L 5 KN 305/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 24 KN 784/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KN 305/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und zeitgleicher Bezug von Arbeitslosengeld - nachträgliche Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger - Rückforderung der überzahlten teilweisen Erwerbsminderungsrente vom Versicherten
Die Frage, wie und in welchem Umfang gegenüber einem Leistungsbezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung diese bei einer späteren, zeitraumgleichen Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufzuheben und zu erstatten ist, wenn der Rentenversicherungsträger aus dem Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung vor Auskehrung an den Versicherten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger (Arbeitslosengeld, Krankengeld) im Wege der Erstattung ausgleicht, ist anhand und auf der Grundlage des konkreten Einzelfalles zu bewerten.
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2016 und der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende vollständige Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. September 2011 sowie über die Erstattung der Überzahlung im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 in Höhe von 3.317,80 Euro.

Der Kläger bezog aufgrund Rehabilitationsantrages vom 9. September 2010 und Rentenbescheides vom 12. April 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. September 2010. Der monatliche Rentenzahlbetrag betrug ab 1. Juni 2011 408,34 Euro sowie ab 1. Juli 2011 412,40 Euro. Die Beklagte lehnte gleichzeitig die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch sowie Klage zum Sozialgericht Dresden (Verfahren S 24 KN 1257/11). Bis 18. August 2011 bezog der Kläger Krankengeld von der Krankenkasse und ab 19. August 2011 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 31,43 Euro täglich (= 942,90 Euro monatlich). Wegen Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes änderte die Beklagte den Rentenbescheid vom 12. April 2011 mit Rentenbescheid vom 26. Oktober 2011 ab und gewährte wegen des anzurechnenden Hinzuverdienstes die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. November 2011 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 206,20 Euro sowie ab 1. Juli 2012 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 210,85 Euro.

Nachdem sich im vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren (S 24 KN 1257/11) die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011 im Rahmen eines sozialgerichtlichen Vergleiches bereit erklärt hatte, forderte sie mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 zunächst die Erstattung der bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 in voller Höhe von 3.317,80 Euro zurück. Mit Rentenbescheid vom 16. Oktober 2012 gewährte sie anstelle der bisherigen Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011; ab 1. Dezember 2012 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 843,91 Euro. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 30. November 2012 in Höhe von 12.472,25 Euro behielt sie vorläufig ein. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Oktober 2012 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2011 in der Gestalt der Folgebescheide mit Wirkung ab 1. September 2011 auf und forderte die Überzahlung der im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) in voller Höhe von 3.317,80 Euro vom Kläger zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger habe nachträglich Einkommen in Form der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011 erzielt, das zum Wegfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung führe. Die Bewilligung sei aufzuheben und der überzahlte Betrag zu erstatten.

Nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Bewilligung von Arbeitslosengeld gegenüber dem Kläger rückwirkend ab 1. September 2011 aufgehoben hatte und mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch für das geleistete Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 in Höhe des kompletten Nachzahlungsbetrages der Rente wegen voller Erwerbsminderung von 11.628,34 Euro (zuzüglich geleisteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) beziffert hatte, erstattete die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit am 3. November 2012 den Betrag von 11.628,34 Euro (sowie weitere Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Den aus der Nachzahlung verbleibenden Restbetrag in Höhe von 843,91 Euro behielt die Beklagte ein.

Mit Abrechnungsmitteilungsschreiben vom 9. November 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass von der einbehaltenen Rentennachzahlung in Höhe von 12.472,25 Euro an die Bundesagentur für Arbeit 11.628,34 Euro erstattet wurden und der Restbetrag in Höhe von 843,91 Euro (in Form der Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Monat November 2012) mit der Rückforderung verrechnet wurde, so dass eine Restzahlung nicht verbliebe. Das Abrechnungsschreiben enthielt den Hinweis, dass die mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 festgestellte Überzahlung in Höhe von 3.317,80 Euro zum Teil in Höhe von 843,91 Euro aus der Nachzahlung einbehalten sei, so dass über den noch zu erstattenden Betrag eine Mitteilung ergehen werde.

Mit Erstattungsbescheid vom 15. November 2012 setzte die Beklagte die mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 in Höhe von 3.317,80 Euro festgesetzte Überzahlungs- und Erstattungsforderung neu fest. Von dem Erstattungsbetrag in Höhe von 3.317,80 Euro sei ein Betrag in Höhe von 843,91 Euro aus der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 16. Oktober 2012 einbehalten worden. Der zu erstattende Betrag belaufe sich daher nur noch auf 2.473,89 Euro. Mit Auszahlungs- bzw. Retourmitteilungsschreiben vom 27. November 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Einbehaltung der Novemberrente in Höhe von 843,91 Euro zur Aufrechnung der bestehenden Überzahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu Unrecht erfolgt sei, da keine Zeitgleichheit vorgelegen habe. Der Betrag in Höhe von 843,91 Euro sei daher zur Auszahlung an den Kläger gebracht worden.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. November 2012. Im Widerspruchsbegründungsschriftsatz vom 27. Dezember 2012, mit dem er die Rechtswidrigkeit der Rückforderung geltend machte, stellte er zugleich vorsorglich einen Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 16. Oktober 2012. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 zurück: Wegen der rückwirkend gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung habe zunächst der Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit befriedigt werden müssen. Der Restbetrag sei nach der Aufhebung vom Kläger wegen nachträglicher Einkommenserzielung zu erstatten.

Die hiergegen am 14. Mai 2013 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die rückwirkende Aufhebung und Erstattung sei rechtmäßig, da nachträglich Einkommen in Form der vollen Erwerbsminderungsrente erzielt worden sei. Von den beiden Renten sei nur die höchste zu leisten gewesen, so dass die niedrigere teilweise Erwerbsminderungsrente rückwirkend entfallen sei. Der Arbeitslosengeldanspruch sei ebenfalls erloschen und wegen der Erfüllungsfiktion von der Beklagten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten gewesen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, so dass die Überzahlung vom Kläger zu erstatten sei.

Gegen den am 30. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. April 2016 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die rückwirkend verfügte Aufhebung und Erstattung des Betrages der gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe sei nicht rechtens. Wegen der vollständigen Erstattung des gezahlten Arbeitslosengeldes durch die Beklagte sei von der Überzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Kläger nichts übrig geblieben. Eine Doppelzahlung liege daher nicht vor. Insofern sei von der rückwirkenden Aufhebung des Rentenbescheides und von der Rückforderung abzusehen, da ein atypischer Fall vorliege. Der Kläger habe die Leistung gutgläubig verbraucht und zur Rückzahlung stünden ihm nur die laufenden Bezüge in Form der vollen Erwerbsminderungsrente zur Verfügung. Im Übrigen würde er durch die Rückforderung im Nachhinein grundsicherungsbedürftig. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er im Rückforderungszeitraum Unterhaltszahlungen an seine minderjährigen Kinder erbracht habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2016 sowie den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Kläger hat Kontoauszüge für den Zeitraum von September 2011 bis April 2016 vorgelegt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Denn der Kläger ist nicht zur Erstattung der von der Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden verfügten Überzahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Höhe von 3.317,80 Euro verpflichtet.

1. Klarstellend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens – neben dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2016 – der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 ist. Die Bescheide der Beklagten sind als eine Einheit zu betrachten, weil sie die jeweils streitgegenständlichen Erstattungsverfügungen, also die (Rück-)Zahlungsaufforderung gegenüber dem Kläger, jeweils ersetzen, abändern oder ergänzen. Der erste ursprüngliche Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012, der sich in der Verwaltungsakte befindet und von den Beteiligten bislang in keiner Weise berücksichtigt wurde, verfügte gegenüber dem Kläger bereits ein Zahlungsgebot bezüglich der im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) in Höhe von 3.317,80 Euro, ohne dass diesem Zahlungsgebot eine vorangegangene oder gleichzeitige Rücknahme- oder Aufhebungsverfügung zu Grunde lag. Dieser (isoliert betrachtete) Bescheid ist daher bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil ihm keine Rücknahme- oder Aufhebungsverfügung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu Grunde lag. Die erforderliche Aufhebungsverfügung holte die Beklagte erst mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Oktober 2012 nach und ersetzte durch eine weitere Verfügung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X gleichzeitig das zuvor rechtswidrig verfügte (Rück-)Zahlungsgebot: Sie hob die mit Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung nachfolgender Bescheide bewilligte Zahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) nachträglich mit Wirkung ab 1. September 2011 auf und forderte die dadurch entstandene Überzahlung bezüglich der im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) in Höhe von 3.317,80 Euro zurück. Den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Oktober 2012 wiederum änderte die Beklagte mit dem Erstattungsbescheid vom 15. November 2012 ab, indem sie – wie sie auch ausdrücklich im Verfügungssatz verlautbarte – den mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 festgestellten / festgesetzten Erstattungsbetrag, also das (Rück-)Zahlungsgebot, von 3.317,80 Euro um 843,91 Euro auf 2.473,89 Euro wegen der "verrechneten Einbehaltung" des nachzuzahlenden Rentenbetrages der Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Monat November 2012 reduzierte. Den Erstattungsbescheid vom 15. November 2012 wiederum änderte die Beklagte abermals mit der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 ab, indem sie die "verrechnete Einbehaltung" des nachzuzahlenden Rentenbetrages der Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Monat November 2012 rückgängig machte, den Betrag von 843,91 Euro an den Kläger zur Auszahlung verfügte und damit – inzident – den Erstattungsbetrag, also das (Rück-)Zahlungsgebot, bezüglich der im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) wieder in Höhe von 3.317,80 Euro festsetzte. Der Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 ist kraft Gesetzes (§ 95 SGG) Gegenstand des Verfahrens.

Vor diesem Hintergrund sind die jeweils von den Kläger-Prozessbevollmächtigten vorsorglich nach § 44 Abs. 1 SGB X gestellten Überprüfungsanträge (im Widerspruchsbegründungsschriftsatz vom 27. Dezember 2012 sowie im Schriftsatz vom 15. Mai 2013), gerichtet auf Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012, obsolet und wirkungslos, weil im Zeitpunkt der Überprüfungsantragstellung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Oktober 2012 nicht bestandkräftig (geworden) ist. Insoweit ist deshalb auch zu konstatieren, dass auch die von der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Februar 2014 geäußerte Ansicht, der Bescheid vom 16. Oktober 2012 sei bestandkräftig, unzutreffend ist.

2. Rechtsgrundlage für den von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch ist nicht § 50 Abs. 1 SGB X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Denn die Aufhebungsverfügung im angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 2012 ist rechtswidrig.

Die rückwirkende Aufhebungsverfügung durfte die Beklagten nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X stützen. Einschlägig von den dort geregelten vier Varianten kann vorliegend nur § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sein. Nach dieser Norm soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, bei dem eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Im konkreten Fall liegen zwar die tatbestandlichen Aufhebungsvoraussetzungen, die zur rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsaktes berechtigen können, vor: Die Verhältnisse, die dem Bescheid vom 12. April 2011 über die Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. September 2010 zugrunde lagen, hatten sich nachträglich, also nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 12. April 2011, mit Wirkung ab 1. September 2011 wesentlich geändert. Denn die rückwirkende, nämlich mit Wirkung ab 1. September 2011 verfügte, Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 führte zu einer rückwirkenden, mit Wirkung ab 1. September 2011 greifenden, Zahlungssperre für die niedrigere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit). Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur die höchste Rente geleistet. Dass es sich bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung einerseits und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung andererseits um jeweils selbständige Rentenansprüche handelt, belegen die Vorschriften des § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB VI einerseits und des § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB VI andererseits. Weil die Norm des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI lediglich hinsichtlich der Rentenleistung eine Regelung trifft, bezieht sie sich nur auf den Rentenzahlanspruch und lässt damit den Anspruch auf Rente dem Grunde nach unberührt. Dies bedeutet, dass bei konkurrierenden Rentenansprüchen im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI beide Rentenansprüche dem Grunde nach bestehen bleiben, der Zahlungsanspruch der niedrigeren Rente während der Dauer des Bezugs der höheren Rente aber nicht entsteht bzw. bei rückwirkender Bewilligung einer höheren Rente nachträglich entfällt (BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 27). Dieser nachträgliche Wegfall des Zahlungsanspruchs auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) gemäß §§ 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 und Abs. 1 Satz 1 SGB VI stellte daher eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen dar. Es liegen auch die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung mit Wirkung ab Eintritt der wesentlichen Änderung vor: Die (rückwirkende) Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011 mit Rentenbescheid vom 16. Oktober 2012 erfüllt auch das Tatbestandmerkmal des "Erzielens von Einkommen" (anderer Ansicht: Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - L 7 R 92/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 32f. [Revision anhängig unter B 13 R 3/17 R]; SG München, Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2015 - S 31 R 990/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 27ff). Zwar ist dem Kläger der Zahlbetrag der nachträglich auch für den Aufhebungszeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht tatsächlich durch Überweisung von der Beklagten zugeflossen; vielmehr ist dieser Zahlbetrag von der Beklagten tatsächlich an die Bundesagentur für Arbeit zur Erfüllung des Anspruchs auf Erstattung des im selben Zeitraum an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes (§ 103 Abs. 1 SGB X) überwiesen worden. Ein "Erzielen von Einkommen" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegt jedoch auch dann vor, wenn die zusätzliche, weitere Sozialleistung, wie hier die Rente wegen voller Erwerbsminderung, an einen anderen Leistungsträger zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs oder verrechnungsweise weitergeleitet bzw. direkt überwiesen worden ist (BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 46/90 - JURIS-Dokument, RdNr. 23 ff.; BSG, Urteil vom 13. August 1986 - 7 RAr 33/85 - JURIS-Dokument, RdNr. 23; inzident so auch: BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 33). Auch die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, dass das verschuldensunabhängige, vertrauensausschließende Aufhebungsrecht der Verwaltungsbehörde nach dieser Norm der Höhe nach auf den Betrag des nachträglich erzielten zusätzlichen Einkommens bzw. der nachträglich bewilligten Sozialleistung beschränkt ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 13 RJ 39/94 - SozR 3-1300 § 48 Nr. 37, S. 80 mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19), ist vorliegend erfüllt. Denn der Zahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung ist höher als der Zahlbetrag der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit).

Rechtsfolge des Vorliegens der Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist, dass die Aufhebung des Verwaltungsakts mit Wirkung auch für die Vergangenheit erfolgen "soll". Die im Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2012 verfügte (vollständige) Aufhebung der gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ist aber deshalb rechtswidrig, weil die Ermessensausübung fehlerhaft ist.

Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Dabei ist die Ent¬schei¬dung, ob ein aty¬pi-scher Fall vor¬liegt, nicht Teil der Ermes¬sens¬ent¬schei¬dung, son¬dern die¬ser vor¬ge¬la¬gert und damit von den Gerich¬ten in vol¬lem Umfang nach¬prüf¬bar (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 5 RE 1/15 R - JURIS-Dokument, RdNr. 23 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Gerichte dür¬fen des¬halb den ange¬foch¬te¬nen Bescheid wegen feh¬len¬der Ermes¬sens¬aus-übung auf¬he¬ben, wenn die Prü¬fung ergibt, dass ein aty¬pi¬scher Fall gege¬ben ist (BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 29/93 - JURIS-Dokument, RdNr. 28).

Ob ein atypischer Fall vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 5 RE 1/15 R - JURIS-Dokument, RdNr. 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Derartige besondere Einzelfallumstände, die den konkreten Fall atypisch erscheinen lassen, liegen hier vor und wurden von der Beklagten nicht berücksichtigt, sodass die Aufhebungsverfügung rechtswidrig und aufzuheben ist:

