L 3 AS 673/20 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 2529/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 673/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Person, für die ein besonderer Vertreter bestellt worden ist, kann selbst gegen den Bestellungsbeschluss Beschwerde einlegen.
2. Es gibt keine Pflicht eines Gerichtes, einen vom bürgerlichen Namen abweichenden Künstlernamen eines Beteiligten zu verwenden.
3. Die Bestellung eines besonderen Vertreters kommt erst in Betracht, wenn alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft sind.
4. Wenn das Sozialgericht die grundsätzlich erforderliche Beweisaufnahme unterlassen hat, kann dies im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem der Kammervorsitzende für ihn für das Klageverfahren bis zum Eintritt eines vom Amtsgericht bestellten Betreuers eine besondere Vertreterin bestellt hat.

Der Kläger hat am 15. August 2017 Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2017 erhoben. Mit diesem Bescheid hatte der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 1. Oktober 2015 aufgehoben, weil der Kläger seit Juni 2015 nicht mehr postalisch erreichbar gewesen sei.

Seit dem 15. April 2019 sind die Schreiben des Klägers mit einem Datumsstempel versehen, der unter anderem folgenden Text beinhaltet: "IHRE Akte IST RECHTSWIDRIG MANIPULIERT, UMGEFÄLSCHT, VERFÄLSCHT UND GEFÄLSCHT !!!".

Der Kammervorsitzende ist unter anderem auf Grund des Inhalts der Schreiben des Klägers zu der Einschätzung gelangt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der nicht unter Betreuung stehende Kläger nicht prozessfähig sei. Recherchen haben ergeben, dass das Amtsgericht A ... – Betreuungsgericht – mit Beschluss vom 3. Oktober 2019 (Az ...) das Betreuungsverfahren eingestellt hat, weil der Betroffene keine Betreuung wünsche und jegliche Mitwirkung verweigere.

Der Kammervorsitzende hat mit Beweisanordnung vom 25. November 2019 ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage auf psychiatrischem Gebiet zur Klärung der Frage, ob der Kläger prozessunfähig oder partiell prozessunfähig ist, in Auftrag gegeben.

In seinem Gutachten vom 28. Februar 2020 ist Prof. Dr. Dipl.-Psych. Y ... (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie/Forensische Psychiatrie) zur Einschätzung gelangt, dass beim Kläger eine Schizophrenie (ICD-10 F20), hier als spezifische Form vor allem eine Paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0), anzunehmen sei. Auch eine Schizotype Störung (ICD-10 F21) sei zumindest erwägenswert. Im vorliegenden Zusammenhang sei entscheidend, dass es sich jedenfalls um ein Chronisches paranoides Syndrom handle. Die Beweisfrage hat der Gutachter dahingehend beantwortet, dass der Kläger nicht prozessfähig sei, und dass eine partielle Prozessunfähigkeit nicht vorliege.

Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 5. März 2020 den Beteiligten das Gutachten übermittelt sowie sie zur beabsichtigten Bestellung einer besonderen Vertreterin und zu der in Betracht gezogenen Person angehört.

Mit Schreiben vom 20. März 2020 hat sich der Kläger gegen die beabsichtigte Entscheidung des Sozialgerichtes ausgesprochen. Ferner hat er mit Schreiben vom 23. März 2020 zum wiederholten Male ein Ablehnungsgesuch gegen den Kammervorsitzenden angebracht.

Der Kammervorsitzende hat mit Beschluss vom 25. Juni 2020, in dem im Rubrum neben dem Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens auch fünf weitere Aktenzeichen aufgeführt sind, das Ablehnungsgesuch verworfen (Ziffer I des Beschlusstenors) sowie für den Kläger für das Klageverfahren bis zum Eintritt eines vom Amtsgericht bestellten Betreuers als eine besondere Vertreterin X ... vom W ... e. V. bestellt (Ziffer II des Beschlusstenors). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er über das gegen ihn gerichtete und mehrfach wiederholte Befangenheitsgesuch des Klägers ausnahmsweise selbst entscheiden könne, weil es offensichtlich unzulässig sei. Die Bestellung eines besonderen Vertreters erfolge, weil der Kläger prozessunfähig sei. Nach dem eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten, das wegen der konsequenten Mitwirkungsverweigerung des Klägers in allen seinen Verfahren seit den Eilverfahren Az. S 17 AS 2399/18 ER und S 17 AS 2656/18 ER nur nach Aktenlage erstellt worden sei, sei der Kläger (vollständig) prozessunfähig. Ein Betreuer, Vormund oder Pfleger für den Kläger sei durch das Amtsgericht nicht bestellt. Schließlich hat der Kammervorsitzende dargelegt, weshalb X ... als besondere Vertreterin ausgewählt worden sei, und weshalb die Bestellung eines Rechtsanwaltes vorliegend nicht in Betracht komme. Einer der Ausnahmefälle, in denen kein besonderer Vertreter zu bestellen sei, insbesondere wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar oder die Klage offensichtlich unbegründet sei, liege nicht vor. Der Beschluss ist vom Kammervorsitzenden unterschrieben und mit dem von der Geschäftsstellenmitarbeiterin unterschreiben Anschreiben vom 13. Juli 2020 an den Kläger mit Zustellungsurkunde übersandt worden.

Der Kläger hat am 14. August 2020, adressiert an "werte Nazis und Ober-Nazis im SGL und im SLSG Chemnitz" Beschwerde eingelegt gegen den "mehrmalig und vielfach mit groben Formfehlern behaftetet rechtswidrig totalitär-diktatorischen Nazi- Beschluss vom 25. Juni 2010 ". Der Beschluss sei ohne Beglaubigung versendet worden. Der Beglaubigungsvermerk sei in "unterschriftsfälschender und urkundenfälschender Nazi-Verfahrens-betrugsart" erstellt worden. Einen entsprechenden Vorwurf erhebt der Kläger in Bezug auf das Schreiben vom 13. Juli 2020. Ferner rügt er, dass sich der "totalitär-diktatorische Ober-Nazi und Terrorist" [gemeint ist der Kammervorsitzende] rechtswidrig und diskriminierend geweigert habe, ihn mit seinem Künstlerinnamen V ..., seinem Künstlernamen U ... und seinem vollständigen bürgerlichen Namen T ... "in seinem rechtswidrigen und diskriminierenden "totalitär-diktatorischen und judenfeindlichen Nazi-Beschluss vom 25. Juni 2010 " anzureden. Damit sei der Beschluss nicht für ihn, den Kläger, bestimmt. Der Kammervorsitzende habe auch nationalsozialistische Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verwandt, und habe schwarz maskiert am 12. Oktober 2019 nachts um 00:30 Uhr bis 00:36 Uhr versucht, ihn, den Kläger, auf der S ...-Brücke zu ermorden. Diesbezüglich habe er Strafanzeigen erstattet. Schließlich teilt der Kläger mit, dass er seine zeitweise Genehmigung gegenüber dem Beklagten, gefälschte und manipulierte ärztliche Gutachten benutzen zu dürfen, 2019 widerrufen habe.

Der Beklagte trägt vor, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung des Ablehnungsgesuches bereits unzulässig sei. Die Beschwerde gegen die Bestellung einer besonderen Vertreterin sei unbegründet.

Der Kläger ist mit richterlichem Schreiben vom 6. Oktober 2020 gebeten worden, den beigefügten Anamnesebogen für die Zeit seit 1. Januar 2015 gut lesbar auszufüllen und zu unterschreiben sowie die Entbindungserklärung betreffend die sozialrechtliche Geheimhaltungspflicht und die ärztliche Schweigepflicht zu unterschreiben und beides an das Gericht zurückzusenden. Ferner ist er gebeten worden mitzuteilen, ob er im Rahmen einer etwaigen weiteren Begutachtung bereit sei, sich dem Gutachter persönlich vorzustellen. Ihm ist eine Frist bis zum 26. Oktober 2020 gesetzt worden. Das Schreiben ist ihm ausweislich der Zustellungsurkunde am 7. Oktober 2020 zugestellt worden. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt. Das Amtsgericht A ... – Betreuungsgericht – hat den Beschluss vom 1. Oktober 2020 (Az ...) übersandt, wonach das Betreuungsverfahren eingestellt worden ist, weil der Kläger jede Mitwirkung verweigert habe.

Der Kläger hat am 13. Oktober 2020 ein Schreiben in den Nachtbriefkasten des Sozialgerichtes eingeworfen, in dem die sechs im Beschluss vom 25. Juni 2020 angegebenen Aktenzeichen des Sozialgerichtes aufgeführt sind. Er hat sich auf den "Rechtsstreit DU JUDENSAU!" bezogen und mehrere Strafanzeigen beigefügt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

II.

