L 2 SV 1/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SV 123/18 WA
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SV 1/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 20/19 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist nur ausnahmsweise möglich.
2. Ein Ablehnungsgesuch kann von den abgelehnten Richtern selbst entschieden, soweit es rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig ist.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 01.04.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme der Klage im vor dem Sozialgericht Dresden (SG) anhängig gewesenen Verfahren S 5 SV 90/17. In diesem Verfahren begehrte die Klägerin die gerichtliche Feststellung, dass der Beklagte einen Antrag auf Einhaltung des Datenschutzes zu verbescheiden und einen Zurückweisungsbeschluss bei Dritten (Behörden usw.) zu korrigieren habe.

Der Beklagte, an den sich die Klägerin wegen der Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe gewandt hatte, hatte den Allgemeinen Sozialen Dienst beauftragt, sich bei einem Hausbesuch der Klägerin ein Bild von deren Bedürftigkeit zu machen und entsprechende Hilfsangebote aufzuzeigen. Nachdem die Klägerin im Rahmen eines anderweitig geführten Gerichtsverfahrens Kenntnis von dem Protokoll des Hausbesuchs erlangt hatte, bestritt sie zahlreiche Angaben in der Niederschrift. Der Bevollmächtigte der Klägerin wandte sich deswegen unter anderem an den Datenschutzbeauftragten des Beklagten sowie an den Sächsischen Datenschutzbeauftragten.

Mit Schreiben vom 18.08.2017 wurde Klage zum SG erhoben. Diese Klage wurde zunächst unter dem Az. S 9 SO 243/17 erfasst und im weiteren Verlauf an die 5. Kammer des SG abgegeben (Az. S 5 SV 88/17; vgl. insoweit Verfügungen der Vorsitzenden der 9. und der 5. Kammer des SG vom 21.08.2017 und 28.08.2017, Bl. 5 der Gerichtsakte). Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, der Beklagte habe es bei dem Hausbesuch 2014 unterlassen, der Klägerin eine Kopie des Hausbesuchsprotokolls auszuhändigen. Sie habe das Protokoll erst in einem späteren Gerichtsverfahren bekommen und sodann etliche Angaben im Protokoll bestritten. Der Datenschutzbeauftragte des Beklagten habe Abhilfemaßnahmen vorgeschlagen, der Beklagte habe dies verweigert. Das Schreiben an den Datenschutzbeauftragten und/oder an den Landrat sei als Antrag auf Einhaltung des Datenschutzes nach § 84 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu werten.

Mit einer weiteren, am 21.08.2017 am SG erhobenen Klage (Az.: S 5 SV 88/17), wurde die Korrektur eines "Zurückweisungsbeschlusses" durch den Beklagten begehrt. Mit diesem Beschluss sei der Beklagte bei Dritten (Behörden usw.) "hausieren" gegangen. Der Beschluss habe aber keinen Bestand mehr, so dass der Beklagte verpflichtet sei, dieses bei den Dritten zu korrigieren.

Das SG verband die Verfahren S 5 SV 88/17 und S 5 SV 90/17 mit Beschluss vom 13.09.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und führte sie unter dem Aktenzeichen S 5 SV 90/17 fort.

Mit Schreiben vom 13.09.2017, 16.10.2017 und 17.10.2017 wies die Klägerin darauf hin, dass ihres Erachtens der Vorsitzende der 5. Kammer nicht der gesetzliche Richter sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.11.2017 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei mangels Vorliegens eines Rechtsschutzinteresses schon unzulässig. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin, den Beklagten im Wege einer Untätigkeitsklage verpflichten zu lassen, über einen Antrag auf Einhaltung des Datenschutzes zu entscheiden, bestehe nicht.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein. wo das Verfahren unter dem Az. L 2 SV 11/17 registriert wurde. Zur Begründung der Berufung führte die Klägerin aus, die 5. Kammer des SG habe zu Unrecht über die Klage entschieden. Gesetzlicher Richter sei die 9. Kammer des SG gewesen, bei der die Verfahren auch ursprünglich anhängig gewesen seien. Auch die Zuständigkeit des 2. Senats des LSG sei nicht nachvollziehbar. Das Verfahren gehöre in den 8. Senat.

