Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 5728/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 83/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Arbeitslosengeld II - Kostenübernahme für Fahrten zu ambulanten Krankenbehandlungen - unabweisbarer
laufender besonderer Bedarf
1. Wiederholte und mehrfach monatlich anfallende Aufwendungen für Fahrten zu ambulanten ärztlichen Behandlungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, können im Einzelfall einen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II darstellen (Aufgabe von Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2013 - L 7 AS 83/12 NZB).
2. Die Trennung der Leistungssysteme der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der gesetzlichen Krankenversicherung steht einem Anspruch nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II nicht grundsätzlich entgegen.
laufender besonderer Bedarf
1. Wiederholte und mehrfach monatlich anfallende Aufwendungen für Fahrten zu ambulanten ärztlichen Behandlungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, können im Einzelfall einen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II darstellen (Aufgabe von Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2013 - L 7 AS 83/12 NZB).
2. Die Trennung der Leistungssysteme der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der gesetzlichen Krankenversicherung steht einem Anspruch nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II nicht grundsätzlich entgegen.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsleistungen.
Die 1974 geborene Klägerin zu 1) lebt mit ihrem Ende 2002 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2, in Bedarfsgemeinschaft (BG) und wohnte bis August 2016 in X ... Die BG bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2014 Leistungen für die Zeit von April bis September 2014, der für Juli bis September mit Bescheid vom 03.07.2014 auf monatliche Leistungen in Höhe von 614,58 EUR abgeändert wurde.
Im Mai 2013 verstarb der Ehemann bzw. Vater der Kläger, was für beide Kläger dauerhafte Psychotherapie erforderlich machte. Der Kläger zu 2) wurde durch seinen Kinderarzt an einen Psychologen überwiesen. Er wird seit Oktober 2013 durch den Psychotherapeuten W ... behandelt, der seine Praxis zunächst in V ..., dann aber in A ... hatte. Die Klägerin zu 1) wurde durch ihren behandelnden Facharzt für Psychiatrie ebenfalls an einen Psychologen überwiesen und lies sich ab Januar 2014 durch Dr. U ... in A ... behandeln.
Mit Schreiben vom 17.07.2014, beim Beklagten eingegangen am 25.07.2014, beantragte die Klägerin zu 1) für sich und ihren Sohn die Anerkennung eines Mehraufwandes durch Fahrtkosten zur Psychotherapie. Sie benötige zur Bewältigung ihrer psychischen Probleme zwei mal wöchentlich Psychotherapie, ihr Sohn ein mal pro Woche, wohin sie ihn begleiten müsse, da dieser den Weg nach A ... nicht alleine unternehmen könne. Dies seien wöchentlich 3 Fahrten von X ... nach A ..., wofür wöchentlich etwa 43,50 EUR, im Monat ca. 190,00 EUR aufgewendet werden müssten. Sie schaffe es nicht, diese Kosten durch die Bezüge zu tragen.
Mit Bescheid vom 31.07.2014 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten als Mehrbedarf ab. Die Fahrtkosten seien im Regelsatz enthalten, ein Mehrbedarf sei dafür nicht anzuerkennen.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 11.08.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass die zusätzliche monatliche Belastung in Höhe von ca. 190,00 EUR eine außergewöhnliche Härte darstelle und nicht mit laufenden normalen Arztterminen gleichgestellt werden könne.
Mit Bescheid vom 26.08.2014 wies auch die Krankenversicherung den Antrag auf Kosten-übernahme zurück. Infolge eines Gutachtens zur Prüfung einer Betreuung durch einen weiteren Facharzt für Psychiatrie in V ... wurde mit Beschluss vom 26.08.2014 für die Klägerin zu 1) eine Betreuerin bestellt, die sie u.a. in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und Vermögenssorge sowie vor Ämtern zu vertreten hat.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die Fahrtkosten aus den Regelsätzen zu bestreiten seien. Ein zusätzlicher Anspruch stehe nach der Rechtsprechung des BSG unter engen Voraussetzungen. Ein atypischer und überdurchschnittlicher Mehrbedarf sei vorliegend nicht gegeben, sondern die Fahrtkosten könnten durch Umschichtung der Ausgaben getragen werden. Zudem sei es möglich, Psychotherapie bei einem Therapeuten durchzuführen, der seine Praxis näher am Wohnort der Klägerin habe.
Hiergegen erhob die Betreuerin im Namen der Klägerin zu 1) am 22.09.2014 Klage und führte im Laufe des Klageverfahrens aus, dass die Therapie zwingend erforderlich und der Wechsel des Psychologen nicht dienlich sei. Die Klägerin zu 1) habe bei Behandlungsbeginn keinen Therapeuten in der Nähe gefunden, bei dem sie nicht mindestens ein Jahr Wartezeit gehabt hätte. Am 09.10.2014 teilte die Klägerin zu 1) mit, dass sie auch für ihren Sohn Klage erhebe. Auf richterlichen Hinweis, dass das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Sohnes der Klägerin offenbar noch nicht abgeschlossen sei, erließ der Beklagte am 17.03.2015 einen Widerspruchsbescheid, mit dem auch der Widerspruch des Sohnes gegen die Antragsablehnung zurückgewiesen wurde. Die Kläger führten in der Klage weiter aus, dass bereits Monatskarten für 2 Zonen für die Klägerin zu 1) und eine Monatskarte mit einer Zone für den Kläger zu 2) angeschafft worden seien und dass nunmehr nur die Aufstockung auf jeweils 3 Zonen begehrt werde.
Das Sozialgericht Dresden (SG) hat Beweis erhoben durch Einholen von Befundberichten aller behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten. Dr. U ... teilte auf Nachfrage sämtliche Behandlungstermine der Klägerin zu 1) in der Zeit ab Januar 2014 mit, wobei in der Zeit von April bis September 2014 insgesamt 32 Termine durchgeführt wurden. Der Psychotherapeut des Klägers zu 2) teilte alle Behandlungstermine in der Zeit ab Oktober 2010 mit, wobei auf die Zeit von April bis September 2014 14 Termine entfielen. Weiter ergaben die Ermittlungen, dass für den Kläger zu 2 (zusätzlich zu seiner 1-Zonen-Monatskarte, die er bei Förderung anteilig mit 15,00 EUR aus seinem Regelbedarf selbst finanziere) pro Hin- und Rückfahrt insgesamt eine sogenannte 4-er Streifenkarte zum ermäßigtem Tarif von 5,20 EUR gelöst werden muss, für die Klägerin zu 1), die bereits eine 2-Zonen-Monatskarte zum monatlichen Preis von ca. 80,00 EUR aus ihrem Regelbedarf finanziere, kann mit einer 4-er Streifenkarte zum vollen Tarif von derzeit 8,20 EUR die Aufstockung der Tarifzone für 2 Hin- und Rückfahrten finanziert werden.
Mit Urteil vom 12.12.2016 hat das SG der Klage hinsichtlich der Klägerin zu 1) stattgegeben und den Beklagten zur Tragung ihrer zusätzlichen Fahrtkosten verpflichtet. Hinsichtlich des Klägers zu 2) hat das SG die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
"1. Zulässiger Streitgegenstand ist nach Ansicht der Kammer vorliegend nur der Zeitraum von April bis September 2014, für den mit dem letzten aktuellen Bewilligungsbescheid vor Geltendmachung der Fahrtkosten Leistungen bewilligt waren. Zwar beschränkt der Ablehnungsbescheid selbst nicht den Umfang der Ablehnung. Allerdings hat das Bundessozialgericht mehrfach festgestellt, dass Mehrbedarfe gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, wie sie vorliegend begehrt werden, keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen, sondern dass immer die gesamte Regelleistung für diesen Zeitabschnitt zu prüfen sei (vgl. schon BSG Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 54/08 R). Eine Ablehnung gelte daher nicht, wie bei einer unbefristeten Ablehnung von Leistungen ohne Folgeantrag (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 6/13; Urteil vom 15.04.2008, AZ.: B 14/7b AS 52/06 R und schon BSG Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R), bis zur mündlichen Verhandlung fort, sondern sei durch den Bewilligungsabschnitt begrenzt, auch ohne dass dies im Ablehnungsbescheid bzgl. des Mehrbedarfs ausdrücklich erwähnt werden muss. Der Leistungsempfänger sei in der Lage auch im Folgezeitraum bei Erhalt des Bescheides zu erkennen, dass ihm die begehrte weitere und vom Regelsatz nicht trennbare Leistung erneut nicht gewährt worden sei und habe auch bzgl. Folgezeiträumen Widerspruch und ggf. Klage zu erheben.
