L 7 R 128/20 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 R 36/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 128/20 ZV
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - persönliche Voraussetzung -
Diplomabschluss als Ingenieur nach einem Hochschulstudium in der CSSR ohne Titelführungsbefugnis in der ehemaligen DDR

Ein Diplomabschluss als Ingenieur nach einem Hochschulstudium in der CSSR erfüllt die persönliche Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht, wenn der Berechtigte zu DDR-Zeiten über keine Genehmigung zur Führung des Titels Ingenieur nach DDR-Recht verfügte.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 29. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeiten des Klägers im Zeitraum vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen.

Dem 1959 geborenen Kläger wurde, nach einem Hochschulstudium in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ÈSSR) in der Fachrichtung Transportmaschinen und Manipulationstechnik an der Tschechischen Technischen Fachschule Z ... im Zeitraum von September 1977 bis August 1982, mit Diplomurkunde vom 9. Juni 1982 der Titel "Ingenieur" zuerkannt. Eine Genehmigung zur gleichberechtigten Führung dieses Titels zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde dem Kläger nicht erteilt. Er war vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Instrukteur Serviceorganisation (Kundendienstingenieur) im volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat X ... Landmaschinen Y ... bzw. VEB Erntemaschinen Y ... -Stammbetrieb- beschäftigt. Er war zu Zeiten der DDR nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen worden.

Den am 21. Februar 2017 gestellten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2017 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2017 ab: Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Eine fingierte Versorgungsanwartschaft habe am 30. Juni 1990 nicht bestanden, weil hierfür die persönliche Voraussetzung nicht vorgelegen habe. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, nach DDR-Recht den Titel eines Ingenieurs zu führen. Denn er habe sein Studium in der ÈSSR durchlaufen und verfüge über keine Genehmigung einer staatlichen Stelle der DDR zur Führung eines Ingenieurstitels.

Die hiergegen am 8. Januar 2018 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2020 abgewiesen: Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG lägen nicht vor. Der Kläger sei weder tatsächlich noch fiktiv in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einbezogen. Eine fiktive Versorgungsanwartschaft habe am 30. Juni 1990 nicht bestanden, weil hierfür die erforderliche persönliche Voraussetzung nicht vorgelegen habe. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, nach DDR-Recht den Titel eines Ingenieurs zu führen. Denn er habe sein Studium in der ÈSSR durchlaufen und verfüge über keine Genehmigung einer staatlichen Stelle der DDR zur Führung eines Ingenieurstitels nach DDR-Recht.

Gegen den am 3. Februar 2020 (und am 12. März 2020) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. Februar 2020 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten sei unzutreffend. Er erfülle die persönliche Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft. Der nach dem Studium in der ÈSSR erlangte Ingenieurtitel sei gleich zu setzen. Einer staatlichen Anerkennung oder Genehmigung durch die DDR habe es nicht bedurft. Die in volksdemokratischen Staaten erworbenen Abschlüsse seien gleichgestellt und gleichwertig gewesen. Die Gleichwertigkeit sei durch multilaterale Äquivalenzkonventionen allgemein anerkannt gewesen; einer gesonderten DDR-Urkunde habe es deshalb nicht bedurft. Die zwischenstaatlichen Regelungen hätten die allgemeinen DDR-rechtlichen Vorschriften verdrängt. Im Übrigen sei der Kläger mittels vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen ausgestellter Urkunde vom 2. Juli 1977 zum Studium in die ÈSSR delegiert worden. Es sei schlechterdings absurd anzunehmen, das Ministerium delegiere Studenten in ein Land zum Studium, dessen Abschluss in der DDR dann noch einer gesonderten Anerkennung bedürfe.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 29. Januar 2020 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 zu verurteilen, seine Beschäftigungszeiten vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Schriftsätzen vom 16. März 2020 (Kläger) und vom 23. März 2020 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch den Einzelrichter erklärt. Mit Schriftsätzen vom 13. Mai 2020 (Beklagte) und vom 15. Mai 2020 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung sowie durch den (Vorsitzenden als) berichterstattenden Einzelrichter durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit jeweils einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 sowie § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2020 abgewiesen hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Beschäftigungszeiten vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben und der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, weil er diesem Zusatzversorgungssystem weder tatsächlich noch fiktiv zugehörig war.

