L 2 U 61/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 81/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 61/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine berufliche Mischbelastung aus Heben und/oder Tragen schwerer Lasten und/oder extremer Rumpfbeugehaltung (BK 2108) und Körpervibrationen (BK 2110) bedeutet ein erhöhtes Risiko für die Lendenwirbelsäule. Die beiden Einwirkungsbelastungen sind kumulativ und nicht strikt getrennt zu betrachten und können zusammen bewertet einen ausreichenden Gesamtbelastungsgrad erreichen.
2. Die Formulierung "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben..." in der Konstellation B 2, 1. Zusatzkriterium der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung bei bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule bedeutet nicht, dass mindestens drei Bandscheiben betroffen sein müssen. Vielmehr ist die Konstellation auch bei einem bisegmentalen Bandscheibenschaden einschlägig.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren zu zwei Drittel.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Anerkennung der beim Kläger bestehenden Erkrankungen als Berufskrankheit nach Nummern 2108 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1967 geborene Kläger erlernte von 1983 bis 1985 den Beruf eines Agrotechnikers, in dem er bis 1990 arbeitete. Anschließend war er bis 1991 als Mitarbeiter in einer Straßenmeisterei als Kraftfahrer, bis 1992 als Bauhelfer, bis 1998 als Bauhelfer und Dachdeckerhelfer sowie bis September 2011 als Landwirt und Traktorist tätig.

Im Juni 2011 zeigte der behandelnde Arzt des Klägers Dr. Z ... den Verdacht einer Berufskrankheit an, woraufhin die Beklagte Ermittlungen einleitete. Nach Einholung von Befundberichten und Beiziehung von Epikrisen sowie eines Rehabilitationsentlassungsberichtes der Y ...Klinik vom 17. Mai 1999 holte sie eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. X ... ein. Dieser schätzte am 16. September 2011 ein, anhand der nur bedingten Übereinstimmung zwischen Röntgenbefund, klinischem Befund und Beschwerdebild würden mehr Umstände gegen das Vorliegen einer BK 2108 oder 2110 sprechen. Eine BK 2109 sei nicht wahrscheinlich zu machen (Bl. 50 f. Verwaltungsakte der Beklagten [VA]). Die Gewerbeärztin Dr. W ... empfahl in ihrer Stellungnahme vom 28. Oktober 2011 die Ablehnung der Berufskrankheiten nach Nummern 2108 bzw. 2110 sowie 2109 BKV. Eine eindeutige Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108/2110 sei nach Aktenlage nicht möglich, die medizinischen Voraussetzungen würden nicht vorliegen. Es sei von einer Konstellation B 5 oder 6 nach den Konsensempfehlungen auszugehen. Der Kläger sei in seiner Tätigkeit als Landwirt, Kraftfahrer, Traktorist und Bauhelfer nicht entsprechend mit Halswirbelsäulen (HWS)-belastenden Tätigkeiten exponiert gewesen (Bl. 55 f. VA).