Der 2. Senat des LSG wies die Berufung mit Urteil vom 19.07.2018 zurück. Auf die Gründe der Entscheidung, insbesondere S. 7 3. Absatz (Bl. 105 der Gerichtsakte), wird Bezug genommen. Die hiergegen von der Klägerin zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde beim BSG zunächst unter dem Az. B 10 SF 2/18 B registriert (Bl. 113 der Gerichtsakte). Sie erhielt im weiteren Verlauf das Az. B 8 SO 60/18 B (Bl. 114 der Gerichtsakte). Die Beschwerde wurde mit Beschluss des BSG vom 19.07.2018 als unzulässig verworfen.

Am 11.09.2018 hat die Klägerin beim SG ein "entsprechendes Rechtsmittel (Wiederaufnahme?)" des Verfahrens beantragt. Der Vorsitzende der 5. Kammer sei nicht der gesetzliche Richter gewesen, wie dem beigefügten Schreiben des BSG vom 04.09.2019 entnommen werden könne. In diesem Schreiben war der Klägerin vom BSG mitgeteilt worden, das bisher unter dem Az. B 10 SF 2/18 B geführte Verfahren werde zuständigkeitshalber vom 8. Senat übernommen und nun unter dem Az. B 8 SO 60/18 B geführt (Bl. 119 der Gerichtsakte). Vom SG ist das eingelegte Rechtsmittel als Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet und unter dem Az. S 5 SV 123/18 WA geführt worden.

Mit Schreiben vom 14.01.2019 hat die Klägerin ausführen lassen, es bestehe gegen den Vorsitzenden der 5. Kammer die Besorgnis der Befangenheit. Auf das Schreiben vom 14.01.2019 nebst Anlagen (Bl. 150 bis 152 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Diese Klage ist durch Gerichtsbescheid des SG vom 01.04.2019 abgewiesen worden; auf die Gründe des Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.

Am 09.04.2019 hat die Klägerin Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 01.04.2019, bei dem es sich wohl um einen Aprilscherz handele, eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat sie vorgetragen, weder im Verfahren S 5 V 123/18 WA noch im Verfahren S 5 SV 90/17 sei der gesetzliche Richter tätig geworden. Es handele sich um ein Verfahren aus dem Rechtsgebiet SO. Mit Schreiben vom 16.04.2019 hat die Klägerin, nachdem ihr das Aktenzeichen des nunmehr anhängigen Berufungsverfahrens mitgeteilt worden war, ergänzend vorgetragen, es werde ausdrücklich gerügt, dass nicht der gesetzliche Richter tätig sei. Nach Einschätzung des BSG handele es sich um ein Verfahren aus dem Rechtsgebiet SO, nicht SV. Der 2. Senat des LSG sei somit nach seinem Geschäftsverteilungsplan nicht der gesetzliche Richter. Es liege ein Verstoß gegen die Verfassung vor. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 23.06.2019 und 20.07.2019 (Bl. 177 und 182 der Gerichtsakte) verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 01.04.2019 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Dresden zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 01.04.2019 zurückzuweisen.