In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (vgl. dazu stellvertretend: BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2), ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 AAÜG unterfällt. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG).

Der Kläger war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer erworbenen Versorgungsberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Einen "Anspruch" auf Versorgung (= Vollrecht) besaß er zu diesem Zeitpunkt nicht, weil schon kein "Versorgungsfall" (Alter, Invalidität) eingetreten war.

Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Dies hätte vorausgesetzt, dass er in das Versorgungssystem tatsächlich einbezogen gewesen wäre. Eine solche Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz konnte durch eine Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, berichtigt S. 1239) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes, durch eine Rehabilitierungsentscheidung auf der Grundlage von Art. 17 des Einigungsvertrages oder durch eine Einzelentscheidung, zum Beispiel auf Grund eines Einzelvertrages (vgl. § 1 Abs. 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 [DDR-GBl. Nr. 62 S. 487]), erfolgen. Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt.

Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen und vor Eintritt des Leistungsfalls ausgeschieden (Fall einer gesetzlich fingierten Versorgungsanwartschaft). Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG kann – mangels tatsächlich erfolgter Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem – insbesondere auch nicht dadurch erfüllt werden, dass der Kläger vor seiner am Stichtag 30. Juni 1990 im VEB Kombinat X ... Landmaschinen Y ... bzw. VEB Erntemaschinen Y ... -Stammbetrieb- ausgeübten Beschäftigung möglicherweise in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben beschäftigt war und aus dieser Beschäftigung später "ausgeschieden" ist.

Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom BSG in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2 S. 14; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 3 S. 20; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 5 S. 33; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 6 S. 40; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 7 S. 60; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 8 S. 74; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 22-36; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31), weil er am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte.

Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem nicht einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Ein solcher fiktiver Anspruch hängt im Bereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (DDR-GBl. Nr. 93 S. 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung (nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (DDR-GBl. Nr. 62 S. 487) von drei Voraussetzungen ab, nämlich von 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung). Maßgeblich ist hierbei das Sprachverständnis der DDR am 2. Oktober 1990, faktisch am 30. Juni 1990 (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 13).

Ausgehend hiervon war der Kläger nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, weil er am 30. Juni 1990 (und damit auch nicht im Zeitraum vom 1. September 1982 bis 30. Juni 1990) keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Zu diesem Zeitpunkt war er nämlich nicht berechtigt, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen. Der Kläger erfüllt für dieses Zusatzversorgungssystem bereits die persönliche Voraussetzung nicht, weil er nicht berechtigt war, eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsbezeichnungen der DDR (Ingenieur, Konstrukteur, Architekt und Techniker) zu führen. Ihm wurde vielmehr mit Diplomurkunde der ÈSSR vom 9. Juni 1982 die Qualifikation "Ingenieur" zuerkannt.

Wie der Begriff des "Ingenieurs" im Rahmen der VO-AVItech zu verstehen ist, hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert (vgl. lediglich beispielhaft: BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 25/07 - SozR 4-8570 § 1 Nr. 13, RdNr. 26 = JURIS-Dokument, RdNr. 26; BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 29/05 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 9, RdNr. 24 = JURIS-Dokument, RdNr. 24). Während die VO-AVItech vor allem den allgemeinen Rahmen für die Einbeziehung in die Zusatzversorgung vorgibt, erfolgt die konkrete bundesrechtliche Ausgestaltung der Versorgungsordnung in der 2. DB zur VO-AVItech. Insoweit macht § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB deutlich, dass die "technische Intelligenz" nicht insgesamt erfasst wird, sondern innerhalb dieser Gruppe nur ganz bestimmte Professionen. Zu der ausdrücklich aufgeführten Gruppe der Ingenieure gehört der Kläger trotz entsprechender Ausbildung in der ehemaligen ÈSSR nicht. Insoweit verdeutlicht § 1 Abs. 1 der 2. DB, dass als "Ingenieure" nur solche Personen einbezogen wurden, die (in der DDR) berechtigt waren, den Titel "Ingenieur" zu führen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 1 Abs. 1 Satz 3 der 2. DB. Denn in dieser Norm werden Berufsgruppen aufgeführt, die nicht den "Titel" eines Ingenieurs hatten und unter bestimmten Voraussetzungen in die Zusatzversorgung einbezogen werden konnten. Daraus ergibt sich, dass in sonstigen Fällen entscheidend für die Einbeziehung das Recht zum Führen des Titels ist. Eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem erfolgt somit unabhängig von der Berufssparte erst mit der Verleihung des "Titels".

Zur Beantwortung der Frage, was unter der Berufsbezeichnung "Ingenieur" nach dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR bei Schließung der Versorgungssysteme, also am 30. Juni 1990, zu verstehen ist, hat das BSG wiederholt die Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" (nachfolgend: IngVO) vom 12. April 1962 (DDR-GBl. II Nr. 29 S. 278) als faktisches Indiz herangezogen und gefordert, dass die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "durch einen entsprechenden staatlichen Akt der DDR (in welcher Form auch immer)" verliehen worden sein musste (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 25/07 - SozR 4-8570 § 1 Nr. 13, RdNr. 26 = JURIS-Dokument, RdNr. 26; BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 29/05 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 9, RdNr. 24 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 8 = JURIS-Dokument, RdNr. 36).

Dem Kläger ist ein den Anforderungen des § 1 IngVO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB entsprechendes Diplom (der DDR) zum Führen des Titels nicht verliehen worden, denn er hat nicht durch akademisches Studium in einem ingenieurtechnischen Studiengang einen Studienabschluss an einer DDR-Universität, DDR-Hochschule oder DDR-Fachschule als Dr. Ing., Dipl.-Ing., Ingenieur oder Ingenieurökonom erworben. Auch die weiteren Tatbestände der IngVO, die zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigten, sind nicht erfüllt.

