslichen Gemeinschaft nicht vollständig vollzogen. Die gemeinsame Ehewohnung war nicht aufgegeben. Ausweislich des Aktenvermerks des Beklagten vom 26.03.2013 trugen die Ehepartner die Kosten der Ehewohnung im streitigen Zeitraum gemeinsam. Während der Ehemann das Hausgeld zahlte, beglich die Klägerin die Zinsen der Bankkredite. Das änderte sich erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums im Dezember 2013 nach dem Erörterungstermin im Verfahren S 7 AS 7878/13 ER. Zudem befand sich ausweislich des Protokolls des Hausbesuchs im Kleiderschrank im von der Klägerin ausweislich ihrer Einlassung allein genutzten Schlafzimmer nicht allein ihre Garderobe, sondern auch die Bekleidung des Ehemannes. Ausweislich des Prüfberichtes vom 28.09.2012 über den Hausbesuch waren der Briefkasten und die Klingel lediglich mit "M. A ..." beschriftet.

Ungeachtet der Zahlung der Kfz-Haftpflichtversicherung durch den Zeugen durfte die Klägerin das Auto ihres Ehemanns nutzen. Das steht zur Überzeugung der Einzelrichterin des Senats aufgrund der glaubhaften Einlassung der Klägerin vor dem SG fest.

Auch die von der Klägerin anlässlich des Hausbesuchs geäußerte Vorstellung, sich nicht scheiden lassen zu wollen, um im Falle des Todes des Ehemanns Witwenrente beziehen zu können, zeigt ein Festhalten der Klägerin an den Rechten und Pflichten der Ehe. Die diesbezügliche Einlassung der Klägerin hat die Zeugin E in der mündlichen Verhandlung vor dem SG glaubhaft bestätigt.

Entscheidend spricht gegen die Trennung jedoch, dass der Wille mindestens eines Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft nicht wieder herzustellen zu wollen, nicht unmissverständlich nach außen erkennbar war. So war trotz der angeblich bereits 2009 vollzogenen Trennung weder von einem Ehepartner ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden noch war einer der Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Der nach außen erkennbare Trennungswille fehlt nämlich, wenn die Ehegatten nach vollzogener Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft auf Dauer gemeinsam in der Ehewohnung verbleiben, ohne dass mindestens einer von beiden erkennbar die Scheidung anstrebt.

5. Die Klägerin konnte im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.04.2014 sowie im Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.08.2013 ihren Bedarf als Mitglied der aus ihr und ihrem Ehemann bestehenden Bedarfsgemeinschaft unter Anrechnung seiner Altersrente decken.

Bezüglich der Berechnung wird auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen. Einwände hiergegen sind von keiner Seite erhoben worden.

Nach alldem ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

6. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved