S 11 AL 47/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 47/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2004 sowie unter Änderung des Bescheides vom 19.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2004 ungemindertes tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 31,74 Euro nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist die Minderung von Arbeitslosengeld wegen angeblich verspäteter Meldung.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war in der Zeit vom 04.08.2003 bis zum 31.12.2003 im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Sozialarbeiter beschäftigt. Die Arbeitsaufnahme hatte er zuvor am 01.08.2003 der Beklagten telefonisch mitgeteilt.

Nachdem sich der Kläger am 30.10.2003 arbeitssuchend gemeldet hatte, bewilligte die Beklagte ihm für die Zeit ab 01.01.2004 für 309 Tage Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 222,18 Euro/täglich 31,74 Euro (Bemessungsentgelt 630,00 Euro – Leistungsgruppe A/0). Den wöchentlichen Zahlbetrag setzt sie mit 111,09 Euro fest (Bescheid vom 19.01.2004). Hierzu teilte sie dem Kläger mit, dass er nach § 37b des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB III – verpflichtet gewesen sei, sich unverzüglich bei der Arbeitsagentur arbeitsuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Er habe sich spätestens bis zum 07.10.2003 arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich sei die Meldung jedoch erst am 30.10.2003 und damit um 23 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 35,00 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall ergebe sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von 805,00 Euro. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, d.h. ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistungen ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung belaufe sich auf 15,87 Euro. Die Anrechnung beginne am 01.01.2004 und sei voraussichtlich ab dem 20.02.2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung ggf. nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbetrages der Minderungssumme. Sofern der Kläger vorher aus dem Leistungsbezug ausscheide und der Minderungsbetrag daher nicht vollständig angerechnet werden könne, werde die Restsumme bei der nächsten Weiterbewilligung berücksichtigt (Schreiben vom 15.01.2004).

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Beklagte unverzüglich über die Arbeitsaufnahme unterrichtet zu haben; dies auch unter dem Hinweis, dass der Arbeitsvertrag zum 31.12.2003 ende. Auf seine Frage, wann er sich rechtzeitig arbeitssuchend melden solle, sei ihm mitgeteilt worden, dass er sich bis Ende Oktober melden solle. Über etwaige Fristerfordernisse sei er nicht in Kenntnis gesetzt worden. Als er sich am 30.10.2003 arbeitssuchend gemeldet habe, sei er ebenfalls nicht darauf hingewiesen worden, dass er die Frist versäumt habe. Wäre ihm erläutert worden, dass er sich bis spätestens zum 07.10.2003 hätte arbeitssuchend melden müssen, wäre er selbstverständlich dieser Aufforderung nachgekommen.

Den Widerspruch wies die Beklagte zurück und wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen, der Kläger habe sich unverzüglich nach Kenntnis vom Ende des Versicherungspflichtverhältnisses nach § 37b SGB III arbeitssuchend melden müssen. Bei Arbeitsverhältnissen, die länger als drei Monate befristet seien, entstehe die Meldepflicht nach § 37b SGB III spätestens drei Monate vor dem Ende der Befristung. Der Kläger sei für die Zeit ab dem 04.08.2003 ein auf mehr als drei Monate befristetes Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Die Meldung hätte somit spätestens am 07.10.2003 erfolgen müssen. Tatsächlich habe er sich jedoch erst am 30.10.2003, also 23 Tage verspätet, arbeitssuchend gemeldet. Aus den vorliegenden Vermerken ergebe sich kein Hinweis dafür, dass er dahingehend informiert worden sei, dass er sich bis Ende Oktober arbeitssuchend zu melden habe. Der Kläger habe am 01.08.2003 die Arbeitsaufnahme telefonisch mitgeteilt, wobei sich aus den Aufzeichnungen auch nicht ergebe, dass das Arbeitsverhältnis befristet eingegangen worden sei (Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004).

Mit der am 00.00.0000 erhobenen Klage nimmt der Kläger Bezug auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass es im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 37b SGB III auf die Kenntnis der Meldepflicht ankomme, da die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht auf dem Gebiet des Strafrechts, sondern dem des Sozialrechts erfolge. Darüber hinaus sei nicht verständlich, warum die Beklagte aus dem Wortlaut des § 37b Satz 2 SGB III zu der Schlussfolgerung gelange, dass die Meldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen spätestens drei Monate vor deren Beendigung zu erfolgen habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2004 sowie unter Änderung des Bescheides vom 19.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 01.01.2004 ungemindertes tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 31,74 Euro nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen N – Fachangestellter für Arbeitsförderung der Beklagten in C. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 00.00.0000 verwiesen.