Mit Bescheid vom 29. November 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummern 2108/2110 und 2109 BKV ab. Ein belastungskonformes Erkrankungsbild der Lendenwirbelsäule (LWS) liege nicht vor, dagegen bestünden deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der HWS. Im Hinblick auf die BK 2109 seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben (Bl. 57 f. VA). Im Widerspruchsverfahren gab die Beklagte nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen eine erneute beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. X ... in Auftrag. Dieser schätzte am 15. März 2012 ein, die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 oder 2110 würden auch nach Auswertung der neuen medizinischen Unterlagen nicht vorliegen. Weiter gab sie Ermittlungen zur Arbeitsplatzexposition in Auftrag. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten errechnete unter dem 30. Mai 2012 für Tätigkeiten in landwirtschaftlichen Unternehmen im Zeitraum August 1985 bis Mai 2012 eine Belastungsdosis von 3,29 MNh und eine Belastung durch Ganzkörperschwingungen in 3,6 Jahren mit einem Dosiswert von 903,97 (m²s²)² (Bl. 135 ff. VA). Die Abteilung Prävention der Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft errechnete in ihrer Stellungnahme vom 12. Juni 2012 für Tätigkeiten in der Bauwirtschaft im Zeitraum 16. Juli 1990 bis 31. Dezember 1997 eine Gesamtbelastungsdosis von 6,2 MNh. Der Kläger sei beim Fahren verschiedener Fahrzeuge auch vertikalen Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen ausgesetzt gewesen. In keinem Zeitraum sei jedoch der Beurteilungsbeschleunigungsrichtwert erreicht worden. Er habe auch teilweise Lasten mit mehr als 50 Kilogramm (kg) auf der Schulter getragen, allerdings habe es sich nicht um eine nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung gehandelt. Diese Tätigkeiten seien auch nicht in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten erfolgt (Bl. 143 ff. VA). In einer Stellungnahme des TAD vom 20. Juli 2012 wurden die Belastungen der BK 2108 und 2110 einer kumulierenden Betrachtung unterzogen. Die 903 (m²s²)², die in 3,6 Jahren erreicht worden seien, würden 62% des Dosisrichtwertes betragen, die Gesamtbelastungsdosis von 9,5 MNh (3,3 plus 6,2 MNh) entspreche 38% des Dosisrichtwertes. Der Gesamtbelastungsgrad betrage daher (62% plus 38%) 1 (Bl. 161 VA). Daraufhin gab die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten im Hinblick auf die BK 2108/2110 (bei Kumulation der Belastungsdosen im Sinne beider BK) bei Dr. V ..., Facharzt für Chirurgie, in Auftrag. Dieser gelangt nach Untersuchung des Klägers am 7. Januar 2013 zur Einschätzung, das Schadensbild der Lendenwirbelsäule (LWS)-Bandscheiben entspreche einer Konstellation B 2, weil keine Begleitspondylose vorliege. Es fehle jedoch am passenden klinischen Segmentbefund. Eine Erkrankung im Sinne der Nummer 2108 sei damit nicht im Vollbeweis gesichert. Dies gelte auch für die BK 2110. Es sei eine Häufung von Spondylosen an der oberen und mittleren LWS und an der unteren BWS zu erwarten, woran es fehle. Zudem fehle auch hier ein korrelierender klinischer Befund (Bl. 172 ff. VA). Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Berufskrankheit nach Nummer 2109 BKV könne bereits wegen fehlender arbeitstechnischer Voraussetzungen nicht anerkannt werden. Die Belastungen im Sinne der BK 2108 und 2110 erreichten insgesamt nur eine grenzwertige Belastung (Gesamtbelastungsgrad 1). Es fehle jedenfalls an den medizinischen Voraussetzungen. Es würde keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK 2108/2110 vorliegen, weshalb es an der berufsbedingten Verursachung fehle. Für eine anlagebedingte schicksalhafte Erkrankung spreche zudem das frühzeitige Auftreten der Beschwerden bereits Mitte der 90er Jahre.

Mit seiner am 19. März 2013 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte sowie Beiziehung von Epikrisen der P ... Kliniken U ... und T ..., Unterlagen der Krankenkasse des Klägers und des Landratsamtes S ... im Hinblick auf die BK 2108/2110 ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. R ... in Auftrag gegeben. Dieser gelangt nach Untersuchung des Klägers am 2. Juni 2014 zur Einschätzung, unter Zugrundelegung von 903,96 (m/s²)², was 62,3% des Dosisrichtwertes entspreche, und 9,49 MNh, was 37,96% des Dosisrichtwertes entspreche, sei der Grenzwert im Sinne einer Mischbelastung in etwa erreicht (100,26%). Im Hinblick auf die Mischbelastung sei der Kläger mithin ausreichend schwer belastet gewesen. Im Hinblick auf die Verursachungswahrscheinlichkeit sei von einer Konstellation B 4 auszugehen. Ab Juni 2012 sei der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen, einer beruflichen Tätigkeit mit entsprechend schwerer Belastung nachzugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. August 2018 hielt der Gutachter an der getroffenen Einschätzung fest.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2013 verpflichtet, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nummern 2108/2110 der Anlage zur BKV anzuerkennen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach Nummern 2108/2110 BKV sei anzuerkennen. Die beiden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und 2110 könnten addiert werden, was einen Gesamtbelastungsgrad von 1 ergebe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher vollbeweislich gesichert. Nach überzeugender Einschätzung des Gutachters Dr. R ... würden beim Kläger zudem eine bandscheibenbedingte Erkrankung Typ I sowie eine entsprechende klinische Symptomatik vorliegen. Es liege zunächst eine Konstellation B 2 vor, weil Höhenminderung/Prolaps zwei Bandscheiben und damit mehrere betreffen. Letztendlich sei eine Konstellation B 4 gegeben, weil der Bandscheibenschaden an der HWS schwächer ausgeprägt sei als an der LWS. Der Ursachenzusammenhang sei demnach wahrscheinlich. Es habe auch ein Unterlassungszwang bestanden. Der Kläger habe die belastende Tätigkeit bereits im September 2011 eingestellt. Eine Berufskrankheit nach Nummer 2109 BKV lasse sich jedoch nicht nachweisen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht im Vollbeweis gesichert und auch die medizinischen Voraussetzungen würden nicht vorliegen, weil die HWS nur im Segment C3/C4 und dort lediglich mit einer Chondrose Grad 1 betroffen sei.

Gegen den ihm am 5. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31. März 2015 Berufung eingelegt. Auch die Berufskrankheit nach Nummer 2109 sei anzuerkennen. Gegen den ihr am 6. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 1. April 2015 Berufung eingelegt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der Bandscheibenschädigung läge unter Beachtung der Konsensempfehlungen nicht vor. Vielmehr würden der frühe Beschwerdebeginn und die gleichzeitig bestehenden behandlungsbedürftigen Veränderungen im Bereich der HWS und Brustwirbelsäule (BWS) für eine anlagenbedingte schicksalhafte Erkrankung sprechen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Verfahren aufzuerlegen.

Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid insoweit für zutreffend, als die Klage hinsichtlich der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 2109 BKV abgewiesen wurde. Ein der Berufskrankheit entsprechendes Belastungsprofil habe beim Kläger nicht vorgelegen und sei an vergleichbaren Arbeitsplätzen auch nicht zu erwarten. Im Hinblick auf die Berufskrankheiten nach Nummern 2108/2110 sei die Beklagte nach wie vor überzeugt, dass allenfalls eine grenzwertige Mischbelastung vorgelegen habe. Eine Zuordnung zur Konstellation B 4 sei nicht zutreffend, weil keines der drei Zusatzkriterien der B 2 Konstellation erfüllt sei.

Der Senat hat ein Gutachten bei Dr. C ... auf dem Fachgebiet Orthopädie in Auftrag gegeben. Dieser schätzt nach Untersuchung des Klägers am 23. Februar 2017 ein, es liege eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Konkurrierende Ursachen seien nicht feststellbar. Eine Begleitspondylose bestehe nicht. Der Richtwert der Belastungsdosen für die jeweiligen Berufskrankheiten werde für sich genommen allerdings nicht erreicht. Auch sei eine einfache Addition nicht gerechtfertigt. Es bestünden daher erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Kausalität zwischen beruflicher Tätigkeit und bandscheibenbedingter Erkrankung. Unter Berücksichtigung dessen sei von einer A 2-Konstellation auszugehen. Bezüglich einer BK 2109 könne kein belastungsspezifisches Schadensbild festgestellt werden.

Die Beklagte hat Stellungnahmen des Mitautors der Konsensempfehlungen Dr. Q ... vom 13. Juli 2015 und 8. Juni 2017 zur Akte gereicht. Im Schreiben vom 13. Juli 2015 führt er aus, statistisch sei von einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auszugehen, wenn bei Mischbelastungen im Sinne der BK 2108/2110 ein Gesamtbelastungsgrad von 1 zumindest annähernd (Anhaltspunkt zu 80% oder mehr) erreicht werde. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Für die Konstellation B 2 fehle es jedoch an einem erforderlichen Zusatzkriterium. Das Kriterium "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" erfordere "mehr als zwei", also mindestens drei. Es liege eine Konstellation B 3 vor. Im Schreiben vom 8. Juni 2017 führt er zusätzlich aus, es sei durchaus zulässig, Belastungen im Sinne der BK 2108 und 2110 zu addieren, weil beide Belastungsarten die Wirbelsäule betreffen würden.

Der Kläger hat seine Berufung in der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2018 zurückgenommen.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht Chemnitz hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2015 zutreffend unter Abänderung des Bescheides vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2013 verurteilt, beim Kläger die Berufskrankheit nach Nummer 2108/2110 BKV anzuerkennen. Insoweit ist der ablehnende Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nummern 2108/2110 BKV.

1. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

In der Anlage 1 zur BKV sind "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wideraufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können" als Nummer 2108 sowie "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wideraufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können" als Nummer 2110 enthalten.

Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben muss (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R – juris Rn. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße – nicht auszuschließende – Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteile vom 2. November 1999 – B 2 U 47/98 R – und vom 2. Mai 2001 – B 2 U 16/00 R – juris). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 RU 31/90 – juris).

2. Ausgehend von diesen Maßstäben sind die Voraussetzung für eine Anerkennung der Berufskrankheiten nach Nummern 2108/2110 BKV erfüllt. Beim Kläger liegen eine ausreichende berufliche Belastung (dazu unter a) und eine bandscheibenbedingte Erkrankung mit korrelierender klinischer Symptomatik (dazu unter b) vor. Weiterhin ist der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108/2110 und der Bandscheibenerkrankung des Klägers hinreichend wahrscheinlich (dazu unter c) und es ist ein Zwang zur Unterlassung der Tätigkeit anzunehmen (dazu unter d).

a) Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nummern 2108 und 2110 liegen vor.

Zwar war der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit (in landwirtschaftlichen Unternehmen und in der Bauwirtschaft) nach den Berechnungen des TAD der Beklagten sowie der Abteilung Prävention der Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft lediglich einer Gesamtbelastungsdosis von 9,49 MNh im Sinne der BK 2108 ausgesetzt. Damit ist der hälftige Richtwert (von insgesamt 25 MNh für Männer, vgl. Mehrtens/Brandenburg, BKV Nr. 2108 S. 34) von 12,5 MNh, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30. Oktober 2007 – 2 U 4/06 R – juris) zugrunde zu legen ist (st. Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Urteile vom 16. Dezember 2010 – L 2 U 114/06 – und vom 22. April 2010 – L 2 U 109/07 – juris), nicht überschritten. Erreicht werden vielmehr 37,96% des Richtwertes von 25 MNh. Auch die vom TAD errechnete Belastung durch Ganzkörperschwingungen innerhalb von 3,6 Jahren erreicht mit einem Dosiswert von 903,97 (m²s)² nicht den Dosisrichtwert von 1.450 (m²s)² im Sinne der BK 2110, sondern lediglich 62,3%. Allerdings ergibt die Berechnung der Kumulativbelastung aus Trage- und Schwingungsbelastung einen Wert von größer als 1 (100,26%), weshalb eine berufliche Mischbelastung aus Heben und/oder Tragen schwerer Lasten und/oder extremer Rumpfbeugehaltung und Körpervibrationen in einer Belastungsausprägung vorliegt, die ein erhöhtes Risiko für die LWS bedeutet. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Einwirkungsbelastungen nicht strikt getrennt, sondern kumulativ betrachtet werden. So hat das Bundessozialgericht im Zusammenhang mit den BK 2108 und 2110 ausgeführt, dass es nach dem derzeitigen Stand der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse nicht möglich sei, bei einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule die unterschiedlichen Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2110 hinsichtlich ihres Beitrags zur Entstehung der Krankheit sowie den Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voneinander zu trennen (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 9/05 R – juris Rn. 21 unter Verweis auf: Brandenburg, BG 1993, 791, 794; Schönberger/Mehr-tens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, 8.3.5.5.3.1, S. 570; Dupuis/Hartung, BG 1994, 346, 348; Schäfer/Hartung, ASUmed 34 (1999), 143; Dupuis, ASUmed 36 (2001), 422, 427; Konsensempfehlungen "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten BKen der LWS", Trauma und Berufskrankheit 3/2005, 211 ff, 1.1.2; Konietzko/Dupuis/Letzel, Handbuch der Arbeitsmedizin, Abschn IV, 3.5.2, S. 5; so auch LSG BW, Urteil vom 28. Januar 2011 – L 8 U 4946/08 – juris Rn. 35).