§ 2 Buchstabe a) IngVO bestimmte zwar, dass dem unter § 1 IngVO bezeichneten Personenkreis Inhaber von Zeugnissen mittlerer oder höherer technischer Schulen anderer Staaten, die in dem jeweiligen Land staatlich anerkannt waren und eine Qualifikation gewährleisteten, die der nach § 1 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) IngVO genannten gleichzusetzen war, gleichgesetzt wurden. Diesbezüglich erließ nach § 8 IngVO der Staatssekretär für das Hoch- und Fachschulwesen im Einvernehmen mit den zuständigen zentralen Staatsorganen Durchführungsbestimmungen zur IngVO. Die auf dieser Rechtsgrundlage ergangene Erste Durchführungsbestimmung zur IngVO vom 24. Mai 1962 (DDR-GBl. II Nr. 40 S. 357) regelte in § 1 – in Durchführung von § 2 IngVO –, dass das Staatssekretariat für das Hochschul- und Fachschulwesen entsprechende Richtlinien über die Anerkennung von Zeugnissen anderer Staaten erließ sowie, dass die Zeugnisse in Zweifelsfällen dem Staatssekretariat für das Hochschul- und Fachschulwesen zur Entscheidung vorzulegen waren.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem – Bildungsgesetz – vom 25. Februar 1965 (DDR-GBl. I Nr. 6 S. 84) am 25. Februar 1965 (§ 80 Abs. 1 Bildungsgesetz) wurde bestimmt, dass der Staatssekretär für das Hochschul- und Fachschulwesen die Grundsätze für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und für die Verleihung akademischer Grade erließ (§ 61 Abs. 4 Bildungsgesetz). Nach § 79 Abs. 2 Bildungsgesetz erließen der Ministerrat und die Leiter der für die Bereiche des sozialistischen Bildungssystems erforderlichen Organe des Ministerrates die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen. Nach § 3 der auf den genannten Rechtsgrundlagen ergangenen Verordnung über die akademischen Grade (nachfolgend: AGVO) vom 6. November 1968 (DDR-GBl. II, Nr. 127, S. 1022) konnten als akademische Grade verliehen werden: - Diplom eines Wissenschaftszweiges (Dipl.- ...), - Doktor eines Wissenschaftszweiges (Dr.- ...) und - Doktor der Wissenschaften (Dr. sc.). Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AGVO bedurften Bürger der DDR, denen ein akademischer Grad von einer Institution eines anderen Staates verliehen worden war, zur Führung dieses Grades in der DDR der Genehmigung des Ministers. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AGVO konnte dem Inhaber eines solchen Grades auf Antrag das Recht erteilt werden, einen in der DDR üblichen akademischen Grad zu führen. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AGVO konnte der Minister eine erteilte Genehmigung zur Führung eines ausländischen akademischen Grades zurücknehmen. Diese Vorschriften galten auch noch am 30. Juni 1990. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 der Anordnung über die Erteilung und Führung von Berufsbezeichnungen der Hoch- und Fachschulbildung (nachfolgend: AO-EFB) vom 4. März 1988 (DDR-GBl. I Nr. 7 S. 71) erhielten die Inhaber einer Urkunde über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Universität, Hoch- bzw. Fachschule eines anderen Staates auf schriftlichen Antrag und nach Vorlage der Urkunde vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen die Berechtigung zum Führen einer entsprechenden Berufsbezeichnung. In § 3 Abs. 4 Satz 2 AO-EFB wurde dabei ausdrücklich klargestellt, dass für eine Berufsbezeichnung, die gleichzeitig akademischer Grad war, die AGVO vom 6. November 1968 (weiterhin) galt.

Nach diesen Regelungen war der Kläger nicht befugt gewesen, den Titel eines "Ingenieurs" oder den akademischen Grad eines "Diplom-Ingenieurs" zu Zeiten der DDR in der DDR zu führen, und unterfällt deswegen auch nicht der VO-AVItech. Die erforderliche Genehmigung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen hat der Kläger weder vorgelegt noch erhalten. Er hat im Verfahren vielmehr selbst vorgetragen, eine solche Genehmigung weder beantragt noch erhalten zu haben.

Die dem Kläger fehlende Genehmigung kann auch nicht mehr nachgeholt werden. Denn die Stelle, die sie zu erteilen gehabt hätte, existiert nicht mehr. Desgleichen gibt es keine Stelle der Bundesrepublik Deutschland, die dafür zuständig wäre, in Anwendung nicht mehr geltenden DDR-Rechts eine Genehmigung rückwirkend zum Stichtag 30. Juni 1990 zu erteilen.

Eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage ergibt sich zu Gunsten des Klägers auch nicht aus der von ihm behaupteten Gleichwertigkeit von "in volksdemokratischen Staaten erworbenen Abschlüssen". Soweit er sich mit seinem Vortrag, die Gleichwertigkeit der Abschlüsse sei durch multilaterale Äquivalenzkonventionen allgemein anerkannt gewesen, sodass es einer gesonderten DDR-Urkunde nicht bedurft habe, auf Art. 1 Nr. 2 der, unter anderem von den Regierungen der DDR und der ÈSSR abgeschlossenen, "Konvention über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Abschlusszeugnisse von Oberschulen, Fach- und Hochschulen sowie der Dokumente über die Verleihung von akademischen Graden und Titeln" vom 7. Juni 1972 (nachfolgend: Äquivalenzkonvention) stützt, wonach die Vertragsschließenden zu der Vereinbarung gelangten, alle auf dem Territorium der anderen Staaten anerkannten Dokumente über den Abschluss gleichgearteter Hochschulen (Universitäten, Polytechnische und Fachinstitute mit Universitätscharakter bzw. Fakultäten), die deren Inhaber zur Erlangung eines akademischen Grades berechtigten, als gleichwertig anzuerkennen, folgt daraus keine – von einer staatlichen Genehmigung unabhängige – per se gleichwertige Titelführungsbefugnis. Denn es handelte sich um eine, von der Regierung der DDR eingegangene, völkerrechtliche Verpflichtung, die der Umsetzung in nationales Recht bedurfte. Die Äquivalenzkonvention vom 7. Juni 1972 entfaltete keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach außen. Sie verlieh kein unmittelbares Recht zum Führen eines ausländischen Ingenieurtitels in der DDR (so bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - L 7 R 148/19 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 38). Jedenfalls ergibt die Auslegung dieser völkerrechtlichen Verpflichtung, dass der in der Ing-VO vom 12. April 1962 und der AGVO vom 6. November 1968 geregelte Verfahrensweg nicht verdrängt werden sollte, zumal er – auch nach dem Konventionsvertragsabschluss im Jahr 1972 – in der AO-EFB vom 4. März 1988 von der DDR fortgeführt und bestätigt wurde. Die völkerrechtliche Äquivalenzkonvention ist lediglich dahin zu interpretieren, dass in materiell-rechtlicher Hinsicht ein Anspruch auf Anerkennung der Gleichwertigkeit bestand, wenn ein bestimmter Abschluss an einer ausländischen Schuleinrichtung abgelegt wurde, der in der Äquivalenzkonvention aufgeführt wurde. Der Verfahrensweg zur Realisierung des nationalstaatlichen materiell-rechtlichen Anspruchs auf Anerkennung der Gleichwertigkeit wurde durch die Äquivalenzkonvention nicht berührt. Dieser richtete sich vielmehr nach den von der DDR bereits zum Vertragsabschlusszeitpunkt erlassenen und später erlassenen nationalstaatlichen Regelungen. Dass die DDR – entgegen der vom Kläger behaupteten gegenteiligen faktischen Gegebenheiten – "in volksdemokratischen Staaten erworbene Abschlüsse" trotz Geltung der Äquivalenzkonvention vom 7. Juni 1972 erst nach einzelfallspezifischer Anerkennung durch das Staatssekretariat des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der DDR als gleichgestellte und gleichwertige akademische Grade in der DDR betrachtete, belegt die von der Beklagten im Klageverfahren vorgelegte Anerkennungsurkunde vom 27. Juni 1990 (Bl. 40 der Gerichtsakte) sowohl beispielhaft, als auch sehr plastisch. Denn sie dokumentiert, dass die DDR (auch noch im Juni 1990) Absolventen ausländischer Studiengänge (wie demjenigen in der UdSSR im Jahr 1976) trotz Geltung der Äquivalenzkonvention vom 7. Juni 1972 (auch die UdSSR gehörte zu den vertragsschließenden Staaten) erst durch gesonderte Urkunde, entsprechend den Rechtsvorschriften über die akademischen Grade der DDR, das Recht erteilte "in der DDR den akademischen Grad Diplomingenieur zu führen".

Eine gänzlich andere Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage folgt auch nicht aus § 12 Abs. 2 der Verordnung über die Verleihung akademischer Grade vom 6. September 1956 (DDR-GBl. I Nr. 83 S. 745), wonach die Genehmigung zur Führung der an bestimmten ausländischen Universitäten oder Hochschulen erworbenen akademischen Grade allgemein (vom Staatssekretariat für Hochschulwesen) erteilt werden konnte. Zum einen ist weder dargelegt noch nachgewiesen, dass der Kläger seinen Abschluss an einer dieser "bestimmten" Hochschule erworben hat, und dass für den akademischen Grad des Klägers an dieser "bestimmten" Hochschule eine allgemeine Genehmigung vom Staatssekretariat für Hochschulwesen erteilt wurde. Zum anderen kann sich der Kläger auf diese Regelung bereits deshalb nicht berufen, weil sie nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Buchstabe a) AGVO (vom 6. November 1968) am 1. Februar 1969 außer Kraft trat. Der Kläger erwarb seine, nach ÈSSR-Recht verliehene Qualifikation als "Ingenieur" erst mit Diplomurkunde vom 9. Juni 1982.