Weiterer Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist nicht nur der Bewilligungsbescheid vom 19.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004, sondern auch das Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 15.01.2004, das nach Auffassung der Kammer ebenfalls einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB X – darstellt. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach Außen gerichtet ist. Mit dem Bescheid vom 15.01.2004 hat die Beklagte zahlreiche Regelungen – also potentiell verbindliche Rechtsfolgen (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 31, Rdnr. 24) – gesetzt. Sie hat zunächst für den Kläger verbindlich festgestellt, dass die Meldung um 23 Tage zu spät erfolgt sei und damit ein Minderungsbetrag von insgesamt 805,00 Euro in Ansatz zu bringen sei. Sie hat ferner geregelt, auf welche Weise und für welchen Zeitraum die Minderung durchgeführt werde. Schließlich hat sie mit Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit festgestellt, dass – sofern der Minderungsbetrag nicht vollständig angerechnet werden könne - die Restsumme bei der nächsten Weiterbewilligung berücksichtigt werde (vgl. hierzu Sozialgericht – SG – Kassel, Gerichtsbescheid vom 05.11.2004 – Az.: S 17 AL 2141/04, unveröffentlicht - juris).

Die zulässige Klage ist in der Sache begründet. Die Minderung des klägerischen Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 35,00 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung (insgesamt 805,00 Euro) ist rechtswidrig. Sie kann nicht auf §§ 37b, 140 SGB III gestützt werden. Der Kläger wird hierdurch im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – beschwert. Vor diesem Hintergrund war der Bescheid vom 19.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 abzuändern. Der Bescheid vom 15.01.2004 war aufzuheben.

Dem Kläger stand ab dem 01.01.2004 Arbeitslosengeld zu. Er erfüllte alle Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld. Denn er war arbeitslos, hatte sich bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt (vgl. § 117 Abs. 1 SGB III). Die von der Beklagten durchgeführte Minderung des Anspruchs nach §§ 37b, 140 SGB III ist jedoch zu Unrecht erfolgt.

Nach § 37b SGB III (mit Wirkung zum 1. Juli 2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 - Bundesgesetzblatt I S. 4607 - eingefügt) sind Personen, deren Pflichtversicherungsverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit (früher Arbeitsamt) arbeitsuchend zu melden (Satz 1). Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (Satz 2). Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird (Satz 3). Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis (Satz 4).

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich gem. § 140 SGB III (ebenfalls eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 mit Wirkung zum 1. Juli 2003) das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt gem. § 140 Satz 2 SGB III

1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 EUR 7,00 EUR,

2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR und

3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 EUR 50,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung.

Die Minderung ist gem. Satz 3 auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird (§ 140 Satz 4 SGB III).

§ 37b SGB III regelt eine Obliegenheit des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers. Diese ist dann verletzt, wenn er sich nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat. Verletzt er diese Obliegenheit, führt dies zu der Sanktion der Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 140 SGB III. Flankiert werden diese Regelungen durch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III, wonach Arbeitgeber insbesondere Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses u.a. frühzeitig über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit informieren sollen.

Eine Verletzung der in § 37b SGB III normierten Obliegenheiten kann nur dann angenommen werden, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig, herbeigeführt worden ist. Dies wiederum setzt voraus, dass die den Versicherten auferlegte Obliegenheit hinreichend bestimmt ist (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 26.07.2004 – Az.: S 33 AL 127/04, SG Gelsenkirchen, Urteil vom 06.12.2004 – Az.: S 20 AL 47/04, beide unveröffentlicht).

Nach Ansicht der Kammer kann aus § 37b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung als arbeitssuchend zu erfolgen hat. Während § 37b Satz 1 SGB III dies für diejenigen Personen, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen und deren Versicherungspflichtverhältnis beispielsweise durch Kündigung endet, noch insoweit eindeutig regelt, als dass die Meldung bei der Arbeitsagentur "unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts" zu erfolgen hat, legt § 37b Satz 2 SGB III für ein befristetes Arbeitsverhältnis lediglich fest, dass die Meldung "frühestens drei Monate vor dessen Beendigung" zu erfolgen habe. Bis zu welchem Zeitpunkt sich ein Arbeitssuchender zu melden hat, ist gesetzlich nicht geregelt und lässt sich dem Gesetz auch nicht durch Auslegung entnehmen. Ein Rückgriff auf § 37b Satz 1 SGB III verbietet sich zur Überzeugung der Kammer bereits deshalb, weil § 37b Satz 2 SGB III im Hinblick auf die Obliegenheit zur Meldung als arbeitssuchend bei Beendigung befristeter Arbeitsverhältnisse die speziellere Vorschrift darstellt (a.A. Coseriu/Jakob in LPK-SGB III, 2. Auflage 2004, § 37b, Rn. 11 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht statthaft, die Formulierung "frühestens" in "spätestens" umzudeuten. Nachdem sich aus § 37b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse nicht mit hinreichender Genauigkeit entnehmen lässt, bis zu welchem Zeitpunkt eine Meldung zu erfolgen hat, lässt sich nur die Schlussfolgerung ziehen, dass eine Verpflichtung zur Meldung als arbeitssuchend bei befristeten Arbeitsverhältnissen, die mit Ablauf der Befristung enden, nicht entstanden ist.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass auch § 37b Satz 2 SGB III eine Meldepflicht für Arbeitssuchende konstituiert, bliebe nach wie vor zu berücksichtigen, dass der Vorschrift aufgrund ihrer unklaren und missverständlichen Formulierung nicht entnommen werden könnte, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung als arbeitssuchend spätestens zu erfolgen hat. Eine Auslegung des § 37b Satz 2 SGB III in Zusammenschau mit § 37b Satz 1 SGB III kann von den in der Regel rechtsunerfahrenen Arbeitssuchenden nicht erwartet werden, zumal die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 37b SGB III auch durch die Rechtsprechung bislang noch nicht abschließend geklärt ist. Damit kann gegenüber Arbeitssuchenden – also auch gegenüber dem Kläger – ein Schuldvorwurf nicht erhoben werden, wenn diese sich innerhalb des Dreimonatszeitraums vor Ablauf der Befristung oder auch erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses arbeitssuchend melden. Auch vor diesem rechtlichen Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Sanktionsfolge des § 140 SGB III aufgrund der unbestimmten Regelung des § 37b Satz 2 SGB III generell nicht eintreten kann (vgl. hierzu auch SG Dortmund, a.a.O., SG Gelsenkirchen, a.a.O.).