Soweit dies, wie vorliegend, nicht geschieht, ist der Streitgegenstand auf den im Antragszeitpunkt laufenden Bewilligungsabschnitt beschränkt (vgl. B 4 AS 6/13, Rn. 12, 13). Infolge richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihren Antrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes entsprechend gefasst.
2. Die Klage ist teilweise begründet hinsichtlich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Übernahme ihrer zusätzlichen Fahrtkosten zur eigenen ambulanten Therapie sowie als Begleiterin des Klägers zu 2 zu dessen ambulanten Therapie als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, soweit die beantragten Kosten den in der Regelbedarfsberechnung veranschlagten Anteil für Verkehr übersteigen.
a) Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die Vorschrift wurde in das SGB II infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09), in dem das BVerfG zwar die Pauschalierung des Regelsatzes grundsätzlich als verfassungsgemäß eingeschätzt hat, in seinem 4. Leitsatz aber präzisierte:
"Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse.
Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder durch Einsparmöglichkeiten des Leistungsempfängers gedeckt werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung auch nicht von einer Bagatellgrenze etwa von 10 % des Regelsatzes auszugehen. Vielmehr können, abhängig von Eigenart, Häufigkeit und der Dauer des zu tragenden Bedarfs auch geringere Belastungen unzumutbar und damit unabweisbar sein (vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn 86). Schließlich muss bei Bedarfen, die, wie vorliegend ein Bedarf für Mobilität, anteilig in die Regelsatzberechnung eingeflossen sind, eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf gegeben sein.
Nach Ansicht der Kammer ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Unstrittig dürfte sein, dass es sich bei über Jahre nahezu wöchentlich anfallenden Transportkosten um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handelt. Umstritten ist, ob es sich bei Fahrtkosten zu einer ambulanten medizinischen Behandlung um einen besonderen unabweisbaren Bedarf handeln kann, oder ob dieser, soweit er nicht durch das System der Krankenversicherung abgefangen wird, jedenfalls durch den Regelsatz umfasst ist und keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellen kann.
b) Nach Überzeugung der Kammer ist bzgl. eines des zusätzlich beantragten Teils der monatlichen Fahrtkosten der Klägerin zu 1 auch ein unabweisbarer besonderer Bedarf gegeben. Die Kosten werden nicht und sind auch nicht von einem Dritten, wie zum Beispiel einem anderen Leistungsträger, zu decken. Denn der Anspruch auf einen Mehrbedarf ist vorliegend nicht durch SGB V ausgeschlossen, da die streitgegenständlichen Mobilitätskosten dort schon dem Grunde nach nicht geleistet werden. Infolgedessen hat die Krankenversicherung den Antrag auch abgewiesen.
aa) Die Übernahme von Transportkosten ist im Krankenversicherungsrecht in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V geregelt. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 12 SGB V 1 beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und soll insbesondere Richtlinien beschließen über die Verordnung von Krankentransporten (Ziff. 12). Letztere unterteilt die Verordnung in Rettungsfahrten, Krankentransporte und Krankenfahrten, wobei die Beförderung zunächst notwendig sein muss im Sinne von § 3 der Richtlinie. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ist Voraus-setzung für die Verordnung von Beförderungsleistungen, dass die Fahrt zwingend medizinisch notwendig ist, andernfalls ist die Verordnung unzulässig. Nur im Ausnahmefall werden auch Fahrten zur ambulanten Behandlung verordnet, dies ist in § 8 der Richtlinie geregelt. Gemäß § 8 Abs. 2 der Richtlinie sind Voraussetzungen für eine Verordnung oder Genehmigung u.a. dass die Behandlung oder der zur Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Gemäß Anlage 2 zur Richtlinie ist dies regelmäßig der Fall bei Dialysebehandlung, onkologischer Strahlentherapie oder Chemotherapie, wobei die Liste nicht abschließend ist.
Aus dieser Liste lässt sich aber verständlich ableiten, dass Beförderungskosten zur ambulanten Behandlung nach dem System des Krankenversicherungsrechts nur gewährt werden sollen, wenn die Beförderung selbst aufgrund besonderer medizinischer Umstände und der Schwere der Krankheit bzw. des Krankheitsverlaufs und der mit der Behandlung einhergehenden gesundheitlichen Belastung nötig ist. Die Beförderung an sich muss auf diese Weise "medizinisch indiziert" sein. Dazu genügt es nicht, dass die Beförderung erforderlich ist, um zu einer Behandlung zu gelangen. Im Grunde sind damit reine Beförderungen zur ambulanten Therapie vom System des SGB V nicht erfasst. Folgerichtig wurden diese Kosten nicht durch die Krankenversicherung übernommen.
bb) Zwar wies der für Krankenversicherungsrecht zuständige erste Senat eine Klage auf Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab (vgl. Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 24/10 R) und stellte in seinem dritten Leitsatz fest: "Benötigen Versicherte krankheitsbedingt Mittel, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum."
In den Gründen (a.a.O., Rn 33 ff.) führte er weiter aus: "Das Gesetz sieht bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Betroffener in-soweit – ggf. also auch hinsichtlich notwendiger Pflegemittel - Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt. Das trifft hier namentlich auf die Leistungsträger nach SGB II und SGB XII zu." und weiter: " ist es Aufgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen des SGB II und SGB XII, die Gewährleistung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums zu sichern, soweit es - wie dargelegt verfassungskonform - nicht durch den Leistungskatalog der GKV abgedeckt ist. Inwieweit im Einzelnen nicht von der Leistungspflicht der GKV abgedeckte Kosten für medizinisch notwendige Gesundheitspflege, zB für OTC-Präparate, dem verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum unterfallen, in der Regelleistung nach dem SGB II oder XII abgebildet sind oder Mehrbedarfsleistungen auslösen, unterliegt der Beurteilung der für die Grundsicherung und Sozialhilfe zuständigen Senate des BSG (vgl dazu zB BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 13 RdNr 25; vgl auch Ebsen SDSRV Nr 56, S 133, 142 ff)."
Dies bedeutet aber auch, dass der erste Senat jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass neben Leistungen des SGB V auch Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II angebracht sein können in Fällen, in denen eine Leistung aus der Krankenversicherung nur des-halb nicht und in Übereinstimmung mit der Verfassung übernommen wird, weil der Leistungskatalog aus Kostengründen eng gehalten wird. Der erste Senat lies dabei offen, ob solche Leistungen im Regelbedarf enthalten oder als Mehrbedarf zu leisten sein würden und verwies diesbezüglich auf die Entscheidungskompetenz der für Fragen der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII zuständigen Senate beim BSG.
cc) Vor diesem Hintergrund entschied der 14. Senat des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 146/10 R), dass jedenfalls verschreibungsfreie Medikamente im Regelsatz enthalten sein müssten, weil ansonsten das abschließende System des SGB V durchbrochen würde. In seinem Leitsatz führte es aus:
"Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe."
In diesen Fällen wird durch die verschreibungsfreien Medikamente die Krankheit unmittelbar behandelt, so dass eine "ureigenste" Leistung des SGB V dem Grunde nach gegeben ist. Wenn dann das SGB V gemäß seinem § 34 diese Leistungen von seinem System verfassungskonform ausschließt ist nachvollziehbar, dass dies nicht im Rahmen des SGB II durchbrochen werden soll. Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob nicht auch in diesem System in besonderen Härtefällen Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II gegeben sein können. In dem Fall, den das BSG noch zur Rechtslage vor Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II (daher zu § 73 SGB XII analog) zu entscheiden hatte, lag (unabhängig von dem grundsätzlichen Ausspruch im Leitsatz) schon deshalb kein unabweisbarer Bedarf vor, weil die monatlichen Kosten (mit unter 20,00 EUR) relativ gering blieben und ggf. Einsparmöglichkeiten bestehen. Bzgl. des kategorischen Ausschlusses von Mehrbedarfen hat die Kammer Bedenken, kann die Frage vorliegend allerdings deshalb offen lassen, weil hier jedenfalls ein anderer Sachverhalt, nämlich die Übernahme von Fahrtkosten und nicht von Medikamenten zu entscheiden ist. Die Gegenstände sind nach Auffassung der Kammer weder identisch noch vergleichbar.
dd) Vorliegend ist nach Überzeugung der Kammer gerade kein Fall gegeben, der vergleichbar mit der Konstellation wäre, den das Bundessozialgericht in seinem Urteil zu den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten entschieden hat.
Bei den Klägern im vorliegenden Verfahren liegt gerade kein Fall medizinisch indizierter Fahrtkosten vor, die unter engen Voraussetzungen durch die Krankenversicherung übernommen werden, sondern reine Mobilitätskosten, denn der Transport ist eben nicht aus medizinischen Gründen (also aufgrund des Krankheitszustands der Kläger, siehe oben unter 2b, aa), sondern allein aufgrund der Entfernung nötig. Die Kosten der Klägerin sind zudem insoweit erst recht nicht medizinisch indiziert, insoweit sie den Kläger nur begleitet, der zu jung ist, um diese Strecke mit Umsteigen allein zu bewältigen. Dies gilt im Übrigen nach der Rechtsprechung so lange, wie auch ein im Übrigen gesundes Kind die Begleitung benötigen würde (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 18.06.2015, Az.: S 62 (41, 50) SO 296/08 zu einem Fall der Begleitung auf dem Schulweg gemäß § 64 Abs. 4 SGB XII). Hier ist die Kammer der Auffassung, dass einem noch nicht 14-jährigen Kind ein Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln über mehrere Zonen und mit mehrfachem Umsteigen nicht allein zumutbar ist. Diese Kosten werden grundsätzlich nicht vom System des SGB V abgedeckt, was sich aus der Rechtsprechung des ersten Senats auch so ergibt. Dem steht das Urteil des 14. Senats jedenfalls nicht ausdrücklich entgegen.
Die Kammer teilt daher nicht die vom Sächsischen Landessozialgericht ausdrücklich vertretene Auffassung, dass Fahrtkosten zur ambulanten Therapie, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten seien (vgl. Beschluss vom 25.09.2013, Az.: L 7 AS 83/12 NZB). Das Landessozialgericht sah in seinem Beschluss zu einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen zu der Frage der Übernahmefähigkeit der Transportkosten zur ambulanten Therapie, da es davon ausging, dass auch diese Frage durch die Urteile des ersten und 14. Senats des Bundessozialgerichts (mit-)beantwortet sei und kein klärungsbedürftiger Wider-spruch zur erstinstanzlichen Entscheidung vorliege.
Die Kammer vermag dieses Verständnis der Urteile des ersten und 14. Senates nicht zu teilen. Sie erkennt gerade keinen Wertungswiderspruch, wenn Bedarfe, die im Regelsatz enthalten sind, im konkreten (Härte-)Fall aber die entsprechenden Anteile dauerhaft, regelmäßig und erheblich übersteigen und daher auch nicht angespart werden können, als Mehrbedarf übernommen werden, zumal der erste Senat dies ausdrücklich offen lässt. Solch erhöhte Bedarfe können im Regelsatz nicht enthalten sein, was aber gerade nicht bedeutet, dass die Höhe des Regelsatzes angegriffen würde. Denn es handelt sich eben gerade nicht um einen üblichen durchschnittlichen Bedarf, den allein der Regelsatz abbilden soll. Andernfalls ist nicht vorstellbar, in welchen Fällen der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II noch zur Anwendung kommen soll. So standen in dem durch das LSG entschiedenen Fall letztlich monatliche Fahrtkosten für den selbstgenutzten PKW von ca. 200,00 EUR (nach Abzug einer Leasingrate) im Streit. Der Kammer ist nicht erklärlich, wie dieser monatlich anfallende Bedarf durch Einsparungen noch gedeckt werden könnte.
Vielmehr verhält es sich nach Auffassung der Kammer gerade hier so, dass der typische Anwendungsfall eines Mehrbedarfs dann gegeben ist, wenn die wiederkehrenden Kosten so hoch sind, dass die dauerhafte Übernahme durch den Leistungsempfänger durch Umschichtung nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Eine grundsätzliche Kollision mit dem System der Krankenversicherung vermag die Kammer nicht zu erkennen, da das andere Sozialleistungssystem solche Kosten schon dem Grunde nach nicht übernimmt.
c) Die Klägerin zu 1 hat auch einen Anspruch auf vollständige Übernahme der mit den Fahrten zu den Therapien verbundenen zusätzlichen Kosten. Die Unabweisbarkeit des Bedarfes hängt auch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von den konkreten Kosten ab.
aa) Vorliegend begehrt die Klägerin zu 1 für sich für den gesamten Bewilligungsabschnitt 188,60 EUR (mithin monatlich durchschnittlich ca. 31,43 EUR), und den Kläger zu 2 36,40 EUR (monatlich im Schnitt ca. 6,07 EUR).
Diese Beträge ergaben sich im konkreten streitgegenständlichen Zeitraum aus den Kosten für 4er-Streifenkarten in Höhe von 5,20 EUR für das Kind (Aufstockung für 1 Hin- und Rückfahrt) sowie 8,20 EUR für die Klägerin zu 1 (Aufstockung für 2 Hin- und Rückfahrt). Ausweislich der schriftlichen Übersichten der Therapeuten zu den tatsächlichen Behandlungsterminen im streitgegenständlichen Zeitraum fielen für den Kläger zu 2 14 (Hin- und Rück-)Fahrten und für die Klägerin zu 1 und Mutter die Begleitung zu diesen Terminen zuzüglich der eigenen 32 Termine, insgesamt also 46 Fahrten an.
Insgesamt sind in dieser Zeit demnach für den Kläger zu 2 Kosten in Höhe von 36,40 (14 x 5,20 EUR), und für die Mutter und Klägerin zu 1 in Höhe von 188,60 EUR (46: 2 = 23 x 8,20 EUR = 188.60 EUR) entstanden. Diese Kosten sind durchwegs zusätzlich zu bereits getätigten Ausgaben für Verkehr aus dem Regelbedarf der Klägerin zu 1 in Höhe von ca. 80,00 EUR monatlich und des Klägers zu 2 in Höhe von 15,00 EUR monatlich.
bb) Ein besonderer unabweisbarer Bedarf kann gemäß § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls nur entstehen, soweit der im Regelsatz pauschal veranschlagte Anteil übertroffen wird (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn. 39). Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass der Regelsatzanteil für Verkehr durchaus grundsätzlich einzusetzen ist, da in dieser Höhe eben kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass jeder Mensch ein gewisses persönliches Lebensrisiko für seine individuelle Situation trägt, die sehr verschieden ist und im Regelsatz weder abgebildet werden kann, noch soll.
Gemäß § 5 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII i.V.m. § 20 Abs. 5 SGB II RBEG beträgt der Anteil für die Abteilung 7 "Verkehr" für erwachsene alleinstehende Leistungsbezieher im Jahr 2011 22,78 EUR und im Jahr 2014 24,62 EUR und damit nach Berechnung der Kammer etwa 6,25 % des Regelsatzes. Da die Klägerin zu 1 aber bereits monatlich ca. 80,00 EUR für die Monatskarte für Zone 1 und 2 aufwendete und schon damit den Regelsatzanteil für Verkehr erheblich überschritt, also offenbar bereits Einsparmöglichkeiten ausschöpfte, liegen die beantragten Kosten jedenfalls erheblich über dem im Regelsatz vorgesehenen Anteil. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich im vorliegenden Einzelfall daher bei jedweder "Zuzahlung" um eine erhebliche Abweichung vom Regelsatz, zumal sie eben nicht einmalig sondern alle Monate und über Jahre hinweg wieder aufzuwenden ist.
Dieser jedenfalls auch den Pauschalsatz übersteigende Bedarf ist auch deshalb unabweisbar, weil er nicht durch Einsparmöglichkeiten aufgefangen werden kann. Zwar ist der Regelsatz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II eigenverantwortlich individuell einzusetzen und die Leistungsbezieher sind insoweit frei aber auch gehalten, je nach individuellem Bedarf innerhalb des Regelsatzes Ausgabenpositionen zu verschieben. Dies ist aber schon denklogisch nur bis zu einer gewissen Grenze möglich, die in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt wird. Insoweit wurde in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur allerdings darauf hingewiesen, dass nicht etwa von der durch die Bundesagentur für Arbeit in Anlehnung an die Regelung zur Erstattung von Darlehen gemäß § 42a SGB II festgelegte "Bagatellgrenze" von 10 % ausgegangen werden kann (vgl. Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 49. UPD 08/2016, § 21 Mehrbedarfe, Rn 68), sondern dass diese, zudem abhängig von den Umständen des Einzelfalls auch erheblich geringer und auch schon bei 5% des Regelsatzes überschritten sein kann (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn. 39), gerade weil der Bedarf laufend entsteht.
Vorliegend kann schon deshalb bzgl. der Klägerin zu 1 nicht mehr von Einsparmöglichkeiten ausgegangen werden, weil sie bereits erheblich höhere Fahrtkosten allein übernimmt, als im Regelsatz rechnerisch enthalten sind. Auch aus Einkommen ergeben sich keine weiteren Möglichkeiten, da dieses bis auf die Bereinigung durch die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR ohnehin bereits voll auf den Bedarf angerechnet wird.
Unabhängig davon ist vorliegend auch schon bei einem über den Regelsatzanteil hinausgehenden Mehrbedarf in Höhe von ca. 8 % des Regelsatzes aus Sicht der Kammer die "Bagatellgrenze" zudem jedenfalls überschritten und eine weitere Umschichtung des Regelsatzes nicht zumutbar, denn Einsparmöglichkeiten sind nicht dauerhaft gegeben. Ein Verweis der Klägerin zu 1 auf evtl. Einsparpotential aus dem Regelsatz ist nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht zuzumuten, weil das theoretische Einsparpotential, das in den Regelsatz abstrakt eingerechnet wurde, nahezu vollständig aufgebraucht würde, so dass über Jahre hinweg keine weitere Möglichkeit besteht, andere Rücklagen für ggf. erforderliche größere Anschaffungen zu bilden. Dies ist schon nicht zumutbar, unabhängig davon, dass vorliegend das Einsparpotential jedenfalls durch die Monatskarte aufgebraucht ist.
Die Klägerin zu 1 hat im Ergebnis Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten für die Aufstockung der Monatskarte, mithin für die Zeit von April bis September 2014 insgesamt 188,60 EUR.
3. Bzgl. des Klägers zu 2 war die Klage jedoch vollumfänglich abzuweisen, da kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist.
Zwar schließt die Kammer auch bzgl. des selbst behandlungsbedürftigen Klägers zu 2 einen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nach dem SGB II nicht grundsätzlich aus. Allerdings mangelt es aufgrund der relativ geringen monatlichen Kosten an einen unabweisbaren besonderen Bedarf.
Gemäß § 6 RBEG sind im Regelsatz der Kläger im Jahr 2011 je 14,00 EUR und im Jahr 2014 je 19,86 EUR für Verkehr, also für Beförderungskosten enthalten und mithin ca. 5,5 % des Regelbedarfs gemäß § 23 Ziff. 1 SGB II, der im streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger zu 2 261,00 EUR betrug. Der Regelsatzanteil ist wiederum für den Transport zur ambulanten Behandlung einzusetzen und nicht für andere "allgemeine" Transportkosten vorzuhalten.
Der Kläger zu 2 finanziert monatlich bereits mit 15,00 EUR eine Monatskarte. Die zusätzlichen Kosten für deren Aufstockung für Fahrten zur ambulanten Therapie betragen im Monat durchschnittlich 6,07 EUR, so dass der Kläger monatlich ca. 21,06 EUR für Transport ausgibt und somit den rechnerisch im Regelsatz vorgesehenen Anteil nur um 1,20 EUR, also um 0,5 % des Regelsatzes übersteigt. Dieser Mehrbedarf ist so gering, dass er nach Ansicht der Kammer keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellt, da er durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann.
Die Klage des Klägers zu 2 war daher abzuweisen."
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Das Urteil wurde dem Beklagten am 23.12.2016 zugestellt. Am 19.01.2017 hat der Beklagte Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Bei den begehrten Fahrtkosten handele es sich nicht um einen unabweisbaren besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Es kämen vielmehr Leistungen der zuständigen Krankenkasse zum Tragen, da es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit einer medizinisch notwendigen Leistung handele, für die der Beklagte nicht zuständig sei. Dies habe der Senat in seiner Entscheidung vom 25.09.2013, L 7 AS 83/12 NZB wohl ebenso gesehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.12.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Schriftsätzen vom 14.10.2020 und vom 04.11.2020 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärten, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 weitere Leistungen in Höhe von 188,60 EUR als laufenden, unabweisbaren Mehrbedarf zu bewilligen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, welchen sich der Senat anschließt.
Nur ergänzend ist aus Sicht des Senats auszuführen, dass der Bedarf der Klägerin nicht deswegen unabweisbar ist, weil grundsätzlich die GKV leistungspflichtig wäre.
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung eines Eigenanteils, wie etwa nach § 29 Abs. 2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden. In ersterem Fall sieht § 62 SGB V auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und § 29 Abs. 2 SGB V fordert den Eigenanteil an der kieferorthopädischen Versorgung als Vorleistung des Versicherten bis zum endgültigen Abschluss der Behandlung ohne Ausnahme. SGB II-Leistungsempfänger haben demnach Zuzahlungen und die Vorleistung des Eigenanteils aus dem Regelbedarf zu erbringen. Werden, wie im zweiten Fall, Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, kann aber grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 R – juris, Rn. 22).
Der grundsätzliche Ausschluss der Übernahme der Fahrtkosten der Klägerin zur ambulanten ärztlichen Behandlung ist der zweiten Fallgruppe zuzuordnen, so dass ein Anspruch auf Mehrbedarfsleistung nach dem SGB II nicht ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Übernahme von Kosten von medizinisch Notwendigem durch die GKV von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und Fahrtkosten zu notwendigen Behandlungen aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich entfernt. Diese werden nur noch in eng definierten Ausnahmefällen von der GKV übernommen und zwar dann, wenn der Transport selbst medizinisch indiziert ist, was hier nicht der Fall ist. Deswegen muss sich die Klägerin auch nicht auf einen aussichtslosen Rechtstreit mit der GKV verweisen lassen.
An seiner anderslautenden Entscheidung vom 25.09.2013, L 7 AS 83/12 NZB (Einzelrichter) hält der Senat nicht länger fest (wie hier auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2020, L 3 AS 3212/18 – juris).
Die Berufung des Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsleistungen.
Die 1974 geborene Klägerin zu 1) lebt mit ihrem Ende 2002 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2, in Bedarfsgemeinschaft (BG) und wohnte bis August 2016 in X ... Die BG bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2014 Leistungen für die Zeit von April bis September 2014, der für Juli bis September mit Bescheid vom 03.07.2014 auf monatliche Leistungen in Höhe von 614,58 EUR abgeändert wurde.
Im Mai 2013 verstarb der Ehemann bzw. Vater der Kläger, was für beide Kläger dauerhafte Psychotherapie erforderlich machte. Der Kläger zu 2) wurde durch seinen Kinderarzt an einen Psychologen überwiesen. Er wird seit Oktober 2013 durch den Psychotherapeuten W ... behandelt, der seine Praxis zunächst in V ..., dann aber in A ... hatte. Die Klägerin zu 1) wurde durch ihren behandelnden Facharzt für Psychiatrie ebenfalls an einen Psychologen überwiesen und lies sich ab Januar 2014 durch Dr. U ... in A ... behandeln.
Mit Schreiben vom 17.07.2014, beim Beklagten eingegangen am 25.07.2014, beantragte die Klägerin zu 1) für sich und ihren Sohn die Anerkennung eines Mehraufwandes durch Fahrtkosten zur Psychotherapie. Sie benötige zur Bewältigung ihrer psychischen Probleme zwei mal wöchentlich Psychotherapie, ihr Sohn ein mal pro Woche, wohin sie ihn begleiten müsse, da dieser den Weg nach A ... nicht alleine unternehmen könne. Dies seien wöchentlich 3 Fahrten von X ... nach A ..., wofür wöchentlich etwa 43,50 EUR, im Monat ca. 190,00 EUR aufgewendet werden müssten. Sie schaffe es nicht, diese Kosten durch die Bezüge zu tragen.
Mit Bescheid vom 31.07.2014 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten als Mehrbedarf ab. Die Fahrtkosten seien im Regelsatz enthalten, ein Mehrbedarf sei dafür nicht anzuerkennen.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 11.08.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass die zusätzliche monatliche Belastung in Höhe von ca. 190,00 EUR eine außergewöhnliche Härte darstelle und nicht mit laufenden normalen Arztterminen gleichgestellt werden könne.
Mit Bescheid vom 26.08.2014 wies auch die Krankenversicherung den Antrag auf Kosten-übernahme zurück. Infolge eines Gutachtens zur Prüfung einer Betreuung durch einen weiteren Facharzt für Psychiatrie in V ... wurde mit Beschluss vom 26.08.2014 für die Klägerin zu 1) eine Betreuerin bestellt, die sie u.a. in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und Vermögenssorge sowie vor Ämtern zu vertreten hat.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die Fahrtkosten aus den Regelsätzen zu bestreiten seien. Ein zusätzlicher Anspruch stehe nach der Rechtsprechung des BSG unter engen Voraussetzungen. Ein atypischer und überdurchschnittlicher Mehrbedarf sei vorliegend nicht gegeben, sondern die Fahrtkosten könnten durch Umschichtung der Ausgaben getragen werden. Zudem sei es möglich, Psychotherapie bei einem Therapeuten durchzuführen, der seine Praxis näher am Wohnort der Klägerin habe.
Hiergegen erhob die Betreuerin im Namen der Klägerin zu 1) am 22.09.2014 Klage und führte im Laufe des Klageverfahrens aus, dass die Therapie zwingend erforderlich und der Wechsel des Psychologen nicht dienlich sei. Die Klägerin zu 1) habe bei Behandlungsbeginn keinen Therapeuten in der Nähe gefunden, bei dem sie nicht mindestens ein Jahr Wartezeit gehabt hätte. Am 09.10.2014 teilte die Klägerin zu 1) mit, dass sie auch für ihren Sohn Klage erhebe. Auf richterlichen Hinweis, dass das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Sohnes der Klägerin offenbar noch nicht abgeschlossen sei, erließ der Beklagte am 17.03.2015 einen Widerspruchsbescheid, mit dem auch der Widerspruch des Sohnes gegen die Antragsablehnung zurückgewiesen wurde. Die Kläger führten in der Klage weiter aus, dass bereits Monatskarten für 2 Zonen für die Klägerin zu 1) und eine Monatskarte mit einer Zone für den Kläger zu 2) angeschafft worden seien und dass nunmehr nur die Aufstockung auf jeweils 3 Zonen begehrt werde.
Das Sozialgericht Dresden (SG) hat Beweis erhoben durch Einholen von Befundberichten aller behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten. Dr. U ... teilte auf Nachfrage sämtliche Behandlungstermine der Klägerin zu 1) in der Zeit ab Januar 2014 mit, wobei in der Zeit von April bis September 2014 insgesamt 32 Termine durchgeführt wurden. Der Psychotherapeut des Klägers zu 2) teilte alle Behandlungstermine in der Zeit ab Oktober 2010 mit, wobei auf die Zeit von April bis September 2014 14 Termine entfielen. Weiter ergaben die Ermittlungen, dass für den Kläger zu 2 (zusätzlich zu seiner 1-Zonen-Monatskarte, die er bei Förderung anteilig mit 15,00 EUR aus seinem Regelbedarf selbst finanziere) pro Hin- und Rückfahrt insgesamt eine sogenannte 4-er Streifenkarte zum ermäßigtem Tarif von 5,20 EUR gelöst werden muss, für die Klägerin zu 1), die bereits eine 2-Zonen-Monatskarte zum monatlichen Preis von ca. 80,00 EUR aus ihrem Regelbedarf finanziere, kann mit einer 4-er Streifenkarte zum vollen Tarif von derzeit 8,20 EUR die Aufstockung der Tarifzone für 2 Hin- und Rückfahrten finanziert werden.
Mit Urteil vom 12.12.2016 hat das SG der Klage hinsichtlich der Klägerin zu 1) stattgegeben und den Beklagten zur Tragung ihrer zusätzlichen Fahrtkosten verpflichtet. Hinsichtlich des Klägers zu 2) hat das SG die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
"1. Zulässiger Streitgegenstand ist nach Ansicht der Kammer vorliegend nur der Zeitraum von April bis September 2014, für den mit dem letzten aktuellen Bewilligungsbescheid vor Geltendmachung der Fahrtkosten Leistungen bewilligt waren. Zwar beschränkt der Ablehnungsbescheid selbst nicht den Umfang der Ablehnung. Allerdings hat das Bundessozialgericht mehrfach festgestellt, dass Mehrbedarfe gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, wie sie vorliegend begehrt werden, keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen, sondern dass immer die gesamte Regelleistung für diesen Zeitabschnitt zu prüfen sei (vgl. schon BSG Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 54/08 R). Eine Ablehnung gelte daher nicht, wie bei einer unbefristeten Ablehnung von Leistungen ohne Folgeantrag (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 6/13; Urteil vom 15.04.2008, AZ.: B 14/7b AS 52/06 R und schon BSG Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R), bis zur mündlichen Verhandlung fort, sondern sei durch den Bewilligungsabschnitt begrenzt, auch ohne dass dies im Ablehnungsbescheid bzgl. des Mehrbedarfs ausdrücklich erwähnt werden muss. Der Leistungsempfänger sei in der Lage auch im Folgezeitraum bei Erhalt des Bescheides zu erkennen, dass ihm die begehrte weitere und vom Regelsatz nicht trennbare Leistung erneut nicht gewährt worden sei und habe auch bzgl. Folgezeiträumen Widerspruch und ggf. Klage zu erheben.
Soweit dies, wie vorliegend, nicht geschieht, ist der Streitgegenstand auf den im Antragszeitpunkt laufenden Bewilligungsabschnitt beschränkt (vgl. B 4 AS 6/13, Rn. 12, 13). Infolge richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihren Antrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes entsprechend gefasst.
2. Die Klage ist teilweise begründet hinsichtlich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Übernahme ihrer zusätzlichen Fahrtkosten zur eigenen ambulanten Therapie sowie als Begleiterin des Klägers zu 2 zu dessen ambulanten Therapie als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, soweit die beantragten Kosten den in der Regelbedarfsberechnung veranschlagten Anteil für Verkehr übersteigen.
a) Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die Vorschrift wurde in das SGB II infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09), in dem das BVerfG zwar die Pauschalierung des Regelsatzes grundsätzlich als verfassungsgemäß eingeschätzt hat, in seinem 4. Leitsatz aber präzisierte:
"Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse.
Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder durch Einsparmöglichkeiten des Leistungsempfängers gedeckt werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung auch nicht von einer Bagatellgrenze etwa von 10 % des Regelsatzes auszugehen. Vielmehr können, abhängig von Eigenart, Häufigkeit und der Dauer des zu tragenden Bedarfs auch geringere Belastungen unzumutbar und damit unabweisbar sein (vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn 86). Schließlich muss bei Bedarfen, die, wie vorliegend ein Bedarf für Mobilität, anteilig in die Regelsatzberechnung eingeflossen sind, eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf gegeben sein.
Nach Ansicht der Kammer ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Unstrittig dürfte sein, dass es sich bei über Jahre nahezu wöchentlich anfallenden Transportkosten um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handelt. Umstritten ist, ob es sich bei Fahrtkosten zu einer ambulanten medizinischen Behandlung um einen besonderen unabweisbaren Bedarf handeln kann, oder ob dieser, soweit er nicht durch das System der Krankenversicherung abgefangen wird, jedenfalls durch den Regelsatz umfasst ist und keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellen kann.
b) Nach Überzeugung der Kammer ist bzgl. eines des zusätzlich beantragten Teils der monatlichen Fahrtkosten der Klägerin zu 1 auch ein unabweisbarer besonderer Bedarf gegeben. Die Kosten werden nicht und sind auch nicht von einem Dritten, wie zum Beispiel einem anderen Leistungsträger, zu decken. Denn der Anspruch auf einen Mehrbedarf ist vorliegend nicht durch SGB V ausgeschlossen, da die streitgegenständlichen Mobilitätskosten dort schon dem Grunde nach nicht geleistet werden. Infolgedessen hat die Krankenversicherung den Antrag auch abgewiesen.
aa) Die Übernahme von Transportkosten ist im Krankenversicherungsrecht in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V geregelt. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 12 SGB V 1 beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und soll insbesondere Richtlinien beschließen über die Verordnung von Krankentransporten (Ziff. 12). Letztere unterteilt die Verordnung in Rettungsfahrten, Krankentransporte und Krankenfahrten, wobei die Beförderung zunächst notwendig sein muss im Sinne von § 3 der Richtlinie. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ist Voraus-setzung für die Verordnung von Beförderungsleistungen, dass die Fahrt zwingend medizinisch notwendig ist, andernfalls ist die Verordnung unzulässig. Nur im Ausnahmefall werden auch Fahrten zur ambulanten Behandlung verordnet, dies ist in § 8 der Richtlinie geregelt. Gemäß § 8 Abs. 2 der Richtlinie sind Voraussetzungen für eine Verordnung oder Genehmigung u.a. dass die Behandlung oder der zur Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Gemäß Anlage 2 zur Richtlinie ist dies regelmäßig der Fall bei Dialysebehandlung, onkologischer Strahlentherapie oder Chemotherapie, wobei die Liste nicht abschließend ist.
Aus dieser Liste lässt sich aber verständlich ableiten, dass Beförderungskosten zur ambulanten Behandlung nach dem System des Krankenversicherungsrechts nur gewährt werden sollen, wenn die Beförderung selbst aufgrund besonderer medizinischer Umstände und der Schwere der Krankheit bzw. des Krankheitsverlaufs und der mit der Behandlung einhergehenden gesundheitlichen Belastung nötig ist. Die Beförderung an sich muss auf diese Weise "medizinisch indiziert" sein. Dazu genügt es nicht, dass die Beförderung erforderlich ist, um zu einer Behandlung zu gelangen. Im Grunde sind damit reine Beförderungen zur ambulanten Therapie vom System des SGB V nicht erfasst. Folgerichtig wurden diese Kosten nicht durch die Krankenversicherung übernommen.
bb) Zwar wies der für Krankenversicherungsrecht zuständige erste Senat eine Klage auf Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab (vgl. Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 24/10 R) und stellte in seinem dritten Leitsatz fest: "Benötigen Versicherte krankheitsbedingt Mittel, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum."
In den Gründen (a.a.O., Rn 33 ff.) führte er weiter aus: "Das Gesetz sieht bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Betroffener in-soweit – ggf. also auch hinsichtlich notwendiger Pflegemittel - Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt. Das trifft hier namentlich auf die Leistungsträger nach SGB II und SGB XII zu." und weiter: " ist es Aufgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen des SGB II und SGB XII, die Gewährleistung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums zu sichern, soweit es - wie dargelegt verfassungskonform - nicht durch den Leistungskatalog der GKV abgedeckt ist. Inwieweit im Einzelnen nicht von der Leistungspflicht der GKV abgedeckte Kosten für medizinisch notwendige Gesundheitspflege, zB für OTC-Präparate, dem verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum unterfallen, in der Regelleistung nach dem SGB II oder XII abgebildet sind oder Mehrbedarfsleistungen auslösen, unterliegt der Beurteilung der für die Grundsicherung und Sozialhilfe zuständigen Senate des BSG (vgl dazu zB BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 13 RdNr 25; vgl auch Ebsen SDSRV Nr 56, S 133, 142 ff)."
Dies bedeutet aber auch, dass der erste Senat jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass neben Leistungen des SGB V auch Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II angebracht sein können in Fällen, in denen eine Leistung aus der Krankenversicherung nur des-halb nicht und in Übereinstimmung mit der Verfassung übernommen wird, weil der Leistungskatalog aus Kostengründen eng gehalten wird. Der erste Senat lies dabei offen, ob solche Leistungen im Regelbedarf enthalten oder als Mehrbedarf zu leisten sein würden und verwies diesbezüglich auf die Entscheidungskompetenz der für Fragen der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII zuständigen Senate beim BSG.
cc) Vor diesem Hintergrund entschied der 14. Senat des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 146/10 R), dass jedenfalls verschreibungsfreie Medikamente im Regelsatz enthalten sein müssten, weil ansonsten das abschließende System des SGB V durchbrochen würde. In seinem Leitsatz führte es aus:
"Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe."
In diesen Fällen wird durch die verschreibungsfreien Medikamente die Krankheit unmittelbar behandelt, so dass eine "ureigenste" Leistung des SGB V dem Grunde nach gegeben ist. Wenn dann das SGB V gemäß seinem § 34 diese Leistungen von seinem System verfassungskonform ausschließt ist nachvollziehbar, dass dies nicht im Rahmen des SGB II durchbrochen werden soll. Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob nicht auch in diesem System in besonderen Härtefällen Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II gegeben sein können. In dem Fall, den das BSG noch zur Rechtslage vor Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II (daher zu § 73 SGB XII analog) zu entscheiden hatte, lag (unabhängig von dem grundsätzlichen Ausspruch im Leitsatz) schon deshalb kein unabweisbarer Bedarf vor, weil die monatlichen Kosten (mit unter 20,00 EUR) relativ gering blieben und ggf. Einsparmöglichkeiten bestehen. Bzgl. des kategorischen Ausschlusses von Mehrbedarfen hat die Kammer Bedenken, kann die Frage vorliegend allerdings deshalb offen lassen, weil hier jedenfalls ein anderer Sachverhalt, nämlich die Übernahme von Fahrtkosten und nicht von Medikamenten zu entscheiden ist. Die Gegenstände sind nach Auffassung der Kammer weder identisch noch vergleichbar.
dd) Vorliegend ist nach Überzeugung der Kammer gerade kein Fall gegeben, der vergleichbar mit der Konstellation wäre, den das Bundessozialgericht in seinem Urteil zu den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten entschieden hat.
Bei den Klägern im vorliegenden Verfahren liegt gerade kein Fall medizinisch indizierter Fahrtkosten vor, die unter engen Voraussetzungen durch die Krankenversicherung übernommen werden, sondern reine Mobilitätskosten, denn der Transport ist eben nicht aus medizinischen Gründen (also aufgrund des Krankheitszustands der Kläger, siehe oben unter 2b, aa), sondern allein aufgrund der Entfernung nötig. Die Kosten der Klägerin sind zudem insoweit erst recht nicht medizinisch indiziert, insoweit sie den Kläger nur begleitet, der zu jung ist, um diese Strecke mit Umsteigen allein zu bewältigen. Dies gilt im Übrigen nach der Rechtsprechung so lange, wie auch ein im Übrigen gesundes Kind die Begleitung benötigen würde (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 18.06.2015, Az.: S 62 (41, 50) SO 296/08 zu einem Fall der Begleitung auf dem Schulweg gemäß § 64 Abs. 4 SGB XII). Hier ist die Kammer der Auffassung, dass einem noch nicht 14-jährigen Kind ein Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln über mehrere Zonen und mit mehrfachem Umsteigen nicht allein zumutbar ist. Diese Kosten werden grundsätzlich nicht vom System des SGB V abgedeckt, was sich aus der Rechtsprechung des ersten Senats auch so ergibt. Dem steht das Urteil des 14. Senats jedenfalls nicht ausdrücklich entgegen.
Die Kammer teilt daher nicht die vom Sächsischen Landessozialgericht ausdrücklich vertretene Auffassung, dass Fahrtkosten zur ambulanten Therapie, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten seien (vgl. Beschluss vom 25.09.2013, Az.: L 7 AS 83/12 NZB). Das Landessozialgericht sah in seinem Beschluss zu einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen zu der Frage der Übernahmefähigkeit der Transportkosten zur ambulanten Therapie, da es davon ausging, dass auch diese Frage durch die Urteile des ersten und 14. Senats des Bundessozialgerichts (mit-)beantwortet sei und kein klärungsbedürftiger Wider-spruch zur erstinstanzlichen Entscheidung vorliege.
Die Kammer vermag dieses Verständnis der Urteile des ersten und 14. Senates nicht zu teilen. Sie erkennt gerade keinen Wertungswiderspruch, wenn Bedarfe, die im Regelsatz enthalten sind, im konkreten (Härte-)Fall aber die entsprechenden Anteile dauerhaft, regelmäßig und erheblich übersteigen und daher auch nicht angespart werden können, als Mehrbedarf übernommen werden, zumal der erste Senat dies ausdrücklich offen lässt. Solch erhöhte Bedarfe können im Regelsatz nicht enthalten sein, was aber gerade nicht bedeutet, dass die Höhe des Regelsatzes angegriffen würde. Denn es handelt sich eben gerade nicht um einen üblichen durchschnittlichen Bedarf, den allein der Regelsatz abbilden soll. Andernfalls ist nicht vorstellbar, in welchen Fällen der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II noch zur Anwendung kommen soll. So standen in dem durch das LSG entschiedenen Fall letztlich monatliche Fahrtkosten für den selbstgenutzten PKW von ca. 200,00 EUR (nach Abzug einer Leasingrate) im Streit. Der Kammer ist nicht erklärlich, wie dieser monatlich anfallende Bedarf durch Einsparungen noch gedeckt werden könnte.
Vielmehr verhält es sich nach Auffassung der Kammer gerade hier so, dass der typische Anwendungsfall eines Mehrbedarfs dann gegeben ist, wenn die wiederkehrenden Kosten so hoch sind, dass die dauerhafte Übernahme durch den Leistungsempfänger durch Umschichtung nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Eine grundsätzliche Kollision mit dem System der Krankenversicherung vermag die Kammer nicht zu erkennen, da das andere Sozialleistungssystem solche Kosten schon dem Grunde nach nicht übernimmt.
c) Die Klägerin zu 1 hat auch einen Anspruch auf vollständige Übernahme der mit den Fahrten zu den Therapien verbundenen zusätzlichen Kosten. Die Unabweisbarkeit des Bedarfes hängt auch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von den konkreten Kosten ab.
aa) Vorliegend begehrt die Klägerin zu 1 für sich für den gesamten Bewilligungsabschnitt 188,60 EUR (mithin monatlich durchschnittlich ca. 31,43 EUR), und den Kläger zu 2 36,40 EUR (monatlich im Schnitt ca. 6,07 EUR).
Diese Beträge ergaben sich im konkreten streitgegenständlichen Zeitraum aus den Kosten für 4er-Streifenkarten in Höhe von 5,20 EUR für das Kind (Aufstockung für 1 Hin- und Rückfahrt) sowie 8,20 EUR für die Klägerin zu 1 (Aufstockung für 2 Hin- und Rückfahrt). Ausweislich der schriftlichen Übersichten der Therapeuten zu den tatsächlichen Behandlungsterminen im streitgegenständlichen Zeitraum fielen für den Kläger zu 2 14 (Hin- und Rück-)Fahrten und für die Klägerin zu 1 und Mutter die Begleitung zu diesen Terminen zuzüglich der eigenen 32 Termine, insgesamt also 46 Fahrten an.
Insgesamt sind in dieser Zeit demnach für den Kläger zu 2 Kosten in Höhe von 36,40 (14 x 5,20 EUR), und für die Mutter und Klägerin zu 1 in Höhe von 188,60 EUR (46: 2 = 23 x 8,20 EUR = 188.60 EUR) entstanden. Diese Kosten sind durchwegs zusätzlich zu bereits getätigten Ausgaben für Verkehr aus dem Regelbedarf der Klägerin zu 1 in Höhe von ca. 80,00 EUR monatlich und des Klägers zu 2 in Höhe von 15,00 EUR monatlich.
bb) Ein besonderer unabweisbarer Bedarf kann gemäß § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls nur entstehen, soweit der im Regelsatz pauschal veranschlagte Anteil übertroffen wird (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn. 39). Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass der Regelsatzanteil für Verkehr durchaus grundsätzlich einzusetzen ist, da in dieser Höhe eben kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass jeder Mensch ein gewisses persönliches Lebensrisiko für seine individuelle Situation trägt, die sehr verschieden ist und im Regelsatz weder abgebildet werden kann, noch soll.
