L 2 U 98/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 376/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 98/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Hat der Versicherte keine anerkennenswerten Gründe für einen erneuten Wohnungswechsel i.S.d. Rspr. des BSG in seinem Urteil vom 06.05.2003 - B 2 U 22/02 R = BSGE 91, 78-83 = SozR 4-2700 § 41 Nr. 1, Rn.56 geltend gemacht, so scheidet die Gewährung einer erneuten Wohnungshilfe i.S.v. § 41 SGB VII aus.
2. Der Anspruch auf eine erneute Wohnungshilfe findet seine Begrenzung in einem Verhalten des Versicherten, das dem auch im Sozialrecht anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben zuwider läuft und insbesondere ein verbotenes "venire contra factum proprium" darstellt.
3. Ein solches kann vorliegen, wenn eine Wohnungshilfe in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von 44.913 € zum behindertengerechten Umbau eines Hauses vollständig abgerufen, jedoch nur anderthalb Jahre später eine erneute Wohnungshilfe für den behindertengerechten Umbau eines neu erworbenen Hauses in Höhe von 66.745 € begehrt wird.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. März 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten im Rahmen der Wohnungshilfe hat.

Der im Jahre 1969 geborene Kläger hatte am 13.09.2008 auf dem Weg zu seiner Arbeits-stelle einen Motorradunfall, der im Bereich des linken Unterschenkels eine Amputation erforderlich machte. Nach einer berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung in der Y ... Klinik X ... wurde der Kläger an zwei Unterarm-Gehstützen über längere Strecken mobilisiert und am 19.12.2008 mit einem Rollstuhl versorgt in ambulante Weiterbetreuung entlassen.

Mit Schreiben vom 30.01.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für den behinderungsgerechten Umbau seines Hauses in der W ...straße in V ... und legte eine Ausführungsvariante eines beauftragten Architekten mit einer umfassenden Kostenplanung vor.

In einem mit dem Kläger geschlossenen Vergleichsvertrag vom 29.10.2009 nach § 54 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewährte die Beklagte dem Kläger zur Schaffung einer behinderungsgerechten Sanitärsituation und Behebung der Differenzen über den zu gewährenden Umfang der Wohnungshilfe gemäß § 41 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für den Umbau seines Hauses W ...straße in V ... ein persönliches Budget in Höhe von 44.913,00 EUR an Wohnungshilfe. Weitere Kosten für die Schaffung einer behindertengerechten Sanitärsituation sollten danach vom Kläger nicht geltend gemacht werden. Mit Schreiben vom 10.05.2010 zeigte dieser an, dass das Bauvorhaben abgeschlossen sei und bat um Auszahlung der noch offenen Restsumme in Höhe von 8.982,60 EUR, die auch vorgenommen wurde.

Mit Scheiben vom 22.12.2011 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er sich mit dem Gedanken trage, sein Anwesen zu veräußern und ein gleichwertiges Haus im Bungalowstil oder mit maximal einer Treppe zu erwerben. Die Platzprobleme seien für ihn unerträglich. Eine Überwindung der Etagen durch Treppenlifte sei nach seinen Recherchen wegen der geringen verbleibenden Laufbreite der Treppe nicht möglich. Über diese Situation wolle er informieren und gehe davon aus, dass er auch weiterhin fürsorglich betreut werde. Am 27.01.2012 suchte der Reha-Manager des Klägers, Herr U ..., diesen zuhause auf und besprach mit ihm unter anderem dessen Wohnungssituation. Ausweislich seines Schreibens an die Beklagte vom 30.01.2012 hatte Herr U ... dem Kläger mitgeteilt, grundsätzlich sei eine weitere Wohnungshilfe nicht ausgeschlossen. Es würden aber nur die behinderungsbedingt notwendigen Kosten übernommen und es sei eine Beratung mit dem beratenden Bauingenieur T ... notwendig. Insbesondere müsse geklärt werden, ob die Installation von Treppenlifts tatsächlich nicht möglich sei und der Kläger das Keller und Obergeschoss nicht nutzen könne. Mit E-Mail vom 07.02.2012 wandte sich Herr U ... an den Bauingenieur T ..., schilderte den Prüfauftrag unter Zusage der Kostenübernahme und bat um Terminvereinbarung mit dem Kläger, der damit auch einverstanden sei. An dem Termin wolle Herr U ... teilnehmen. In einer E-Mail an dieses Bauingenieurbüro vom 22.02.2012 teilte Herr U ... mit, der Kläger habe ihn am 20.02.2012 telefonisch darüber informiert, dass er einen Kaufvertrag für ein Einfamilienhaus im Bungalowstil in A ... im A-Straße abgeschlossen habe. Die Finanzierung sei gesichert. Gegebenenfalls müsse an der Dusche noch etwas verändert werden. Herr U ... habe den Kläger gebeten, mit dem jetzigen Eigentümer darüber zu sprechen, ob am 12.03.2012 ein Termin im neuen Haus stattfinden könne. Dieser Termin fand am 14.03.2012 statt. Im weiteren Verlauf teilte Herr U ... der Beklagten mit, es handele sich bei dem Haus um keinen Bungalow, sondern um ein zweigeschossiges Haus in Hanglage. Der Wohnbereich befinde sich im Obergeschoß. Mit der Treppe sehe der Kläger kein Problem, Umbauten an der Dusche im Erdgeschoss und Türenverbreiterungen im Obergeschoss müssten aber durchgeführt werden.

Für den behinderungsgerechten Umbau eines Badezimmers wurde dem Kläger mit Vertrag vom 16.10.2012/2910.2012 ein persönliches Budget in Höhe von 3000 EUR bewilligt. Für den Fall, dass darüber hinaus die Voraussetzungen für die Gewährung von Wohnungshilfe gegeben seien, kündigte die Beklagte eine erneute Überprüfung an. In der Folge übernahm die Beklagte auch die Kosten für eine Absturzsicherung an der Treppe und für den Handlauf wandseitig. Mit E-Mail vom 24.01.2013 teilte der Kläger mit, dass der notwendige Umbau etwas aufwändiger gewesen sei als im Vorfeld geplant. Er bitte daher um Übernahme der Kosten, die sich aus den beigefügten Rechnungen ergäben und sich auf insgesamt 66.745,14 EUR belaufen würden. Nach Einschätzung der Plausibilität der Umbaumaßnahmen und der behinderungsbedingten Mehrkosten teilte der beratende Bauingenieur T ... der Beklagten mit Schreiben vom 15.05.2013 mit, dass der behinderungsbedingte Kostenanteil der Umbaumaßnahmen im Außenbereich sich mit Mehrwertsteuer auf 9.768,04 EUR belaufe. Behinderungsbedingt seien die Arbeiten an der Treppe am Haus, der Terrassen, des Gartenwegs, der Feuerstelle sowie der Geländeregulierung erforderlich gewesen. Bei den Umbaumaßnahmen im Haus könnten nur Erfahrungswerte bei Neubauten, wo anhand der Wohnungshilferichtlinie der behindertenbedingte Mehrbedarf rechnerisch eindeutig ermittelt werden könne, herangezogen werden. Diese ergäben einen prozentualen Anteil von durchschnittlich 30 bis 40 Prozent an behinderungsbedingten Zusatzkosten. Als Durchschnittswert könne hier ein Prozentsatz von 35 Prozent Mehraufwand = 23.360,80 EUR geschätzt werden.

Mit Bescheid vom 05.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf finanzielle Unterstützung für Umbauleistungen in und an dem neu erworbenen Haus im A-Straße in A ... ab. Im Rahmen der Wohnungshilfe könnten die Kosten für den Einbau eines Treppenliftes vom Erd- ins Obergeschoss in angemessener Höhe übernommen werden. Es habe sich gezeigt, dass das neue Haus, das sich der Kläger gekauft habe, in keiner Weise behindertengerecht sei. Er habe dann im Weiteren ohne vorherige Informationen in Eigenregie Umbauarbeiten veranlasst, die jedoch nicht zu einer behindertengerechten Nutzung geführt hätten. Die Übernahme von Mehrkosten wegen der Beseitigung von Baumängeln komme im Rahmen der Wohnungshilfe nicht in Betracht, da die Beklagte vor Abschluss des Kaufvertrages nicht die Möglichkeit gehabt habe, den baulichen Zustand des Hauses überprüfen zu lassen. Der Weg außerhalb des Hauses zum Obergeschoss könne mit dem Rollstuhl nicht genutzt werden, so dass hier keine behindertengerechte Baumaßnahme vorliege. Sollte der Kläger den Einbau eines Treppenliftes innen begehren, werde um Mitteilung gebeten.

Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 15.08.2013 unter Schilderung verschiedener durchgeführter Arbeiten. Er führte weiter aus, am 14.03.2012 vor dem Umbau seien dem Vertreter der Beklagten Herrn U ... die Vorstellungen zum Umbau dargelegt worden. Dieser habe dann auch am 08.03.2013 die umfangreichen Umbaumaßnahmen besichtigt.

Nach einer erneuten Prüfung der durchgeführten Arbeiten durch das Ingenieurbüro S ... + T ... äußerte sich dieses am 17.09.2013 dahingehend, dass anhand von Erfahrungswerten bei analogen Vorhaben aus der Gesamtsumme behindertenbedingte Mehrkosten in Höhe von 11.819,58 EUR ermittelt worden seien.

Mit Bescheid vom 19.09.2013 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und gewährte ihm Wohnungshilfe für die von ihm erbrachten Umbauleistungen in Höhe von 11.819,81 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2013 wies die Beklagte den aufrechterhaltenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.08.2013 im Übrigen zurück. Bei dem Umbau eines Wohnhauses könne im Rahmen der Wohnungshilfe nur der behinderungsbedingte Mehraufwand übernommen werden. Nach Prüfung der eingereichten Rechnungen hinsichtlich des behinderungsbedingten Anteils sei keine weitere Wohnungshilfe möglich.

Hiergegen hat der Kläger am 06.12.2013 zum Sozialgericht Dresden Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, für die Einschätzung des behinderungsbedingten Mehraufwandes sei ein Begutachtungstermin vor Ort erforderlich gewesen. Im Übrigen würden die Ausführungen des beauftragten Sachverständigen zu den eingereichten Rechnungen vollumfänglich bestritten. Ihm habe es nicht zugemutet werden können, ohne behinderungsgerechte Erneuerungen in das neue Haus zu ziehen. Alle Sanierungsarbeiten hätten im direkten Zusammenhang mit dem behinderungsbedingt erforderlichen Umzug gestanden. Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme des Architekturbüros R ... zum behindertengerechten Anteil an den Umbaukosten vom 03.11.2014 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Einschätzung auch ohne Vor-Ort-Termin möglich gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch des Klägers finde seine gesetzliche Grundlage in § 41 SGB VII. Danach werde Wohnungshilfe erbracht, wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich oder wenn sie zur Sicherung der beruflichen Eingliederung notwendig sei. Das Nähere regelten die Verbände der Unfallversicherungsträger durch gemeinsame Richtlinien i.S.v. § 41 Abs. 4 SGB VI und somit durch die Gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über Wohnungshilfe. Solange der anspruchsbegründende Umstand vorliege, habe der Versicherte zunächst einmal dem Grunde nach einen unbedingten Anspruch auf die Gewährung von Wohnungshilfe. Dadurch, dass der Gesetzgeber den Verbänden der Unfallversicherungsträger die Regelung der Einzelheiten überlassen habe, habe er sie zu einer Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs für ihren Bereich beauftragt. Die gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über Wohnungshilfe hätten daher den Zweck, für Entscheidungen über die Gewährung von Wohnungshilfe eine gleichmäßige Verwaltungspraxis und Ermessensausübung sicherzustellen. Nach diesen Grundsätzen sei der Anspruch des Klägers gemäß § 41 Abs. 1 SGB VII dem Grunde nach gegeben. Dementsprechend habe die Beklagte dem Kläger bereits einmal in der Vergangenheit und nach dem Umzug des Klägers erneut Wohnungshilfe erbracht. Die Beklagte habe auch nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens über das Begehren des Klägers hinsichtlich der Leistungen der Wohnungshilfe entschieden und Kosten in angemessener Höhe übernommen. Leistungen der Wohnungshilfe dienten dazu, das Wohnumfeld des behinderten Menschen an dessen individuelle Bedürfnisse anzupassen und damit behinderungsbedingte Nachteile beim Grundbedürfnis "Wohnen" auszugleichen. Dem habe die Beklagte Rechnung getragen.

Nach Nummer 10 der Gemeinsamen Richtlinien könnten nur die behinderungsbedingten Kosten ausgeglichen werden. Der Umfang der behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen ergebe sich aus der von der Beklagten veranlassten und im Einzelnen nachvollziehbaren Sachverständigeneinschätzung. Dem stünden die zuletzt im Schriftsatz vom 09.12.2014 geäußerten Einwände des Klägers nicht entgegen. Insbesondere habe es im Hinblick darauf, dass alle Arbeiten bereits abgeschlossen gewesen seien, keiner Vor-Ort-Begehung durch die Sachverständigen bedurft. Der Kläger habe diese Umbauten veranlasst, ohne sie im Einzelnen mit der Beklagten abzustimmen. Alles in allem seien von der Beklagten keine weiteren behinderungsbedingten Maßnahmen im Rahmen der Wohnungshilfe zu bezuschussen.

Gegen den mit Empfangsbekenntnis am 22.04.2015 übersandten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.05.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Kläger habe in Absprache mit einem Vertreter der Beklagten, Herrn U ..., das neue Haus in A ... bezogen. Der Vertreter habe das Haus besichtigt, ohne Einwände gegen das Kaufvorhaben zu erheben. Zu Unrecht sei daher vom Sozialgericht angenommen worden, dass der Kläger die strittigen Umbauten ohne Absprache mit der Beklagten vorgenommen habe. Die Wohnverhältnisse seien trotz vorgenommener Umbauten in seinem alten Haus ungünstig gewesen, da dieses Haus viele Treppen gehabt habe, die nur unter Anstrengungen zu bewältigen gewesen seien. Der Betreuer bei der Beklagten habe den Kläger dann ermutigt, das alte Haus zu verkaufen und ein behindertengerechteres zu erwerben. Herr U ... habe auch darüber aufgeklärt, dass dem Kläger dann erneut Wohnungshilfen zustehen würden. Im Übrigen habe der Kläger einen Anspruch auf eine Ausstattung in seinem neuen Haus, die der in seinem alten Haus entspreche. Daher müssten Edelstahlschornstein, Rankhilfen, ein Carport trotz vorhandener Doppelgarage. ein Kaminofen, eine moderne Heizstation mit Warmwasseraufbereitung etc. eingebaut werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. März 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2013 und den Teilabhilfebescheid vom 19. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über die bisher geleistete Wohnungshilfe hinaus weitere Wohnungshilfe zu gewähren,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben (§ 151 Abs. 1, 2 i.V.m. § 64 Abs. 3 SGG), jedoch unbegründet.

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. i.V.m. Abs. 4 SGG) und hinsichtlich des Hilfsantrages als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig, Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind jedoch rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Das Sozialgericht hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht nämlich schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Wohnungshilfe über den bereits von der Beklagten gewährten Umfang hinaus zu.

Nach § 41 Abs. 1 SGB VII wird Wohnungshilfe erbracht, wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) besteht dem Grunde nach unbedingter Anspruch auf die Gewährung von (Erst-)Wohnungshilfe, solange der anspruchsbegründende Umstand des § 41 Abs. 1 SGB VII vorliegt, nämlich ein versicherungsfallbedingtes Bedürfnis nach dauerhaftem behindertengerechtem Wohnraum. Erst wenn ein solcher Anspruch dem Grunde nach gegeben ist, steht dem Unfallversicherungsträger im Hinblick auf die im Einzelfall konkret auszuführenden Maßnahmen in einem zweiten Schritt der Prüfung ein Auswahlermessen zu (BSG Urteil vom 06.05.2003 - B 2 U 22/02 R - juris Rn. 19 f.)

Vorliegend ist ein Bedürfnis des Klägers nach behindertengerechtem Wohnraum i.S.v. § 41 Abs. 1 SGB VII im Entscheidungszeitpunkt des Senats gegeben. Der Kläger ist nämlich aufgrund der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls mit einem Rollstuhl versorgt und hat damit auch grundsätzlich Anspruch auf behinderungsgerecht ausgestalteten Wohnraum. Dadurch, dass die Beklagte in der Vergangenheit dem Kläger bereits Wohnungshilfe für den behindertengerechten Umbau seines Hauses bewilligt hat, ist dieser Anspruch des Klägers auf Wohnungshilfe nach § 41 SGB VII auch nicht auf Dauer erloschen. Denn der Anspruch auf Wohnungshilfe nach § 41 SGB VII enthält weder einen im Einzelnen gekennzeichneten Leistungsrahmen, noch eine zeitliche oder zahlenmäßige Begrenzung, nach der eine erneute Leistungsgewährung vorliegend auszuschließen wäre (BSG, a.a.O., juris Rn. 22). Der Anspruch auf Wohnungshilfe erschöpft sich nicht in einer einmaligen Hilfe. Zwar ist der Zweck der Hilfe die Wiedereingliederung des aufgrund des Versicherungsfalles behinderten Versicherten, aber dieser Zweck kann nicht nur einmal zu erfüllen sein. Die Wohnungshilfe hat zum Ziel, den Versicherten so weit wie möglich so zu stellen, wie er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stehen würde (vgl. Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, Stand 15.03.2014, § 41 SGB VII, Rn. 23). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Versicherten durch die Folgen dieses Versicherungsfalles nicht seine grundrechtlich geschützte Freiheit (Artikel 11 Grundgesetz) genommen werden darf, seine Wohnung zu wechseln, zumal sich die Notwendigkeit eines Umzugs nach allgemeiner Lebenserfahrung mehrmals im Laufe des Lebens ergeben kann. Eine "Fesselung" an die Wohnung, deren behinderungsgerechter Umbau durch Gewährung von Wohnungshilfe einmalig gefördert worden ist, darf daher durch eine Begrenzung dieser Leistung auf ein Objekt nicht eintreten (BSG, a.a.O., juris Rn. 23). Dies gilt nach Auffassung des BSG jedenfalls für den Fall, dass der Wohnungswechsel aus anzuerkennenden Gründen geschieht, die auch unfallfolgenunabhängig sein können, geschieht. Ein den Anspruch auf erneute Leistung begründender Wohnungswechsel kann daher aus beruflichen, aber auch schon aus familiären oder anderen berechtigten Gründen erforderlich sein.

Eine Begrenzung des Anspruchs auf erneute Wohnungshilfe findet sich aber in dem auch im Bereich des Sozialrechts anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB (BSG, Urteil vom 06.02.2003 - B 7 AL 38/02 R - juris Rn. 23 f.), wenn etwa der Versicherte die Voraussetzungen für die Leistung nur zu dem Zweck herbeiführt, den Versicherungsträger unter Ausnutzung seiner Rechtsposition zur Erbringung von Sozialleistungen zu veranlassen (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2003, a.a.O., juris Rn. 23; und Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 10.10.2018 - L 5 U 44/14 - juris Rn. 55). Die zu beachtende Grenze für die erneute Inanspruchnahme von Wohnungshilfe bildet der Missbrauch, dessen Maßstab der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dort insbesondere das Verbot des venire contra factum proprium bildet (Padé a.a.O.). Bei Anlegen dieser Maßstäbe ergibt sich Folgendes:

Zum einen liegen "anerkennenswerten Gründe" des Klägers, die einen Wohnungswechsel rechtfertigen könnten, nicht vor. Gründe solcher Art wurden nicht geltend gemacht. Vielmehr fehlt es überhaupt an nachvollziehbaren Gründen für den Wohnungswechsel des Klägers, zumal die Beklagte den behindertengerechten Umbau des Hauses in der W ...straße in V ... mit einem persönlichem Budget in Höhe von 44.913,00 EUR gefördert und der Kläger noch unter dem 10.05.2010 davon einen letzten Restbetrag in Höhe von 8.982,60 EUR ausschöpfte, jedoch nur knapp anderthalb Jahre später am 22.12.2011 den späteren Hauserwerb wegen "unerträglicher Platzprobleme" ankündigte.

Dieses und das weitere Verhalten des Klägers sind unter dem Gesichtspunkt des "venire contra factum proprium", also einem Handeln, das dem eigenen Handeln widerspricht. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu bewerten.

Denn am 20.02.2012 hatte der Kläger den notariellen Kaufvertrag für das neue Haus bereits abgeschlossen, obwohl die Beklagte ihn am 27.01.2012 darauf hingewiesen hatte, dass zunächst die Möglichkeit der Versorgung seines Hauses in V ... mit Treppenlifts geprüft werden müsse. Dem hat der Kläger offenbar auch zugestimmt und gleichwohl, ohne eine solche Prüfung abzuwarten, den Erwerb des neuen Hauses unter dem 20.02.2012 getätigt. Die Beklagte hatte also nicht die Möglichkeit, vor dem Neuerwerb die Wohnsituation in der W ...straße in V ... zu überprüfen und so ihre getätigten Investitionen vielleicht zu erhalten und den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu genügen, denen sie als gesetzliche Versicherung unterliegt. Im Übrigen hat der Kläger nicht wie ursprünglich mitgeteilt einen "behindertenfreundlichen" Bungalow, sondern ein grundsätzlich für Behinderte ungeeignetes Haus erworben, das mit viel Aufwand behindertengerecht umgebaut werden musste.

Dass die Beklagte trotzdem und erneut Leistungen zur Wohnungshilfe gewährt hat, obwohl kein Anspruch des Klägers dem Grunde nach mehr bestand, kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls nicht dazu führen, dass der Kläger deshalb über die bisher geleistete Wohnungshilfe hinaus weitere (unberechtigte) Wohnungshilfe bezieht. Insbesondere ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht, dass der Reha-Manager bzw. Berufshelfer des Klägers keine Einwände gegen den Neuerwerb des Hauses gehabt oder der Kläger das neue Haus gar in Absprache mit diesem bezogen hätte. Doch selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde sich daraus nichts für den Kläger Günstiges ergeben, denn ein Anspruch auf weitere Leistungen der Wohnungshilfe käme nur dann in Betracht, wenn in dem behaupteten Verhalten von Herrn U ... eine rechtsverbindliche Zusicherung i.S.v. § 34 SGB X zu sehen wäre. Dies ist aber schon deshalb nicht der Fall, weil eine schriftliche Zusage i.S.v. § 34 SGB X nicht vorliegt, weshalb eine Einvernahme von Herrn U ... als Zeugen nicht angezeigt war.

Aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergibt sich nichts anderes. Denn der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger eine ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegende Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte und setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geworden ist (BSG, Urteil vom 16.03.2016 - B 9 V 6/15 R - juris, Rn. 29). Gerade daran fehlt es aber, weil kein Anspruch des Klägers als Berechtigter auf die begehrte Wohnungshilfe besteht und ihm mithin kein Nachteil wegen eines etwaigen Fehlverhaltens seines Reha-Managers entstehen konnte.

Mangels Anspruch auf die Gewährung weiterer Wohnungshilfe war auch der Hilfsantrag zurückzuweisen, weil eine den begehrten Verpflichtungsausspruch ermöglichende Ermessensentscheidung des Unfallversicherungsträgers erst in Frage kommen kann, wenn der Grundanspruch des Klägers auf weitere Wohnungshilfe gegeben ist. was aber nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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