Selbst wenn man ungeachtet der obigen Erwägungen entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten eine Obliegenheit des Klägers zur persönlichen Meldung bis spätestens zum 07.10.2003 zugrunde legte, wären diejenigen tatsächlichen Umstände, aus denen eine schuldhaft verspätete Meldung als arbeitsuchend abzuleiten wäre, letztlich nicht festzustellen. Das ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Kläger hat behauptet, der Zeuge N habe ihm während des Telefonates vom 01.08.2003 mitgeteilt, er müsse sich erst gegen Ende Oktober 2003 arbeitssuchend melden. Hierzu hat der Zeuge N während der Beweisaufnahme bekundet, an das Telefonat vom 01.08.2003 keine Erinnerung mehr zu haben. Er hat ferner ausgesagt, dass er es grundsätzlich für durchaus möglich halte, dass er sich bei der Ermittlung der Dreimonatsfrist geirrt habe, obwohl ihm derartige Irrtümer regelmäßig nicht unterliefen. Denn die Arbeitsagentur in Bottrop habe Erfahrung mit dem Warner Filmpark, der häufig befristete Arbeitsverträge abschließe.

Diese – letztlich nicht ergiebige – Aussage geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten. Zwar muss das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen erforschen; die Beteiligten tragen deshalb keine subjektive Beweislast. Es gilt jedoch der Grundsatz der objektiven Beweislast. Nach diesem Grundsatz ist zu entscheiden, wenn sich entscheidungserhebliche Tatsachen – hier also die Frage nach dem Inhalt der Auskunft des Zeugen N gegenüber dem Kläger und, daraus resultierend, die Frage nach dem Verschulden des Klägers – nicht mehr feststellen lassen. Nachdem dem Gericht keine weiteren Erkenntnisquellen zur Aufklärung des Sacherhaltes zur Verfügung standen, war zu entscheiden, wer die materielle Beweislast dafür trägt, dass sich diejenigen Umstände, die zu einem etwaigen Verschulden des Klägers hätten führen können, nicht mehr aufklärbar waren. Zur Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich, welche Seite nach dem Plan des Gesetzgebers, hilfsweise nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, mit dem potentiellen Unrecht belastet werden kann (vgl. hierzu Humpert in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 1. Auflage 2003, § 128, Rdnr. 9; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 103, Rn. 19 ff., beide mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG -). Die – verschuldensabhängige – Meldepflicht des § 37b SGB III ist in Zusammenschau mit § 140 SGB III auszulegen. § 140 SGB III sieht einen pauschalen Schadenausgleich dafür vor, dass sich der Versicherte verspätet gemeldet hat und die Bundesagentur für Arbeit daher Maßnahmen zur Vermittlung, Fortbildung und Eingliederung nach den Maßgaben der §§ 35 ff. SGB III nur noch verspätet durchführen kann. Dieser pauschale Schadensausgleich ist durch die Beklagte im Wege einer rechtsvernichtenden Einwendung gegen den an sich der Höhe nach unbeschränkt entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend zu machen. Handelt es sich jedoch um einen rechtsvernichtenden Einwand, so trägt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige die Beweislast für die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, der sich auf sie beruft (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103, Rn. 19c, m.w.N.). Dies ist hier die Beklagte. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld u.a. die Arbeitslosmeldung ist und für deren tatsächliches Vorliegen die Versicherten die Beweislast tragen (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 117, Rn. 8, m.w.N.). Denn § 117 Abs. 1 SGB III betrifft den anspruchsbegründenden Tatbestand für die Gewährung von Arbeitslosengeld, wohingegen sich die §§ 37b, 140 SGB III auf den bereits entstandenen Anspruch beziehen, der durch eine rechtsvernichtende Einwendung bzw. durch ein Gegenrecht gemindert werden soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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