Soweit der Kläger – unter Vorlage der Delegierungsurkunde vom 2. Juli 1977 – darauf hinweist, er sei mittels vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR ausgestellter Urkunde vom 2. Juli 1977 zum Studium in die ÈSSR delegiert worden, sodass es schlechterdings absurd sei, anzunehmen, das Ministerium delegiere Studenten in ein Land zum Studium, dessen Abschluss in der DDR dann noch einer gesonderten Anerkennung bedürfe, ergibt sich gleichfalls kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Weder determiniert die Delegierung die automatische Anerkennung eines später erreichten ausländischen Titels, noch regelten Vorschriften der DDR einen solchen Automatismus. Auch die Delegierungsurkunde vom 2. Juli 1977 selbst verbürgt oder verkörpert keinen solchen automatischen Anspruch; eine spätere Titelführungsbefugnis sichert sie weder unmittelbar noch indirekt zu.

Soweit der Kläger im Verfahren sinngemäß ausführte, zu DDR-Zeiten sei er wie ein Ingenieur entlohnt und behandelt worden, sowie eine Genehmigung sei zu DDR-Zeiten tatsächlich nie erforderlich gewesen, um seine Ingenieurqualifikation nachzuweisen, verkennt er, dass die von ihm bemühten Rückgriffe auf faktische DDR-Gegebenheiten gerade nicht in dem allein maßgeblichen versorgungsrechtlichen Sprachgebrauch ihren Niederschlag gefunden haben. Das Fehlen der nach DDR-Recht erforderlich gewesenen Genehmigung zur Titelführungsbefugnis, die für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz Voraussetzung war, lässt sich mangels nachvollziehbarer Maßstäbe für deren Handhabung durch die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland nicht nachholen bzw. ersetzen. Die Gerichte sind – auch verfassungsrechtlich – nicht gehalten, die in der DDR herrschende Praxis der Aufnahme in Systeme der Zusatzversorgung, soweit sie dem Text der Zusatzversorgungssysteme entgegenstand, im gesamtdeutschen Rechtsraum fortzusetzen. Würde man unter Missachtung des Textes der Versorgungsordnungen und unter Anknüpfung an die Praxis der Organe der DDR Kriterien für die Aufnahme in die Versorgungssysteme entwickeln wollen, würde dies bedeuten, die dortige von Willkür geprägte und nicht an den Texten der Verordnungen über die Zusatzversorgung orientierte Praxis fortzuführen. Dies würde zwangsläufig zu neuen Ungleichheiten innerhalb der Versorgungssysteme und im Verhältnis der Versorgungssysteme zueinander führen (vgl. dazu bereits ausführlich: BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 25/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 13). Für die Auslegung und Anwendung der VO-AVItech und des § 1 Abs. 1 der 2. DB ist nicht auf die Verwaltungspraxis der DDR oder auf das anfängliche Verständnis der Regelung abzustellen, vielmehr ist das Sprachverständnis der DDR am 30. Juni 1990 maßgeblich. Unerheblich ist zudem, dass der Kläger in der Berufspraxis Tätigkeiten wie ein Ingenieur ausgeübt haben mag. Dieses Kriterium berührt allein die Frage, ob die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung gegeben ist, nicht jedoch die persönliche Voraussetzung. Ebenso unrelevant ist im vorliegenden Zusammenhang, wie der Kläger mit dem erworbenen Hochschulabschluss der ÈSSR in der DDR tatsächlich eingesetzt worden war. Denn hierfür gibt es keine nachvollziehbaren, sich aus dem geschriebenen Recht der DDR als faktische Anknüpfungstatsachen erschließenden und damit bundesrechtlich zu berücksichtigenden Maßstäbe.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers im gesamten Verfahren.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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