Er hat sich auf die Gründe der Entscheidung des SG bezogen und darüber hinaus ausgeführt, seines Erachtens sei im Berufungsverfahren der gesetzliche Richter tätig geworden. Die Behauptung, es liege ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters vor, werde durch nichts unterlegt. Es werde angeregt zu prüfen, ob hier eine Missbrauchsgebühr gemäß § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.04.2019 die Richterin am Landessozialgericht (RinLSG) Dr. W ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausführen lassen, Frau RinLSG Dr. W ... habe eine Einsicht in einen beim LSG vorhandenen Verwaltungsvorgang, in welchem eine von der Klägerin auf ihren Prozessbevollmächtigten ausgestellte Generalvollmacht enthalten sei, bei der Gemeinde B ... abgelehnt und Akteneinsicht nur beim LSG gewähren wollen, was für den Prozessbevollmächtigten eine Fahrstrecke von insgesamt ca. 1000 km bedeuten würde. Das Aktenzeichen des Vorganges, in dem sich die Generalvollmacht befinde, habe Frau RinLSG Dr. W ... erst mit Schreiben vom 07.03.2019 angegeben. Mit gerichtlichem Schreiben der nunmehrigen Vizepräsidentin des SG (VPrinSG) V ... (bis zum 30.04.2019: RiLSG V ...; bis zum 30.07.2019 abgeordnet an das LSG) vom 22.05.2019 wurde der Klägerin mitgeteilt, die abgelehnte Richterin habe von einer dienstlichen Stellungnahme abgesehen.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 22.06.2019 in den Räumen der Gemeindeverwaltung B ... Einsicht in die Gerichtsakten genommen hatte, führte er aus, die Besorgnis der Befangenheit Frau RinLSG Dr. W ... betreffend ergebe sich daraus, dass ihr die unvollständige Aktenübersicht, die Frau VPrinSG V ... gewährt habe, bekannt gewesen sei. Frau RinLSG Dr. W ... habe als Berichterstatterin und Vorsitzende offensichtlich zwei Richter eines anderen Senates nicht davon unterrichtet und somit einen für die Klägerin ungünstigen Ausgang des Verfahrens manipuliert.

Mit Schreiben vom 25.05.2019, beim LSG am 29.05.2019 eingegangen, hat die Klägerin Frau VPrinSG V ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Frau VPrinSG V ... habe der Klägerin im Verfahren L 2 SV 11/17 Akten vorenthalten. Der zuständige Spruchkörper habe keine Vorenthaltung von Akten gesehen. Kaum sei der Befangenheitsantrag vom Richtertisch gewesen, habe Frau VPrinSG V ... der Klägerin weitere Akten überreicht, die sie ihr zuvor vorenthalten habe. Zu diesem Vortrag hat die damalige Berichterstatterin, Frau VPrinSG V ..., am 04.06.2019 folgende Stellungnahme abgegeben: "Am 04.01.2018 hat die Berichterstatterin verfügt, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine vollständige Kopie der Gerichtsakten zu übersenden (vgl. Bl. 42 GA). Diese Verfügung wurde am 04.01.2018 durch die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle abgearbeitet. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gerügt hat, nicht alle Aktenteile erhalten zu haben, wurde festgestellt, dass die vom Sozialgericht Dresden zum Ausgangsverfahren S 5 SV 90/17 hinzuverbundene Gerichtsakte S 5 SV 88/17 noch nicht kopiert und übersandt worden war. Daraufhin wurde die nachträgliche Versendung dieses Aktenteils mit Verfügung vom 05.02.2018 angeordnet und am 06.02.2018 ausgeführt."

Mit Schreiben vom 03.05.2019, beim LSG am 05.06.2019 eingegangen, hat die Klägerin weiter ausgeführt, Frau VPrinSG V ... habe ihr mitgeteilt, dass sie von einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin absehe, obwohl auch sie abgelehnt worden sei. Eine solche Vorgehensweise halte sie für rechtswidrig, es gehe schließlich um den ge-setzlichen Richter, der der Klägerin im Grundgesetz garantiert sei. Hier habe der Senat bereits mehrfach versucht, als nicht gesetzlicher Richter in Sachen der Klägerin tätig zu werden. Das BSG habe ausdrücklich, nach anfänglicher Registrierung unter dem Az. SF, die Angelegenheit dem Rechtsgebiet SO zugeordnet.

Mit weiterem Schreiben vom 22.06.2019 hat die Klägerin ergänzend dargelegt, eine Be-sorgnis der Befangenheit von Frau VPrinSG V ... bestehe auch deshalb, weil ihr aus den Verwaltungsakten des Beklagten bekannt gewesen sei, dass der Beklagte das SG um Löschung eines Beschlusses des Amtsgerichtes A ... in den Originalverwaltungsakten gebeten habe. Eine Behauptung des Beklagten vom 25.06.2019, er habe diesen Be-schluss aus seinen Akten entfernt und vernichtet, sei offensichtlich wahrheitswidrig gewe-sen und es sei bis heute nicht nachgewiesen, dass dieser Beschluss und seine Kopien gelöscht seien. Durch das Verhalten der Frau VPrinSG V ... sehe sich die Klägerin in Sachen Datenschutz um ihre Rechte gebracht.

Mit Schreiben vom 28.06.2019 hat die Klägerin die Vorsitzende des 2. Senats und Prä-sidentin des Landessozialgericht (PrinLSG) U ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Präsidentin sei offensichtlich nicht bereit, ihrem Antrag auf Akteneinsicht vom 04.06.2019 in die beim Gericht vorhandenen Verwaltungsvorgänge. stattzugeben. Es liege hier offensichtlich wieder eine Verzögerungstaktik vor, die für die Klägerin in der Vergangenheit zu erheblichen Nachteilen im Verfahren L 3 AS 634/17 geführt habe. Es werde angeregt, die Vorsitzende erkläre sich mit dem Ausschluss vom weiteren Verfahren einverstanden.

Mit Schreiben vom 20.07.2019 hat die Klägerin des Weiteren ausgeführt, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters in allen rechtshängigen Verfahren der Klägerin im 2. Senat. Der Berichterstatter verweigere dem Beklagten die Übersendung der Originalverwaltungsakten, damit der Beklagte den Beschluss des Amtsgerichts A ... in der Akte löschen könne. Diesen Schluss lasse zumindest die in Kopie angefügte Antwort des Herrn Landrates Z ... vom 07.07.2019 auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu. In dem Schreiben vom 07.07.2019 wird darauf verwiesen, dass dem Landkreis Nordsachsen derzeit lediglich Kopien der Verwaltungsakte vorlägen. Diesen könne entnommen werden, dass unter dem 25.06.2018 sowohl das SG als auch das LSG darüber informiert worden seien, dass die Klägerin auf einer Löschung des Beschlusses des Amtsgerichts A ... in den Originalakten bestehe.

Nach Terminierung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht für den 16.08.2019 mit gerichtlichem Schreiben vom 01.08.2019 hat ihr Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 07.08.2018 die Aufhebung des Termins beantragt. Er habe am 15.08.2019 einen Arzttermin und anschließend eine Einladung zur Feier eines 60. Geburtstages. Die Anreise zum Termin sei ihm damit nicht möglich. Zudem seien bisher die namentliche Nennung des Berichterstatters unterblieben und es werde ausdrücklich gerügt, dass der Vorsitzende der 5. Kammer des SG einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag vorsätzlich nicht beachtet habe. Mit weiterem Schreiben vom 11.08.2019 hat er ausgeführt, er rüge ausdrücklich, dass die Befangenheitsanträge vom 29.04.2019, 25.05.2019, 29.05.2019, 28.06.2019 und 20.07.2019 nicht beachtet worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Gesuche der Klägerin auf Ablehnung von Frau PrinLSG U ..., Frau VPrinSG V ... und Frau RiLSG Dr. W ... wegen Besorgnis der Befangenheit sind als offensichtlich unzulässig zu verwerfen. Da ein Ablehnungsgesuch von den abgelehnten Richtern selbst entschieden werden kann, soweit es rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 60 Rn. 10d), konnte die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen getroffen werden.

Ein Richter kann nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit dieses Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dies ist dann der Fall, wenn der Antragsteller bei vernünftiger Würdigung der Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Entscheidend ist dabei allein, ob der Antragsteller von seinem Standpunkt aus, bei Anlegung eines objektiven Maßstabes, Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten (BSG, Beschluss vom 10.12.2010 - B 4 AS 97/10 - juris Rn. 6).

Vorliegend hat die Klägerin in keinem ihrer Ablehnungsgesuche konkrete Anhaltspunkte dargelegt, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit hindeuten könnten.