1. Die nicht beschränkte Beschwerde gegen den Beschluss vom 25. Juni 2020 ist unzulässig, soweit sie gegen die Entscheidung unter Ziffer I des Beschlusstenors, mit dem das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen worden ist, gerichtet ist. Die Unzulässigkeit dieses Teils der Beschwerde ergibt sich aus § 172 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach können unter anderem Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

2. Die Beschwerde gegen die Bestellung einer besonderen Vertreterin unter Ziffer II des Beschlusstenors ist zwar zulässig (a), jedoch nicht begründet (b).

a) Rechtsgrundlage für die Bestellung eines besonderen Vertreters ist § 72 Abs. 1 SGG. Danach kann der Vorsitzende für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetz-lichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Obwohl somit dem besonderen Vertreter alle Rechte außer dem Empfang von Zahlungen zustehen, kann der Vertretene selbst Beschwerde einlegen (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], § 72 Rdnr. 4a, m. w. N.). Denn der Vertretene, hier der Kläger, gilt, soweit er mit diesem Rechtsmittel seine Prozessfähigkeit geltend macht, als prozessfähig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 – 9/9a RVg 5/92SozR 3-1500 § 71 Nr. 1 = NJW 1994, 215 f. = juris, Rdnr. 12).

Die Beschwerde ist auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden.

b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Insbesondere tragen die vom Kläger vorgetragenen formellen Einwände nicht. Soweit das Sozialgericht davon abgesehen hat, den Versuch zu unternehmen, ein Gutachten auf der Grundlage einer persönlichen Vorstellung des Klägers beim Gutachter erstellen zu lassen, hat dieser Mangel im Beschwerdeverfahren geheilt werden können. In der Sache ist die Entscheidung des Sozialgerichtes nicht zu beanstanden.

(1) Nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 317 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) werden Urteile den Parteien in Abschrift zugestellt. Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke wird von der Geschäftsstelle vorgenommen (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die beglaubigte Abschrift ist eine Zweitschrift, deren inhaltlicher Gleichlaut mit der Urschrift der Urkundsbeamte unterschriftlich bestätigt hat. Die beglaubigte Abschrift muss erkennen lassen, dass das Original die Unterschriften der Richter trägt; die Abschrift muss aber weder persönlich unterschrieben sein noch eine Ablichtung der Originalunterschriften enthalten (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO [33. Aufl., 2020], § 169 Rdnr. 8). Der Beglaubigungsvermerk muss eindeutig erkennen lassen, dass sich die Bestätigung des Gleichlauts auf alle Seiten (Blätter) des Schriftstücks bezieht. Zudem muss der Vermerk selbst mit dem Schriftstück eine Einheit bilden (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2017 – IV ZR 26/16NJW 2017, 3721 f. = juris Rdnr. 14, m. w. N.; Schultzky, a. a. O., Rdnr. 9, m. w. N.). Für die Beglaubigung ist eine bestimmte Form oder ein bestimmter Wortlaut nicht vorgeschrieben (vgl. RG, Beschluss vom 16. Mai 1940 – RGZ 164, 52 [54]; BGH, Urteil vom 13. September 2017, a. a. O., m. w. N.; Schultzky, a. a. O., Rdnr. 10, m. w. N.). Der Beglaubigungsvermerk muss handschriftlich unterzeichnet sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1971 – VII ZR 111/70BGHZ 55, 251 ff. = NJW 1971, 659 = juris Rdnr. 5, m. w. N.; Schultzky, a. a. O., m. w. N.). Eine Lesbarkeit des Namenszuges ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1969 – VIII ZR 83/69BB 1970, 52 = juris Rdnr. 9, m. w. N.; Schultzky, a. a. O., m. w. N.). Es genügt ein individueller Schriftzug mit charakteristischen Merk-malen. Das Schriftbild muss so beschaffen sein, dass es noch charakteristische Merkmale einer Unterschrift enthält (vgl. BGH, a. a. O., m. w. N.).

Diese Vorgaben sind vorliegend eingehalten. Soweit der Kläger Ausführungen zu beglaubigten elektronischen Abschrift oder einem elektronischen Dokument macht (vgl. hierzu § 169 Abs. 4 und 5 ZPO), sind diese nicht relevant, weil der angefochtene Beschluss in Papierform erstellt und zugestellt worden ist.

