Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AS 3148/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 476/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 77/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. In § 3 UnbilligkeitsV wird auf ein Zeitmoment ("in nächster Zukunft") abgestellt. Eine erweiternde Auslegung, bei der an die Stelle dieses Zeitaspekt der finanzielle Aspekt des geringen Umfanges des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II treten würde, würde die Wortlautgrenze der Regelung in § 3 UnbilligkeitsV überschreiten.
2. Für eine analoge Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
3. Die Regelungen in SGB II zur Pflicht, eine vorzeitige Altersrente beantragen zu müssen, sind verfassungsgemäß
4. Wenn im Rahmen von § 12a SGB II die Wahl zwischen zwei vorrangigen Sozialleistungen besteht, hat diejenige Sozialleistung Vorrang, mit der die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten weitergehend verkürzt oder vermindert oder sogar in Gänze beseitigt wird.
5. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II ermächtigt ein Jobcenter nicht, Widerspruch gegen den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers, mit dem eine Regelaltersrente bewilligt worden ist, einzulegen.
2. Für eine analoge Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
3. Die Regelungen in SGB II zur Pflicht, eine vorzeitige Altersrente beantragen zu müssen, sind verfassungsgemäß
4. Wenn im Rahmen von § 12a SGB II die Wahl zwischen zwei vorrangigen Sozialleistungen besteht, hat diejenige Sozialleistung Vorrang, mit der die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten weitergehend verkürzt oder vermindert oder sogar in Gänze beseitigt wird.
5. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II ermächtigt ein Jobcenter nicht, Widerspruch gegen den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers, mit dem eine Regelaltersrente bewilligt worden ist, einzulegen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. März 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Der am 1952 geborene Kläger war erwerbslos. Er bezog eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (im Folgenden: Rentenversicherungsträger) ab 1. Juli 2015 in Höhe von 828,03 EUR brutto (= 736,54 EUR netto) und ab 1. Juli 2016 in Höhe von 877,25 EUR brutto (= 780,31 EUR netto). Ergänzend bezog er zusammen mit seiner 1956 geborenen Ehefrau vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweiten Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Ihnen wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 für November 2015 bis April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Oktober 2015 für Januar 2016 bis April 2016 und vom 12. November 2015 für November 2015 bis Dezember 2015 zunächst vorläufig und sodann mit Änderungsbescheid vom 11. Mai 2016 für Februar 2016 bis April 2016 endgültig Leistungen bewilligt. Auf den Kläger entfielen 78,79 EUR für Februar 2016, 0,00 EUR für März 2016 und 102,67 EUR für April 2016.
Der Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2015, dass Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2008 entstanden sei und für die kein Bestandsschutz bestehe, grundsätzlich ab Vollendung des 63. Lebensjahres verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig, das heiße auch mit Abschlägen, in Anspruch zu nehmen, soweit keine der in der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV) geregelten Ausnahmetatbestände zuträfen. Der Kläger wurde aufgefordert, seine Rentenauskunft vorzulegen.
Am 25. Januar 2016 reichte der Kläger das Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 19. Januar 2016 ein. Nach der Proberechnung habe er seit 1. Juni 2015 Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen in Höhe von 9 %. Bei einem Rentenbeginn ab 1. Januar 2016 betrügen die Abschläge 6,9 %. Ab 1. Dezember 2017 bestehe Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschläge. Der Rentenbetrag (ohne Abzug von Beiträgen) belaufe sich voraussichtlich auf 1.308,87 EUR monatlich.
Der Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 24. Februar 2016 auf, umgehend eine Altersrente zu beantragen und dies bis zum 23. März 2016 nachzuweisen. Unter demselben Tag wandte sich der Beklagte an den Rentenversicherungsträger und machte einen Erstattungsanspruch für den Fall, dass dem Kläger eine Altersrente ab 1. April 2016 bewilligt werde, geltend.
In seinem gegen den Aufforderungsbescheid gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, dass er es ablehne, vorzeitig in Altersrente zu gehen, weil ihn die Abschläge bis zum Lebensende begleiten würden. Er habe aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen. Er sehe auch keinen Grund, finanziell in ein Loch fallen zu müssen, da er immerhin Erwerbsminderungsrente beziehe. Im Juni 2016 stehe eine Rentenerhöhung an. "Die restliche Zeit bis zur Altersrente 2017, kann ich auch ohne der übrigen Leistung der Grundsicherung (SGB II) überleben."
Am 5. April 2016 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag.
Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. April 2016 beim zuständigen Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 SGB II für den Kläger eine geminderte Altersrente ab 1. Mai 2016. Am Ende des Schreibens findet sich folgender Satz: "Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig." Mit weiterem Schreiben machte er einen Erstattungsanspruch geltend.
Der inzwischen mandatierte Klägerbevollmächtigte erklärte im Schriftsatz vom 4. Mai 2016, dass der Kläger im Widerspruchsschreiben nur seinen Unmut über die Vorgehensweise des Beklagten habe zum Ausdruck bringen wollen, nicht aber einen Leistungsverzicht habe aussprechen wollen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in wechselnder Höhe. Auf den Kläger entfielen in der monatlichen Reihenfolge Teilbeträge in Höhe von 122,38 EUR, 182,31 EUR, 82,67 EUR, 102,38 EUR, 162,31 EUR und 82,67 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 12. Juli 2015 wurde für Juli 2016 der Bewilligungsbetrag endgültig auf 80,79 EUR festgesetzt.
Der Klägerbevollmächtigte rügte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 unter anderem, dass die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, zu einem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechte des Klägers aus Artikel 3 Abs. 1, Artikel 14 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1 sowie Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) führe. Es fehle eine Beratung des Klägers zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und zu anderen Arten der Altersrente. Der Aufforderungsbescheid sei im Übrigen formell rechtswidrig, weil der Kläger vor dessen Erlass nicht angehört worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 zurück. Er erläuterte, weshalb der Kläger verpflichtet sei, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, dass er keinen Bestandsschutz nach der "58er-Regelung" genieße, und dass keine Ausnahmeregelung greife.
Der Kläger hat am 22. August 2016 Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 erhoben.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Dezember 2016 (für Januar 2017 bis April 2017) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für November 2016 bis April 2017. Auf den Kläger entfielen Teilbeträge in Höhe von 180,13 EUR, 80,79 EUR, 84,88 EUR, 95,72 EUR, 77,66 EUR und 51,31 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 setzte er die Leistungen für November 2016 bis April 2017 endgültig fest, wobei sich die dem Kläger zuerkannten Leistungen für Januar bis April 2017 auf 85,75 EUR, 96,59 EUR, 104,67 EUR und 83m25 EUR erhöhten.
Der Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 8. März 2017 seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren vertiefend wiederholt. Ergänzend hat er geltend gemacht, dass das Schreiben des Beklagten vom 25. April 2016, in dem der Antrag auf vorzeitige Altersrente enthalten ist, nicht unterschrieben und damit unwirksam sei. Da dem Kläger zudem weiterhin Arbeitslosengeld II bewilligt worden sei, werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Im Schriftsatz vom 16. März 2017 hat er vorgetragen, dass eine unbillige Härte im Sinne von § 1 UnbilligkeitsV vorliegen dürfe. Ferner sei der Kläger auf Grund der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, auch verpflichtet, auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente zu verzichten. Hierzu sei er aber nach § 12a SGB II nicht befugt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. März 2017 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei das Rechtsschutzbedürfnis gegeben, weil nach Aktenlage noch keine bestandskräftige Rentenbewilligung erfolgt sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sei rechtmäßig. Die Kammer folge den zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid und nehme hierauf Bezug. Das Sozialgericht hat ergänzend ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Vorschriften des SGB II zur Sicherung des Nachrangs der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Verweis auf vorrangige Leistungen verfassungsgemäß seien. Ein etwaiger Anhörungsmangel sei jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger sei ohne Altersrente hilfebedürftig. Die Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente beseitige wegen § 7 Abs. 4 SGB II die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB II. Soweit ersichtlich übersteige der monatliche Zahlbetrag der vorzeitigen Altersrente auch den monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes blieben die Auswirkungen für die Ehefrau des Klägers und eventuelle Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) bei der Prüfung von § 12a SGB II jedenfalls außer Betracht. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung verstoße nicht gegen die Unbilligkeitsverordnung. Insbesondere könne § 2 UnbilligkeitsV nicht entsprechend angewandt werden. Für die (wohl vorliegende) Befürchtung des Klägers, dass er durch die Bewilligung einer Altersrente, die Rentenerhöhungen auf Grund von Rentenanpassungen "rückwirkend" wieder verliere, gebe es wegen §§ 64, 68 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) keinen Grund. Außerdem gelte § 77 Abs. 3 SGB VI. Im Ergebnis führten die vorgenannten Vorschriften dazu, dass ab Beginn der Altersrente die "Hälfte der Rente" weiterhin in der Höhe geleistet wird, in der auch die ("halbe") Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu leisten wäre. Die "zweite Hälfte der Rente" bekommt der Kläger hinzu – mit den Abschlägen entsprechend § 77 Abs. 2 Nr. 2, § 236 SGB VI. Auch ein Fall von § 6 UnbilligkeitsV in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung liege nicht vor. Ermessensfehler seien für die Kammer nicht ersichtlich. Ob die ersatzweise Rentenantragstellung durch den Beklagten wirksam sei, sei vom Rentenversicherungsträger zu prüfen und zu entscheiden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. April 2017 zugestellte Urteil am 9. Mai 2017 Berufung eingelegt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 6. April 2017 hin bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau zunächst mit Bescheid vom 26. April 2017 vorläufig und dann mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 für Mai 2017 bis Oktober 2017 endgültig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dem Kläger wurden 104,14 EUR, 160,40 EUR, 114,60 EUR, 90,18 EUR, 146,44 EUR und 186,48 EUR in diesen Monaten zuerkannt.
Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 erhöhte sich die Erwerbsminderungsrente des Klägers auf 908,70 EUR.
Auf Grund des Rentenbescheides vom 11. September 2017 bezieht der Kläger seit 1. Dezember 2017 eine Regelaltersrente in Höhe 1.464,95 EUR brutto (= 1.300,14 EUR netto).
Der Klägerbevollmächtigte hat zunächst seine Rechtsausführungen aus dem Klageverfahren wiederholt. Darüber hinaus wendet er zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren ein, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden sei. Nach Akteneinsicht in die beigezogene Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers trägt er vor, dass der angefochtene Bescheid spätestens jetzt nichtig sei, weil der Beklagte mit Schreiben vom 25. April 2016 keinen wirksamen Antrag auf vorzeitige Altersrente und auch danach keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt habe. Hilfsweise bestehe der Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides auf Grund eines Anspruches auf Widerruf dieses Bescheides. Ferner werde hilfsweise der Einwand der Verwirkung erhoben, weil der Beklagte "sein vermeintlich ihm zustehendes Recht auf vorrangige Antragstellung einer Rente mit Abschlägen" verwirkt habe. In der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2019 hat der Klägerbevollmächtigte unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. August 2018 (Az. B 14 AS 1/18 R) zu bedenken gegeben, dass der Beklagte gegen die Bewilligung der regulären Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe. Weiter hat er zu bedenken gegeben, ob die Regelung in § 3 UnbilligkeitsV, wonach eine vorzeitige Altersrente bei einer bevorstehenden abschlagsfreien Altersrente nicht beantragt werden muss, nicht erweiternd dahingehend auszulegen sei, dass bei einem Leistungsanspruch in geringem Umfange diese Regelung entsprechend gelte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 22. März 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht die entscheidungserheblichen Regelungen als mit dem Grundgesetz vereinbar an. Eines gesonderten Verfahrens zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren bedürfe es nicht. Auch ein Verstoß gegen die Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Nach Einsicht in die Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers vertritt er die Auffassung, dass sich das von ihm eingeleitete rentenrechtliche Verfahren nicht erledigt habe. Denn der Rentenversicherungsträger habe inzwischen mitgeteilt, dass eine Entscheidung über den Antrag vom 25. April 2016 wegen des laufenden Berufungsverfahrens zurückgestellt werde. Im Übrigen sei die tatsächliche Stellung eines Rentenantrages keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Aufforderung, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen.
Aus der beigezogenen Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers, die aus Kopien besteht und weder blattiert noch paginiert ist, ergibt sich, dass das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016 dort am 26. April 2016 eingegangen ist. Mit Schreiben vom 5. Januar 2018, eingegangen am 9. Januar 2018, hat sich der Beklagte nach dem Bearbeitungsstand erkundigt. Hierauf hat der Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 15. Januar 2018 geantwortet, dass der Antrag "als solcher nicht anzuerkennen ist." Der Kläger werde durch den Klägerbevollmächtigten vertreten. Das Jobcenter sei "keinesfalls als Bevollmächtigter oder Betreuer zu werten". Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2018 unter anderem auf die Regelung in § 5 Abs. 3 SGB II hingewiesen. Auf seine neuerliche Sachstandsanfrage im Schreiben vom 12. Juni 2018 hat der Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 20. Juni 2018 erwidert, dass der Antrag wegen des laufenden Berufungsverfahrens noch nicht habe bearbeitet werden können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und des Rentenversicherungsträgers Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Es mangelt dem Kläger insbesondere nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 71/16 – juris Rdnr. 42, m. w. N.).
1. Dem Kläger fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil er in seinem Widerspruchsschreiben auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verzichtet hätte.
Zwar kann nach § 46 Abs. 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden. Eine Verzichtserklärung, bei der es sich um eine einseitig gestaltende Willenserklärung handelt, muss aber von einem klaren und eindeutigen Verzichtswillen getragen sein (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 3/87 – BSGE 63, 167 ff. = SozR 1500 § 54 Nr. 85 = juris Rdnr. 28; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [3. Aufl. 2018], § 46 Rdnr. 22; Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I [Stand: 43. Erg.-Lfg, Juni 2016], § 46 Rdnr. 16). Eine solche hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben nicht getätigt. In seiner Äußerung, dass er die restliche Zeit bis zur Altersrente im Jahr 2017 auch ohne die Leistung nach dem SGB II überleben könne, ist vielmehr nur eine kritische Randbemerkung zum Aufforderungsbescheid des Beklagten zu sehen.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist ferner unter anderem dann nicht gegeben, wenn es einen einfacheren, zum Beispiel einen umfassenderen, leichteren und schnelleren Weg gibt, das Rechtsschutzziel zu erlangen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – L 3 AS 710/15 B ER – juris Rdnr. 35, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], Vor § 51 Rdnr. 16a, m. w. N.).
Vorliegend begehrt der Kläger, den Bescheid, mit dem er zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist (zu dessen Verwaltungsaktsqualität: BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2011 – B 14 AS 138/11 B – juris Rdnr. 5), aufzuheben. Es könnte fraglich sein, ob für diese Anfechtungsklage (zur Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen solchen Bescheid: BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – BSGE 119, 271 ff. = SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 12) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn der Kläger, wie ihm vom Sozialgericht nahegelegt worden ist, ergänzend begehren könnte, den Beklagten zur Rücknahme seines Rentenantrages vom 25. April 2016 zu verpflichten. Ein solches zusätzliches Rechtsschutzbegehren ist allerdings nicht erforderlich. Denn die Befugnis eines Jobcenters, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente ersatzweise für einen Leistungsberechtigten stellen zu dürfen, setzt unter anderem eine wirksame vorherige Aufforderung des Betroffenen zur Rentenantragstellung voraus. Wenn also auf eine Anfechtungsklage des Leistungsberechtigten hin die von einem Jobcenter an ihn gerichtete Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, aufgehoben wird, ist eine der Voraussetzungen für die Befugnis des Jobcenters, ersatzweise einen solchen Antrag stellen zu dürfen, entfallen. Auf Grund der Bindung eines jeden Jobcenters an Gesetz und Recht (vgl. Artikel 20 Abs. 3 GG) ist dieses in einem solchen Fall verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag zurückzunehmen.
3. Schließlich fehlt das Rechtsschutzbedürfnis unter anderem auch dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 R – NZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 – L 3 AS 6/15 B ER PKH – juris Rdnr. 5; Keller, a. a. O., Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. September 2015 – L 3 AS 1738/13 – ZFSH/SGB 2016, 99 ff. = juris Rdnr. 34; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [35. Erg.-Lfg., September 2018], Vor § 40 Rdnr. 94).
Vorliegend könnte das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, entfallen sein, nachdem dem Kläger bestandskräftig eine Regelaltersrente bewilligt worden ist. Dies wäre dann der Fall, wenn sich der Aufforderungsbescheid vom 24. Februar 2016 in Folge des Erlasses des Rentenbescheides vom 11. September 2017 im Sinne von § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt hätte.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 12. Juni 2013 entschieden, dass "nach bestandskräftiger Bewilligung einer Rente [ ...] das mit der Klage und der Berufung verfolgte Ziel, der in § 12a Satz 1 SGB II normierten Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschlusses bei Bezug einer Rente wegen Alters aber nicht mehr erreicht werden" kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 225/12 B – juris Rdnr. 5). Diese Feststellung bezieht sich allerdings auf die vom Jobcenter beantragte vorzeitige Altersrente. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. August 2015 eine Erledigung des Aufforderungsbescheides verneint, wenn das Jobcenter gegen die Ablehnung des Antrages aus vorzeitige Altersrente durch den Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 13).
Ebenfalls im Urteil vom 19. August 2015 hat das Bundessozialgericht allerdings auch entschieden, dass für eine Anfechtungsklage auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, wenn der Kläger zwischenzeitlich eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte abschlagsfreie Regelaltersrente bezieht. Denn solange das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen sei, begründe und erhalte die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger im Rentenverfahren, in dem eine rückwirkende Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente in Betracht komme (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Hiervon abweichend hat derselbe Senat jedoch im Urteil vom 9. August 2018 ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 12), dass sich der Aufforderungsbescheid nicht erledigt habe, weil bislang keine bestandskräftige Entscheidung über den Rentenanspruch des Klägers vorliege, und zwar weder in Bezug auf den Antrag des Jobcenters auf vorzeitige Altersrente noch in Bezug auf den Antrag des Klägers auf abschlagsfreie Altersrente (vgl. zu diesem Sachverhalt: SG Neubrandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 – S 11 AS 658/17 – juris Rdnr. 4 und 12). Diese gewählte Formulierung lässt sich so verstehen, dass der 14. Senat nunmehr von einer Erledigung des Aufforderungsbescheides ausgehen würde, wenn die Regelaltersrente während des laufenden diesen Bescheid betreffenden Verfahrens bestandskräftig bewilligt wird. Allerdings wird im Urteil vom 9. August 2018 in diesem Zusammenhang nicht das frühere Urteil vom 19. August 2015 zitiert und auch keine Begründung gegeben, weshalb – entgegen der früheren Rechtsauffassung – der Aufforderungsbescheid in Folge der bestandskräftigen Bewilligung der Regelaltersrente erledigt sein soll. Der 14. Senat hat im Urteil vom 9. August 2018 nicht zu erkennen gegeben, ob er mit der zitierten Textpassage beabsichtigt, von der eigenen früheren Rechtsprechung im Urteil vom 19. August 2015 abzuweichen oder sie gänzlich aufzugeben.
Auf der Grundlage des zitierten Rechtssatzes des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 19. August 2015 besteht auch vorliegend für das im Rahmen des Berufungsverfahrens verfolgte Anfechtungsbegehren des Klägers weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI entgegen. Danach ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Ein Wechsel in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die andere Rentenart vor oder gleichzeitig mit der Altersrente beginnt (vgl. BT-Drs. 16/3794 S. 33 [zu Nummer 7 Buchst. c]; ebenso: Sächs. LSG, Urteil vom 25. Januar 2010 – L 7 R 582/08 – juris Rdnr. 35; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2016 – L 9 R 695/16 – info also 2016, 270 ff. = juris Rdnr. 22, m. w. N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. November 2016 – L 2 R 176/16– juris Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – L 4 R 791/17 – juris Rdnr. 19; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI [2. Aufl., 2013], § 34 Rdnr. 84). Die vom Beklagten für den Kläger beantragte vorzeitige Altersrente würde, wenn der Rentenversicherungsträger dem Antrag stattgeben sollte, am 1. Mai 2016 beginnen und damit eineinhalb Jahre vor der Regelaltersrente.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
1. Der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist formell rechtmäßig.
a) Zwar hat es der Beklagte unterlassen, den Kläger vor dem Erlass des Bescheides vom 24. Februar 2016 anzuhören. Er war nach § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet, eine Anhörung durchzuführen (ebenso: Bay. LSG, Beschluss vom 21. November 2016 – L 11 AS 721/16 B ER – juris Rdnr. 14; offen gelassen: BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 R – FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 16). Nach dieser Regelung ist dem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Eingriff in die Rechte des Klägers liegt in der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Denn auch wenn der Kläger bereits auf Grund von § 12a Satz 1 SGB II und vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen in § 12a Satz 2 SGB II und in der Unbilligkeitsverordnung verpflichtet war, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich war, und der Bezug einer vorzeitigen Altersrente kraft Gesetzes zur Folge hat, dass nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II der betreffende Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhält, verschafft sich der Beklagte mit dem Aufforderungsbescheid die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II unter Beachtung weiterer Voraussetzungen ersatzweise für den Kläger einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen und ihn damit im Falle einer positiven Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gegen seinem Willen aus dem Bezug von SGB II-Leistungen auszuschließen. zu können.
Von einer Anhörung des Klägers konnte der Beklagte nicht absehen, weil keiner der Ausnahmetatbestände aus § 24 Abs. 2 SGB II erfüllt war.
Der Anhörungsmangel wurde aber im Widerspruchsverfahren geheilt.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. Juli 2016 offen gelassen, ob eine erneute oder nachzuholende Anhörung im Widerspruchsverfahren im Einzelfall entbehrlich sein kann, wenn der Betroffene die von der Behörde (bewusst oder unbewusst) unterlassene Verfahrenshandlung der Anhörung selbst vornimmt, die im Ergebnis das bewirkt, was herbeizuführen der Behörde oblag (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris 15, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29. September 1991 – 4 RK 4/91 – BSGE 69, 247 [253 f.] = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 S. 10 f. = juris Rdnr 32, 35). Denn eine Heilung des Anhörungsmangels allein durch die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens setze zumindest voraus, dass der Ausgangsbescheid alle wesentlichen (Haupt-)Tatsachen, das heißt alle Tatsachen, die die Behörde ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht berücksichtigen muss und kann, nennt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016, a. a. O.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017 – L 3 AL 39/14 – info also 2017, 217 ff. = juris Rdnr. 42).
Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Beklagte stellte im Bescheid vom 24. Februar 2016 die Regelung des § 12a Satz 1 SGB II, die Bestandsschutzregelung des § 65 Abs. 4 SGB II und die Regelungen der Unbilligkeitsverordnung dar. Er erläuterte, aus welchen Gründen seiner Meinung nach der Kläger verpflichtet sei, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Schließlich wies er darauf hin, dass er, der Beklagte, befugt sei, den Antrag ersatzweise zu stellen, wenn der Kläger die Antragstellung nicht umgehend vornehme. Damit hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid alle entscheidungserheblichen Punkte angesprochen und dem Kläger damit die Möglichkeit eröffnet, substantiiert zum Aufforderungsbescheid Stellung zu nehmen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden sei mit der Folge, dass keine Heilung des Anhörungsmangels habe erfolgen können, verkennt er, dass das Bundessozialgericht nach seiner gefestigten Rechtsprechung ein "mehr oder minder förmlichen Verwaltungsverfahren" nur fordert, wenn die fehlende Anhörung erst während des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2006 – B 7a AL 64/05 R – juris Rdnr. 15, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 15 m. w. N.; BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R – BSGE 108, 289 ff. = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 26 m. w. N.; BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017, a. a. O., Rdnr. 44 f.).
b) Der Bescheid vom 24. Februar 2016 begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken.
Der Bescheid war inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Soweit der Kläger aufgefordert wurde, "Altersrente" zu beantragen, war für einen verständigen, objektiven Beobachter (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 19 = juris Rdnr. 21; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 33 Rdnr. 7) aus dem Gesamtzusammenhang der weiteren Ausführungen in dem Bescheid zu erkennen, dass damit die vorzeitige Altersente, in Bezug auf die der Kläger eine Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers vorgelegt hatte, gemeint war.
Die dem Kläger im Bescheid vom 24. Februar 2016 gesetzte Frist bis zum 23. März 2016 für den Nachweis einer Antragstellung war angemessen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 34; zur in der Regel angemessenen Frist von einem Monat: BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – B 5 R 386/07 B – SozR 4-1500 § 153 Nr. 7 = NZS 2009, 701 ff. = juris Rdnr. 20).
2. Der Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist auch materiell rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Ermächtigung des Beklagten, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes § 12a SGB II i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 16. ff.).
Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend hiervon sind nach § 12a Satz 2 SGB II Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (Nummer 1) oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde (Nummer 2). Nach § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II (sog. "58er-Regelung") hat ab 1. Januar 2008 abweichend von § 2 SGB II auch ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist, der erwerbsfähige Leistungsberechtigte vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden.
Der Kläger, die die Voraussetzungen der "58er-Regelung" nicht erfüllt, konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung seines 63. Lebensjahres beanspruchen. Der am 17. Mai 1952 geborene Kläger vollendete sein 63. Lebensjahr am 17. Mai 2015. Bei rechtzeitiger Antragstellung (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) kam ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente ab dem 1. Juni 2015 in Betracht, wie auch die Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers vom 19. Januar 2016 ausweist. Der Kläger war zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, weil diese im Sinne von § 12a Satz 1 SGB II zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erforderlich war. Unabhängig von der Höhe der voraussichtlichen oder tatsächlichen vorzeitigen Altersrente hätte der Kläger aber allein schon mit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente seine Hilfebedürftigkeit beseitigt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 32). Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II unter anderem nicht, wer Rente wegen Alters bezieht.
Aber selbst wenn hiervon abweichend auf die finanziellen Verhältnisse abzustellen wäre, würde sich im Falle des Klägers nichts anderes ergeben. Der Beklagte hatte beispielsweise für April 2016, als er ersatzweise für den Kläger den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellte, im Leistungsbescheid vom 11. Mai 2016 einen individuellen Bedarf in Höhe von 455,94 EUR ermittelt. Dem hätte als zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II) eine Altersrente in Höhe von – später tatsächlich bewilligt – 1.300,14 EUR netto mit einem Abzug von 9 % gegenübergestanden. Da das zu berücksichtigende Einkommen nahezu dem Dreifachen des ermittelten Bedarfes entspricht, ist auch ohne eine ins Detail gehende Berechnung nach Maßgabe von § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 11 bis 11b SGB II ersichtlich, dass der Kläger seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II bei einer Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bereits der Höhe nach beseitigt hätte.
Bei der Prüfung, ob der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II hätte beseitigen können, ist nur auf ihn und nicht auch auf seine Ehefrau abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.).
b) Ein in der Unbilligkeitsverordnung geregelter Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung des Klägers, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen, ist nicht gegeben.
(1) In der Unbilligkeitsverordnung sind die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, abschließend geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 23). § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, ist selbst kein Unbilligkeitstatbestand, sondern greift als "Grundsatz"-Regelung nur den Wortlaut aus der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II auf (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Die Voraussetzungen von § 2 UnbilligkeitsV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld), § 3 UnbilligkeitsV (Bevorstehende abschlagsfreie Altersrente), § 4 UnbilligkeitsV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitsV (Bevorstehende Erwerbstätigkeit) sind ersichtlich nicht gegeben.
(2) In Bezug auf den zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen § 6 UnbilligkeitsV (vgl. Artikel 1 Nr. 1 i. V. m. 2 der Verordnung vom 4. Oktober 2016 [BGBl. I S. 2210]) kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift vorliegend Anwendung finden kann (verneinend für bis zum 31. Dezember 2016 ergangene Widerspruchsbescheide: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 – L 5 AS 340/16 B ER – ZFSH/SGB 2017, 770 ff. = juris Rdnr. 34). Denn die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes würden, wie bereits das Sozialgericht festgestellt hat, nicht vorliegen. Nach § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme unbillig, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden. Dies ist nach § 6 Satz 2 UnbilligkeitsV insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 % der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II. Der im Mai 1952 geborene Kläger erreichte seine Altersgrenze im Sinne von § 7a SGB II mit dem Ablauf des Monats, in dem er sein Lebensalter von 65 Jahren und 6 Monaten vollendete, das heißt mit Ablauf des Novembers 2017. Die vom Rentenversicherungsträger in der Probeberechnung ermittelte, zu erwartende monatliche Regelaltersrente betrug 1.308,87 EUR. 70 % hiervon sind 916,20 EUR. Dieser Betrag überstieg nicht nur den maßgebenden individuellen Bedarf des Klägers ("Bedarf der leistungsberechtigten Person"), sondern auch den gemeinsamen mit seiner Ehefrau sowohl im Februar 2016, als der Beklagte die Aufforderung an den Kläger sandte, in Höhe von 869,07 EUR als auch im Juli 2016, als der Beklagte den Widerspruchsbescheid erließ, in Höhe von 911,88 EUR. Andere Umstände, die die Annahme einer Unbilligkeit im Sinne von § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
(3) Die vom Klägerbevollmächtigten gewünschte analoge Anwendung von § 2 UnbilligkeitsV, wonach die Inanspruchnahme unbillig ist, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde, kommt nicht in Betracht. Denn eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 – B 5 R 25/17 R – juris Rdnr. 57, m. w. N.). Hieran fehlt es vorliegend.
(4) Auch für die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ins Spiel gebrachte erweiternde Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, gibt es keine Grundlage (4.1). Entsprechendes gilt für eine analoge Anwendung dieser Regelung (4.2).
(4.1) Nach § 3 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente (mit Abschlägen) unbillig, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist mit dem Tatbestandsmerkmal "die Altersrente" jede Altersrente gemeint, wie zum Beispiel auch die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 18). Unter dem Tatbestandsmerkmal "in nächster Zukunft" wird eine Zeitspanne von vier Monaten verstanden (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, a. a. O., Rdnr. 20 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist für die Auslegung einer Rechtsvorschrift der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den dieser hineingestellt ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016 – 2 BvR 1137/14 – NVwZ 2016, 1313 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.). Hierbei helfen alle herkömmlichen Auslegungsmethoden in abgestimmter Berechtigung, unter denen keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen hat (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O., m. w. N.). Eine Auslegung ist allerdings nur "innerhalb der Wortlautgrenze" möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 [Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht] – BVerfGE 129, 78 ff. = NJW 2011, 3428 ff. = juris Rdnr. 72; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O., m. w. N.).
In § 3 UnbilligkeitsV wird auf ein Zeitmoment ("in nächster Zukunft") abgestellt. Eine erweiternde Auslegung, bei der an die Stelle dieses Zeitaspekt der finanzielle Aspekt des geringen Umfanges des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II treten würde, würde die Wortlautgrenze der Regelung in § 3 UnbilligkeitsV überschreiten.
(4.2) Für eine analoge Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Zur Begründung dieses Unbilligkeitstatbestandes heißt es im Referentenentwurf (vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf? blob=publicationFile): "Unter Abwägung der Höhe der Abschläge für die gesamte Dauer des Rentenbezugs und des vergleichsweise kurzen Bezugszeitraums von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es gerechtfertigt, bei Personen, die kurz vor der abschlagsfreien Altersrente stehen, von der Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente abzusehen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Hilfebedürftigen nur noch ein vergleichsweise kurzer Zeitraum zur Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht." Danach hat der Verordnungsgeber bei dieser Regelung zwei Aspekte in den Blick genommen: zum einen die finanziellen Auswirkungen auf den Leistungsberechtigten in der von § 3 UnbilligkeitsV erfassten Konstellation und zum anderen die geringen Aussichten, den Leistungsberechtigten in der relativ kurzen Zeit bis zum Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente noch in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Unausgesprochen mag auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass der Verwaltungsaufwand, der in den Fällen des § 3 UnbilligkeitsV mit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente und gegebenenfalls der Beantragung dieser Rente durch das Jobcenter zunächst dem Jobcenter und dann dem Rentenversicherungsträger entsteht, außer Verhältnis zu den für das System der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewünschten Effekten steht.
Der Verordnungsgeber hat den Gesichtspunkt der Eingliederung in den Arbeitsmarkt neben § 3 UnbilligkeitV auch in § 4 UnbilligkeitV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitV (Bevorstehende Erwerbstätigkeit) und die finanzielle Belange des Leistungsberechtigten zum Beispiel auch in § 2 UnbilligkeitV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld) und § 6 UnbilligkeitV (Hilfebedürftigkeit im Alter) berücksichtigt. Es mag sachliche Gründe geben, die einen generalisierenden und typisierenden Unbilligkeitstatbestand in dem vom Klägerbevollmächtigten gewünschten Sinne rechtfertigen würden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist ein solcher weiterer Unbilligkeitstatbestand aber nicht geboten.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen eines der Unbilligkeitstatbestände in dem Zeitpunkt vorliegen müssen, in dem der Leistungsberechtigte vom Jobcenter aufgefordert wird, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die Aufforderung an den Kläger erging im Februar 2016, Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente hatte er ab dem 1. Dezember 2017. Dazwischen lagen etwas mehr als 21 Monate. Selbst zwischen dem vom Beklagten beantragten Rentenbeginn am 1. Mai 2016 und dem 1. Dezember 2017 lag noch ein Zeitraum von 19. Monaten. Weder im Februar 2016 noch im April 2016, als der Beklagte ersatzweise für den Kläger den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellte, war abzusehen, wie lange und in welcher Höhe der Kläger noch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben würde. So hätte beispielsweise seine Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II vorzeitig enden können, wenn sich sein krankheitsbedingter Gesundheitszustand mit der verminderten Erwerbsfähigkeit so verschlechtert hätte, dass er nicht mehr im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II erwerbsfähig gewesen wäre. Andererseits hätte sich der Bedarf des Klägers und damit sein Anspruch erhöhen können, wenn neben den regelmäßig anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung zusätzlich noch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur seines selbst bewohnten Wohneigentums entstanden wären (vgl. § 22 Abs. 2 SGB II). Der Ansatz des Klägerbevollmächtigten würde somit entweder eine in die Zukunft gerichtete, auf einem hypothetischen Geschehensablauf beruhende Prognose des hypothetischen Umfangs eines hypothetischen Leistungsanspruches oder eine beim Zeitpunkt des Endes des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ansetzende, retrospektive Betrachtung des tatsächlichen Leistungsumfanges erfordern. Beides würde sich nicht in das Konzept einfügen, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, die Verpflichtung zu einer solchen Antragstellung mit hinreichender Verlässlichkeit geprüft werden kann.
(4.3) Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch fraglich ist, ob der Kläger tatsächlich nur einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes "in geringem Umfange" hatte. Maßgebend für die Bestimmung der Geringfügigkeit könnte zum einen die Beurteilung der dem Kläger monatlich bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum zwischen der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, und dem Bezug der Regelaltersrente sowie zum anderen die Beurteilung der ihm in diesem Zeitraum insgesamt bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II sein.
Abgesehen von März 2016, wo der Beklagte dem Kläger keinen Leistungsanspruch zuerkannte, erfolgte die niedrigste Leistungsbewilligung im vorläufigen Bescheid vom 6. Oktober 2016 für April 2017 mit einem auf den Kläger entfallenden Anspruch in Höhe von 47,22 EUR. Der Beklagte ermittelte für diesen Monat einen auf den Kläger entfallenden Bedarfsanteil in Höhe von 422,37 EUR. Damit entspricht die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistung 11,18 % seines Bedarfes in diesem Monat. Den höchsten Leistungsbetrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 für Oktober 2017 mit 186,48 EUR. Bezogen auf den für diesen Monat ermittelten Bedarfsanteil des Klägers in Höhe von 574, 72 EUR entspricht dies einer Quote von 32,45 %.
Die dem Kläger bewilligten Leistungen summieren sich für die Monate April 2016 bis Oktober 2017 auf 2.268,93 EUR. Bezogen auf 19 Monate errechnet sich ein durchschnittlicher Leistungsanspruch in Höhe von monatlich 119,42 EUR.
Unbeschadet der Frage, auf welchen Bezugspunkt beim Ansatz des Klägerbevollmächtigten für eine Geringfügigkeit des Leistungsbezuges abzustellen sein sollte, kann bei der beschriebenen Bedürftigkeitssituation des Klägers in der Zeit, als er noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog, kaum gesprochen werden.
c) Die Rechtsmäßigkeit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung erfordert, dass das Jobcenter das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
Die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 25 ff.). Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 19. August 2015 ausgeführt, dass "relevante Ermessensgesichtspunkte [ ] nur solche sein [können], die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dafür dürften bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht kommen, die keinen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen, ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalles vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat" (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 29). Gemessen hieran kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bei seiner Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen ist.
3. Der Senat vermag die vom Klägerbevollmächtigten vorgebrachten Einwände zur Verfassungswidrigkeit der oben zitierten, den Beklagten zur Aufforderung des Klägers ermächtigenden Regelungen nicht zu teilen.
Der Senat schließt sich der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 43 ff., bestätigend: BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 R – FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 37; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 30) an.
Ergänzend ist zu den Einwänden des Klägerbevollmächtigten lediglich anzumerken:
a) Nach Artikel 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Regelung nur dann mit diesem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229 [238] = juris Rdnr. 41, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/96, 2 BvR 288/07 – BVerfGE 133 377 ff. = juris, jeweils Rdnr. 76, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2018 – 1 BvR 3042/14 – NJW 2018, 3299 ff. = juris Rdnr. 18, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. April 2016 – L 3 AS 723/14 = juris Rndr. 28).
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 19. August 2015 der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Vergleichsgruppe der Leistungsbezieher, die keinen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, gegenübergestellt und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verneint. In Bezug auf die Gruppe der Nichtleistungsbezieher, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, fehle es an der notwenigen Vergleichbarkeit (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 48).
Demgegenüber will der Klägerbevollmächtigte der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Gruppe der Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII, von Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) gegenüberstellen. Er sieht eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen beiden Gruppen darin, dass letztere nicht verpflichtet würden, vorrangig einen Antrag auf Altersrente zu stellen.
In Bezug auf das Sozialhilferecht übersieht er allerdings, dass es dort zwar keine Parallelvorschriften zu § 12a SGB II und § 5 Abs. 3 SGB II, jedoch vergleichbare Regelungen gibt, die in der Sache zum selben Ergebnis führen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB XII [Stand: Erg.-Lfg. 2/2018], § 2 Rdnr. 19). So erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer unter anderem die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Selbsthilfeobliegenheit (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 12/14 R – SozR 4-2500 § 264 Nr. 6 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII [2. Aufl. 2014], § 2 Rdnr. 11) wird ergänzt durch § 95 Satz 1 SGB XII, wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann.
Die Bezieher von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG wiederum bilden keine geeignete Vergleichsgruppe. Denn der Anspruch auf Kindergeld setzt unter anderem voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BKGG). Weiter muss die anspruchsberechtigte Person über ein gesetzlich festgelegtes Mindesteinkommen oder -vermögen verfügen (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG) und darf ein gesetzlich festgelegtes Höchsteinkommen oder -vermögen nicht überschreiten (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG). Kinderzuschlag ist mithin eine ergänzende, steuerfinanzierte Sozialleistung, die gerade den Bezug einer Grundsicherungsleistung und damit die Einbeziehung der betroffenen Person in das umfassende Grundsicherungssystem nach dem SGB II vermeiden soll. Ähnlich verhält es sich mit dem Wohngeld. Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (vgl. § 1 Abs. 1 WoGG). Es wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet (vgl. § 1 Abs. 2 WoGG). Vom Wohngeld ausgeschlossen sind Empfänger und Empfängerinnen von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WoGG), von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WoGG), von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WoGG) sowie von weiteren in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG aufgeführten Sozialleistungen, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Mit dem Wohngeld wird also nicht wie mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und SGB XII das Ziel verfolgt, umfassend zu ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (vgl. § 1 Abs.1 SGB II, § 1 Abs. 1 SGB XII). Vielmehr sollen nur die Bedarfe, die mit dem Wohnen verbunden sind, gedeckt werden.
Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 Abs. 1 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 208/11 – juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AL 30/13 – juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 – L 3 AL 211/15 – juris Rdnr. 39, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt. Dem Gesetzgeber steht mithin ein Spielraum zu zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er bei welchen steuerfinanzierten Sozialleistungen eine Selbsthilfeobliegenheit sowie eine sie ergänzende Handlungsbefugnis des Sozialleistungsträgers schaffen will.
b) In Bezug auf Artikel 14 Abs. 1 GG moniert der Klägerbevollmächtigte, dass das Bundessozialgericht bei seiner Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 45) nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger bei einer vorzeitigen Altersrente nicht nur Rentenabschläge hinzunehmen habe, sondern dass ein eigentumsrechtlicher Eingriff darin liege, dass der Kläger auf Grund staatlicher Hoheitsgewalt dazu bestimmt werde, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente unter Verlust seiner Anwartschaft zu stellen. Beim Kläger komme noch erschwerend hinzu, dass der Kläger auch seine Erwerbsminderungsrente bis zum Eintritt der Regelaltersrente verzichten müsse. Diese Eingriffe würden sich als unverhältnismäßig erweisen. Fiskalische Interessen seien nicht geeignet, die Eingriffe zu rechtfertigen.
Im Ergebnis macht der Klägerbevollmächtigte geltend, dass der Kläger einen Anspruch auf steuerfinanzierte Grundsicherungsleistungen habe, bis er die ihm zustehende Altersrente ohne oder nur mit den geringstmöglichen Abschlägen in Anspruch nehmen könne. Eine solche weitreichende Rechtsposition vermittelt aber das Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums aus Artikel 1 GG i. V. m. Artikel 20 GG nicht.
c) Weiter wendet der Klägerbevollmächtigte ein, dass § 12a Satz 1 SGB II nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, weil das eingesetzte Mittel ungeeignet sei, das verfolgte Ziel zu erreichen. Weshalb die Pflicht/Obliegenheit eines Leistungsberechtigten, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, grundsätzlich nicht geeignet sein soll, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten zu vermeiden, beseitigen, verkürzen oder vermindern, erläutert der Klägerbevollmächtigte allerdings nicht.
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Auffassung vertritt, der gesetzgeberische Zweck liege darin, die steuerliche Gesamtbelastung zu reduzieren, und das gewählte Mittel sei zur Erreichung dieses Zweckes ungeeignet, weil im Gegenzug die Ausgaben der Rentenkassen steigen würden, übersieht er, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht steuer- sondern beitragsfinanziert ist. Im Übrigen steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei zu entscheiden, aus welchem Finanztopf er welche Sozialleistung finanziert wissen will. Es gibt keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, eine bestimmte Sozialleistung aus einem bestimmten Sozialsystem zu erhalten.
d) Der Einwand im Widerspruchsverfahren, im vorliegenden Fall werde durch die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, in das Grundrecht aus Artikel 6 Abs. 1 GG eingegriffen, erschließt sich nicht. Gemeint ist wohl der grundrechtliche Schutz der Ehe. Zu dessen Schutzbereich zählt unter anderem der Schutz des ehelichen Zusammenlebens einschließlich des Schutzes der Entscheidungen zu den finanziellen Beziehungen untereinander (eingehend zum sachlichen Schutzbereich u. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz [15. Aufl., 2018], Art. 6 Rdnr. 6 f., m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verbietet Artikel 6 Abs. 1 GG dem Staat, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Das gilt auch für ihren materiell-wirtschaftlichen Bereich (vgl. BVerfGE, Beschluss vom 10. Januar 1984 – 1 BvL 5/83 – BVerfGE 66, 84 ff. = NJW 1984, 1523 ff. = juris Rdnr. 38).
Durch die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, wird nicht mittelbar und schon gar nicht unmittelbar in dieses Grundrecht eingegriffen. Der Kläger wird lediglich darauf verwiesen, an Stelle der bislang bezogenen, steuerfinanzierten Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II eine andere, jetzt beitragsfinanzierte Sozialleistung in Anspruch zu nehmen. Sofern die Leistungen aus der vorzeitigen Altersrente nicht ausreichen sollten, das Existenzminimum des Klägers und seiner Ehefrau zu decken, bestünde ergänzend ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Situation würde der bis zum Bezug der Regelaltersrente entsprechen, als der Kläger und seine Ehefrau ergänzend zu der Erwerbsminderungsrente des Klägers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezogen.
4. Auch die weiteren Einwände des Klägerbevollmächtigten vermögen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen.
a) Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass der Kläger nicht zu anderen Rentenarten beraten worden sei, bleibt unklar, inwiefern dies für die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, vorliegend von rechtlicher Bedeutung sein soll.
b) Soweit der Antrag auf vorzeitige Altersrente vom Rentenversicherungsträger positiv beschieden werden sollte, hätte der Kläger keinen Anspruch mehr auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente. Dies ist aber die im SGB VI vorgesehen Folge einer Bewilligung einer Altersrente.
c) Die Auffassung, dass es mit § 12a Satz 1 SGB II nicht vereinbar sei, wenn der Kläger mit einem Antrag auf vorzeitige Altersrente zugleich auf seine Erwerbsminderungsrente verzichte, ist nicht zutreffend. Zwar ist es zutreffend, dass mit dem Bezug einer Altersrente der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente entfällt. Auch ist ein Leistungsberechtigter verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (vgl. § 12a Satz 1 SGB II), und er darf weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeiführen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Allerdings hat der Kläger mit dem Bezug der Erwerbsminderungsrente bislang seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nur vermindert, weil er ergänzend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog. Erst mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente würde er weitergehend seine Hilfebedürftigkeit beseitigen, weil er dann kraft Gesetzes (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre. Wenn im Rahmen von § 12a SGB II die Wahl zwischen zwei vorrangigen Sozialleistungen besteht, hat diejenige Sozialleistung Vorrang, mit der die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten weitergehend verkürzt oder vermindert oder sogar in Gänze beseitigt wird.
d) Schließlich greifen auch die Verwirkungseinreden des Klägerbevollmächtigten nicht.
(1) Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 8. Oktober 2014 ausgeführt, dass ein Recht verwirkt ist, "wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch (aber noch innerhalb der Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich auf die Nichtgeltendmachung eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung [ ]. Demgemäß müssen für die Verwirkung eines Rechts stets drei Voraussetzungen erfüllt sein [ ], d.h. ein Zeitmoment , ein Umstandsmoment und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers." Das Zeitmoment bedeutet, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen sein muss, wobei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Das Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand) ist gegeben, wenn sich der Schuldner darauf einstellt, der Gläubiger werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht gegenwärtig und auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird. Eine Untätigkeit des Berechtigten ist gegeben, wenn er während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan hat. Danach ist die Verwirkung ausgeschlossen, wenn er zum Beispiel durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R – BSGE 117, 65 ff. = SozR 4-5560 § 17c Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 44, m. w. N.)
(2) Hieran gemessen hat der Beklagte sein Recht, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente auffordern und gegebenenfalls für ihn diesen Antrag stellen zu dürfen, nicht dadurch verwirkt, dass er dem Kläger (und dessen Ehefrau) auch noch nach der Aufforderung weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt hat. Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II entfällt die Berechtigung des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II erst, wenn er eine "Rente wegen Alters [ ] bezieht", nicht aber bereits, wenn er eine solche Rente beziehen könnte oder nach Maßgabe von § 12a SGB II beziehen sollte.
(3) Soweit der Klägerbevollmächtigte moniert, der vom Beklagten gestellte Rentenantrag sei nicht unterschrieben, ist dies zutreffend. Allerdings enthält § 115 SGB VI, wo der Beginn des Rentenverfahrens auf Antrag und Ausnahmen hiervon geregelt sind, keine Formvorgaben. Es gelten deshalb die Regelungen des SGB I und SGB X. Nach dem SGB X kann ein Antrag auf eine Sozialleistung grundsätzlich formfrei gestellt werden (vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 9 Rdnr. 4; Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 9 Rdnr. 18). Aus diesem Grund gehen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu Regelungen, in denen die Schriftform gefordert wird (z. B. § 151 Abs. 1 SGG), ins Leere.
Ob ein von einer Behörde maschinell erstellter Antrag auf eine Sozialleistung dem Grunde nach überhaupt ein ordnungsgemäßer Antrag ist und ob, die Zulässigkeit eines solchen Antrages dem Grunde nach unterstellt, gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein maschinell erstellter Antrag wirksam ist (z. B. um feststellen zu können, ob ein Erklärungswille bestand, einen Antrag stellen zu wollen), muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Dies hat der Rentenversicherungsträger im rentenrechtlichen Verfahren in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Bindungswirkung einer etwaigen Entscheidung zu dieser Frage im vorliegenden Verfahren wie überhaupt zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufforderungsbescheides würde sich für den Rentenversicherungsträger nicht ergeben, weshalb er auch nicht nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG notwendig beizuladen war (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 14). Eine einfache Beiladung des Rentenversicherungsträgers nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG ist zwar nach Auffassung des Bundessozialgerichtes nach Rentenantragstellung durch den SGB II-Leistungsträger zweckmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Der Senat hat hiervon jedoch abgesehen.
(4) Auch der Einwand, der Beklagte habe seine Rechte in Bezug auf die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, verwirkt, weil er gegen den Bescheid über die abschlagsfreie Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe, vermag dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 [BGBl. I S. 850]) können die Leistungsträger nach dem SGB II, wenn Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Durch dieser Regelung erhält ein Jobcenter die Stellung eines Prozessstandschafters (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. April 2016 – L 19 AS 423/16 B ER – info also 2017, 37 ff. = juris Rdnr. 24; Luik, in: Gagel, SGB II/SGB III [Stand: 71. Erg.-Lfg., September 2018], § 5 SGB II Rdnr. 119; Knickrehm/Hanhn, in: Eicher/Luik, SGB II [4. Aufl., 2017], § 5 Rdnr. 31). Mit der zum 1. August 2008 in Kraft getretenen Befugnis für SGB II-Leistungsträger, auch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, sollte die ihnen bereits zuvor zustehende "Verfahrenserleichterung", an Stelle des Leistungsberechtigten einen vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch geltend machen zu können, erweitert werden (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 18). Aus dem Regelungszusammenhang und der Intention des Gesetzgebers folgt, dass sich die Befugnis, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, nur auf den konkreten vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch bezieht, nicht aber umfassend auf alle Sozialrechtsverhältnisse, die mit dem vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch im Zusammenhang stehen. Für eine darüber hinausgehende Prozessstandschaft bietet § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, gemessen am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (vgl. hierzu: Jarass, a. a. O., Art. 20 Rdnr. 82 ff., m. w. N.), keine hinreichende Rechtsgrundlage.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte nicht befugt war, Widerspruch gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 11. September 2017, mit dem dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2017 bewilligt worden ist, einzulegen. Wenn es der Beklagte aber unterlässt, einen ihm nicht zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, kann ihm gegenüber hieraus keine Verwirkung hergeleitet werden.
(5) Schließlich hat der Beklagte nicht seine Rechtsposition gegenüber dem Kläger dadurch verwirkt, dass er sich nicht um den von ihm gestellten Antrag auf vorzeitige Altersrente gekümmert hat. Das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016 ist beim Rentenversicherungsträger am 26. April 2016 eingegangen. Zwar hat der Beklagte erst mit Schreiben vom 5. Januar 2018 wegen des Bearbeitungsstandes nachgefragt, das heißt mehr als 1 ½ Jahre nach der Antragstellung. Er durfte jedoch davon ausgehen, dass der Antrag vom Rentenversicherungsträger geprüft und beschieden werden würde. Ein Antrag auf Sozialleistung verjährt bei einer Untätigkeit des zuständigen Sozialleistungsträgers nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände der Kläger hätte darauf vertrauen dürfen, der Beklagte werde die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente und den nachfolgend gestellten Rentenantrag nicht weiter verfolgen, wenn gerade über die Rechtsmäßigkeit der Aufforderung ein Rechtsstreit vor der Sozialgerichtsbarkeit geführt wird.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Der am 1952 geborene Kläger war erwerbslos. Er bezog eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (im Folgenden: Rentenversicherungsträger) ab 1. Juli 2015 in Höhe von 828,03 EUR brutto (= 736,54 EUR netto) und ab 1. Juli 2016 in Höhe von 877,25 EUR brutto (= 780,31 EUR netto). Ergänzend bezog er zusammen mit seiner 1956 geborenen Ehefrau vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweiten Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Ihnen wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 für November 2015 bis April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Oktober 2015 für Januar 2016 bis April 2016 und vom 12. November 2015 für November 2015 bis Dezember 2015 zunächst vorläufig und sodann mit Änderungsbescheid vom 11. Mai 2016 für Februar 2016 bis April 2016 endgültig Leistungen bewilligt. Auf den Kläger entfielen 78,79 EUR für Februar 2016, 0,00 EUR für März 2016 und 102,67 EUR für April 2016.
Der Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2015, dass Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2008 entstanden sei und für die kein Bestandsschutz bestehe, grundsätzlich ab Vollendung des 63. Lebensjahres verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig, das heiße auch mit Abschlägen, in Anspruch zu nehmen, soweit keine der in der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV) geregelten Ausnahmetatbestände zuträfen. Der Kläger wurde aufgefordert, seine Rentenauskunft vorzulegen.
Am 25. Januar 2016 reichte der Kläger das Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 19. Januar 2016 ein. Nach der Proberechnung habe er seit 1. Juni 2015 Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen in Höhe von 9 %. Bei einem Rentenbeginn ab 1. Januar 2016 betrügen die Abschläge 6,9 %. Ab 1. Dezember 2017 bestehe Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschläge. Der Rentenbetrag (ohne Abzug von Beiträgen) belaufe sich voraussichtlich auf 1.308,87 EUR monatlich.
Der Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 24. Februar 2016 auf, umgehend eine Altersrente zu beantragen und dies bis zum 23. März 2016 nachzuweisen. Unter demselben Tag wandte sich der Beklagte an den Rentenversicherungsträger und machte einen Erstattungsanspruch für den Fall, dass dem Kläger eine Altersrente ab 1. April 2016 bewilligt werde, geltend.
In seinem gegen den Aufforderungsbescheid gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, dass er es ablehne, vorzeitig in Altersrente zu gehen, weil ihn die Abschläge bis zum Lebensende begleiten würden. Er habe aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen. Er sehe auch keinen Grund, finanziell in ein Loch fallen zu müssen, da er immerhin Erwerbsminderungsrente beziehe. Im Juni 2016 stehe eine Rentenerhöhung an. "Die restliche Zeit bis zur Altersrente 2017, kann ich auch ohne der übrigen Leistung der Grundsicherung (SGB II) überleben."
Am 5. April 2016 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag.
Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. April 2016 beim zuständigen Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 SGB II für den Kläger eine geminderte Altersrente ab 1. Mai 2016. Am Ende des Schreibens findet sich folgender Satz: "Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig." Mit weiterem Schreiben machte er einen Erstattungsanspruch geltend.
Der inzwischen mandatierte Klägerbevollmächtigte erklärte im Schriftsatz vom 4. Mai 2016, dass der Kläger im Widerspruchsschreiben nur seinen Unmut über die Vorgehensweise des Beklagten habe zum Ausdruck bringen wollen, nicht aber einen Leistungsverzicht habe aussprechen wollen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in wechselnder Höhe. Auf den Kläger entfielen in der monatlichen Reihenfolge Teilbeträge in Höhe von 122,38 EUR, 182,31 EUR, 82,67 EUR, 102,38 EUR, 162,31 EUR und 82,67 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 12. Juli 2015 wurde für Juli 2016 der Bewilligungsbetrag endgültig auf 80,79 EUR festgesetzt.
Der Klägerbevollmächtigte rügte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 unter anderem, dass die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, zu einem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechte des Klägers aus Artikel 3 Abs. 1, Artikel 14 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1 sowie Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) führe. Es fehle eine Beratung des Klägers zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und zu anderen Arten der Altersrente. Der Aufforderungsbescheid sei im Übrigen formell rechtswidrig, weil der Kläger vor dessen Erlass nicht angehört worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 zurück. Er erläuterte, weshalb der Kläger verpflichtet sei, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, dass er keinen Bestandsschutz nach der "58er-Regelung" genieße, und dass keine Ausnahmeregelung greife.
Der Kläger hat am 22. August 2016 Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 erhoben.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Dezember 2016 (für Januar 2017 bis April 2017) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für November 2016 bis April 2017. Auf den Kläger entfielen Teilbeträge in Höhe von 180,13 EUR, 80,79 EUR, 84,88 EUR, 95,72 EUR, 77,66 EUR und 51,31 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 setzte er die Leistungen für November 2016 bis April 2017 endgültig fest, wobei sich die dem Kläger zuerkannten Leistungen für Januar bis April 2017 auf 85,75 EUR, 96,59 EUR, 104,67 EUR und 83m25 EUR erhöhten.
Der Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 8. März 2017 seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren vertiefend wiederholt. Ergänzend hat er geltend gemacht, dass das Schreiben des Beklagten vom 25. April 2016, in dem der Antrag auf vorzeitige Altersrente enthalten ist, nicht unterschrieben und damit unwirksam sei. Da dem Kläger zudem weiterhin Arbeitslosengeld II bewilligt worden sei, werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Im Schriftsatz vom 16. März 2017 hat er vorgetragen, dass eine unbillige Härte im Sinne von § 1 UnbilligkeitsV vorliegen dürfe. Ferner sei der Kläger auf Grund der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, auch verpflichtet, auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente zu verzichten. Hierzu sei er aber nach § 12a SGB II nicht befugt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. März 2017 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei das Rechtsschutzbedürfnis gegeben, weil nach Aktenlage noch keine bestandskräftige Rentenbewilligung erfolgt sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sei rechtmäßig. Die Kammer folge den zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid und nehme hierauf Bezug. Das Sozialgericht hat ergänzend ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Vorschriften des SGB II zur Sicherung des Nachrangs der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Verweis auf vorrangige Leistungen verfassungsgemäß seien. Ein etwaiger Anhörungsmangel sei jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger sei ohne Altersrente hilfebedürftig. Die Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente beseitige wegen § 7 Abs. 4 SGB II die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB II. Soweit ersichtlich übersteige der monatliche Zahlbetrag der vorzeitigen Altersrente auch den monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes blieben die Auswirkungen für die Ehefrau des Klägers und eventuelle Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) bei der Prüfung von § 12a SGB II jedenfalls außer Betracht. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung verstoße nicht gegen die Unbilligkeitsverordnung. Insbesondere könne § 2 UnbilligkeitsV nicht entsprechend angewandt werden. Für die (wohl vorliegende) Befürchtung des Klägers, dass er durch die Bewilligung einer Altersrente, die Rentenerhöhungen auf Grund von Rentenanpassungen "rückwirkend" wieder verliere, gebe es wegen §§ 64, 68 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) keinen Grund. Außerdem gelte § 77 Abs. 3 SGB VI. Im Ergebnis führten die vorgenannten Vorschriften dazu, dass ab Beginn der Altersrente die "Hälfte der Rente" weiterhin in der Höhe geleistet wird, in der auch die ("halbe") Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu leisten wäre. Die "zweite Hälfte der Rente" bekommt der Kläger hinzu – mit den Abschlägen entsprechend § 77 Abs. 2 Nr. 2, § 236 SGB VI. Auch ein Fall von § 6 UnbilligkeitsV in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung liege nicht vor. Ermessensfehler seien für die Kammer nicht ersichtlich. Ob die ersatzweise Rentenantragstellung durch den Beklagten wirksam sei, sei vom Rentenversicherungsträger zu prüfen und zu entscheiden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. April 2017 zugestellte Urteil am 9. Mai 2017 Berufung eingelegt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 6. April 2017 hin bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau zunächst mit Bescheid vom 26. April 2017 vorläufig und dann mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 für Mai 2017 bis Oktober 2017 endgültig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dem Kläger wurden 104,14 EUR, 160,40 EUR, 114,60 EUR, 90,18 EUR, 146,44 EUR und 186,48 EUR in diesen Monaten zuerkannt.
Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 erhöhte sich die Erwerbsminderungsrente des Klägers auf 908,70 EUR.
Auf Grund des Rentenbescheides vom 11. September 2017 bezieht der Kläger seit 1. Dezember 2017 eine Regelaltersrente in Höhe 1.464,95 EUR brutto (= 1.300,14 EUR netto).
Der Klägerbevollmächtigte hat zunächst seine Rechtsausführungen aus dem Klageverfahren wiederholt. Darüber hinaus wendet er zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren ein, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden sei. Nach Akteneinsicht in die beigezogene Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers trägt er vor, dass der angefochtene Bescheid spätestens jetzt nichtig sei, weil der Beklagte mit Schreiben vom 25. April 2016 keinen wirksamen Antrag auf vorzeitige Altersrente und auch danach keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt habe. Hilfsweise bestehe der Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides auf Grund eines Anspruches auf Widerruf dieses Bescheides. Ferner werde hilfsweise der Einwand der Verwirkung erhoben, weil der Beklagte "sein vermeintlich ihm zustehendes Recht auf vorrangige Antragstellung einer Rente mit Abschlägen" verwirkt habe. In der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2019 hat der Klägerbevollmächtigte unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. August 2018 (Az. B 14 AS 1/18 R) zu bedenken gegeben, dass der Beklagte gegen die Bewilligung der regulären Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe. Weiter hat er zu bedenken gegeben, ob die Regelung in § 3 UnbilligkeitsV, wonach eine vorzeitige Altersrente bei einer bevorstehenden abschlagsfreien Altersrente nicht beantragt werden muss, nicht erweiternd dahingehend auszulegen sei, dass bei einem Leistungsanspruch in geringem Umfange diese Regelung entsprechend gelte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 22. März 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht die entscheidungserheblichen Regelungen als mit dem Grundgesetz vereinbar an. Eines gesonderten Verfahrens zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren bedürfe es nicht. Auch ein Verstoß gegen die Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Nach Einsicht in die Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers vertritt er die Auffassung, dass sich das von ihm eingeleitete rentenrechtliche Verfahren nicht erledigt habe. Denn der Rentenversicherungsträger habe inzwischen mitgeteilt, dass eine Entscheidung über den Antrag vom 25. April 2016 wegen des laufenden Berufungsverfahrens zurückgestellt werde. Im Übrigen sei die tatsächliche Stellung eines Rentenantrages keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Aufforderung, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen.
Aus der beigezogenen Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers, die aus Kopien besteht und weder blattiert noch paginiert ist, ergibt sich, dass das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016 dort am 26. April 2016 eingegangen ist. Mit Schreiben vom 5. Januar 2018, eingegangen am 9. Januar 2018, hat sich der Beklagte nach dem Bearbeitungsstand erkundigt. Hierauf hat der Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 15. Januar 2018 geantwortet, dass der Antrag "als solcher nicht anzuerkennen ist." Der Kläger werde durch den Klägerbevollmächtigten vertreten. Das Jobcenter sei "keinesfalls als Bevollmächtigter oder Betreuer zu werten". Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2018 unter anderem auf die Regelung in § 5 Abs. 3 SGB II hingewiesen. Auf seine neuerliche Sachstandsanfrage im Schreiben vom 12. Juni 2018 hat der Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 20. Juni 2018 erwidert, dass der Antrag wegen des laufenden Berufungsverfahrens noch nicht habe bearbeitet werden können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und des Rentenversicherungsträgers Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Es mangelt dem Kläger insbesondere nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 71/16 – juris Rdnr. 42, m. w. N.).
1. Dem Kläger fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil er in seinem Widerspruchsschreiben auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verzichtet hätte.
Zwar kann nach § 46 Abs. 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden. Eine Verzichtserklärung, bei der es sich um eine einseitig gestaltende Willenserklärung handelt, muss aber von einem klaren und eindeutigen Verzichtswillen getragen sein (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 3/87 – BSGE 63, 167 ff. = SozR 1500 § 54 Nr. 85 = juris Rdnr. 28; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [3. Aufl. 2018], § 46 Rdnr. 22; Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I [Stand: 43. Erg.-Lfg, Juni 2016], § 46 Rdnr. 16). Eine solche hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben nicht getätigt. In seiner Äußerung, dass er die restliche Zeit bis zur Altersrente im Jahr 2017 auch ohne die Leistung nach dem SGB II überleben könne, ist vielmehr nur eine kritische Randbemerkung zum Aufforderungsbescheid des Beklagten zu sehen.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist ferner unter anderem dann nicht gegeben, wenn es einen einfacheren, zum Beispiel einen umfassenderen, leichteren und schnelleren Weg gibt, das Rechtsschutzziel zu erlangen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – L 3 AS 710/15 B ER – juris Rdnr. 35, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], Vor § 51 Rdnr. 16a, m. w. N.).
Vorliegend begehrt der Kläger, den Bescheid, mit dem er zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist (zu dessen Verwaltungsaktsqualität: BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2011 – B 14 AS 138/11 B – juris Rdnr. 5), aufzuheben. Es könnte fraglich sein, ob für diese Anfechtungsklage (zur Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen solchen Bescheid: BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – BSGE 119, 271 ff. = SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 12) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn der Kläger, wie ihm vom Sozialgericht nahegelegt worden ist, ergänzend begehren könnte, den Beklagten zur Rücknahme seines Rentenantrages vom 25. April 2016 zu verpflichten. Ein solches zusätzliches Rechtsschutzbegehren ist allerdings nicht erforderlich. Denn die Befugnis eines Jobcenters, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente ersatzweise für einen Leistungsberechtigten stellen zu dürfen, setzt unter anderem eine wirksame vorherige Aufforderung des Betroffenen zur Rentenantragstellung voraus. Wenn also auf eine Anfechtungsklage des Leistungsberechtigten hin die von einem Jobcenter an ihn gerichtete Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, aufgehoben wird, ist eine der Voraussetzungen für die Befugnis des Jobcenters, ersatzweise einen solchen Antrag stellen zu dürfen, entfallen. Auf Grund der Bindung eines jeden Jobcenters an Gesetz und Recht (vgl. Artikel 20 Abs. 3 GG) ist dieses in einem solchen Fall verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag zurückzunehmen.
3. Schließlich fehlt das Rechtsschutzbedürfnis unter anderem auch dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 R – NZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 – L 3 AS 6/15 B ER PKH – juris Rdnr. 5; Keller, a. a. O., Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. September 2015 – L 3 AS 1738/13 – ZFSH/SGB 2016, 99 ff. = juris Rdnr. 34; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [35. Erg.-Lfg., September 2018], Vor § 40 Rdnr. 94).
Vorliegend könnte das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, entfallen sein, nachdem dem Kläger bestandskräftig eine Regelaltersrente bewilligt worden ist. Dies wäre dann der Fall, wenn sich der Aufforderungsbescheid vom 24. Februar 2016 in Folge des Erlasses des Rentenbescheides vom 11. September 2017 im Sinne von § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt hätte.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 12. Juni 2013 entschieden, dass "nach bestandskräftiger Bewilligung einer Rente [ ...] das mit der Klage und der Berufung verfolgte Ziel, der in § 12a Satz 1 SGB II normierten Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschlusses bei Bezug einer Rente wegen Alters aber nicht mehr erreicht werden" kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 225/12 B – juris Rdnr. 5). Diese Feststellung bezieht sich allerdings auf die vom Jobcenter beantragte vorzeitige Altersrente. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. August 2015 eine Erledigung des Aufforderungsbescheides verneint, wenn das Jobcenter gegen die Ablehnung des Antrages aus vorzeitige Altersrente durch den Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 13).
Ebenfalls im Urteil vom 19. August 2015 hat das Bundessozialgericht allerdings auch entschieden, dass für eine Anfechtungsklage auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, wenn der Kläger zwischenzeitlich eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte abschlagsfreie Regelaltersrente bezieht. Denn solange das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen sei, begründe und erhalte die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger im Rentenverfahren, in dem eine rückwirkende Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente in Betracht komme (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Hiervon abweichend hat derselbe Senat jedoch im Urteil vom 9. August 2018 ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 12), dass sich der Aufforderungsbescheid nicht erledigt habe, weil bislang keine bestandskräftige Entscheidung über den Rentenanspruch des Klägers vorliege, und zwar weder in Bezug auf den Antrag des Jobcenters auf vorzeitige Altersrente noch in Bezug auf den Antrag des Klägers auf abschlagsfreie Altersrente (vgl. zu diesem Sachverhalt: SG Neubrandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 – S 11 AS 658/17 – juris Rdnr. 4 und 12). Diese gewählte Formulierung lässt sich so verstehen, dass der 14. Senat nunmehr von einer Erledigung des Aufforderungsbescheides ausgehen würde, wenn die Regelaltersrente während des laufenden diesen Bescheid betreffenden Verfahrens bestandskräftig bewilligt wird. Allerdings wird im Urteil vom 9. August 2018 in diesem Zusammenhang nicht das frühere Urteil vom 19. August 2015 zitiert und auch keine Begründung gegeben, weshalb – entgegen der früheren Rechtsauffassung – der Aufforderungsbescheid in Folge der bestandskräftigen Bewilligung der Regelaltersrente erledigt sein soll. Der 14. Senat hat im Urteil vom 9. August 2018 nicht zu erkennen gegeben, ob er mit der zitierten Textpassage beabsichtigt, von der eigenen früheren Rechtsprechung im Urteil vom 19. August 2015 abzuweichen oder sie gänzlich aufzugeben.
Auf der Grundlage des zitierten Rechtssatzes des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 19. August 2015 besteht auch vorliegend für das im Rahmen des Berufungsverfahrens verfolgte Anfechtungsbegehren des Klägers weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI entgegen. Danach ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Ein Wechsel in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die andere Rentenart vor oder gleichzeitig mit der Altersrente beginnt (vgl. BT-Drs. 16/3794 S. 33 [zu Nummer 7 Buchst. c]; ebenso: Sächs. LSG, Urteil vom 25. Januar 2010 – L 7 R 582/08 – juris Rdnr. 35; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2016 – L 9 R 695/16 – info also 2016, 270 ff. = juris Rdnr. 22, m. w. N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. November 2016 – L 2 R 176/16– juris Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – L 4 R 791/17 – juris Rdnr. 19; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI [2. Aufl., 2013], § 34 Rdnr. 84). Die vom Beklagten für den Kläger beantragte vorzeitige Altersrente würde, wenn der Rentenversicherungsträger dem Antrag stattgeben sollte, am 1. Mai 2016 beginnen und damit eineinhalb Jahre vor der Regelaltersrente.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
1. Der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist formell rechtmäßig.
a) Zwar hat es der Beklagte unterlassen, den Kläger vor dem Erlass des Bescheides vom 24. Februar 2016 anzuhören. Er war nach § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet, eine Anhörung durchzuführen (ebenso: Bay. LSG, Beschluss vom 21. November 2016 – L 11 AS 721/16 B ER – juris Rdnr. 14; offen gelassen: BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 R – FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 16). Nach dieser Regelung ist dem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Eingriff in die Rechte des Klägers liegt in der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Denn auch wenn der Kläger bereits auf Grund von § 12a Satz 1 SGB II und vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen in § 12a Satz 2 SGB II und in der Unbilligkeitsverordnung verpflichtet war, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich war, und der Bezug einer vorzeitigen Altersrente kraft Gesetzes zur Folge hat, dass nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II der betreffende Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhält, verschafft sich der Beklagte mit dem Aufforderungsbescheid die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II unter Beachtung weiterer Voraussetzungen ersatzweise für den Kläger einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen und ihn damit im Falle einer positiven Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gegen seinem Willen aus dem Bezug von SGB II-Leistungen auszuschließen. zu können.
Von einer Anhörung des Klägers konnte der Beklagte nicht absehen, weil keiner der Ausnahmetatbestände aus § 24 Abs. 2 SGB II erfüllt war.
Der Anhörungsmangel wurde aber im Widerspruchsverfahren geheilt.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. Juli 2016 offen gelassen, ob eine erneute oder nachzuholende Anhörung im Widerspruchsverfahren im Einzelfall entbehrlich sein kann, wenn der Betroffene die von der Behörde (bewusst oder unbewusst) unterlassene Verfahrenshandlung der Anhörung selbst vornimmt, die im Ergebnis das bewirkt, was herbeizuführen der Behörde oblag (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris 15, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29. September 1991 – 4 RK 4/91 – BSGE 69, 247 [253 f.] = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 S. 10 f. = juris Rdnr 32, 35). Denn eine Heilung des Anhörungsmangels allein durch die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens setze zumindest voraus, dass der Ausgangsbescheid alle wesentlichen (Haupt-)Tatsachen, das heißt alle Tatsachen, die die Behörde ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht berücksichtigen muss und kann, nennt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016, a. a. O.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017 – L 3 AL 39/14 – info also 2017, 217 ff. = juris Rdnr. 42).
Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Beklagte stellte im Bescheid vom 24. Februar 2016 die Regelung des § 12a Satz 1 SGB II, die Bestandsschutzregelung des § 65 Abs. 4 SGB II und die Regelungen der Unbilligkeitsverordnung dar. Er erläuterte, aus welchen Gründen seiner Meinung nach der Kläger verpflichtet sei, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Schließlich wies er darauf hin, dass er, der Beklagte, befugt sei, den Antrag ersatzweise zu stellen, wenn der Kläger die Antragstellung nicht umgehend vornehme. Damit hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid alle entscheidungserheblichen Punkte angesprochen und dem Kläger damit die Möglichkeit eröffnet, substantiiert zum Aufforderungsbescheid Stellung zu nehmen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden sei mit der Folge, dass keine Heilung des Anhörungsmangels habe erfolgen können, verkennt er, dass das Bundessozialgericht nach seiner gefestigten Rechtsprechung ein "mehr oder minder förmlichen Verwaltungsverfahren" nur fordert, wenn die fehlende Anhörung erst während des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2006 – B 7a AL 64/05 R – juris Rdnr. 15, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 15 m. w. N.; BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R – BSGE 108, 289 ff. = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 26 m. w. N.; BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017, a. a. O., Rdnr. 44 f.).
b) Der Bescheid vom 24. Februar 2016 begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken.
Der Bescheid war inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Soweit der Kläger aufgefordert wurde, "Altersrente" zu beantragen, war für einen verständigen, objektiven Beobachter (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 19 = juris Rdnr. 21; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 33 Rdnr. 7) aus dem Gesamtzusammenhang der weiteren Ausführungen in dem Bescheid zu erkennen, dass damit die vorzeitige Altersente, in Bezug auf die der Kläger eine Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers vorgelegt hatte, gemeint war.
Die dem Kläger im Bescheid vom 24. Februar 2016 gesetzte Frist bis zum 23. März 2016 für den Nachweis einer Antragstellung war angemessen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 34; zur in der Regel angemessenen Frist von einem Monat: BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – B 5 R 386/07 B – SozR 4-1500 § 153 Nr. 7 = NZS 2009, 701 ff. = juris Rdnr. 20).
2. Der Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist auch materiell rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Ermächtigung des Beklagten, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes § 12a SGB II i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 16. ff.).
Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend hiervon sind nach § 12a Satz 2 SGB II Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (Nummer 1) oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde (Nummer 2). Nach § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II (sog. "58er-Regelung") hat ab 1. Januar 2008 abweichend von § 2 SGB II auch ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist, der erwerbsfähige Leistungsberechtigte vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden.
Der Kläger, die die Voraussetzungen der "58er-Regelung" nicht erfüllt, konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung seines 63. Lebensjahres beanspruchen. Der am 17. Mai 1952 geborene Kläger vollendete sein 63. Lebensjahr am 17. Mai 2015. Bei rechtzeitiger Antragstellung (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) kam ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente ab dem 1. Juni 2015 in Betracht, wie auch die Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers vom 19. Januar 2016 ausweist. Der Kläger war zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, weil diese im Sinne von § 12a Satz 1 SGB II zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erforderlich war. Unabhängig von der Höhe der voraussichtlichen oder tatsächlichen vorzeitigen Altersrente hätte der Kläger aber allein schon mit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente seine Hilfebedürftigkeit beseitigt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 32). Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II unter anderem nicht, wer Rente wegen Alters bezieht.
Aber selbst wenn hiervon abweichend auf die finanziellen Verhältnisse abzustellen wäre, würde sich im Falle des Klägers nichts anderes ergeben. Der Beklagte hatte beispielsweise für April 2016, als er ersatzweise für den Kläger den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellte, im Leistungsbescheid vom 11. Mai 2016 einen individuellen Bedarf in Höhe von 455,94 EUR ermittelt. Dem hätte als zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II) eine Altersrente in Höhe von – später tatsächlich bewilligt – 1.300,14 EUR netto mit einem Abzug von 9 % gegenübergestanden. Da das zu berücksichtigende Einkommen nahezu dem Dreifachen des ermittelten Bedarfes entspricht, ist auch ohne eine ins Detail gehende Berechnung nach Maßgabe von § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 11 bis 11b SGB II ersichtlich, dass der Kläger seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II bei einer Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bereits der Höhe nach beseitigt hätte.
Bei der Prüfung, ob der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II hätte beseitigen können, ist nur auf ihn und nicht auch auf seine Ehefrau abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.).
b) Ein in der Unbilligkeitsverordnung geregelter Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung des Klägers, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen, ist nicht gegeben.
(1) In der Unbilligkeitsverordnung sind die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, abschließend geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 23). § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, ist selbst kein Unbilligkeitstatbestand, sondern greift als "Grundsatz"-Regelung nur den Wortlaut aus der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II auf (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Die Voraussetzungen von § 2 UnbilligkeitsV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld), § 3 UnbilligkeitsV (Bevorstehende abschlagsfreie Altersrente), § 4 UnbilligkeitsV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitsV (Bevorstehende Erwerbstätigkeit) sind ersichtlich nicht gegeben.
(2) In Bezug auf den zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen § 6 UnbilligkeitsV (vgl. Artikel 1 Nr. 1 i. V. m. 2 der Verordnung vom 4. Oktober 2016 [BGBl. I S. 2210]) kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift vorliegend Anwendung finden kann (verneinend für bis zum 31. Dezember 2016 ergangene Widerspruchsbescheide: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 – L 5 AS 340/16 B ER – ZFSH/SGB 2017, 770 ff. = juris Rdnr. 34). Denn die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes würden, wie bereits das Sozialgericht festgestellt hat, nicht vorliegen. Nach § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme unbillig, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden. Dies ist nach § 6 Satz 2 UnbilligkeitsV insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 % der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II. Der im Mai 1952 geborene Kläger erreichte seine Altersgrenze im Sinne von § 7a SGB II mit dem Ablauf des Monats, in dem er sein Lebensalter von 65 Jahren und 6 Monaten vollendete, das heißt mit Ablauf des Novembers 2017. Die vom Rentenversicherungsträger in der Probeberechnung ermittelte, zu erwartende monatliche Regelaltersrente betrug 1.308,87 EUR. 70 % hiervon sind 916,20 EUR. Dieser Betrag überstieg nicht nur den maßgebenden individuellen Bedarf des Klägers ("Bedarf der leistungsberechtigten Person"), sondern auch den gemeinsamen mit seiner Ehefrau sowohl im Februar 2016, als der Beklagte die Aufforderung an den Kläger sandte, in Höhe von 869,07 EUR als auch im Juli 2016, als der Beklagte den Widerspruchsbescheid erließ, in Höhe von 911,88 EUR. Andere Umstände, die die Annahme einer Unbilligkeit im Sinne von § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
(3) Die vom Klägerbevollmächtigten gewünschte analoge Anwendung von § 2 UnbilligkeitsV, wonach die Inanspruchnahme unbillig ist, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde, kommt nicht in Betracht. Denn eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 – B 5 R 25/17 R – juris Rdnr. 57, m. w. N.). Hieran fehlt es vorliegend.
(4) Auch für die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ins Spiel gebrachte erweiternde Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, gibt es keine Grundlage (4.1). Entsprechendes gilt für eine analoge Anwendung dieser Regelung (4.2).
(4.1) Nach § 3 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente (mit Abschlägen) unbillig, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist mit dem Tatbestandsmerkmal "die Altersrente" jede Altersrente gemeint, wie zum Beispiel auch die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 18). Unter dem Tatbestandsmerkmal "in nächster Zukunft" wird eine Zeitspanne von vier Monaten verstanden (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, a. a. O., Rdnr. 20 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist für die Auslegung einer Rechtsvorschrift der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den dieser hineingestellt ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016 – 2 BvR 1137/14 – NVwZ 2016, 1313 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.). Hierbei helfen alle herkömmlichen Auslegungsmethoden in abgestimmter Berechtigung, unter denen keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen hat (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O., m. w. N.). Eine Auslegung ist allerdings nur "innerhalb der Wortlautgrenze" möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 [Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht] – BVerfGE 129, 78 ff. = NJW 2011, 3428 ff. = juris Rdnr. 72; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O., m. w. N.).
In § 3 UnbilligkeitsV wird auf ein Zeitmoment ("in nächster Zukunft") abgestellt. Eine erweiternde Auslegung, bei der an die Stelle dieses Zeitaspekt der finanzielle Aspekt des geringen Umfanges des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II treten würde, würde die Wortlautgrenze der Regelung in § 3 UnbilligkeitsV überschreiten.
(4.2) Für eine analoge Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Zur Begründung dieses Unbilligkeitstatbestandes heißt es im Referentenentwurf (vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf? blob=publicationFile): "Unter Abwägung der Höhe der Abschläge für die gesamte Dauer des Rentenbezugs und des vergleichsweise kurzen Bezugszeitraums von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es gerechtfertigt, bei Personen, die kurz vor der abschlagsfreien Altersrente stehen, von der Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente abzusehen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Hilfebedürftigen nur noch ein vergleichsweise kurzer Zeitraum zur Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht." Danach hat der Verordnungsgeber bei dieser Regelung zwei Aspekte in den Blick genommen: zum einen die finanziellen Auswirkungen auf den Leistungsberechtigten in der von § 3 UnbilligkeitsV erfassten Konstellation und zum anderen die geringen Aussichten, den Leistungsberechtigten in der relativ kurzen Zeit bis zum Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente noch in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Unausgesprochen mag auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass der Verwaltungsaufwand, der in den Fällen des § 3 UnbilligkeitsV mit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente und gegebenenfalls der Beantragung dieser Rente durch das Jobcenter zunächst dem Jobcenter und dann dem Rentenversicherungsträger entsteht, außer Verhältnis zu den für das System der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewünschten Effekten steht.
Der Verordnungsgeber hat den Gesichtspunkt der Eingliederung in den Arbeitsmarkt neben § 3 UnbilligkeitV auch in § 4 UnbilligkeitV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitV (Bevorstehende Erwerbstätigkeit) und die finanzielle Belange des Leistungsberechtigten zum Beispiel auch in § 2 UnbilligkeitV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld) und § 6 UnbilligkeitV (Hilfebedürftigkeit im Alter) berücksichtigt. Es mag sachliche Gründe geben, die einen generalisierenden und typisierenden Unbilligkeitstatbestand in dem vom Klägerbevollmächtigten gewünschten Sinne rechtfertigen würden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist ein solcher weiterer Unbilligkeitstatbestand aber nicht geboten.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen eines der Unbilligkeitstatbestände in dem Zeitpunkt vorliegen müssen, in dem der Leistungsberechtigte vom Jobcenter aufgefordert wird, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die Aufforderung an den Kläger erging im Februar 2016, Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente hatte er ab dem 1. Dezember 2017. Dazwischen lagen etwas mehr als 21 Monate. Selbst zwischen dem vom Beklagten beantragten Rentenbeginn am 1. Mai 2016 und dem 1. Dezember 2017 lag noch ein Zeitraum von 19. Monaten. Weder im Februar 2016 noch im April 2016, als der Beklagte ersatzweise für den Kläger den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellte, war abzusehen, wie lange und in welcher Höhe der Kläger noch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben würde. So hätte beispielsweise seine Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II vorzeitig enden können, wenn sich sein krankheitsbedingter Gesundheitszustand mit der verminderten Erwerbsfähigkeit so verschlechtert hätte, dass er nicht mehr im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II erwerbsfähig gewesen wäre. Andererseits hätte sich der Bedarf des Klägers und damit sein Anspruch erhöhen können, wenn neben den regelmäßig anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung zusätzlich noch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur seines selbst bewohnten Wohneigentums entstanden wären (vgl. § 22 Abs. 2 SGB II). Der Ansatz des Klägerbevollmächtigten würde somit entweder eine in die Zukunft gerichtete, auf einem hypothetischen Geschehensablauf beruhende Prognose des hypothetischen Umfangs eines hypothetischen Leistungsanspruches oder eine beim Zeitpunkt des Endes des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ansetzende, retrospektive Betrachtung des tatsächlichen Leistungsumfanges erfordern. Beides würde sich nicht in das Konzept einfügen, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, die Verpflichtung zu einer solchen Antragstellung mit hinreichender Verlässlichkeit geprüft werden kann.
(4.3) Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch fraglich ist, ob der Kläger tatsächlich nur einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes "in geringem Umfange" hatte. Maßgebend für die Bestimmung der Geringfügigkeit könnte zum einen die Beurteilung der dem Kläger monatlich bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum zwischen der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, und dem Bezug der Regelaltersrente sowie zum anderen die Beurteilung der ihm in diesem Zeitraum insgesamt bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II sein.
Abgesehen von März 2016, wo der Beklagte dem Kläger keinen Leistungsanspruch zuerkannte, erfolgte die niedrigste Leistungsbewilligung im vorläufigen Bescheid vom 6. Oktober 2016 für April 2017 mit einem auf den Kläger entfallenden Anspruch in Höhe von 47,22 EUR. Der Beklagte ermittelte für diesen Monat einen auf den Kläger entfallenden Bedarfsanteil in Höhe von 422,37 EUR. Damit entspricht die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistung 11,18 % seines Bedarfes in diesem Monat. Den höchsten Leistungsbetrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 für Oktober 2017 mit 186,48 EUR. Bezogen auf den für diesen Monat ermittelten Bedarfsanteil des Klägers in Höhe von 574, 72 EUR entspricht dies einer Quote von 32,45 %.
Die dem Kläger bewilligten Leistungen summieren sich für die Monate April 2016 bis Oktober 2017 auf 2.268,93 EUR. Bezogen auf 19 Monate errechnet sich ein durchschnittlicher Leistungsanspruch in Höhe von monatlich 119,42 EUR.
Unbeschadet der Frage, auf welchen Bezugspunkt beim Ansatz des Klägerbevollmächtigten für eine Geringfügigkeit des Leistungsbezuges abzustellen sein sollte, kann bei der beschriebenen Bedürftigkeitssituation des Klägers in der Zeit, als er noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog, kaum gesprochen werden.
c) Die Rechtsmäßigkeit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung erfordert, dass das Jobcenter das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
Die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 25 ff.). Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 19. August 2015 ausgeführt, dass "relevante Ermessensgesichtspunkte [ ] nur solche sein [können], die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dafür dürften bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht kommen, die keinen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen, ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalles vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat" (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 29). Gemessen hieran kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bei seiner Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen ist.
3. Der Senat vermag die vom Klägerbevollmächtigten vorgebrachten Einwände zur Verfassungswidrigkeit der oben zitierten, den Beklagten zur Aufforderung des Klägers ermächtigenden Regelungen nicht zu teilen.
Der Senat schließt sich der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 43 ff., bestätigend: BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 R – FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 37; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 30) an.
Ergänzend ist zu den Einwänden des Klägerbevollmächtigten lediglich anzumerken:
a) Nach Artikel 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Regelung nur dann mit diesem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229 [238] = juris Rdnr. 41, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/96, 2 BvR 288/07 – BVerfGE 133 377 ff. = juris, jeweils Rdnr. 76, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2018 – 1 BvR 3042/14 – NJW 2018, 3299 ff. = juris Rdnr. 18, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. April 2016 – L 3 AS 723/14 = juris Rndr. 28).
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 19. August 2015 der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Vergleichsgruppe der Leistungsbezieher, die keinen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, gegenübergestellt und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verneint. In Bezug auf die Gruppe der Nichtleistungsbezieher, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, fehle es an der notwenigen Vergleichbarkeit (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 48).
Demgegenüber will der Klägerbevollmächtigte der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Gruppe der Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII, von Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) gegenüberstellen. Er sieht eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen beiden Gruppen darin, dass letztere nicht verpflichtet würden, vorrangig einen Antrag auf Altersrente zu stellen.
In Bezug auf das Sozialhilferecht übersieht er allerdings, dass es dort zwar keine Parallelvorschriften zu § 12a SGB II und § 5 Abs. 3 SGB II, jedoch vergleichbare Regelungen gibt, die in der Sache zum selben Ergebnis führen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB XII [Stand: Erg.-Lfg. 2/2018], § 2 Rdnr. 19). So erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer unter anderem die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Selbsthilfeobliegenheit (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 12/14 R – SozR 4-2500 § 264 Nr. 6 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII [2. Aufl. 2014], § 2 Rdnr. 11) wird ergänzt durch § 95 Satz 1 SGB XII, wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann.