Gemäß § 5 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII i.V.m. § 20 Abs. 5 SGB II RBEG beträgt der Anteil für die Abteilung 7 "Verkehr" für erwachsene alleinstehende Leistungsbezieher im Jahr 2011 22,78 EUR und im Jahr 2014 24,62 EUR und damit nach Berechnung der Kammer etwa 6,25 % des Regelsatzes. Da die Klägerin zu 1 aber bereits monatlich ca. 80,00 EUR für die Monatskarte für Zone 1 und 2 aufwendete und schon damit den Regelsatzanteil für Verkehr erheblich überschritt, also offenbar bereits Einsparmöglichkeiten ausschöpfte, liegen die beantragten Kosten jedenfalls erheblich über dem im Regelsatz vorgesehenen Anteil. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich im vorliegenden Einzelfall daher bei jedweder "Zuzahlung" um eine erhebliche Abweichung vom Regelsatz, zumal sie eben nicht einmalig sondern alle Monate und über Jahre hinweg wieder aufzuwenden ist.
Dieser jedenfalls auch den Pauschalsatz übersteigende Bedarf ist auch deshalb unabweisbar, weil er nicht durch Einsparmöglichkeiten aufgefangen werden kann. Zwar ist der Regelsatz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II eigenverantwortlich individuell einzusetzen und die Leistungsbezieher sind insoweit frei aber auch gehalten, je nach individuellem Bedarf innerhalb des Regelsatzes Ausgabenpositionen zu verschieben. Dies ist aber schon denklogisch nur bis zu einer gewissen Grenze möglich, die in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt wird. Insoweit wurde in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur allerdings darauf hingewiesen, dass nicht etwa von der durch die Bundesagentur für Arbeit in Anlehnung an die Regelung zur Erstattung von Darlehen gemäß § 42a SGB II festgelegte "Bagatellgrenze" von 10 % ausgegangen werden kann (vgl. Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 49. UPD 08/2016, § 21 Mehrbedarfe, Rn 68), sondern dass diese, zudem abhängig von den Umständen des Einzelfalls auch erheblich geringer und auch schon bei 5% des Regelsatzes überschritten sein kann (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn. 39), gerade weil der Bedarf laufend entsteht.
Vorliegend kann schon deshalb bzgl. der Klägerin zu 1 nicht mehr von Einsparmöglichkeiten ausgegangen werden, weil sie bereits erheblich höhere Fahrtkosten allein übernimmt, als im Regelsatz rechnerisch enthalten sind. Auch aus Einkommen ergeben sich keine weiteren Möglichkeiten, da dieses bis auf die Bereinigung durch die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR ohnehin bereits voll auf den Bedarf angerechnet wird.
Unabhängig davon ist vorliegend auch schon bei einem über den Regelsatzanteil hinausgehenden Mehrbedarf in Höhe von ca. 8 % des Regelsatzes aus Sicht der Kammer die "Bagatellgrenze" zudem jedenfalls überschritten und eine weitere Umschichtung des Regelsatzes nicht zumutbar, denn Einsparmöglichkeiten sind nicht dauerhaft gegeben. Ein Verweis der Klägerin zu 1 auf evtl. Einsparpotential aus dem Regelsatz ist nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht zuzumuten, weil das theoretische Einsparpotential, das in den Regelsatz abstrakt eingerechnet wurde, nahezu vollständig aufgebraucht würde, so dass über Jahre hinweg keine weitere Möglichkeit besteht, andere Rücklagen für ggf. erforderliche größere Anschaffungen zu bilden. Dies ist schon nicht zumutbar, unabhängig davon, dass vorliegend das Einsparpotential jedenfalls durch die Monatskarte aufgebraucht ist.
Die Klägerin zu 1 hat im Ergebnis Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten für die Aufstockung der Monatskarte, mithin für die Zeit von April bis September 2014 insgesamt 188,60 EUR.
3. Bzgl. des Klägers zu 2 war die Klage jedoch vollumfänglich abzuweisen, da kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist.
Zwar schließt die Kammer auch bzgl. des selbst behandlungsbedürftigen Klägers zu 2 einen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nach dem SGB II nicht grundsätzlich aus. Allerdings mangelt es aufgrund der relativ geringen monatlichen Kosten an einen unabweisbaren besonderen Bedarf.
Gemäß § 6 RBEG sind im Regelsatz der Kläger im Jahr 2011 je 14,00 EUR und im Jahr 2014 je 19,86 EUR für Verkehr, also für Beförderungskosten enthalten und mithin ca. 5,5 % des Regelbedarfs gemäß § 23 Ziff. 1 SGB II, der im streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger zu 2 261,00 EUR betrug. Der Regelsatzanteil ist wiederum für den Transport zur ambulanten Behandlung einzusetzen und nicht für andere "allgemeine" Transportkosten vorzuhalten.
Der Kläger zu 2 finanziert monatlich bereits mit 15,00 EUR eine Monatskarte. Die zusätzlichen Kosten für deren Aufstockung für Fahrten zur ambulanten Therapie betragen im Monat durchschnittlich 6,07 EUR, so dass der Kläger monatlich ca. 21,06 EUR für Transport ausgibt und somit den rechnerisch im Regelsatz vorgesehenen Anteil nur um 1,20 EUR, also um 0,5 % des Regelsatzes übersteigt. Dieser Mehrbedarf ist so gering, dass er nach Ansicht der Kammer keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellt, da er durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann.
Die Klage des Klägers zu 2 war daher abzuweisen."
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Das Urteil wurde dem Beklagten am 23.12.2016 zugestellt. Am 19.01.2017 hat der Beklagte Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Bei den begehrten Fahrtkosten handele es sich nicht um einen unabweisbaren besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Es kämen vielmehr Leistungen der zuständigen Krankenkasse zum Tragen, da es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit einer medizinisch notwendigen Leistung handele, für die der Beklagte nicht zuständig sei. Dies habe der Senat in seiner Entscheidung vom 25.09.2013, L 7 AS 83/12 NZB wohl ebenso gesehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.12.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Schriftsätzen vom 14.10.2020 und vom 04.11.2020 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärten, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 weitere Leistungen in Höhe von 188,60 EUR als laufenden, unabweisbaren Mehrbedarf zu bewilligen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, welchen sich der Senat anschließt.
Nur ergänzend ist aus Sicht des Senats auszuführen, dass der Bedarf der Klägerin nicht deswegen unabweisbar ist, weil grundsätzlich die GKV leistungspflichtig wäre.
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung eines Eigenanteils, wie etwa nach § 29 Abs. 2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden. In ersterem Fall sieht § 62 SGB V auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und § 29 Abs. 2 SGB V fordert den Eigenanteil an der kieferorthopädischen Versorgung als Vorleistung des Versicherten bis zum endgültigen Abschluss der Behandlung ohne Ausnahme. SGB II-Leistungsempfänger haben demnach Zuzahlungen und die Vorleistung des Eigenanteils aus dem Regelbedarf zu erbringen. Werden, wie im zweiten Fall, Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, kann aber grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 R – juris, Rn. 22).
Der grundsätzliche Ausschluss der Übernahme der Fahrtkosten der Klägerin zur ambulanten ärztlichen Behandlung ist der zweiten Fallgruppe zuzuordnen, so dass ein Anspruch auf Mehrbedarfsleistung nach dem SGB II nicht ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Übernahme von Kosten von medizinisch Notwendigem durch die GKV von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und Fahrtkosten zu notwendigen Behandlungen aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich entfernt. Diese werden nur noch in eng definierten Ausnahmefällen von der GKV übernommen und zwar dann, wenn der Transport selbst medizinisch indiziert ist, was hier nicht der Fall ist. Deswegen muss sich die Klägerin auch nicht auf einen aussichtslosen Rechtstreit mit der GKV verweisen lassen.
An seiner anderslautenden Entscheidung vom 25.09.2013, L 7 AS 83/12 NZB (Einzelrichter) hält der Senat nicht länger fest (wie hier auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2020, L 3 AS 3212/18 – juris).
Die Berufung des Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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