Dem entsprechend geht die Beklagte selbst davon aus, dass der Gesamtbelastungsgrad von 1 den Grenzwert (gerade) übersteigt bzw. erreicht (vgl. Bl. 161 VA). Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. C ... Zwar meint dieser Sachverständige, eine einfache Addition der Belastungsdosen sei nicht gerechtfertigt. Dem widersprechen jedoch der Gutachter Dr. R ... und der Oberarzt Dr. Q ..., der von der Beklagten zu einer Stellungnahme herangezogen wurde. So schätzt Dr. R ... ein, dass der Kläger unter Addition der Belastungen im Hinblick auf eine Mischbelastung ausreichend schwer belastet war im Sinne der BK 2108/2110. Auch Dr. Q ... führt in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2017 aus, es sei zulässig, die Belastungen im Sinne der BK 2110 und 2108 zu addieren, weil beide die LWS betreffen. In Bezug auf Höhenminderungen von Bandscheiben wirkten sich Belastungen im Sinne der BK 2110 am stärksten an den Bandscheiben der unteren LWS aus, die bei der BK 2110 mit betroffen seien. Auch im Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur BK 2108 (Bekanntmachung des BMAS vom 1. September 2006, BABl. 10-2006) wird darauf hingewiesen, dass Ganzkörperschwingungen erschwerend wirken und als zusätzlicher Belastungsfaktor berücksichtigt werden müssen. Daher seien Einwirkungen durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung und Einwirkungen durch Ganzkörperschwingungen (im Sinne von BK 2110) zusammen zu bewerten (vgl. Merkblatt S. 10). Auch im Merkblatt zur BK 2110 (Bekanntmachung vom 1. Juni 2005, BArbBl 7/2005, 43, 44) werden die im Merkblatt zur BK 2108 genannten Belastungen als synergetisch wirkend bezeichnet (Merkblatt S. 2). Eine in der abschließenden Liste der Anlage 1 zur BKV nicht aufgeführte neue Berufskrankheit, die aus verschiedenen Tatbeständen zusammengefasst und daher unzulässig wäre, ist in der kumulativen Berücksichtigung der wirbelsäulenbelastenden Expositionen nicht zu sehen (vgl. LSG BW, Urteil vom 28. Januar 2011 – L 8 U 4946/08 – juris Rn. 35).

b) Auch die medizinischen Voraussetzungen sind nach übereinstimmender Einschätzung der Gutachter Dr. R ... und Dr. C ... erfüllt. Bei dem Kläger sind eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, ein Ursachenzusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit sowie ein Zwang zum Unterlassen nachgewiesen.

aa) Der Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung setzt nach den Konsensempfehlungen eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine korrelierende klinische Symptomatik voraus (vgl. Teil I Ziff. 1.3).

Zwar gelangte der Gutachter im Verwaltungsverfahren, Dr. V ..., zur Einschätzung, es fehle an einem zum positiven Bildbefund passenden klinischen Segmentbefund (Bl. 192 Rs. VA). Dem stehen jedoch die übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter Dr. R ... und Dr. C ... entgegen. Dr. R ... stellte eine deutliche Chondrose Grad 3 für das Segment L5/S1 und eine mäßige Chondrose Grad 2 für das Segment L 4/5 fest. Ein Bandscheibenvorfall sei bei L 4/5 zu erkennen. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung Typ 2 nach der Konsensempfehlung verneinte er aufgrund fehlender Nervenwurzelreizung, Hypästhesien sowie motorischer Störungen. Die Voraussetzungen einer bandscheibenbedingten Erkrankung Typ 1 der Konsensempfehlung sah er hingegen als erfüllt an. Die Messungen der vorhandenen Röntgenbilder aus Januar 2009 zeigten eine altersuntypische Höhenminderung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 bzw. Chondrose Grad 3 auf Bildern aus Mai 2015 (Bl. 150, 153 GA) und die MRT-Bilder der LWS aus November 2011 eine Bandscheibenvorwölbung im Bereich L4/5 (Bl. 153 GA), die der Gutachter als Bandscheibenvorfall einordnet (1. Voraussetzung). Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine relevante Schmerzreaktion beim Wiederaufrichten aus der Vorbeuge, der Reklination und Seitneige, weshalb Schmerz durch Bewegung (2. Voraussetzung) belegt ist. Zwar waren bei seiner ersten Untersuchung am 13. Januar 2013 nur Druckschmerzen im zervikothorakalen Übergang auslösbar, allerdings ließ sich bei der Untersuchung am 2. Juni 2014 über den unteren drei Etagen der LWS und über einzelnen Segmenten der BWS ein deutlicher Druckschmerz provozieren (3. Voraussetzung). Auch wenn Druckschmerz über Segmenten auslösbar war, die einen Verschleiß zeigten, ist nach Auffassung des Gutachters eine bandscheibenbedingte Erkrankung nicht zu negieren. Seiner Einschätzung nach ist auch die Voraussetzung "Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz" gesichert. Auch eine Entfaltungsstörung der LWS bejahte er bei einer mäßigen Einschränkung der Beweglichkeit der LWS und einer Störung der Reklination sicher (4. Voraussetzung). Bei der Untersuchung fand sich zudem ein erhöhter Muskeltonus über der unteren LWS und im Bereich einiger Segmente der BWS (5. Voraussetzung). Schließlich zeigten sich relevant ausstrahlende Schmerzen in das linke Bein und eine leichte pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung bei 80° beidseits bei der Prüfung des Zeichens nach Lasègue.

Dr. C ... stellte bei der Auswertung der vorhandenen Röntgenaufnahmen eine Chondrose Grad 3 in den Segmenten L4/5 und L5/S1 fest, die immer altersvorauseilend seien. Auch er bejahte eine Entfaltungsstörung der unteren LWS-Segmente, einen erhöhten Muskeltonus, einen provozierbaren Segmentschmerz sowie einen provozierbaren Rotationsschmerz. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den unteren Segmenten der LWS (L5/S1 und L4/5) sieht auch dieser Gutachter als gesichert an (Bl. 280 GA).

Eine bandscheibenbedingte Erkrankung wird zudem von Dr. Q ..., der im Auftrag der Beklagten u.a. mit Schriftsatz vom 13. Juli 2015 Stellung genommen hat, bejaht (Bl. 296 Gerichtsakte [GA]).

bb) Ein Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit des Klägers und der bandscheibenbedingten Erkrankung ist hinreichend wahrscheinlich im genannten Sinne. Unter Abwägung aller Umstände spricht mehr für als gegen einen Zusammenhang.

Nach Auswertung der bildgebenden Befunde durch die Gutachter Dr. R ... und Dr. C ... ist von folgenden Höhenminderungen auszugehen: o L1/2 Chondrose Grad 0 o L2/3 Chondrose Grad 0 o L3/4 Chondrose Grad 0 o L4/5 Chondrose Grad 3 o L5/S1 Chondrose Grad 3.

Zudem ist ein Bandscheibenvorfall am Segment L4/5 gesichert.

Die danach bestehenden Höhenminderungen und der Prolaps an mehreren Bandscheiben in den unteren beiden Segmenten spricht für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung (vgl. Ziffer 1.4 Teil 1 der Konsensempfehlung). Zudem sind die Veränderungen nach Feststellung von Dr. R ... an der LWS stärker ausgeprägt als an der HWS und der BWS, was ebenfalls eher für einen Ursachenzusammenhang spricht (vgl. Ziffer 1.4 Teil I Konsensempfehlung, Ausführungen Dr. R ... Bl. 158 GA). Auch der zeitliche Aspekt (Nachweis der bandscheibenbedingten Erkrankung mehr als zehn Jahre nach Beginn der beruflichen Belastung im Jahr 1985; zwischen Nachweis der bandscheibenbedingten Erkrankung und Ende der beruflichen Belastung nicht mehr als fünf Jahre) sprechen nach Einschätzung von Dr. R ... für einen Ursachenzusammenhang. Eine Begleitspondylose als positives Indiz wurde von beiden Gutachtern hingegen verneint. Wesentliche konkurrierende Ursachen, die für die Frage eines Ursachenzusammenhangs ebenfalls maßgeblich sind, wurden von den Gutachtern ebenso nicht festgestellt. Zwar fand Dr. R ... Zeichen für einen Morbus Scheuermann als mögliche konkurrierende Ursache. Seiner Einschätzung nach reicht die Schwere der Erkrankung jedoch nicht aus, diese als konkurrierende Ursache einzustufen. Eine primäre Skoliose zeigten die vorhandenen Röntgenbilder aus dem Jahr 2010 nicht und auch weitere konkurrierende Ursachen wie wesentlicher Beckenschiefstand, Morbus Bechterew, pathologische Lordose oder Gicht und Rheuma schloss der Gutachter aus. Schließlich liegt keine Adipositas vor. Dr. C. diskutierte ebenfalls die beim Kläger bestehende Scheuermannsche Erkrankung als mögliche konkurrierende Ursache, wobei sie seiner Auffassung nach hinsichtlich ihrer funktionellen Auswirkungen hinter denen im Bereich der LWS festgestellten deutlich zurückstehe. Auch die bestehende Kyphose im Bereich der mittleren BWS ist seiner Einschätzung nach kein wesentlicher Verursachungsfaktor. Schließlich seien die verschleißbedingten Veränderungen im Bandscheibenfach C3/4 gegenüber denen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 als nachrangig anzusehen. In der Zusammenschau seien keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar (Bl. 280 GA).