Die Bezieher von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG wiederum bilden keine geeignete Vergleichsgruppe. Denn der Anspruch auf Kindergeld setzt unter anderem voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BKGG). Weiter muss die anspruchsberechtigte Person über ein gesetzlich festgelegtes Mindesteinkommen oder -vermögen verfügen (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG) und darf ein gesetzlich festgelegtes Höchsteinkommen oder -vermögen nicht überschreiten (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG). Kinderzuschlag ist mithin eine ergänzende, steuerfinanzierte Sozialleistung, die gerade den Bezug einer Grundsicherungsleistung und damit die Einbeziehung der betroffenen Person in das umfassende Grundsicherungssystem nach dem SGB II vermeiden soll. Ähnlich verhält es sich mit dem Wohngeld. Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (vgl. § 1 Abs. 1 WoGG). Es wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet (vgl. § 1 Abs. 2 WoGG). Vom Wohngeld ausgeschlossen sind Empfänger und Empfängerinnen von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WoGG), von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WoGG), von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WoGG) sowie von weiteren in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG aufgeführten Sozialleistungen, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Mit dem Wohngeld wird also nicht wie mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und SGB XII das Ziel verfolgt, umfassend zu ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (vgl. § 1 Abs.1 SGB II, § 1 Abs. 1 SGB XII). Vielmehr sollen nur die Bedarfe, die mit dem Wohnen verbunden sind, gedeckt werden.
Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 Abs. 1 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 208/11 – juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AL 30/13 – juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 – L 3 AL 211/15 – juris Rdnr. 39, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt. Dem Gesetzgeber steht mithin ein Spielraum zu zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er bei welchen steuerfinanzierten Sozialleistungen eine Selbsthilfeobliegenheit sowie eine sie ergänzende Handlungsbefugnis des Sozialleistungsträgers schaffen will.
b) In Bezug auf Artikel 14 Abs. 1 GG moniert der Klägerbevollmächtigte, dass das Bundessozialgericht bei seiner Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 45) nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger bei einer vorzeitigen Altersrente nicht nur Rentenabschläge hinzunehmen habe, sondern dass ein eigentumsrechtlicher Eingriff darin liege, dass der Kläger auf Grund staatlicher Hoheitsgewalt dazu bestimmt werde, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente unter Verlust seiner Anwartschaft zu stellen. Beim Kläger komme noch erschwerend hinzu, dass der Kläger auch seine Erwerbsminderungsrente bis zum Eintritt der Regelaltersrente verzichten müsse. Diese Eingriffe würden sich als unverhältnismäßig erweisen. Fiskalische Interessen seien nicht geeignet, die Eingriffe zu rechtfertigen.
Im Ergebnis macht der Klägerbevollmächtigte geltend, dass der Kläger einen Anspruch auf steuerfinanzierte Grundsicherungsleistungen habe, bis er die ihm zustehende Altersrente ohne oder nur mit den geringstmöglichen Abschlägen in Anspruch nehmen könne. Eine solche weitreichende Rechtsposition vermittelt aber das Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums aus Artikel 1 GG i. V. m. Artikel 20 GG nicht.
c) Weiter wendet der Klägerbevollmächtigte ein, dass § 12a Satz 1 SGB II nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, weil das eingesetzte Mittel ungeeignet sei, das verfolgte Ziel zu erreichen. Weshalb die Pflicht/Obliegenheit eines Leistungsberechtigten, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, grundsätzlich nicht geeignet sein soll, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten zu vermeiden, beseitigen, verkürzen oder vermindern, erläutert der Klägerbevollmächtigte allerdings nicht.
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Auffassung vertritt, der gesetzgeberische Zweck liege darin, die steuerliche Gesamtbelastung zu reduzieren, und das gewählte Mittel sei zur Erreichung dieses Zweckes ungeeignet, weil im Gegenzug die Ausgaben der Rentenkassen steigen würden, übersieht er, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht steuer- sondern beitragsfinanziert ist. Im Übrigen steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei zu entscheiden, aus welchem Finanztopf er welche Sozialleistung finanziert wissen will. Es gibt keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, eine bestimmte Sozialleistung aus einem bestimmten Sozialsystem zu erhalten.
d) Der Einwand im Widerspruchsverfahren, im vorliegenden Fall werde durch die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, in das Grundrecht aus Artikel 6 Abs. 1 GG eingegriffen, erschließt sich nicht. Gemeint ist wohl der grundrechtliche Schutz der Ehe. Zu dessen Schutzbereich zählt unter anderem der Schutz des ehelichen Zusammenlebens einschließlich des Schutzes der Entscheidungen zu den finanziellen Beziehungen untereinander (eingehend zum sachlichen Schutzbereich u. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz [15. Aufl., 2018], Art. 6 Rdnr. 6 f., m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verbietet Artikel 6 Abs. 1 GG dem Staat, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Das gilt auch für ihren materiell-wirtschaftlichen Bereich (vgl. BVerfGE, Beschluss vom 10. Januar 1984 – 1 BvL 5/83 – BVerfGE 66, 84 ff. = NJW 1984, 1523 ff. = juris Rdnr. 38).
Durch die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, wird nicht mittelbar und schon gar nicht unmittelbar in dieses Grundrecht eingegriffen. Der Kläger wird lediglich darauf verwiesen, an Stelle der bislang bezogenen, steuerfinanzierten Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II eine andere, jetzt beitragsfinanzierte Sozialleistung in Anspruch zu nehmen. Sofern die Leistungen aus der vorzeitigen Altersrente nicht ausreichen sollten, das Existenzminimum des Klägers und seiner Ehefrau zu decken, bestünde ergänzend ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Situation würde der bis zum Bezug der Regelaltersrente entsprechen, als der Kläger und seine Ehefrau ergänzend zu der Erwerbsminderungsrente des Klägers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezogen.
4. Auch die weiteren Einwände des Klägerbevollmächtigten vermögen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen.
a) Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass der Kläger nicht zu anderen Rentenarten beraten worden sei, bleibt unklar, inwiefern dies für die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, vorliegend von rechtlicher Bedeutung sein soll.
b) Soweit der Antrag auf vorzeitige Altersrente vom Rentenversicherungsträger positiv beschieden werden sollte, hätte der Kläger keinen Anspruch mehr auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente. Dies ist aber die im SGB VI vorgesehen Folge einer Bewilligung einer Altersrente.
c) Die Auffassung, dass es mit § 12a Satz 1 SGB II nicht vereinbar sei, wenn der Kläger mit einem Antrag auf vorzeitige Altersrente zugleich auf seine Erwerbsminderungsrente verzichte, ist nicht zutreffend. Zwar ist es zutreffend, dass mit dem Bezug einer Altersrente der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente entfällt. Auch ist ein Leistungsberechtigter verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (vgl. § 12a Satz 1 SGB II), und er darf weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeiführen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Allerdings hat der Kläger mit dem Bezug der Erwerbsminderungsrente bislang seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nur vermindert, weil er ergänzend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog. Erst mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente würde er weitergehend seine Hilfebedürftigkeit beseitigen, weil er dann kraft Gesetzes (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre. Wenn im Rahmen von § 12a SGB II die Wahl zwischen zwei vorrangigen Sozialleistungen besteht, hat diejenige Sozialleistung Vorrang, mit der die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten weitergehend verkürzt oder vermindert oder sogar in Gänze beseitigt wird.
d) Schließlich greifen auch die Verwirkungseinreden des Klägerbevollmächtigten nicht.
(1) Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 8. Oktober 2014 ausgeführt, dass ein Recht verwirkt ist, "wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch (aber noch innerhalb der Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich auf die Nichtgeltendmachung eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung [ ]. Demgemäß müssen für die Verwirkung eines Rechts stets drei Voraussetzungen erfüllt sein [ ], d.h. ein Zeitmoment , ein Umstandsmoment und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers." Das Zeitmoment bedeutet, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen sein muss, wobei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Das Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand) ist gegeben, wenn sich der Schuldner darauf einstellt, der Gläubiger werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht gegenwärtig und auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird. Eine Untätigkeit des Berechtigten ist gegeben, wenn er während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan hat. Danach ist die Verwirkung ausgeschlossen, wenn er zum Beispiel durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R – BSGE 117, 65 ff. = SozR 4-5560 § 17c Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 44, m. w. N.)
(2) Hieran gemessen hat der Beklagte sein Recht, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente auffordern und gegebenenfalls für ihn diesen Antrag stellen zu dürfen, nicht dadurch verwirkt, dass er dem Kläger (und dessen Ehefrau) auch noch nach der Aufforderung weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt hat. Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II entfällt die Berechtigung des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II erst, wenn er eine "Rente wegen Alters [ ] bezieht", nicht aber bereits, wenn er eine solche Rente beziehen könnte oder nach Maßgabe von § 12a SGB II beziehen sollte.
(3) Soweit der Klägerbevollmächtigte moniert, der vom Beklagten gestellte Rentenantrag sei nicht unterschrieben, ist dies zutreffend. Allerdings enthält § 115 SGB VI, wo der Beginn des Rentenverfahrens auf Antrag und Ausnahmen hiervon geregelt sind, keine Formvorgaben. Es gelten deshalb die Regelungen des SGB I und SGB X. Nach dem SGB X kann ein Antrag auf eine Sozialleistung grundsätzlich formfrei gestellt werden (vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 9 Rdnr. 4; Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 9 Rdnr. 18). Aus diesem Grund gehen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu Regelungen, in denen die Schriftform gefordert wird (z. B. § 151 Abs. 1 SGG), ins Leere.
Ob ein von einer Behörde maschinell erstellter Antrag auf eine Sozialleistung dem Grunde nach überhaupt ein ordnungsgemäßer Antrag ist und ob, die Zulässigkeit eines solchen Antrages dem Grunde nach unterstellt, gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein maschinell erstellter Antrag wirksam ist (z. B. um feststellen zu können, ob ein Erklärungswille bestand, einen Antrag stellen zu wollen), muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Dies hat der Rentenversicherungsträger im rentenrechtlichen Verfahren in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Bindungswirkung einer etwaigen Entscheidung zu dieser Frage im vorliegenden Verfahren wie überhaupt zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufforderungsbescheides würde sich für den Rentenversicherungsträger nicht ergeben, weshalb er auch nicht nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG notwendig beizuladen war (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 14). Eine einfache Beiladung des Rentenversicherungsträgers nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG ist zwar nach Auffassung des Bundessozialgerichtes nach Rentenantragstellung durch den SGB II-Leistungsträger zweckmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Der Senat hat hiervon jedoch abgesehen.
(4) Auch der Einwand, der Beklagte habe seine Rechte in Bezug auf die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, verwirkt, weil er gegen den Bescheid über die abschlagsfreie Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe, vermag dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 [BGBl. I S. 850]) können die Leistungsträger nach dem SGB II, wenn Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Durch dieser Regelung erhält ein Jobcenter die Stellung eines Prozessstandschafters (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. April 2016 – L 19 AS 423/16 B ER – info also 2017, 37 ff. = juris Rdnr. 24; Luik, in: Gagel, SGB II/SGB III [Stand: 71. Erg.-Lfg., September 2018], § 5 SGB II Rdnr. 119; Knickrehm/Hanhn, in: Eicher/Luik, SGB II [4. Aufl., 2017], § 5 Rdnr. 31). Mit der zum 1. August 2008 in Kraft getretenen Befugnis für SGB II-Leistungsträger, auch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, sollte die ihnen bereits zuvor zustehende "Verfahrenserleichterung", an Stelle des Leistungsberechtigten einen vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch geltend machen zu können, erweitert werden (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 18). Aus dem Regelungszusammenhang und der Intention des Gesetzgebers folgt, dass sich die Befugnis, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, nur auf den konkreten vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch bezieht, nicht aber umfassend auf alle Sozialrechtsverhältnisse, die mit dem vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch im Zusammenhang stehen. Für eine darüber hinausgehende Prozessstandschaft bietet § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, gemessen am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (vgl. hierzu: Jarass, a. a. O., Art. 20 Rdnr. 82 ff., m. w. N.), keine hinreichende Rechtsgrundlage.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte nicht befugt war, Widerspruch gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 11. September 2017, mit dem dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2017 bewilligt worden ist, einzulegen. Wenn es der Beklagte aber unterlässt, einen ihm nicht zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, kann ihm gegenüber hieraus keine Verwirkung hergeleitet werden.
(5) Schließlich hat der Beklagte nicht seine Rechtsposition gegenüber dem Kläger dadurch verwirkt, dass er sich nicht um den von ihm gestellten Antrag auf vorzeitige Altersrente gekümmert hat. Das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016 ist beim Rentenversicherungsträger am 26. April 2016 eingegangen. Zwar hat der Beklagte erst mit Schreiben vom 5. Januar 2018 wegen des Bearbeitungsstandes nachgefragt, das heißt mehr als 1 ½ Jahre nach der Antragstellung. Er durfte jedoch davon ausgehen, dass der Antrag vom Rentenversicherungsträger geprüft und beschieden werden würde. Ein Antrag auf Sozialleistung verjährt bei einer Untätigkeit des zuständigen Sozialleistungsträgers nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände der Kläger hätte darauf vertrauen dürfen, der Beklagte werde die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente und den nachfolgend gestellten Rentenantrag nicht weiter verfolgen, wenn gerade über die Rechtsmäßigkeit der Aufforderung ein Rechtsstreit vor der Sozialgerichtsbarkeit geführt wird.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved