L 8 SO 30/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 42 SO 158/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 30/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Abgrenzung von Hilfsmitteln im Sinne der Medizinischen Rehabilitation und der Sozialen Rehabilitation (Eingliederungshilfe)

Zu den Voraussetzungen eines Hilsmittels (Therapiedreirad) als Soziale Teilhabeleistung im Bereich der Eingliederungshilfe
I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Februar 2019 unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten dahingehend abgeändert, dass der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2016 verurteilt wird, die Kosten des Therapiedreirads "Easy Rider II" in Höhe von 8.519,75 EUR nach dem Kostenvoranschlag des RRC Reha Rad Centrums Y ... vom 10. März 2016 zu übernehmen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad durch den Beklagten streitig.

Der 1969 geborene Kläger erlitt im Jahr 2011 auf Grund einer Bluthochdruckerkrankung eine Stammhirnblutung und einen Herzinfarkt, wegen derer gesundheitlichen Folgen er schwerbehindert ist. Seine Sensomotorik ist stark eingeschränkt, er ist weder arbeits- noch erwerbsfähig. Zur Fortbewegung nutzt er einen Rollator, eine Gehilfe sowie einen Aktivrollstuhl. Für das Training zu Hause steht ihm ein sog. MOTOMED zur Verfügung. Der Kläger steht beim Beklagten im Bezug vorläufiger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII; Bescheid des Beklagten vom 17.07.2020) in Höhe von monatlich 1.004,90 EUR und erhält aus einer Beschäftigung bei der X ... Werkstätten gGmbH eine monatliche Vergütung in Höhe von 136 EUR. Verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden.

Zur Stärkung und Verbesserung seiner Mobilität und Gesundheit verordnete der Hausarzt Dr. W ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, dem Kläger am 18.02.2016 ein mit einer elektrischen Tretunterstützung ausgerüstetes Therapiedreirad "Easy Rider II". Der daraufhin vom Kläger eingeholte Kostenvoranschlag des RRC Reha-Rad-Centrums Y ... beziffert die voraussichtlichen Kosten hierfür auf 8.519,75 EUR.

Mit Schreiben vom 11.03.2016 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. die Kostenübernahme für das von ihm begehrte Therapiedreirad. Die Beigeladene zu 1. leitete den Antrag mit Schreiben vom 16.03.2016 an das Sozialamt der Beigeladenen zu 2. weiter, da eine Zuständigkeit der Krankenkasse nicht gegeben sei. Die Beigeladene zu 2. leitete ihrerseits den Antrag ohne weitere Informationen per Fax am 18.03.2016 an den Beklagten weiter.

Mit Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2016 lehnte der Beklagte die begehrte Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für das Therapiedreirad ab. Der Arzt des Klägers habe zwar mit Datum vom 10.04.2016 bestätigt, dass das Therapiedreirad zum intensiven Training geeignet sei und die gestörte Sensomotorik des Klägers reduzieren und dessen Stabilität sichern solle. Bei dem Therapiedreirad handele es sich daher um ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Soweit der Kläger das Therapiedreirad aber für die Bewältigung von Strecken nutze, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgingen, sei es als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich. Es seien nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Grundbedürfnis dienten, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, diese für einen kurzen Spaziergang zu nutzen oder üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien. Der Kläger habe dafür bereits vorhandene Mobilitätshilfen, die den benannten Grundbedürfnissen als Hilfsmittel zur Verfügung stünden, wie einen Arthritisrollator in der Wohnung bzw. zum Verlassen dieser einen Aktivrollstuhl. Die spezielle Art der Fortbewegung "Dreirad fahren" sei mit Effekten der Geschwindigkeit und der sportlichen Betätigung verbunden und damit kein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft habe der Kläger darüber hinaus die Möglichkeit, im Landkreis Bautzen den Fahrdienst für behinderte Menschen nach den Richtlinien des Landkreises zur Beförderung von behinderten Menschen zu nutzen. Dem Kläger könne daher die beantragte Sozialhilfeleistung nicht zuerkannt werden.

Hiergegen hat sich die am 15.06.2016 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger die Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad geltend machte. Der Kläger ist der Auffassung, dass ein solcher Anspruch sowohl unter krankenversicherungsrechtlichen wie auch unter eingliederungshilferechtlichen Gesichtspunkten bestünde. Das ärztlich verordnete Therapiedreirad solle seine Beweglichkeit fördern und vor allem auch zur deutlichen Gewichtsreduzierung beitragen. Darüber hinaus wolle er sich mit dem Therapiedreirad von fremder Hilfe unabhängig bewegen können, was mit den bisher vorhandenen Hilfsmitteln nicht möglich sei.

Mit Beschluss vom 13.04.2017 hat das SG die Krankenkasse IKK Classic zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Dem SG haben Befundberichte von Dr. W ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 25.04.2017 nebst Anlagen, von Dr. V ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Leitender Chefarzt des Fachbereichs Neurologie der Klinik am U ..., vom 04.05.2017, von Dr. T ..., Fachärztin für Augenheilkunde, vom 20.09.2017, von Dipl.-Med. S ..., Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 19.09.2017 und das Gutachten mit umfänglicher Untersuchung des Instituts für Sozialmedizinische Begutachtung und Fortbildung - ISBF - GmbH von Dipl.-Med. R ... vom 02.06.2015 vorgelegen. Das SG hat des Weiteren das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. Q ..., Facharzt für Chirurgie, Betriebsmedizin, Verkehrsmedizinischer Sachverständiger in der Begutachtungsstelle für Fahreignung des DEKRA e. V. P., vom 21.06.2018 eingeholt.

Das SG hat auf die mündliche Verhandlung vom 05.02.2019 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2016 verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 11.03.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei im tenorierten Umfang begründet. Soweit der Kläger bereits die endgültige Verpflichtung des Beklagten begehre, habe die Klage keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da der Beklagte zum einen den Anspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geprüft und im Rahmen des Anspruchs nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) das ihm zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt habe. Der Beklagte sei aus diesem Grund zur nochmaligen Neubescheidung des Antrags des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Therapiedreirades unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Der Anspruch des Klägers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Therapiedreirades "Easy Rider 2" ergäbe sich jedenfalls aus den §§ 53 Abs. 1, 3, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 7 SGB IX a. F. Die Zuordnung eines Hilfsmittels zur medizinischen Rehabilitation hindere nicht, dass unter Umständen auch ein anderer Leistungserbringer leistungspflichtig werde, da die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln im Sinne der medizinischen Rehabilitation und Hilfsmitteln, die zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienten, fließend verlaufe. Ob das Therapiedreirad für den Kläger erforderlich sei, könne nach Auffassung der Kammer nicht abschließend geklärt werden. Dieses sei anhand der zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen zu entscheiden, wobei auch zu prüfen sei, welcher Bewegungsradius mit dem derzeit vorhandenen Aktivrollstuhl abgedeckt werden könne. Grundsätzlich sei auch ein Bedürfnis des Klägers an Bewegung – jedenfalls am selbständigen Zurücklegen von Wegen – anerkennungswürdig. Eine abschließende Entscheidung der Kammer sei jedoch nicht möglich, da dem Beklagten grundsätzlich ein Auswahlermessen nach Art und Ausmaß der Leistungserbringung zustehe und hierzu noch keine ausreichenden Ermittlungen erfolgt seien. Schließlich käme auch ein Anspruch des Klägers nach § 33 SGB V in Betracht, was der Beklagte ebenfalls nicht geprüft habe.

Gegen das am 11.03.2019 dem Beklagten und am 04.03.2019 dem Kläger zugestellte Urteil richten sich die am 08.04.2019 bzw. am 22.07.2019 zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufungen des Beklagten und des Klägers.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass das SG keine ausreichende Sachverhaltsaufklärung betrieben und in der Folge entschieden habe, dass einem Anspruch nach § 33 SGB V nicht entsprochen werden könne, da dahingehend eingehendere Feststellungen erforderlich gewesen seien, insbesondere auf welche Art und Weise der Kläger in der Lage sei, sich den Nahbereich seiner Wohnung zu erschließen. Ebenso habe mangels Sachverhaltsaufklärung ein Anspruch nach §§ 53 ff. SGB XII nicht festgestellt werden können, da nicht abschließend geklärt sei, ob das Therapiedreirad erforderlich sei. Vor dem Hintergrund des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG und des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG habe das SG dem Beklagten aber nicht auferlegen können, weitere Ermittlungen selbst vorzunehmen. Eine derartige Entscheidung sei unter Berücksichtigung dessen, dass zwischen Übermittlung der Akten an das Gericht und dem Zeitpunkt der Entscheidung bereits sechs Monate verstrichen seien, nicht zulässig. Das SG müsse die erforderlichen Feststellungen selbst treffen und habe mit der Abgabe an den Beklagten Verfahrensgrundsätze verletzt. Bei einer Abgabe an die Verwaltung würde der Eindruck entstehen, dass der Beklagte in eigener Sache entscheiden solle und die Gefahr bestünde, dass weitere Prozesse notwendig würden. In der Sache bestünde auch kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten eines Therapiedreirads nach den §§ 53 ff. SGB XII. Zudem käme auch eine Verurteilung der Beigeladenen zu 1. in Betracht. Im Übrigen habe die Beigeladene zu 1. den Antrag des Klägers vom 11.03.2016 nicht innerhalb von zwei Wochen an den Beklagten weitergeleitet. Vielmehr habe die Beigeladene zu 1. den Antrag mit Schreiben vom 16.03.2016 an die Beigeladene zu 2. übermittelt. Die Beigeladene zu 2. sei als rechtsfähige Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 1 Abs. 3 Sächsische Gemeindeordnung eine eigenständige juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechts und nicht identisch mit dem Beklagten. Es fehle damit an der Weiterleitung des erst angegangenen Trägers an den Beklagten. Zweitangegangener Träger sei die Beigeladene zu 2., womit § 14 SGB IX nicht anwendbar sei. Da der Beklagte damit nicht zweitangegangener Träger im Sinne von § 14 SGB IX sei, habe er den Antrag, der auch offensichtlich auf Bewilligung einer Leistung nach dem SGB V gerichtet gewesen sei, mangels Zuständigkeit ablehnen können.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Februar 2019 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, die Kosten des Therapiedreirades in Höhe von 8.519,75 EUR zu übernehmen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das SG zwar zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben habe, weil der Beklagte zum einen den Anspruch nicht auf Grundlage von § 33 SGB V geprüft und zum anderen im Rahmen des Anspruch nach den §§ 53 ff. SGB XII das ihm zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt habe. Zu Unrecht habe das SG den Beklagten jedoch nicht dazu verurteilt, die Kosten für die Anschaffung des Therapie-dreirads "Easy Rider II" zu übernehmen. Es habe verkannt, dass ein Anspruch sowohl nach krankenversicherungsrechtlichen als auch sozialhilferechtlichen Vorschriften bestehe. Das Therapiedreirad solle dem Kläger zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung dienen und sei auch zur Gewichtsreduktion dringend erforderlich. Auf Grund seines Übergewichts und seines Bewegungsmangels verschlechtere sich der Gesundheitszustand des Klägers. Im Übrigen ergäbe sich ein Anspruch des Klägers auch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V, weil bei ihm ein allgemeines Grundbedürfnis des Gehens, Stehens, des Erschließens des Nahbereichs und die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens notwendig sei. Der Kläger erreiche selbst den circa einen Kilometer entfernt gelegenen Supermarkt sowie die weiteren Einkaufsmöglichkeiten mit dem ihm zur Verfügung stehenden Aktivrollstuhl nicht. Diese Wege könne er nur mit Unterstützung seiner Freundin zurücklegen, welche ihn fahren müsse. Er könne den Nahbereich seiner Wohnung nicht mit dem Aktivrollstuhl und erst recht nicht mit dem Rollator erschließen. Das Therapiedreirad würde erheblich dazu beitragen, seine Mobilität und die Teilhabe am Leben und den Aktivitäten des täglichen Lebens zu erhalten. Der Bewegungstrainer MOTOMED sei kein Hilfsmittel, um Stecken zurückzulegen, da er lediglich zum Bewegungstraining in der Wohnung diene. Mit dem Rollator könne er nur wenige Meter zurücklegen.

Die Beigeladenen haben jeweils keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladene zu 1. ist der Ansicht, dass ihre Verurteilung nicht in Betracht komme. Der Beklagte sei auf Grund der rechtzeitigen Weiterleitung des Antrags durch die Beigeladene zu 1. verpflichtet, den Antrag vollumfänglich und daher auch nach § 33 SGB V zu prüfen. Zwar habe die Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 16.03.2016 den Antrag des Klägers an das Sozialamt der Beigeladenen zu 2. weitergeleitet, in welcher Rechtsbeziehung diese jedoch zum Beklagten stehe, könne die Beigeladene zu 1. nicht beurteilen. Gehörten zwei Verwaltungsstellen demselben Rechtsträger an, so sei § 14 SGB IX im Verhältnis dieser Stellen zueinander nicht anwendbar. Anders als der Beklagte meine, sei in dem Weiterleitungsschreiben auch keine eigenständige Regelung über einen Anspruch nach dem SGB V zu entnehmen. Materiell-rechtlich sei es so, dass das Therapiedreirad nicht zum Ausgleich einer Behinderung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich sei. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei allein die medizinische Rehabilitation, mithin die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs. Fahrradfahren gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, auch wenn diese Fortbewegungsform in der Bevölkerung weit verbreitet sei. Der Kläger sei durch die Beigeladene zu 1. bereits mit einem Aktivrollstuhl versorgt worden; eine Versorgung mit einem neuen, breiteren Rollstuhl stehe kurz bevor.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthaft eingelegte unselbständige Anschlussberufung (§§ 143, 151 Abs. 1, 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. m. § 524 Zivilprozeßordnung [ZPO]) des Klägers erweist sich als begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2016 Anspruch auf die Übernahme der Kosten des Therapiedreirads "Easy Rider II" in Höhe von 8.519,75 EUR nach dem Kostenvoranschlag des RRC Reha Rad Centrums Y ... vom 10.03.2016.

Die Gesetzeslage hat sich in Bezug auf die hier streitgegenständliche Leistung im Zeitraum von März 2016 (ursprünglicher Leistungsantrag) bis zum Tag der mündlichen Verhandlung am 15.09.2020 durch das Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes mehrfach geändert, so dass die Grundsätze des intertemporalen Rechts gelten. Werden danach materielle Anspruchsvoraussetzungen eines sozialrechtlichen Leistungsgesetzes geändert, gilt grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw. Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, das Gesetz erstreckt seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse. Dementsprechend geht das Bundessozialgerichts (BSG) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat. Das Versicherungsfall- bzw. Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt. Dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen. Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw. auszulegen ist (BSG, Urteil vom 05.03.2014 – B 12 R 1/12 R – juris Rn. 21 m. w. N.; Blüggel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 43a SGB XII Rn. 9). Da hier bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine Versorgung des Klägers mit dem von ihm begehrten Therapiedreirad noch nicht erfolgt ist und die Leistung aktuell noch begehrt wird, sind die Rechtsgrundlagen nach dem neuen Recht anzuwenden. Denn bei der materiell-rechtlichen Beurteilung der vom Kläger erhobenen, auf Anfechtung der Leistungsablehnung in Verbindung mit einem konkreten Leistungsbegehren gerichteten Klage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgebend (vgl. st. Rspr.; z. B. BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 4/16 R – juris Rn. 54; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 34). Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 56 SGG).

Streitgegenständlich ist mit dem vom Kläger begehrten Therapiedreirad "Easy Rider II" vorliegend ein Hilfsmittel als Leistung der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen der Sozialen Teilhabe nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Dies steht für den Senat angesichts der offenkundigen Zielrichtung der Leistung, die Teilhabe des Leistungsberechtigten am Leben in der Gemeinschaft zu fördern, fest und ist vorbehaltlich der genauen rechtlichen Einordnung dieser Leistung der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit den streitigen Zuständigkeitsfragen auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Für die Zeit ab dem 01.01.2020 regelt § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, dass für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig der Träger der Eingliederungshilfe ist, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Absatz 1 hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte (§ 98 SGB IX in der Fassung vom 10.12.2019). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt demgemäß dem Umstand, dass sich der leistungsberechtigte Kläger in seinem Kreisgebiet tatsächlich aufhält und auch bei Stellung des Antrags am 16.03.2016 bereits im Bereich des Beklagten gewohnt hat.

Sachlich zuständiger Träger der Eingliederungshilfe ist ebenfalls der Beklagte, § 94 Abs. 1 SGB IX i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (SächsAGSGB; vom 06.06.2002, SächsGVBl. S. 168, 169; zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28.06.2018, SächsGVBl. S. 472). Dass der Antrag des Klägers vom 11.03.2016 hier – vermittelt über die Weiterleitung (siehe dazu sogleich) – beim Beklagten seinerzeit in dessen Funktion als Sozialhilfe- und Rehabilitationsträger eingegangen und dieser insoweit für die begehrte Leistung nicht mehr zuständig ist, ist für den Senat wegen der über § 10 Abs.1 Satz 1 SächsAGSGB vermittelten Funktionsnachfolge unerheblich. Der Träger der Eingliederungshilfe ist insoweit der Funktionsnachfolger des Sozialhilfeträgers und tritt in das noch laufende, nicht abgeschlossene Verfahren ein. Eine Lösung dieser Frage im Sinne der Ablehnung einer Funktionsnachfolge ("neue Leistung – neuer Träger"; nachträgliche Unzulässigkeit der Klage) würde im Ergebnis zur Verweigerung des Rechtsschutzes gegenüber einem Leistungsberechtigten führen, der sich gegen eine ablehnende Entscheidung einer Behörde zur Wehr setzt, sich im Laufe des (Gerichts-)Verfahrens aber einem neuen eingliederungsrechtlichen Rechtsregime ausgesetzt sieht.

Anders als der Beklagte meint, ist insbesondere die Beigeladene zu 2. wegen der Weiterleitung des streitgegenständlichen, ursprünglich beim Beigeladenen zu 1. gestellten Antrags des Klägers vom 11.03.2016 nicht sachlich zuständig geworden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Leistungen zur medizinischen und "sonstigen" Rehabilitation im vorliegenden streitigen Sinne beruhen auf dem Rehabilitations- und Teilhaberecht, das in §§ 14 und 15 SGB IX (in der – in Bezug auf die Antragstellung im März 2016 – hier anwendbaren, seit dem 01.07.2001 geltenden Fassung vom 19.06.2001, BGBl. I 1046, gültig bis 31.12.2017, sowie – auch – in §§ 14 bis 24 SGB IX i. d. F ... von Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [Bundesteilhabegesetz – BTHG] vom 23.12.2016, BGBl. I 3234, m. W. v. 01.01.2018 [im Folgenden BTHG]) ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen bereithält. Der Antrag des Leistungsberechtigten darf grundsätzlich nur einmal weitergeleitet werden (BSG, Urteil vom 25.06.2008 – B 11b AS 19/07 R – juris Rn. 14). Ein drittangegangener Reha-Träger kann auch dann nicht zuständig werden, wenn die wiederholte Weiterleitung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfolgt und der drittangegangene Reha-Träger die Leistung erbringt (BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 27/15 R, SGb 2017, 281). Ist der zweitangegangene Rehabilitationsträger nach seinem Leistungsrecht seinerseits insgesamt unzuständig, kann er den Antrag gemäß § 14 Abs. 3 SGB IX ausnahmsweise im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung materiell-rechtlich verpflichteten Träger an diesen weiterleiten. Nach der seit dem 01.01.2018 geltenden Rechtslage ist dem zweitangegangenen Träger damit die bislang rechtlich verwehrte Möglichkeit einer zweiten Weiterleitung eröffnet, die sowohl die nochmalige Befassung des erstangegangenen Trägers als auch eine Anrufung eines dritten Trägers einschließt. Dagegen sah § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX (in der hier einschlägigen bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004, BGBl. I 606) für eine entsprechende Situation zwar eine unverzügliche Abstimmung des zweitangegangenen Trägers mit dem materiell-rechtlich zuständigen Rehabilitationsträger hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung innerhalb der Fristen von § 14 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 SGB IX a. F. vor, gestattete dem zweitangegangenen Träger indessen keine zweite Weiterleitung (vgl. Ulrich, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., Stand: 15.01.2018, § 14 SGB IX Rn. 81). Bei der vorliegenden Konstellation ist nach Ansicht des Senats mit der Entgegennahme des Antrags des Klägers durch den Beigeladenen zu 2. mit einer Empfangsbotensituation und damit zumindest von einer konkludenten unverzüglichen Abstimmung zwischen der Beigeladenen zu 2. und dem Beklagten und im Ergebnis von einer der alten Rechtslage des § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX entsprechenden Zuständigkeit des Beklagten auszugehen. Im Übrigen ist die Beigeladene zu 2. auch kein Normadressat des § 14 SGB IX a. F., da sie aufgrund Gesetzes kein Rehabilitationsträger im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB IX war und ist. Denn die Beigeladene zu 2. war und ist trotz eigenem Sozialamt für die vom Kläger begehrte Leistung nicht zuständig, was sich eindeutig aus § 10 Abs. 1 SächsAGSGB ergibt, wonach Träger der Eingliederungshilfe die Landkreise, die Kreisfreien Städte und der Kommunale Sozialverband Sachsen sind und die Leistungen der Eingliederungshilfe von den Landkreisen und den Kreisfreien Städten erbracht werden, soweit nicht der Kommunale Sozialverband Sachsen zuständig ist.

Der Anspruch des Klägers auf das Therapiedreirad "Easy Rider II" als Hilfsmittel und dessen Kostenübernahme durch den Beklagten ergibt sich aus den Vorschriften der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen der Sozialen Teilhabe nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 SGB IX. Für den Bereich der von den Leistungen der Eingliederungshilfe umfassten Leistungen der Sozialen Teilhabe (§ 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) bestimmt § 113 Abs. 1 SGB IX, dass Leistungen zur Sozialen Teilhabe erbracht werden, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach Kapitel 7. Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX auch Hilfsmittel, wobei gemäß §§ 113 Abs. 3 SGB IX, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX solche Hilfsmittel erforderlich sein müssen, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Leistungen zur Eingliederung in die Gesellschaft nach § 113 Abs. 1 und 2 Nr. 8 SGB IX haben – vergleichbar zur alten Rechtslage nach §§ 53 Abs. 4, 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 7 SGB IX a. F. – die Aufgabe, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bzw. – seit dem 01.01.2020 – an der Sozialen Teilhabe zu ermöglichen. Solche Hilfsmittel bezwecken die gesamte Alltagsbewältigung; sie ermöglichen dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben (vgl. zu § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 7 und § 58 SGB IX a. F.: BSG, Urteil vom 19.05.2009 – B 8 SO 32/07 R, BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5, juris Rn. 17). Für den Anspruch auf Leistungen der Sozialen Teilhabe ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit dem BTHG vom 23.12.2016 den Behinderungsbegriff in § 2 SGB IX ausdrücklich entsprechend dem Verständnis der UN-BRK neu gefasst und dabei dem Wechselwirkungsansatz noch mehr Gewicht beigemessen hat als nach dem bis dahin geltenden Recht. Danach kommt es nicht allein auf die wirklichen oder vermeintlichen gesundheitlichen Defizite an. Im Vordergrund stehen vielmehr das Ziel der Teilhabe (Partizipation) an den verschiedenen Lebensbereichen (zur alten Rechtslage vgl. bereits Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum SGB IX, BT-Drucks. 14/5074 S. 94 unter II.1.; zum BTHG vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9522 S. 192 unter II.1 S. 227 zu § 2) sowie die Stärkung der Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung unter Berücksichtigung des Sozialraums (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9522 S. 3 unter A., S. 191 unter 1.5.) und der individuellen Bedarfe zum Wohnen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9522 S. 4 drittletzter Absatz). Für den Anspruch auf Leistungen der Sozialen Teilhabe ist ferner zu berücksichtigen, dass es nach § 90 Abs. 5 SGB IX besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist, dem behinderten Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können (§ 90 Abs. 1 SGB IX).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderungen zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen der Sozialen Teilhabe nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und 2 SGB IX gehört. Nach § 99 SGB IX erhalten Personen Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 Absatz 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31.12.2019 geltenden Fassung, womit eine Behinderung der maßgebliche Ansatz für den anspruchsberechtigten Personenkreis ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX a. F. (i. d. F. bis 31.12.2017) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Seit dem 01.01.2018 erfasst § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (i. d. F. des BTHG) als Menschen mit Behinderungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX i. d. F. des BTHG). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB IX i. d. F. des BTHG). Der Kläger erlitt im Jahr 2011 auf Grund einer Bluthochdruckerkrankung eine Stammhirnblutung und einen Herzinfarkt, wegen derer gesundheitlichen Folgen er an einer teilweisen Halbseitenlähmung des linken Armes und des linken Beines leidet und insbesondere in seiner Sensomotorik stark eingeschränkt ist. Er erfüllt damit den Status der Schwerbehinderteneigenschaft des § 2 Abs. 1 SGB IX in allen Rechtsfassungen.

Leistungen nach dem Kapitel 3, hier insbesondere solche zur medizinischen Rehabilitation nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenkasse (§ 109 Abs. 1 und 2 SGB IX) kommen für den Kläger nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht vorrangig in Betracht. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden Leistungen zur Sozialen Teilhabe im Sinne dieser Vorschrift nur erbracht, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 des Zweiten Teils des SGB IX erbracht werden. Die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln im Sinne der medizinischen Rehabilitation und der sozialen Rehabilitation hier im Sinne der Eingliederungshilfe richtet sich entscheidend nach den Zwecken und Zielen, denen das Hilfsmittel dienen soll. Die Zwecke können sich überschneiden, sie können aber auch unterschiedlicher Art sein, denn die Zwecksetzung der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit der Zwecksetzung der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist nicht identisch (vgl. zur alten Rechtslage BSG, BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5, Rn. 17; BSG, SozR 4-3500 § 54 Nr. 6 Rn. 21). Die grundsätzliche Zuordnung eines Hilfsmittels zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der GKV bedeutet daher nicht, dass es unter einer anderen Zielsetzung für eine mögliche Leistungserbringung nicht auch infrage kommt. Die medizinische Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen richtet sich nach § 42 SGB IX. Es werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um 1. Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu verhüten oder laufende Sozialleistungen zu mindern. Zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation ist nach §§ 109 Abs. 1, § 42 Absatz 2 Nr. 6 SGB IX grundsätzlich auch das – hier im Streit stehende – Hilfsmittel zu zählen, woben die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (§ 109 Abs. 2 SGB IX). Die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad entsprechend einer Rehabilitationsleistung der gesetzlichen Krankenversicherung wäre demnach für den Fall einer originäre Leistung der GKV grundsätzlich nach § 109 Abs. 2 SGB IX i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der ab 11.05.2019 geltenden Fassung vom 06.05.2019) zu beurteilen. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (Var. 1), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Var. 2) oder eine Behinderung auszugleichen (Var. 2), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach dem SGB V können nach ständiger Rechtsprechung auch die Versorgung mit sächlichen Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V gehören (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 19, juris Rn. 21 m. w. N.). Hilfsmittel können nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V – wie erwähnt – drei unterschiedlichen Zielrichtungen dienen: der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" (Var. 1), dem "Vorbeugen vor Behinderung" (Var. 2) oder dem "Behinderungsausgleich" (Var. 3). Das BSG hat in seiner Rechtsprechung bereits ausgeführt, dass es sich bei der Versorgung mit einem sächlichen Hilfsmittel nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handelt, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" dient (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 30/15 R – juris Rn. 35 ff.). Hilfsmittel dienen dann der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung", wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, d.h. zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der GKV nach dem SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Begriff der Krankheit ist im SGB V nicht näher definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder den Versicherten arbeitsunfähig macht (vgl. nur BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 12/17 R – juris Rn. 27). Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Zeit dahingehend präzisiert, dass nicht schon jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zukommt. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Versicherte dadurch in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die Abweichung vom Regelzustand entstellende Wirkung hat (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 30/15 R – juris Rn. 22; vgl. auch Hauck, NJW 2016, 2695, 2696 f.). Ausgehend von diesen rechtlichen Maßgaben kann der Kläger jedenfalls den Anspruch auf Versorgung mit dem Therapiedreirad "Easy Rider 2" nicht aus dem Grund "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V herleiten. Zwar können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V sein (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 07.10.2010 – B 3 KR 5/10 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 32, juris Rn. 21 ff.). Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen ärztlich verantworteter Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2007 – B 3 KR 9/06 RSozR 4-2500 § 33 Nr. 15 = juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 16.09.2004 – B 3 KR 19/03 RSozR 4-2500 § 33 Nr. 7 = juris Rn. 11). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verordneten Krankenbehandlung" anzusehen. Einen fehlenden engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen gesundheitsförderliche Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände u. a. der §§ 20 ff. SGB V sowie des § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX a. F. (bzw. § 64 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB IX i. d. F. des BTHG), mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung als Kernaufgabe hinaus (BSG, Urteil vom 09.12.1997 – 1 RK 23/95BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 9 S. 29) auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist. Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung entweder wesentlich fördert oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (vgl. § 33 SGB I und § 8 Abs. 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2011 – B 3 KR 10/10 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 35 = juris Rn. 11). Vorliegend kommt im Fall des Klägers aber keine Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung mehr in Betracht. Zum einen existiert vorliegend kein ärztlich angeleitetes Therapiekonzept – jedenfalls geht aus den vom SG beigezogenen Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers kein solcher ärztlicher Therapieplan hervor – und zum anderen hat Dr. Q ..., Facharzt für Chirurgie, Betriebsmedizin, Verkehrsmedizinischer Sachverständiger in der Begutachtungsstelle für Fahreignung des DEKRA e.V. Dresden, in seinem vom SG beauftragten medizinische Sachverständigengutachten vom 21.06.2018 unter Angabe der Diagnosen "Zustand nach Schlaganfall mit teilweiser Halbseitenlähmung des linken Armes und des linken Beines, intermittierend auftretende Sehstörungen und Störungen des Gleichgewichtssinnes im Stehen" festgestellt, dass bei dem gesundheitlichen Zustand des Klägers von einem gesundheitlichen Endzustand auszugehen ist. Eine wesentliche Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination im Bereich der linken oberen und linken unteren Extremität sei knapp sieben Jahre nach dem Schlaganfallereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Eine Verschlechterung des Bewegungsumfangs und der Koordination könne aber eintreten, was der Fall wäre, wenn die derzeit intensiven therapeutischen Maßnahmen sowie die in Eigeninitiative durchgeführten Trainingsmaßnahmen nicht mehr fortgesetzt würden, wie dies derzeit intensiv betrieben werde. In dem Gutachten wird daher auch zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass eine wesentliche Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination im Bereich der linken oberen und linken unteren Extremität durch die Nutzung eines Therapiedreirades nach nunmehr über neun Jahren nach dem Schlaganfallereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Die Variante der Sicherung der Krankenbehandlung scheidet damit aus. Die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad hat hier keinen solch engen Bezug zur Krankenbehandlung mehr, wie ihn das BSG in den oben erwähnten Entscheidungen fordert. Zur Überzeugung des Senats ist das vom Kläger begehrte Therapiedreirad auch nicht zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation erforderlich (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V). Im Bereich des von der GKV zu erfüllenden Behinderungsausgleichs bemisst sich die originäre Leistungszuständigkeit der GKV nach dem Zweck des Hilfsmittels, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des Gehens und Stehens, der Erschließung des Nahbereichs und einem möglichst selbstbestimmten Leben und selbstständigen Leben befriedigt (vgl. allgemein zu den Grundbedürfnissen z. B. BSG, Urteil vom 29.04.2010 – B 3 KR 5/09 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 30 = juris Rn. 12; BSG, BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 42 = juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 14/14 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 48 = juris Rn. 18, jeweils m. w. N.). Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, Quantität und Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es aber sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (vgl. z. B. BSG, SozR 3-2500 § 33 Nr. 44, S. 248 ff.). Ohne Wertungsunterschiede besteht in beiden Bereichen Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 16.04.1998 – B 3 KR 6/97 RSozR 3-2500 § 33 Nr. 26, S. 152; BSG, Urteil vom 06.06.2002 – B 3 KR 68/01 RSozR 3-2500 § 33 Nr. 44, S. 149; BSG, Urteil vom 18.06.2014 – B 3 KR 8/13 RBSGE 116, 120, 123 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 42, Rn. 16 ff.; BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 44 Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 14/14 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 48 Rn. 18, jeweils m. w. N.). Speziellen Wünschen im Hinblick auf Komfort oder Ästhetik ist nur nachzukommen, wenn der Versicherte die Mehrkosten trägt (§ 33 Abs. 1 Satz 6 SGB V i. d. F. von Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Buchst. aa Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung, Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG, vom 04.04.2017, BGBl. I 778, m. W. v. 11.04.2017 i. V. m. § 47 Abs. 3 SGB IX i. d. F. des BTHG). Als ein solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf Bewegungsmöglichkeiten die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung von Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der GKV insoweit zu gewährleistenden Behinderungsausgleich ist der Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 06.08.1998 – B 3 KR 3/97 RSozR 3-2500 § 33 Nr. 29, S. 175, BSG, Urteil vom 16.09.1999 – B 3 9/98 R – SozR 3-2500 § 33 Nr. 32, S. 192; zuletzt BSG, Urteil vom 30.11.2017 – B 3 KR 3/16 R – juris Rn. 19 ff.). Ausnahmen hiervon sind in Einzelfällen beim Vorliegen eines zusätzlichen qualitativen Moments, etwa für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich bei Kindern und Jugendlichen angenommen worden, wenn diese zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich waren (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2011 – B 3 KR 10/10 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 35 Rn. 16 m. w. N.). Für die Grundbedürfnisse des Gehens und der Erschließung des Nahbereichs ist das vom Kläger begehrte Therapiedreirad nach Ansicht des Senats weniger geeignet. Zum einen kommt der Kläger mit einem solchen Hilfsmittel aufgrund von dessen Größe nicht in Einkaufsläden und Supermärkte hinein und zum anderen ist er mit seinem Aktivrollstuhl in der unmittelbaren Umgebung seiner Wohnung gut und ausreichend mobilisiert. Der vom Kläger genutzte Aktivrollstuhl in Verbindung mit seiner körperlichen Konstitution ermöglicht es ihm, ausreichend den Nahbereich seiner Wohnung zu erschließen. Hierbei ist er nicht ständig auf fremde Hilfe, etwa durch seine Freundin, angewiesen, die ihn vor allem bei Wegstrecken, die nicht mehr mit dem Rollstuhl erreichbar sind, mit dem Kraftfahrzeug fahren muss. In dem vom SG beauftragten medizinische Sachverständigengutachten von Dr. Q ... vom 21.06.2018 hat der Sachverständige bestätigt, dass der Kläger sehr gut mit seinem Rollstuhl bei äußerst sicherer Handhabung und geschicktem Manövrieren auch um enge Kurven und beim Passieren enger Türen umgehen kann. Damit besteht vorliegend insgesamt kein Vorrang der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenkasse (§ 109 Abs. 1 und 2 SGB IX) nach dem Kapitel 3 des Zweiten Teils des SGB IX.

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Hilfsmittels als Soziale Teilhabeleistung zur Eingliederung in die Gesellschaft nach § 113 Abs. 1 und 2 Nr. 8 SGB IX i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, die Erforderlichkeit, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen, liegen im Fall des Klägers mit dem begehrten Therapiedreirad "Easy Rider II" vor. Der vom SG gehörte medizinische Sachverständige von Dr. Q ... hat in seinem Gutachten vom 21.06.2018 unter Angaben der Diagnosen "Zustand nach Schlaganfall mit teilweiser Halbseitenlähmung des linken Armes und des linken Beines, intermittierend auftretende Sehstörungen und Störungen des Gleichgewichtssinnes im Stehen" angegeben, dass die Fahreignung des Klägers für ein Therapiedreirad trotz der Einschränkungen der motorischen Funktion des linken Armes und des linken Beines sowie der Sehfunktion des Klägers vorhanden ist. Eine Unterstützung durch einen Elektroantrieb ist erforderlich, um die angestrebten Ziele der Grundgesunderhaltung, der Teilhabe am Leben sowie einer ausreichenden Mobilität zu erreichen. Aufgrund der Kraftminderung des linken Armes und des linken Beins, der Bewegungsstörungen sowie der Störung der Koordination ist dies bei einem Therapiedreirad ohne Elektrounterstützung nicht ausreichend gegeben. Das vom Kläger begehrte Elektrorad ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auch für ihn geeignet. Das Therapiedreirad erfüllt wesentliche zusätzliche Kriterien, die mit der Anwendung des vom Kläger genutzten MOTOMED oder dem Aktivrollstuhl nicht im gleichen Maße erreicht werden können. Das Therapiedreirad kann daher einen erheblichen Beitrag zur Mobilität und damit zur Teilhabe am Leben und Aktivität des täglichen Lebens leisten. Durch die Bewegung im Freien wird die Lebensfreude gestärkt, was sich positiv auf die Psyche auswirkt. Es erhöht die Motivation sich zu bewegen, was wiederum Voraussetzung für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen darstellt und im konkreten Fall der Verhinderung weiterer kardiovaskulärer Ereignisse dient. Weiterhin führt die regelmäßige Bewegung zu einer dringend erforderlichen Gewichtsreduktion, was wiederum insgesamt die Beweglichkeit und Koordination sowie die Verrichtung von Aktivitäten des täglichen Lebens (Bewegungen vom Bett zum Rollstuhl, Ankleiden, Auskleiden, Körperpflege usw.) fördert. Auf Grund der Untersuchungsergebnisse im Rahmen der Untersuchung vom 22.05.2018 kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger grundsätzlich in der Lage ist, sich selbständig vom Rollstuhl auf das Therapiedreirad und wieder herunter zu bewegen. Schlussendlich hat der Sachverständige angegeben, dass der Kläger mit seinem Hausarzt zwar die Nutzung eines Elektrorollstuhls besprochen hat, hiermit aber kein gleichwertiges Ergebnis erreicht werden könne. Hier bestünde die Gefahr, dass er noch träger werde und sich noch weniger bewege. Zu diesen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen kommen die Feststellungen des Senats hinzu, die dieser in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 gewinnen konnte. Der Kläger hat hierbei angegeben, dass es ihm mit dem Therapiedreirad vor allem auch darum gehe, eigenständig und ohne fremde Hilfe größere Strecken als nur den Nahbereich seiner Wohnung bewältigen zu können und sich an der frischen Luft zu bewegen. Er möchte insoweit unabhängiger von seiner Lebensgefährtin werden, was auch für diese eine willkommen Entlastung bedeuten würde. Er beabsichtigt, mit dem Therapiedreirad seine Freunde u. a. auf einem ca. 10 Kilometer entfernten Campingplatz an einem Baggersee zu besuchen und ggf. auch die ca. 20 Kilometer entfernte Werkstatt für behinderte Menschen zu erreichen, bei der er einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Schließlich gehe es ihm um eine sportliche Betätigung mit dem Rad, wobei nicht nur die Frage der Gewichtsreduzierung, sondern auch sein seelisches Wohlbefinden mit einem Schutz vor Vereinsamung im Vordergrund steht. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger mit dem Therapiedreirad in der Lage wäre, trotz der beschriebenen gravierenden Funktionseinschränkungen deutlich intensiver am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Es ermöglicht ihm eine insoweit gesteigerte individuelle Lebensführung, die der Würde des Menschen entspricht, und fördert eine wirksame Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, in dem er in den von ihm gewünschten Bereichen seine Lebensplanung und -führung selbstbestimmter und eigenverantwortlicher wahrnehmen kann. Die Versorgung mit einem Therapiedreirad ist bei Erwachsenen auch kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010 – B 3 KR 13/09 R – SozR 4-2500 § 33 Nr. 31 = juris Rn. 25 m. w. N.). Sowohl sein Rollator als auch sein Aktivrollstuhl sind bei der Zurücklegung von gesundheitserhaltenden Wegen, Versorgungswegen und elementaren Freizeitwegen allein nicht ausreichend (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.10.2012 – L 9 KR 392/10 – juris Rn. 31 ff.). Im Übrigen ist dem Anliegen des Klägers nach der gesetzlichen Neuausrichtung des Bundesteilhaberechts insbesondere mit dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB IX) Rechnung zu tragen. Der Beklagte darf den Kläger jedenfalls nicht bloß pauschal auf einen Rollstuhl verweisen, um die oben skizzierten Bedürfnisse des Klägers zu befriedigen. Er hätte vielmehr individuell prüfen müssen, wie die Behinderung des Klägers seinem Wunsch entsprechend und in einer dem Teilhaberecht des SGB IX angemessenen Weise ausgeglichen wird (§ 8 SGB IX; vgl. schon BSG, Urteil vom 03.11.1999 – B 3 KR 16/99 RSozR 3-1200 § 33 Nr. 1 S. 4 zum Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Shoprider). Dabei hätte der Beklagten die individuellen Bedürfnisse des Klägers im Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben (vgl. zu § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 7 und § 58 SGB IX a. F.: BSG, Urteil vom 19.05.2009 – B 8 SO 32/07 RSozR 4-3500 § 54 Nr. 5 = juris Rn. 17) und das Ziel der Teilhabe (Partizipation) an den verschiedenen Lebensbereichen berücksichtigen müssen.

Für den Senat blieb schlussendlich noch zu prüfen, ob der Kläger gemäß § 92 SGB IX zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach Maßgabe des Kapitels 9 des Zweiten Teils des SGB IX einen Beitrag aufzubringen hat. Einer entsprechenden Leistungsgewährung stehen vorliegend aber die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§§ 136, 140 IX) des Klägers nicht entgegen, weil er aktuell im Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht. Nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX ist daher ein Beitrag nicht aufzubringen. Der Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB XII monatlich in Höhe von insgesamt 1.004,90 EUR und ein Einkommen aus einer Beschäftigung bei der X ... Werkstätten gGmbH mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 136 EUR. Verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden.

Damit hat die unselbständige Anschlussberufung des Klägers Erfolg, während die Berufung des Beklagten zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen entspricht nicht der Billigkeit, da diese im Berufungsverfahren Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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