Danach liegt – ausgehend von einer bandscheibenbedingten Erkrankung an den Segmenten L4/5 und L5/S1 mit Chrondrose Grad 3 ohne Begleitspondylose und ohne konkurrierende Ursachen – eine Konstellation B2 bzw. B4 (unter Einbeziehung des schwächer ausgeprägten Bandscheibenschadens an der HWS) nach der Konsensempfehlung vor, wobei das erste erforderliche Zusatzkriterium der B 2-Konstellation (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben) entgegen der Auffassung der Beklagten gegeben ist. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von Dr. Q ... ausführt, mit der Formulierung "mehrere Bandscheiben" seien mehr als zwei, also mindestens drei, gemeint, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Sie widerspricht zum Einen dem klaren Wortlaut (mehrere Bandscheiben) und würde auch im Zusammenhang mit der folgenden Einschränkung, dass bei monosegmentaler Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten vorliegen müsse, keinen Sinn ergeben. Die Abgrenzung erfolgt danach klar zwischen einem monosegmentalen Bandscheibenschaden und den an mehr als einem Segment auftretenden Schäden (bisegmental oder mehr). Würde man der Ansicht der Beklagten folgen, wäre der bisegmentale Bandscheibenschaden von den Konsensempfehlungen nicht erfasst, wovon nicht auszugehen ist (vgl. auch Urteil des Senats vom 21. Juni 2010 – L 2 U 170/08 LW – juris Rn. 46). Dr. Q ... weist selbst darauf hin, dass der Mitautor der Konsensempfehlung Bolm-Audorff im Nachgang zu den Beratungen ausgeführt hat, mit "mehreren" seien mindestens zwei Bandscheibensegmente gemeint (Bl. 298 GA). Dass darin eine unzutreffende Darstellung der Beratungen und Ergebnisse der Konsensusarbeitsgruppe liege, ist durch nichts belegt.

Dementsprechend geht auch Dr. R ... von einer Konstellation B 2 nach der Konsensempfehlung aus und hält einen Bandscheibenschaden an zwei Segmenten für ausreichend, um das erste Zusatzkriterium zu erfüllen (Bl. 160 f. GA). Die Konstellation B 4 ergibt sich schließlich aufgrund der schwächer ausgeprägten Schädigungen an der HWS, was jedoch im Ergebnis unerheblich ist. In beiden Konstellationen ist ein Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung wahrscheinlich.

Auch Dr. C ... bestätigt im Ergebnis das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer B 4-Konstellation. Dass er im Gutachten von einer A 2-Konstellation ausgeht, ist allein darauf zurückzuführen, dass er die berufliche Exposition für nicht ausreichend hält. Bei Anerkennung einer ausreichenden Belastung geht auch er von einer B 4-Konstellation aus (Bl. 286 GA).

cc) Schließlich ist der erforderliche Unterlassungszwang zu bejahen.

Die in Nummern 2108 bis 2110 BKV genannten Berufskrankheiten setzen neben den arbeitstechnischen und medizinischen Merkmalen voraus, dass die jeweiligen Wirbelsäulenerkrankungen "zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Dieses besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (st. Rspr. Bundessozialgerichts [BSG], vgl. u.a. Urteil vom 20. Oktober 1983 – 2 RU 70/82 –, vom 27. November 1985 – 2 RU 12/84 – und vom 22. August 2000 – B 2 U 34/99 R –, juris Rn. 24; so auch Mehrtens/Brandenburg, BKV 2108 Anm. 2.4 S. 31). Ein Zwang zum Unterlassen der ausgeübten schädigenden Tätigkeit muss danach medizinisch geboten sein und die Tätigkeit muss tatsächlich unterlassen worden sein (vgl. Mehrtens/Brandenburg, BKV E § 9 SGB VII Nr. 28.5 S. 87 f.).

Der Kläger hat die belastenden Tätigkeiten spätestens im September 2011 aufgegeben. Nach Einschätzung von Dr. R ... war er auch seit spätestens November 2011 (Nachweis eines Bandscheibenvorfalls im Segment L4/5) und einer akuten Schmerzattacke ab Juni 2012 nicht mehr in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit mit entsprechender Belastung nachzugehen (Bl. 161 GA). Auch nach Einschätzung von Dr. C ... wurde die gefährdende Tätigkeit im Jahr 2011 aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen aufgegeben (Bl. 286 GA).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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