(2) Einwände, die sich auf das Anschreiben vom 13. Juli 2020, mit dem der Beschluss vom 25. Juni 2020 übermittelt wurde, beziehen, sind nicht entscheidungserheblich. Denn eine vom Kläger behauptete Fehlerhaftigkeit des Schreibens ist ohne Auswirkung sowohl auf die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 25. Juni 2020 als auch auf die Wirksamkeit der Zustellung dieses Beschlusses.

(3) Mit seinem Einwand, der Beschluss vom 25. Juni 2020 sei nicht für ihn bestimmt, weil zum einen sein bürgerlicher Name nicht vollständig und zum anderen seine Künstlernamen überhaupt nicht angegeben seien, setzt sich der Kläger bereits in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten. Zudem genügt die Personenangabe für die Klagepartei im Beschluss vom 25. Juni 2020 den Gesetzlichen Anforderungen.

Der Kläger selbst hat nicht nur im Schreiben vom 25. Oktober 2017, das die Klagebegründung enthalt, seinen Namen mit "T ..." angegeben, sondern auch in zahlreichen weiteren Schreiben, zuletzt vor dem Erlass des genannten Beschlusses im Schreiben vom 14. April 2020.

Unabhängig davon genügen die Angaben im Beschluss vom 25. Juni 2020 den Anforderungen aus § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGG, der für Beschlüsse entsprechend gilt (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – B 13 R 337/15 B – juris Rdnr. 12). Danach enthält das Urteil unter anderem die Bezeichnung der Beteiligten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren. Vorliegend ist der Kläger mit der von ihm selbst verwendeten Fassung seines bürgerlichen Namens und seiner Postanschrift in seiner Eigenschaft als am Verfahren beteiligter Kläger (vgl. § 69 Nr. 1 SGG) bezeichnet. Damit ist dem Zweck von § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGG, eine sichere Feststellung der Identität der Verfahrensbeteiligten zu gewährleisten, entsprochen. Eine Pflicht eines Gerichtes, einen vom bürgerlichen Namen abweichenden Künstlernamen zu verwenden, gibt es nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21 Dezember 2007 – L 8 SF 5962/07 A – juris Rdnr. 5). Ob ein Gericht hierzu berechtigt wäre, wenn der Zweck der Identitätsfeststellung hierdurch ebenfalls erreicht werden könnte, kann dahingestellt bleiben, weil der Kammervorsitzende im vorliegenden Fall so nicht verfahren ist.

(4) Da nach § 172 Abs. 2 SGG Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, ist das Beschwerdegericht grundsätzlich an solche Entscheidungen gebunden. Die Bindung entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), das heißt des Anspruches auf den gesetzlichen Richter, grundlegend verkannt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2019 – B 13 R 3/17 BH – juris Rdnr. 11, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], § 60 Rdnr. 14b, m. w. N.). Dafür, dass vor-liegend ein solcher Ausnahmefall gegeben sein könnte, gibt es keine Anhaltspunkte.

(5) Zur Prozessunfähigkeit im Sinne von § 72 Abs. 1 SGG hat das Bundessozialgericht im Beschluss vom 17. Juli 2020 (Az. B 1 KR 23/18 B, juris Rdnr. 6, m. w. N.) zusammenfassend ausgeführt: "Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs. 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl BSG vom 12.12.2013 – B 8 SO 24/12 R – SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 9; BFH vom 9.9.2004 – III B 165/03 – juris RdNr 4; BGH vom 5.11.2004 – IXa ZB 76/04 – juris RdNr 13, jeweils mwN). An die Annahme einer Prozessunfähigkeit sind auch mit Blick auf den damit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (vgl BSG vom 5.5.1993 - 9/9a RVg 5/92 - SozR 3-1500 § 71 Nr 1 S 3) strenge Anforderungen zu stellen. Es reicht nicht aus, dass der Betroffene seit längerem an geistigen oder seelischen Störungen leidet (vgl BSG vom 5.5.2010 – B 6 KA 49/09 B – juris RdNr 7 mwN). Ebenso wenig reichen eine bloße Willensschwäche (vgl BGH vom 5.6.1972 – II ZR 119/70 – RdNr 9) oder die bloße Unfähigkeit eines Beteiligten, seine Rechte in einer mündlichen Verhandlung selbst wahrzunehmen (vgl BSG vom 4.5.1965 – 11 RA 10/64 – juris RdNr 9; vgl zum Ganzen auch Roller in jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 71 RdNr 17 ff mwN)."

Wegen der für den Verfahrensbeteiligten weitreichenden, grundrechtsrelevanten Konsequenzen kommt die Bestellung eines besonderen Vertreters erst in Betracht, wenn aller Beweismöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 216/02 BBSGE 91, 146 ff. = SozR 4-1500 § 72 Nr. 1 = juris Rdnr. 6; BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – B 1 KR 73/18 B – SozR 4-1500 § 56a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 8). Beweis kann zum Beispiel erhoben werden durch die die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach einer persönlichen Begutachtung, der Einholung von Befundberichten oder die Beiziehung von Akten (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Juli 2020, a. a. O., Rdnr. 8).

Das Sozialgericht hat davon abgesehen, den Versuch zu unternehmen, den Kläger dazu zu bewegen, an einer persönlichen Begutachtung mitzuwirken. Es hat dies damit begründet, dass der Kläger ab einem bestimmten Zeitpunkt konsequent seine Mitwirkung in allen seinen Verfahren verweigert habe. Auch bei einer generellen Verweigerungshaltung des betroffenen Verfahrensbeteiligten ist ein Gericht aber grundsätzlich gehalten, die Möglichkeiten einer Beweiserhebung zur Beurteilung der Prozessfähigkeit des Verfahrensbeteiligten auszulosten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Verfahrensbeteiligte wegen der weitreichenden Konsequenzen der Bestellung eines besonderen Vertreters für ihn jedenfalls in dem Verfahren nach § 72 Abs. 1 SGG mitwirkt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Verfahrensbeteiligte auch für dieses Verfahren seine Mitwirkung verweigert hat. Dies ist vorliegend aber nicht geschehen, weil der Kläger erstmals im Rahmen der Gutachtenübersendung und der Anhörung zur beabsichtigten Bestellung eines besonderen Betreuers mit den Maßnahmen und Erwägungen des Sozialgerichtes bekanntgemacht worden ist.

Wenn das Sozialgericht die grundsätzlich erforderliche Beweisaufnahme unterlassen hat, kann dies im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Denn wie im Berufungsverfahren (vgl. § 157 Satz 1 SGG) prüft das Landessozialgericht auch im Beschwerdeverfahren den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel sind zu berücksichtigen (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Vorliegend hat der Kläger aber weder die Entbindungserklärung betreffend die sozialrechtliche Geheimhaltungspflicht und die ärztliche Schweigepflicht abgegeben, sodass keine weiteren Auskünfte eingeholt oder Akten bezogen werden konnten, noch hat er sich mit einer persönlichen Begutachtung einverstanden erklärt. Wenn aber alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft sind und dem Gericht keine weiteren Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist die Entscheidung über eine etwaige Bestellung eines besonderen Vertreters nach Aktenlage zu treffen.

(6) Die Entscheidung des Sozialgerichtes im Beschluss vom 25. Juni 2020 ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Senat sieht deshalb in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG, der auch für Beschlüsse gilt (allgem. Auffassung, vgl. z. B. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], § 153 Rdnr. 5, m. w. N.), von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichtes, dass die Ausführungen des Gutachters zur fehlenden Prozessfähigkeit des Klägers nachvollziehbar und schlüssig sind. Die gutachterliche Einschätzung nach Aktenlage wird durch Inhalt und Form der Äußerungen des Klägers im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hat das Gericht bei gewichtigen Bedenken gegen die Prozessfähigkeit von der Prozessunfähigkeit auszugehen, wenn sich auch nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht feststellen lässt, dass der betreffende Beteiligte prozessfähig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2019, a. a. O.; BSG, Beschluss vom 17. Juli 2020, a. a. O., Rdnr. 5). Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers bestehen nicht. Selbst wenn Zweifel verblieben wären, würden sie dem Kläger prozessual zur Last fallen, weil er an der Klärung seiner Prozessfähigkeit nicht mitgewirkt und jeden Versuch des Gerichts, den Sachverhalt aufzuklären, ins Leere hat laufen lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Juli 2020, a. a. O., Rdnr. 12).

3. Eine Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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