a) Im hier konkret anhängigen Fall kann zunächst dahingestellt bleiben, ob sich die Atypizität des konkreten Falles bereits aus dem Umstand ergibt, dass dem Kläger, wegen der vollständigen Erstattung des im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 gezahlten Arbeitslosengeldes durch die Beklagte an die Bundesagentur für Arbeit, von der nachträglich erzielten, zum nachträglichen Wegfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung führenden, Rente wegen voller Erwerbsminderung keinerlei tatsächliche Nachzahlung im Erstattungszeitraum verbleibt. Eine tatsächliche Doppelzahlung, deren Abschöpfung § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X dem Grunde und seinem Sinn nach bezweckt (BSG, Urteil vom 5. Juni 2003 - B 11 AL 70/02 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff. mit weiteren Nachweisen), ist ihm deshalb nicht zugeflossen. Die Überzahlung resultiert einzig und allein daraus, dass das gezahlte Arbeitslosengeld als gezahlte Rente wegen voller Erwerbsminderung fingiert wird (§ 107 Abs. 1 SGB X) und der Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit nach § 103 SGB X nicht auf den Differenzbetrag zwischen der Rente wegen Erwerbsminderung und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) begrenzt ist (BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 26 ff.). Insoweit weicht die vorliegende konkrete Fallkonstellation vom Normalfall des Aufhebungstatbestands des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, bei dem, dem Berechtigten sich gegenseitig ausschließende tatsächliche Doppelzahlungen tatsächlich zugeflossen sind, signifikant ab, zumal die nachträgliche Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Kläger erst im Rahmen eines gerichtlichen Klageverfahrens (Klageverfahren vor dem SG Dresden unter dem Aktenzeichen: S 24 KN 1257/11) erstritten werden musste und sich die Beklagte zur Anerkennung eines Leistungsfalles einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (im August 2011) erst ein Jahr nach dessen Eintritt bereit erklärte (gerichtlicher Vergleich vom 4. September 2012). Das nachträglich erzielte, dem Kläger nicht tatsächlich, sondern lediglich im Wege der an einen anderen Leistungsträger durch Erstattung, "doppelt" zugeflossene Einkommen beruht somit auf Umständen, die gänzlich außerhalb seiner Verantwortungssphäre lagen und sich außerhalb seines steuernden und steuerbaren Macht- und Einflussbereichs vollzogen haben. Zwar begründen die hier in Rede stehenden Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung als selbständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche, jeweils selbständige Leistungsverhältnisse mit der Folge, dass bei Eintritt einer Leistungsstörung – zum Beispiel auf Grund des späteren Wegfalls des Rechts- oder Zahlungsgrundes der Leistung – dasjenige Leistungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in dem die Störung entstanden ist, währenddessen das andere Leistungsverhältnis Kraft seiner Selbstständigkeit von dieser Störung unberührt bleibt (BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Mai 2015 - L 14 R 97/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 35 [auf die Revision vom BSG im Verfahren B 5 R 26/15 R aufgehoben]). Hieraus folgt jedoch lediglich, dass es sachgerecht ist den Nachzahlungsbetrag aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung in vollem Umfang – und nicht nur in Höhe des Betrages, der nach Abzug der geleisteten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verbleibt – zur Erfüllung der Erstattungsansprüche der anderen Leistungsträger zu verwenden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestanden hat und damit die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie das (Krankengeld und/oder) Arbeitslosengeld zu Unrecht gezahlt worden sind (nur insoweit zutreffend: Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Mai 2015 - L 14 R 97/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 36). Welche Konsequenzen aus der eingetretenen Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Rentenbezieher und der Rentenversicherung folgen, wird hierdurch aber weder unmittelbar noch zwingend festgelegt. Denn die eine rückwirkende vollständige Aufhebung rechtfertigende Vorschrift des § 48 SGB X soll weder unmittelbar noch zwingend sicherstellen, "dass der Versicherte im Ergebnis jedenfalls den Betrag erhält, der ihm aufgrund seines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zustand" (so aber: Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Mai 2015 - L 14 R 97/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 36). Die Norm verfolgt dieses Ziel nur dann, wenn der konkrete Sachverhalt typischerweise diese rückwirkende vollständige Aufhebung verlangt. Umstände die außerhalb des Einfluss- und Verantwortungsbereichs des Rentenbeziehers liegen und in die Risikosphäre der Rentenversicherung fallen, können ein anderes Ergebnis im Einzelfall erfordern. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn der Rentenversicherungsträger den Versicherten bei Antragstellung auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung konkret darauf hinweist oder ihn konkret darüber aufgeklärt (§§ 13 und 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), dass im Falle der rückwirkenden Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bei bereits bewilligtem Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld und/oder Krankengeld, sowohl die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (rückwirkend) aufgehoben oder gar zurückgenommen werden muss, als auch die Nachzahlung der später (rückwirkend) gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst zur Erstattung des vollständig bezogenen Arbeitslosen- bzw. Krankengeldes verwendet werden muss, sodass sich für die Vergangenheit zu Lasten des Versicherten eine Erstattungspflicht ergeben kann. Eine derartige Aufklärung oder Beratung hat die Beklagte hier unterlassen.

b) Jedenfalls folgt die Atypizität im konkreten vorliegenden Fall aus dem Umstand, dass der Kläger infolge des Wegfalls der aufgehobenen und vollständig zurückgeforderten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken bzw. (vermehrt) sozialhilfebedürftig würde, ohne diese nachträglich eintretende Sozialhilfebedürftigkeit ausgleichen zu können. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zielt nur darauf ab, dem Sozialversicherungsträger die Möglichkeit der Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ab Änderung der Verhältnisse zur Herstellung der materiellen Gerechtigkeit zu geben. Dagegen ist es nicht Sinn und Zweck dieser Regelungen, dem Versicherten ein über die Erstattungspflicht nach § 50 SGB X hinausgehendes zusätzliches "Sonderopfer" abzuverlangen. Ein solches stellt aber der nachträgliche, nicht auszugleichende Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit dar (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 5 RE 1/15 R - JURIS-Dokument, RdNr. 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ein im Vergleich zum Normalfall des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 50 SGB X zusätzlicher Schaden ist zu bejahen, wenn der Betroffene (höhere) Sozialhilfeansprüche zur Sicherung seines aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, welche ihm zugestanden hätten, wenn die zurückgeforderten Sozialleistungen nicht zugeflossen wären, rückwirkend nicht mehr geltend machen kann. Er hätte dann im Ergebnis wegen der Pflicht zur Rückzahlung aus seinem gegenwärtigen Einkommen und Vermögen solche Leistungen zu ersetzen, auf die er in der Vergangenheit einen Anspruch gehabt hätte.