1. Soweit die Klägerin Frau RinLSG Dr. W ... mit der Begründung abgelehnt hat, diese habe die Einsicht in einen beim LSG vorhandenen Verwaltungsvorgang verweigert, in welchem eine von der Klägerin auf ihren Prozessbevollmächtigten ausgestellte Generalvollmacht enthalten sei, war das Ablehnungsgesuch schon deshalb offensichtlich rechtsmissbräuchlich, weil der geltend gemachte Ablehnungsgrund auch nicht ansatzweise einen nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit aufweist (vgl. BSG, Beschluss vom 13.08.2009 – B 8 SO 13/09 B – Rn. 10, juris m.w.N.). Auch die weitere Begründung des Ablehnungsgesuchs mit Schreiben vom 22.06.2019, Frau RinLSG Dr. W ... sei bekannt gewesen, dass Frau VPrinSG V ... Akten, die zur Einsicht übersandt worden seien, zu-nächst unvollständig übersandt habe, kann eine Befangenheit von Frau RinLSG Dr. W ... schon deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen, weil eine Besorgnis der Befangenheit wegen einer versehentlich unterbliebenen Übersendung eines Aktenteils nicht in Betracht kommt.

2. Das gegen Frau VPrinSG V ... gerichtete Ablehnungsgesuch vom 25.05.2019 ist schon deshalb unzulässig, weil Frau VPrinSG V ... dem erkennenden Gericht nicht mehr angehört. Sie wurde bereits mit Wirkung vom 01.05.2019 an das Sozialgericht Chemnitz versetzt, eine teilweise Abordnung an das LSG endete zum 31.07.2019. Die Richterab-lehnung dient dem Ziel, den abgelehnten Richter an weiterer Tätigkeit zu hindern. Sie kommt deshalb nicht mehr in Betracht, wenn der abgelehnte Richter mit der Streitsache nicht mehr befasst sein kann (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 60 RdNr. 10b; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 42 RdNr. 7; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.10.1993 – V B 62/93 – juris RdNr. 6). Oh-nehin kann eine versehentlich unterbliebene Übersendung von Aktenbestandteilen die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen (s.o.). Nur ergänzend wird zum einen darauf hingewiesen, dass auch das Vorbringen in dem beim LSG am 05.06.2019 eingegangenen Schreiben der Klägerin vom 03.05.2019 Besorgnis der Befangenheit schon deshalb unter keinem Gesichtspunkt begründen kann, weil das in Bezug genommene Schreiben von Frau VPrinSG V ... am 22.05.2019 versandt wurde und das Ablehnungsgesuch erst später, mit Schreiben vom 25.05.2019 (beim LSG am 29.05.2019 eingegangen) gestellt wurde und zum anderen, dass nicht ansatzweise ein Bezug des den Befangenheitsgesuchen zugrunde liegenden Verfahrens zu der begehrten Löschung eines Beschlusses des Amtsgerichts A ... in den Verwaltungsakten der Be-klagten ersichtlich ist.

3. Auch soweit die Klägerin die Vorsitzende des 2. Senates und nunmehrige Berichterstat-terin im Verfahren, Frau PrinLSG U ..., wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ist der Antrag offensichtlich unzulässig. Hinsichtlich des Vorbringens bezüglich einer Verweigerung der Einsichtnahme in einen beim LSG vorhandenen Verwaltungsvorgang wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen. Soweit darüber hinaus vorgetragen wurde, sie habe die Übersendung der Originalverwaltungsakten an die Beklagte verweigert, handelt es sich um eine nicht den Tatsachen entsprechende Annahme. II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens S 5 V 90/17 als unzulässig abgewiesen.

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens ist vom Gesetz nur ausnahmsweise im Falle der zulässigen und auch begründeten Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 578 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) vorgesehen. Ein Fall der Nichtigkeitsklage gemäß § 579 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor.

Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, das SG sei bei Erlass der Entscheidung vom 06.11.2017 nicht vorschriftsmäßig besetzt i.S.d. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gewesen, da es nicht durch seine 5. Kammer habe entscheiden dürfen und eine Entscheidung durch die 9. Kammer richtig gewesen wäre, da es sich um eine Streitigkeit aus dem Rechtsgebiet SO handele, kann dies letztlich dahinstehen. § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 Abs. 2 SGG bestimmt insoweit, dass (auch) im Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die (Nichtigkeits)Klage nicht stattfindet, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte. Insoweit ist höchstrichterlich geklärt, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens schon dann nicht statthaft ist, wenn für den Betroffenen die Möglichkeit bestand, die Nichtigkeitsgründe nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 ZPO in einem Rechtsmittelverfahren geltend zu machen. Ob der Betroffene von dieser Möglichkeit keinen oder erfolglos Gebrauch macht, ist für den Verbrauch des Nichtigkeitsgrundes unerheblich. Ausschlaggebend ist, dass der Betroffene die nach seiner Auffassung bestehende fehlerhafte Besetzung des Gerichts vor einem Richter geltend machen kann, der von dieser Rüge selbst nicht betroffen ist. Da dies durch eine Entscheidung in einem Rechtsmittelverfahren gewährleistet ist, bedarf es auch unter dem Blickwinkel eines effektiven Rechtsschutzes nicht einer nochmaligen - die knappen Ressourcen der Justiz unnötig beanspruchenden - Überprüfung in einem nachfolgenden Wiederaufnahmeverfahren (BGH, Beschluss vom 27. September 2007 – V ZB 196/06 – juris Rn. 5).

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass, soweit die Klägerin auch von einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts im Berufungsverfahren ausgeht, jedenfalls daraus, dass die von der Klägerin gegen die Entscheidung des LSG vom 19.07.2018 zum BSG erhobene und vom BSG als unzulässig verworfene Nichtzulassungsbeschwerde dort letztlich unter dem Az. B 8 SO 16/18 B geführt wurde, entgegen der Ansicht der Klägerin nicht abgeleitet werden kann, dass das LSG bei der Entscheidung im Verfahren L 2 SV 11/17 nicht vorschriftsmäßig i.S.d. § 579 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO besetzt gewesen wäre. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass ein Nichtigkeitsgrund nicht schon dann vorliegt, wenn die Besetzung auf einer irrigen Gesetzesauslegung oder einer irrtümlichen Abweichung von den Festsetzungen des Geschäftsverteilungsplanes beruht, sondern es sich vielmehr um eine klar zutage liegende Gesetzesverletzung handeln muss, die auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit auf objektiver Willkür beruht (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 579 ZPO, Rn. 2 m.w.N.). Hierfür sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. insoweit Urteil vom 19.07.2018, I. 2, S. 104 R der Gerichtsakte).

Auch die Voraussetzungen einer Restitutionsklage gemäß § 580 Nr. 1 bis Nr. 8 ZPO sind nicht gegeben. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens durch Restitutionsklage findet statt, wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat (Nr. 1), wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war (Nr. 2), wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat (Nr. 3), wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist (Nr. 4), wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat (Nr. 5), wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist (Nr. 6), wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (Nr. 7a und b) oder wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht (Nr. 8). Auch für die Zulässigkeit der Restitutionsklage muss ein Restitutionsgrund schlüssig behauptet werden. Zudem setzen gemäß § 581 Abs. 1 ZPO die Fälle der Nr. 1-5 des § 580 ZPO voraus, dass ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt oder ein Strafverfahren trotz rechtzeitiger Strafanzeige oder Vorlage von Beweismitteln durch den Restitutionskläger aus anderen Gründen als Mangel an Beweisen (z.B. wegen Verjährung, Amnestie, Tod des Täters oder Geringfügigkeit der Tat) nicht stattgefunden hat (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung – ZPO –, 38. Aufl. 2017, § 581 Rn. 1). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nichts ersichtlich.

Hinsichtlich des Vorbringens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schreiben vom 07.09.2019 wird, soweit er ausgeführt hat, der Vorsitzende der 5. Kammer des SG habe vorsätzlich einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag nicht beachtet, auf S. 4, 2. und 3. Absatz des Gerichtsbescheides vom 01.04.2019 hingewiesen. Eine Verlegung des Termins vom 16.08.2019 kam mangels Vorliegen erheblicher Gründe (s. z.B. Mayer-Ladewig u.a., SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 110, Rn. 4b ff.) nicht in Betracht. Soweit darüber hinaus die namentliche Nennung der Mitglieder des Spruchkörpers bzw. des Berichterstatters für das vorliegende Verfahren begehrt wurde, ist hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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