S 11 AL 8/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 8/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen und die damit verbundene Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 195 Tage.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war vom 00.00.1998 bis zum 00.00.2001 als Baustellencontroller bei der Firma Q C GmbH & Co KG in I beschäftigt. Es bestand eine vertragliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende. Am 00.00.2001 unterzeichnete der Kläger einen Aufhebungsvertrag, mit dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von DM 90.000,00 zum 00.00.2001 beendet wurde.

Der Kläger meldete sich am 03.07.2001 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In der beigefügten Arbeitsbescheinigung gab der Arbeitgeber an, dass betriebliche Gründe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Die Sozialauswahl sei durchgeführt worden.

Mit Bescheid vom 22.10.2001 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen für den Zeitraum vom 00.00.2001 bis zum 00.00.2001 gemäß § 144 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) fest. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis selbst aufgegeben, da er dieses durch Aufhebungsvertrag gelöst habe. Dabei sei es unerheblich, von wem die Initiative ausgegangen sei. Entscheidend sei vielmehr, dass der Aufhebungsvertrag ohne seine Zustimmung nicht zustande gekommen wäre. Er habe voraussehen müssen, dass er durch dieses Verhalten arbeitslos werden würde. Er habe hierfür auch keinen wichtigen Grund gehabt. Insbesondere sei die Einhaltung der Kündigungsfrist zum 00.00.2001 zumutbar gewesen. Ebensowenig seien Umstände ersichtlich, die das Vorliegen einer besonderen Härte rechtfertigen würden. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 128 SGB III um ein Viertel der Anspruchsdauer, d.h. um 195 Tage.

Mit Bescheid vom gleichen Tage stellte die Beklagte außerdem fest, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 00.00.2001 bis zum 00.00.2001 gemäß § 143 a SGB III ruhe. Der Kläger habe das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet und wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von 90.000,00 DM erhalten. Der Anspruch ruhe daher so lange, wie 45 v.H. der Abfindung dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt entsprächen, längstens jedoch bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Arbeitsverhältnis bei ordentlicher Kündigung geendet hätte. Das sei hier der 00.00.2001.

Gegen beide Bescheide wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 05.11.2001. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages sei für den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht ursächlich gewesen, da der Arbeitgeber ihm anderenfalls rechtmäßig betriebsbedingt gekündigt hätte. Zumindest sei ihm insofern kein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. In jedem Fall sei aber die Verkürzung der Anspruchsdauer um 195 Tage unverhältnismäßig, da dieser Zeitraum deutlich länger sei als die verhängte Sperrzeit. Daneben sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da ein Arbeitsloser mit einer hohen Anspruchsdauer durch die Ein-Viertel-Regelung des § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gegenüber einem Arbeitslosen mit einer geringen Anspruchsdauer benachteiligt würde.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 09.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen beide Bescheide jeweils als unbegründet zurück.

Mit der am 15.01.2002 erhobenen Klage wendet sich der Kläger nur noch gegen den Eintritt der Sperrzeit und die damit verbundene Minderung der Anspruchsdauer. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, dass ihm der Arbeitgeber schon weit vor März 2001 angekündigt habe, dass er das Arbeitsverhältnis beenden werde. Folglich wäre ihm, wenn er seine Bereitschaft zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht signalisiert hätte, sofort gekündigt worden mit der Folge, dass die sechsmonatige Kündigungsfrist zum 00.00.2001 eingehalten worden wäre.

Der Kläger beantragt,

den Sperrzeitbescheid vom 22.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat sowohl den Eintritt der zwölfwöchigen Sperrzeit als auch die Minderung der Anspruchsdauer um 195 Tage zu Recht verfügt, da der Kläger der vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zugestimmt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben.

Gemäß § 144 Absatz 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Arbeitslose hat das Arbeitsverhältnis gelöst, wenn er es selbst gekündigt oder, wie das hier geschehen ist, durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beendet hat. Es genügt, dass der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer oder, was hier der Fall gewesen sein dürfte, vom Arbeitgeber ausgegangen ist (Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 12.04.1984, Az. 7 RAr 28/83, Urteil vom 13.08.1986, Az. 7 RAr 1/86).

Durch diese Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit ab dem 00.00.2001 herbeigeführt, und zwar zumindest grob fahrlässig. Der Arbeitnehmer führt mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit wenn nicht vorsätzlich, so doch grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (st. Rechtsprechung des BSG, seit Urteil vom 20.04.1977, Az. 7 RAr 112/75). Solche Aussichten bestanden nicht.

Der Kläger kann sich für sein Verhalten auch nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Was als wichtiger Grund im Sinne des § 144 Absatz 1 SGB III anzusehen ist, hat das Gesetz nicht näher bestimmt. Die Sperrzeitregelung beruht auf dem Grundgedanken, dass sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, dass Anspruchsberechtigte das Risiko ihrer Arbeitslosigkeit manipulieren. Andererseits gibt es Lebenssachverhalte, die eine Aufgabe der Arbeit als gerechtfertigt erscheinen lassen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 20.04.1977, Az. 7 RAr 112/75). Der wichtige Grund muss dabei auch den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken, d.h. der Arbeitslose muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Beschäftigungsverhältnis zu dem bestimmten, von ihm gewählten Zeitpunkt auflöst (BSG, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles war dem Kläger im Interesse der Versichertengemeinschaft die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar. Zwar wird man in der Regel dann einen wichtigen Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bejahen müssen, wenn der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis anderenfalls rechtmäßig betriebsbedingt gekündigt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2002, B 11 AL 100/01 R). Hierzu ist allerdings erforderlich, dass der Arbeitgeber die Kündigungsfrist eingehalten hätte. Letztere Voraussetzung liegt hier nicht vor. Am 00.00.2001 (Datum der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages) hätte der Arbeitgeber dem Kläger frühestens zum 00.00.2001 kündigen können. Ob der Arbeitgeber ihm bereits im Vorfeld fristgerecht zum 00.00.2001 gekündigt hätte, wenn er sein Einverständnis zu einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht signalisiert hätte, ist ohne Belang, da am 00.00.2001 tatsächlich noch keine Kündigung ausgesprochen war.

Die Sperrzeit von 12 Wochen stellt nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen für den Kläger auch keine besondere Härte dar. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach den Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer von zwölf Wochen im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist. Außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende sowie nach Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses eingetretene Umstände können grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (BSG, Urteil vom 21.07.1988, Az. 7 RAr 41/86). Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die rechtlichen Folgewirkungen, die mit dem Eintritt einer Regelsperrzeit verbunden sind, mitzubedenken und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes zu beachten (BSG, Urteil vom 15.11.1995, 7 RAr 32/95). Diesen Grundsätzen ist vorliegend jedoch Genüge getan. Die gesetzlichen Rechtsfolgen alleine treffen den Kläger nicht in unverhältnismäßiger Weise. Sinn der Sperrzeitregelung des § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III und der daraus resultierenden Regelung über die Minderung der Anspruchsdauer des § 128 Absatz 1 Nr. 4 SGB III um ein Viertel des Gesamtanspruchs ist es, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat. Die Rechtsfolgen einer Sperrzeit stellen also keine Vertragsstrafe und keinen pauschalierten Schadensausgleich dar, sondern sie verfolgen das Ziel, die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls zu verhindern, wenn hierfür kein wichtiger Grund vorliegt (BSG, Urteil vom 04.09.2001, B 7 AL 4/01 R). Insoweit ist die Neuregelung der Vorgängervorschrift, § 110 Satz 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wonach sich nach Eintreten einer Regelsperrzeit die Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel (statt wie zuvor nur um die Tage der Sperrzeit) mindert, im Hinblick darauf erfolgt, dass das Verhältnis der beitragspflichtigen Beschäftigung zur Anspruchsdauer bereits zuvor (ab 01.07.1987) herabgesetzt worden war und die Höchstdauer des Anspruchs von zunächst 12 Monaten ab Vollendung des 42. Lebensjahres je nach Lebensalter und Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung auf maximal 32 Monate angestiegen war. Diese Leistungsverbesserungen erforderten einen stärkeren Schutz der Arbeitslosenversicherung vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Leistungen. Der verlängerte Versicherungsschutz konnte einen nicht unerheblichen Anreiz darstellen, das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund aufzugeben und zwar insbesondere für ältere Arbeitnehmer, die auf Anraten des Arbeitgebers oder aus eigenem Entschluss aus dem Arbeitsleben ausschieden. Dem sollte die Gesetzesänderung entgegenwirken (BSG, a.a.O.). Sie ist insoweit geeignet und erforderlich.

Die Regelung des § 128 Absatz 1 Nr. 4 SGB III trifft den Kläger auch nicht unangemessen oder in unzumutbarer Weise. Er hat das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und damit den Eintritt der Arbeitslosigkeit durch die Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 00.00.2001 um mindestens drei Monate (unterstellt man eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung zum 00.00.2001) vorverlegt. Verlängert aber der Gesetzgeber für über 42-jährige Arbeitslose die Anspruchsdauer, weil bei älteren Arbeitnehmern das Risiko einer längeren Arbeitslosigkeit eher als bei jüngeren Arbeitnehmern besteht, so ist es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf dieses erhöhte Risiko einer aktiven Beteiligung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls verstärkt entgegenwirkt. Mit der Kürzung der Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel bleibt die Regelung hierbei innerhalb des auch für jüngere Arbeitnehmer geltenden Rahmens. Denn auch bei diesen ergab sich schon vor Einführung der Kürzung um mindestens ein Viertel aus dem Eintritt der Regelsperrzeit eine Kürzung der Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit, also um etwa ein Viertel.

Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 144 Absatz 2 Satz 1 SGB III). Das war hier das Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 00.00.2001. Die Sperrzeit beginnt daher am 00.00.2001 und endet am 00.00.2001.

Durch den Eintritt der Regelsperrzeit von 12 Wochen mindert sich der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld gemäß § 128 Absatz 1 Nr. 4 SGB III um ein Viertel der Anspruchsdauer, d.h. um 195 Tage. Die Bedenken des Klägers an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift konnte die Kammer nicht teilen. Insbesondere sieht sie den Gleichheitsgrundsatz nicht als verletzt an, da nicht gleiche Sachverhalte ungleich, sondern ungleiche Sachverhalte, nämlich Arbeitslose unterschiedlichen Alters und mit verschiedener Anspruchsdauer entsprechend ihrer Ungleichheit unterschiedlich behandelt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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