Eine solche (vermehrte) Sozialhilfebedürftigkeit, die bei der hier von der Beklagten verfügten vollständigen Rückforderung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 rückwirkend eintreten würde, hat der Kläger hinreichend dargelegt:

Der sozialhilferechtliche Bedarf in Form der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung im Sinne des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) setzte sich wie folgt zusammen: - Der Regelbedarf (§§ 27a, 28 SGB XII) für den alleinstehenden Kläger betrug im Jahr 2011 monatlich 364,00 Euro und im Jahr 2012 monatlich 374,00 Euro. - Als Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 35 SGB XII) hat der Kläger unter Vorlage seiner Kontoauszüge der Jahre 2011 und 2012 (Bl. 90-92 der Gerichtsakte) einen Betrag in Höhe von (gleichbleibend jeweils) 420,00 Euro monatlich plausibel dargelegt. Der sozialhilferechtliche Bedarf des Klägers belief sich daher von September bis Dezember 2011 auf einen Betrag in Höhe von 784,00 Euro monatlich und von Januar bis Oktober 2012 auf einen Betrag in Höhe von 794,00 Euro monatlich.

Als bedarfsminderndes Einkommen (§ 43 SGB XII) ist, bei vollständigem Wegfall der zurückgeforderten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und des in voller Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung erstatteten Arbeitslosengeldes, zu Grunde zu legen der (hypothetische) Zahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie der dem Kläger verbliebene Betrag des restlichen Arbeitslosengeldes. Der (hypothetische) Zahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung betrug im Zeitraum von September 2011 bis Juni 2012 (jeweils) monatlich 825,27 Euro und im Zeitraum von Juli 2012 bis Oktober 2012 (jeweils) monatlich 843,91 Euro. Der verbliebene Betrag des restlichen Arbeitslosengeldes betrug im Zeitraum von September 2011 bis Juni 2012 (jeweils) monatlich (942,90 Euro – 825,27 Euro =) 117,63 Euro und im Zeitraum von Juli 2012 bis Oktober 2012 (jeweils) monatlich (942,90 Euro - 843,91 Euro =) 98,99 Euro. Das Einkommen des Klägers betrug damit bei vollständigem Wegfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) im gesamten streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungszeitraum (jeweils) monatlich 942,90 Euro.

Von diesen monatlichen Nettoeinkommensbeträgen wären weitere Absetzungen vorzunehmen, und zwar für Beträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII). Diesbezüglich hat der Kläger beispielsweise mit dem Kontoauszug für den Monat September 2011 (Bl. 92 Rückseite der Gerichtsakte) einen Betrag für Versicherungen (Haftpflichtversicherung) bei der ERGO-Versicherung in Höhe von 48,70 Euro nachgewiesen.

Zu berücksichtigen sind im vorliegenden Fall darüber hinaus die Unterhaltszahlungen, die der Kläger tatsächlich im streitbefangenen Aufhebungs- und Erstattungszeitraum (1. September 2011 bis 31. Oktober 2012) an seine Kinder, ausgehend von dem ihm in diesem Zeitraum (ursprünglich) tatsächlich zur Verfügung stehendem Einkommen, erbracht hat. Zwar können im Rahmen einer tatsächlichen sozialhilferechtlichen Bedürftigkeitsprüfung keine (freiwilligen) Unterhaltszahlungen einkommensmindernd abgesetzt werden, weil die Sozialhilfe nicht dazu dient Unterhalt an andere Personen zu erbringen. Im Rahmen der hier lediglich anzustellenden rückschauenden hypothetischen Bedürftigkeitsprüfung müssen diese tatsächlich vom Kläger, zu einem Zeitpunkt zu dem ihm das Arbeitslosengeld und die Rente wegen teilweise Erwerbsminderung tatsächlich zur Verfügung stand, geleisteten Unterhaltszahlungen aber berücksichtigt werden, weil er rückwirkend keinen Anspruch auf Rückzahlung der Unterhaltsleistungen geltend machen kann. Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge (Bl. 90-92 der Gerichtsakte) hat der Kläger Unterhaltszahlungen zugunsten seiner Kinder in folgenden Höhen nachgewiesen: - von September bis November 2011 in Höhe von jeweils 305,30 Euro monatlich, - im Dezember 2011 in Höhe von 99,10 Euro, - von Februar bis Mai 2012 in Höhe von jeweils 379,10 Euro monatlich, - von Juni bis Juli 2012 in Höhe von jeweils 410,00 Euro monatlich und - von August bis Oktober 2012 in Höhe von jeweils 415,00 Euro monatlich.

Damit ergibt sich bezüglich des streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungszeitraumes vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 folgendes Bild bezüglich der nachträglichen, nicht abzuwendenden Sozialhilfebedürftigkeit bei vollständiger Rückforderung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung:

Monat Bedarf zur Verfügung stehendes Einkommen Sozialhilfe- bedürftigkeit September 2011 784,00 EUR (942,90 – 48,70 – 305,30 =) 588,90 EUR 195,10 EUR Oktober 2011 784,00 EUR (942,90 – 305,30 =) 637,60 EUR 146,40 EUR November 2011 784,00 EUR (942,90 – 305,30 =) 637,60 EUR 146,40 EUR Dezember 2011 784,00 EUR (942,90 – 99,10 =) 843,80 EUR keine Januar 2012 794,00 EUR 942,90 keine Februar 2012 794,00 EUR (942,90 – 379,10 =) 563,80 EUR 230,20 EUR März 2012 794,00 EUR (942,90 – 379,10 =) 563,90 EUR 230,20 EUR April 2012 794,00 EUR (942,90 – 379,10 =) 563,80 EUR 230,20 EUR Mai 2012 794,00 EUR (942,90 – 379,10 =) 563,80 EUR 230,20 EUR Juni 2012 794,00 EUR (942,90 – 410,00 =) 532,90 EUR 261,10 EUR Juli 2012 794,00 EUR (942,90 – 410,00 =) 532,90 EUR 261,10 EUR August 2012 794,00 EUR (942,90 – 415,00 =) 527,90 EUR 266,10 EUR September 2012 794,00 EUR (942,90 – 415,00 =) 527,90 EUR 266,10 EUR Oktober 2012 794,00 EUR (942,90 – 415,00 =) 527,90 EUR 266,10 EUR = 2.533,20 EUR

Die Rückforderung der im Zeitraum von September 2011 bis Oktober 2012 gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) erweist sich im Hinblick auf die rückwirkend eintretende Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers, als Sonderopfer, das mit dem Zweck der Aufhebung nicht mehr in Einklang steht.

Soweit die Beklagte wiederholt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 7. September 2010 (B 5 KN 4/08 R) ausführte, der Betrag, der sich über der ermittelten, effektiv als Zahlbetrag zur Verfügung stehenden Nachzahlung ergibt, vom Kläger zu erstatten ist, weil der Erstattungsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, durch den Träger der Rentenversicherung, nicht auf den Differenzbetrag der Rentenleistung begrenzt ist (vgl. dazu umfassend: BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 26 ff.), verkennt sie, dass ein vollständiges rückwirkendes Aufhebungsrecht und eine damit verbundene Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger nur besteht, wenn auch die Voraussetzungen eines solchen rückwirkenden Aufhebungsrechts im jeweiligen konkreten Einzelfall gegeben sind. Insoweit hat das BSG ausdrücklich klargestellt, dass der Entscheidung vom 7. September 2010 (B 5 KN 4/08 R) "auch nicht etwa ein Rechtssatz des Inhalts zu entnehmen [ist], dass in Fällen des § 89 SGB VI stets § 48 SGB X zur Anwendung kommen müsse" (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 7. April 2016 - B 5 R 26/15 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32), wie man dem dortigen, insoweit allerdings nicht am konkreten Fall geprüften, Hinweis auf das Aufhebungsrecht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (BSG, Urteil vom 7. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - JURIS-Dokument, RdNr. 33) vermeintlich entnehmen könnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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